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Verrechnungspreise


Inhaltsübersicht
I. Grundlagen
II. Typen von Verrechnungspreisen
III. Organisatorische Rahmenbedingungen

I. Grundlagen


1. Verrechnungspreise in der Organisation des Unternehmens


Verrechnungspreise sind Wertansätze für innerbetrieblich erstellte Leistungen, die von einem Unternehmensbereich erstellt und von einem anderen Unternehmensbereich bezogen werden. Alternativ wird die Bezeichnung Transferpreise vor allem für interne Preise von zwischenbetrieblichen Produkttransfers verwendet, der Begriff Verrechnungspreis steht dann für die Preise interner Dienstleistungen. Früher war der Begriff Lenkpreise stärker in Verwendung, der zum Ausdruck bringt, dass mit diesen Preisen eine Lenkung oder Steuerung des Managements der Unternehmensbereiche erfolgen soll.
Verrechnungspreise sind ein wichtiges Gestaltungselement der Organisation eines Unternehmens. Bedarf nach ihnen entsteht bei einer dezentralen Organisationsstruktur, in der es zum Austausch von Leistungen unter selbstständigen Bereichen kommt. Üblich ist dabei die Organisation in Profit Center, es sind aber auch Cost Center- oder Investment Center-Organisationen denkbar. Handelt es sich bei mindestens einem Bereich um eine rechtlich vom Unternehmen getrennte selbstständige Einheