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Kostenrechnungssysteme


Inhaltsübersicht
I. Grundsätzliches
II. Traditionelle Kostenrechnung
III. Strategische Kostenrechnung
IV. Selektive Kostenrechnung

I. Grundsätzliches


1. Begriff und Aufgaben


Das betriebswirtschaftliche Rechnungswesen besteht aus dem externen Rechnungswesen mit der Buchhaltung (incl. Jahresabschluss) und dem internen Rechnungswesen mit der Kostenrechnung. Letztere bildet den betrieblichen Leistungsprozess mit bewertetem Güterverbrauch (Kosten) und bewertetem Güterzuwachs (Betriebsertrag, Leistung) ab. So muss grundsätzlich von einer Kosten- und Erlös- bzw. Leistungsrechnung gesprochen werden.
Die Aufgaben der Kostenrechnung liegen in der Gewinnung erfolgswirtschaftlicher Informationen – bei grundsätzlich drei Hauptaufgaben: (a) Preiskalkulation und Preisbeurteilung auf Basis von Herstellkosten und Herstellungskosten sowie Selbstkosten, (b) Erfolgsermittlung und (c) Wirtschaftlichkeitskontrolle.

2. Gliederungs- und Gestaltungskriterien

a) Objekt- und Phasenbezug


Die Kostenrechnung weist je nach Objektbezug – Betrieb, Bereich, Produkt, Faktor oder Prozess – unterschiedliche Phasen auf: (a) In der Kostenartenrechnung werden die Kosten einer Periode in Abgrenzung zu Aufwendungen nach Kostenarten (d.h. faktorspezifisch) für den Gesamtbetrieb erfasst. (b) In der Kostenstellenrechnung werden die Kostenarten –  zumeist nur die den Produkten nicht direkt zurechenbaren Produktgemeinkosten – bereichsspezifisch zugeordnet. (c) In der Kostenträgerstückrechnung werden die Kosten (Produkteinzelkosten der Kostenartenrechnung und Produktgemeinkosten aus der Kostenstellenrechnung) den Produkten zugeordnet, um Selbstkosten bzw. Herstellkosten und Herstellungskosten zu ermitteln. (d) Mit der Kostenträgerzeitrechnung werden zum Zwecke der Erfolgsermittlung Kosten und Erlöse (Betriebserträge) gegenübergestellt – (1) bei dem Gesamtkostenverfahren unterschiedlich differenziert nach Produktarten bei den Erträgen (Umsatz zzgl. Bestandsveränderungen an Halb- und Fertigprodukten) und nach Faktorarten gem. Übernahme aus der Kostenartenrechnung und (2) bei dem Umsatzkostenverfahren die Erträge und Kosten differenziert nach Produktarten. Kostenarten-, Kostenstellen- und Kostenträgerzeitrechnung sind Periodenrechnungen, die Kostenträgerstückrechnung ist hingegen eine Stückrechnung jeweils mit Bezug auf die Rechnungslegungsperiode.

b) Verrechnungsmodalitäten


Die Verrechnung von Kosten erfolgt nach festen Grundprinzipien der Kostenrechnung: (a) Nach dem Verursachungs- oder Kausalitätsprinzip dürfen Kosten nur so verrechnet werden, wie diese von den jeweiligen Bezugsgrößen unmittelbar verursacht werden. In der Kostenträgerstückrechnung sind den Produkten nur die variablen Kosten zuzuordnen, da diese von der Produktmengeneinheit verursacht worden sind und sich mit ihrer Anzahl verändern. (b) Nach dem Zurechnungsprinzip werden den jeweiligen Bezugsgrößen nur deren Einzelkosten zugeordnet. Entscheidend ist die Zuordnung des Mengengerüsts (Güterverbrauchs). (c) Sofern jedoch sämtliche Kosten über alle Phasen der Kostenrechnung verrechnet werden sollen, sind auch Gemeinkosten – in Bezug auf unterschiedliche Bezugsgrößen: Periode, Produkt, Kostenstelle – nach dem Durchschnittsprinzip oder auch nach dem Tragfähigkeitsprinzip anteilig zu verteilen.
Je nach Verrechnungsumfang wird differenziert nach Vollkostenrechnung/Teilkostenrechnung: Während (a) bei der Vollkostenrechnung sämtliche Kosten – sowohl Einzel- und Gemeinkosten als auch variable und fixe Kosten – in allen Phasen der Kostenrechnung und damit auf das Produkt verrechnet werden, werden (b) mit der Teilkostenrechnung in den Phasen der Kostenstellen- und Kostenträgerrechnung den jeweiligen Bezugsgrößen (Kostenstellen, Produkte) (1) nur die diesen Bezugsobjekten direkt zurechenbaren Kosten (Einzelkosten) als Relative Einzelkostenrechnung oder (2) die von diesen Bezugsgrößen direkt verursachten variablen Kosten als „ direct costing “ oder Grenzkostenrechnung zugerechnet. Die Wahl von Voll- oder Teilkostenrechnung hängt ab von den für die jeweilige Entscheidung (z.B. Preispolitik, Preisgrenzen) relevanten Kosten: Operative Entscheidungen (z.B. kurzfristige Preisuntergrenze) basieren vorwiegend auf Teilkostenrechnungen, strategische Entscheidungen (z.B. langfristige Preisuntergrenze) hingegen auf Vollkostenrechnungen.

c) Zeitbezug


Während (a) die Istkostenrechnung tatsächlich angefallene Kosten der Vorperiode erfasst und verrechnet, rechnet (b) die Normalkostenrechnung mit vergangenheitsorientierten „ normalisierten “ Werten – zumeist bei Verteilung von Gemeinkosten in der Kostenstellen- und Kostenträgerrechnung auf der Basis „ normalisierter “ Verteilungsschlüssel (wie Zuschlagssätze), um die Kostenabrechnung zu beschleunigen und „ Zufälligkeiten “ zu glätten. Mit (c) der Plankostenrechnung werden künftige Kosten in ihrem Mengengerüst (Faktormengen) und Wertgerüst (Faktorpreise, Kostenbewertung) in Abhängigkeit ihrer geplanten Kosteneinflussgrößen geplant.
Plankosten – pro Kostenart, Kostenstelle oder Kostenträger – sind Entscheidungsgrundlage und Messlatte für Kostenkontrollen auf Basis einer der Plankostenrechnung gleich strukturierten Istkostenrechnung.

II. Traditionelle Kostenrechnung


1. Voll- und Teilkostenrechnung

a) Vollkostenrechnung


Die traditionelle Vollkostenrechnung verrechnet sämtliche Kosten der Kostenartenrechnung auf Produkte als Kostenträger. Während Produkteinzelkosten aus der Kostenartenrechnung unmittelbar in die Kostenträgerrechnung übernommen und den Produkten direkt zugerechnet werden können, müssen Produktgemeinkosten über eine Kostenstellenrechnung mit Hilfe verschiedener Schlüsselungen anteilig auf Kostenträger verteilt werden: (a) bei der Verteilung von Gemeinkosten auf die jeweilige Bezugsgröße, d.h. bei der Verteilung von Kostenstellengemeinkosten auf einzelne Kostenstellen – sowohl bei der Primärkostenrechnung als auch bei der Sekundärkostenrechnung (innerbetriebliche Leistungsverrechnung) – und (b) bei der Verteilung der Endkosten der Kostenstellenrechnung als Produktgemeinkosten auf die Produktarten und -mengen. Die anteilige Verteilung erfolgt über Mengen- und Wertgrößen: (a) in der Kostenstellenrechnung z.B. Raumflächen und innerbetriebliche Leistungsmengen oder (b) in der Kostenträgerrechnung z.B. Produkteinzelkosten und -herstellkosten (Zuschlagskalkulation), Fertigungszeiten (Zeitkostenrechnung) oder Produktmengen (Divisionskalkulation) mit verschiedenen Modifizierungen.
Die Schwächen der Zuschlagskalkulation lassen sich teilweise mit der Prozesskostenrechnung vermeiden. Produktgemeinkosten werden über Aktivitäten und Teilprozesse Kostenstellen übergreifenden Hauptprozessen zugeordnet; diese Prozesskosten werden den Produkten in der Kostenträgerrechnung über deren Prozessinanspruchnahme zugerechnet.
Vollkostenrechnungssysteme verstoßen grundsätzlich gegen das Zurechnungs- und Verursachungsprinzip, wenn Gemeinkosten nach dem Durchschnitts- oder Tragfähigkeitsprinzip anteilig verrechnet und dabei Fixkosten proportionalisiert werden.

b) Teilkostenrechnung


Systeme der Teilkostenrechnung verrechnen auf die Produkte (a) in einer Einzelkostenrechnung nach dem Zurechnungsprinzip nur die Produkteinzelkosten – ohne die Produktgemeinkosten – oder (b) in einer Grenzkostenrechnung nach dem Verursachungsprinzip nur die variablen Kosten. In der Betriebserfolgsrechnung nach dem Umsatzkostenverfahren werden über die Produktabsatzmengen die Stückdeckungsbeiträge als Saldo zwischen Absatzpreis und Produkteinzelkosten bzw. variablen Kosten aggregiert zum Gesamtdeckungsbeitrag; nach Abzug der Gemeinkosten bzw. der Fixkosten ergibt sich der Betriebserfolg. Eine solche einstufige Deckungsbeitragsrechnung wird zu einer mehrstufigen Deckungsbeitragsrechnung erweitert. Hier werden von einem zuvor ermittelten produktspezifischen Deckungsbeitrag I sukzessiv verschiedenen Bezugsgrößen wie Produktart, Produktgruppe, Kostenstelle, Geschäftsbereich und schließlich dem Gesamtunternehmen zugerechnete (a) Einzelkosten (als Produktgemeinkosten) oder (b) Fixkosten (mehrstufige Fixkostendeckungsrechnung) abgezogen, um Deckungsbeiträge II, III usw. als Deckungsbeiträge höherer Ordnung mit Bezug zu den verschiedenen Bezugsgrößen zu ermitteln. In einer mehrdimensionalen Absatzsegmentrechnung sind Aggregationen von Deckungsbeiträgen mit sukzessivem Abzug von Einzelkosten oder Fixkosten auch über Absatzgebiets- oder Kundensegmente möglich.
Entscheidungen auf Basis relevanter Kosten und Deckungsbeiträge bei unterschiedlichem Zeithorizont entsprechend der Disponibilität der stufenweise zugerechneten Kosten betreffen Produktpreise und -programme, Kunden und Absatzwege, aber auch innerbetrieblich relevante Fragestellungen der Kapazitätsgestaltung und Verfahrenswahl.
Teilkostenrechnungssysteme erfordern eine unterschiedliche Gestaltung der Kostenstellenrechnung. Im Rahmen einer Relativen Einzelkostenrechnung (vgl. Riebel, P.  1994, S. 520 f.) dürfen den Kostenstellen nur Stelleneinzelkosten zugeordnet werden – sowohl in der Primärkostenbelastung als auch bei der Sekundärkostenverrechnung (innerbetriebliche Leistungsverrechnung). In der mehrstufigen Fixkostendeckungsrechnung werden die Fixkosten den Kostenstellen als Stelleneinzel- und anteilige Stellengemeinkosten zugeordnet und hier entsprechend ihrer Abhängigkeit von Beschäftigungsveränderungen dieser Kostenstellen als variable oder fixe Kosten ausgewiesen; mit der innerbetrieblichen Leistungsverrechnung werden nur variable Kosten verrechnet und den zu belastenden Kostenstellen als variable oder fixe Kosten zugewiesen. Variable Gemeinkosten werden aus der Kostenstellenrechnung in die Kostenträgerrechnung für die Kalkulation übernommen.
Bei Strukturierung der Kostenstellen sind die Bezugsgrößen der mehrstufigen Deckungsbeitragsrechnung zu beachten: Kostenstellen sind nach Produktart, Produktgruppe, Geschäftsbereich oder Absatzgebiet und Kundensegment oder schließlich Gesamtunternehmen zu strukturieren.

2. Ist- und Plankostenrechnung

a) Istkostenrechnung


Die Istkostenrechnung dient (a) der Dokumentation zum Zwecke einer Nachkalkulation von Leistungen bei der Bewertung in Handels- und Steuerbilanz sowie für die Preisfestsetzung (z.B. bei Kalkulation öffentlicher Aufträge nach LSÖ/LSP) oder (b) im Controlling zur Kostenkontrolle von Plan- oder Sollkosten, um gegenüber der Kostenplanung Abweichungen ermitteln und in einer Abweichungsauswertung analysieren zu können. Istkostenrechnungssysteme sind als Voll- und Teilkostenrechnung möglich.

b) Plankostenrechnung


Im Mittelpunkt steht die Kostenstellenrechnung, um Produkteinzel- und -gemeinkosten kostenstellenspezifisch in Abhängigkeit von verschiedenen Kosteneinflussgrößen zu planen. Bei einer starren Plankostenrechnung erfolgt die Kostenplanung einer Kostenstelle auf Basis einer festen Planbeschäftigung (Planausbringung, Planfertigungszeit); die Kostenvorgabe erfolgt als starres Budget. In einer flexiblen Plankostenrechnung werden Kostenbudgets in Abhängigkeit von der jeweiligen Beschäftigung unter Berücksichtigung der meist linearen Anpassung von variablen Kosten bei konstanten Fixkosten innerhalb gegebener Kapazität flexibel vorgegeben. Über die Planbeschäftigung nach dem Durchschnittsprinzip proportionalisierte Plankosten sind bei der jeweiligen Beschäftigung die über diese Beschäftigung kalkulatorisch verrechneten Plankosten; unter Berücksichtigung unveränderter Fixkosten bei linearem variablen Kostenverlauf unterschiedlicher Beschäftigung angepasste Kostenbudgets stellen Sollkosten dar. Die Plankostenrechnung lässt sich als Vollkostenrechnung (Vollplankostenrechnung) oder als Teilkostenrechnung (z.B. als Grenzplankostenrechnung) durchführen. In der Grenzplankostenrechnung werden variable und fixe Kosten getrennt geplant, die Kalkulation berücksichtigt nur variable Kosten, verrechnete Plankosten und Sollkosten sind hier identisch (vgl. Kilger, W.  1993, S. 57 ff.).
Die flexible Plankostenrechnung unterscheidet (a) Plankosten als Grundlage der Plankalkulation und (b) Sollkosten als flexible Kostenvorgabe bei alternativer Beschäftigung für die Kostenstellenleitung. Die Gegenüberstellung von Istkosten und Plan-/Sollkosten zeigt Kostenabweichungen, die nach Abweichungsauswertung Anlass für Gegensteuerungsmaßnahmen im Sinne einer Feed-back-Regelung des operativen Controlling sind: Sind Sollkosten größer (kleiner) als verrechnete Plankosten, so liegt eine kalkulatorische Unterdeckung (Überdeckung) der Fixkosten vor, die auf eine gegenüber der Planung geringere (größere) Beschäftigung zurückzuführen ist; diese Beschäftigungsabweichungen sind Anlass zu kapazitativen Anpassungen mit Veränderung der Fixkosten. Sind Istkosten größer (kleiner) als Sollkosten, so liegt der Kostenanfall infolge Faktormehrverbrauchs (-minderverbrauchs) über (unter) den flexiblen Budgets; diese Verbrauchsabweichungen sollen im Fall eines Mehrverbrauchs zu Einsparungen führen und im Fall eines Minderverbrauchs Planrevidierungen veranlassen. Faktorpreise als Kosteneinflussgrößen und auf Preisabweichungen zurückzuführende Kostenabweichungen werden meist über Verrechnungspreise außerhalb der Betriebsplankostenrechnung gesondert ausgewiesen.

III. Strategische Kostenrechnung


Traditionelle Kostenrechnungssysteme unterstützen im operativen Controlling ein Kostenmanagement bei gegebenen Strukturen und Potenzialen, die selbst aber im Strategischen Controlling wiederum Objekt langfristiger Steuerung sind. Eine strategische Kostenrechnung soll strategische Entscheidungen meist über zu verändernde Strukturen, Kapazitäten oder Potenziale unterstützen. In dieser strategischen Kostenrechnung sind komplexe sachliche und zeitliche Verbundwirkungen kostenrechnerisch zu berücksichtigen (vgl. Schweitzer, M./Küpper, H.-U.  1998, S. 695 ff.) – vorwiegend mit Ausrichtung auf die Wertkette, insbes. auf Kunden oder andere Stakeholder, bei Einbeziehung struktureller Kostentreiber sowie unter Einbeziehung der strategischen Positionierung.
Mit der Investitionskostenrechnung wird die erfolgswirtschaftliche Vorteilhaftigkeit einer Kapitalbindung in ein langfristig zu nutzendes Wirtschaftsgut (Investitionsobjekt) ermittelt, indem investitionsbezogene Kapazitäts- und Nutzungskosten den zuzuordnenden betrieblichen Erträgen (bei Erweiterungsinvestitionen) oder Kosteneinsparungen (bei Rationalisierungsinvestitionen) gegenübergestellt werden. Eine Investitionskostenrechnung ist einer zahlungsstromorientierten Investitionsrechnung aber nur dann vorzuziehen, wenn kalkulatorische Aspekte im Vordergrund stehen.
Mit der Differenzkostenrechnung bzw. Differenzerfolgsrechnung (vgl. Holzwarth, J.  1993, S. 210 ff.) werden strategiebedingte Veränderungen von betrieblichen Strukturen, Kapazitäten und Potenzialen in ihren erfolgswirtschaftlichen Auswirkungen dargestellt. Die durch eine Handlungsalternative im Vergleich zur Unterlassensalternative bewirkten marginalen Kosten und Erträge werden über den relevanten Zeitraum gegenübergestellt.
Im Lebenszykluskosten- und -erlösmanagement werden mit der Produktlebenszykluskostenrechnung periodenübergreifend unter Einbeziehung von Produktionszyklus (Produktentwicklung, Produktion, Vertrieb), Marktzyklus (Einführung, Wachstum, Reife, Schrumpfung) und Konsumentenzyklus (Kauf/Investition, Nutzung, Verkauf/Desinvestition) phasenspezifische Kosten (und Erträge) ermittelt, um (a) auch Vor- und Nachlaufkosten verursachungsgerecht in die Produktkalkulation zu übernehmen, (b) diese Vor- und Nachlaufkosten im Sinne einer Periodenabgrenzung betriebswirtschaftlich – d.h. außerhalb der Handels- und Steuerbilanz – „ aktivieren “ oder „ passivieren “ zu können und (c) ganzheitlich die gesamten Produktkosten zu optimieren, wobei Produktions- und Vertriebskosten zu Vorlaufkosten oder Kosten im Konsumentenzyklus zum Produktionszyklus verschoben werden können.
Im Qualitätsmanagement unterstützt die Qualitätskostenrechnung Optimierungen in Bezug auf die Qualität (als Erfüllungsgrad von geforderten oder vereinbarten Anfordungen) der Produkte (Prozesse, Arbeitsbedingungen, Umfeldbeziehungen). Qualitätskosten (als Kostenart oder Kosten von Kostenstellen und Prozessen bzw. als Opportunitätskosten) entstehen als Kosten der Übereinstimmung (Fehlerverhütungs-, teilweise Prüfkosten) und als Kosten der Abweichung (teilweise Prüfkosten, Fehlerkosten, Fehlerfolgekosten). Qualitätskosten entstammen nicht direkt einer laufenden Kostenrechnung, wenn z.B. bei den Fehlerfolgekosten neben internen Kosten für innerbetriebliche Nachbearbeitung auch externe Kosten durch Gewähr- und Kulanzleistungen sowie Opportunitätskosten aus entgangenen Deckungsbeiträgen durch abwandernde Kunden einbezogen werden.
Eine strategisch ausgerichtete Variantenkostenrechnung will in Ergänzung zu einer merkmalsbezogenen Kalkulation von Produktvarianten auf Basis z.B. einer Prozesskostenrechnung Alternativen von Produktvarianten in Kosten-Nutzen-Betrachtungen bewerten. In einer Marginalbetrachtung (Differenzerfolgsrechnung) werden von der Variantenvielfalt abhängige Kosten der gesamten Wertkette den hiermit korrespondierenden, auch potenziellen Erträgen durch Marktausweitung bzw. den Opportunitätskosten bei Markteinschränkung gegenübergestellt.
Mit der Transaktionskostenrechnung werden projektbezogen die Kosten von Marktpartnerbeziehungen auf dem Beschaffungs- und Absatzmarkt identifiziert und zugerechnet, um bei unterschiedlichen Marktkonstellationen optimale Kooperationsvorhaben (marktliche Kaufverträge, Kooperationsverträge, langfristige Arbeitsverträge) zu ermitteln. Transaktionskosten sind die für deren Anbahnung, Vereinbarung, Abwicklung, Kontrolle und Anpassung entstehenden bewerteten Güterverbräuche.
Andere Beispiele sind Projektkostenrechnung, Target Costing, Erfolgspotenzialrechnung oder Umweltkostenrechnung.

IV. Selektive Kostenrechnung


1.  „ Offenheit “ statt „ Geschlossenheit “


Entscheidungsorientierte Kostenrechnungssysteme müssen zunehmend offen sein für mehrdimensionale, im voraus nicht standardisierte Fragestellungen. In einer zweckpluralen Grundrechnung sind Kosten- und Leistungs- sowie Erlösdaten für eine Vielzahl möglicher Verrechnungen und Auswertungen offen – d.h. universell auswertbar – und objektiv – d.h. personenunabhängig zu übereinstimmenden zahlenmäßigen Ergebnissen kommend – vorzuhalten. Neue Informationssysteme mit (a) Datenbankebene zur Vorhaltung von zweckpluralen Grunddaten, (b) Applikationsebene mit der betriebswirtschaftlichen Logik (auch der Kostenrechnung) und (c) Präsentationsebene mit grafischer Aufbereitung der Informationsdarstellung ermöglichen die Realisierung solch offener Kostenrechnungssysteme. Die neuere Unternehmensrechnungssoftware und Controlling-Software tragen dieser Entwicklung Rechnung.

2. Data-Warehouse-Konzept


Eine zweckplurale Grundrechnung liefert (a) mehrdimensionale strukturierte Kosten- und Leistungsdaten mit einer großen Zahl der in Auswertungsrechnungen benötigten Bezugsobjekte und (b) verrechnungsfreie Daten ohne auswertungszweckabhängige Verrechnungen, die (c) einfach auswertbar sind. Die Grundrechnung tritt an die Stelle der Kostenartenrechnung; die Kostenstellen- und Kostenträgerrechnung sind periodische Auswertungsrechnungen, die von der Grundrechnung zweckorientiert abgeleitet werden.
Als moderne Variante der zweckpluralen Grundrechnung werden in zentralen Datenbanken nach dem Data Warehouse-Konzept Daten nach Importierung aus administrativen Vorsystemen zweckneutral gespeichert. Wenn im allgemeinen Sprachgebrauch mit Data Warehouse auch oft nur die zentrale Datenbasis bezeichnet wird, so werden an diese besondere Anforderungen in Bezug auf Verfügbarkeit und Zugriffsgeschwindigkeit gestellt.
In der Kostenrechnung werden nach dem Data Warehouse-Konzept strukturierte Datenbanksysteme intensiv eingesetzt. Beschreibende Merkmale sind der betriebswirtschaftliche Inhalt wie Kostenart, fixe oder variable Kosten, Bindungsfrist bzw. Abbaufähigkeit von fixen Kosten, Deckungsbeitrag usw. einer bestimmten Ausprägung wie Plan, Soll oder Ist; identifizierende Zurechnungsobjekte sind die Unternehmensstruktur (Geschäftsbereiche, Kostenstellen), Produktstruktur (Produktgruppe, Artikel), Regionalstruktur, Kundenstruktur oder Zeitstruktur (Monat, Quartal, Jahr).

3. Selektive Verrechnungen und Auswertungen


Selektive mehrdimensionale Verrechnungen und Auswertungen für unterschiedliche Fragestellungen stellen an eine selektive Kostenrechnung (a) betriebswirtschaftliche und informationstechnische Anforderungen, (b) konzeptionelle, funktionale und modellbezogene Anforderungen sowie (c) Anforderungen an eine hohe struktur- und auswertungsbezogene Flexibilität. Für unterschiedliche Verrechnungen und Auswertungen ist eine Vielzahl von betriebswirtschaftlichen Modellen und Methoden (wie z.B. aus der Kostenrechnung oder Investitionsrechnung) aus einem Methodenbanksystem abzurufen und mit den in dem Datenbanksystem vorgehaltenen Daten zu verknüpfen. Wichtig ist eine hohe Flexibilität, um diese Auswertungen – aber auch betriebswirtschaftliche Verrechnungen wie z.B. in der Kostenrechnung  – mit Bezug auf unterschiedliche und auch wechselnd neue Organisationsstrukturen und Fragestellungen vorzunehmen. Entscheidungsträgern wird die Möglichkeit gegeben, multidimensionale situationsabhängige Verrechnungen, Auswertungen und Berichte ad hoc zu generieren.
Solche fallweise selektive Verrechnungen und Auswertungen werden u.a. durch On-Line Analytical Processing (OLAP) als Konzept zur multidimensionalen Datenverrechnung und -auswertung ermöglicht. So ist die Deckungsbeitragsrechnung – auch im Plan-Ist-Vergleich – eine typische OLAP-Anwendung mit unterschiedlichen Bezugsgrößen auf unterschiedlicher Aggregationsebene.
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Wildemann, Horst : Kosten- und Leistungsrechnung für präventive Qualitätssicherungssysteme, München 1995
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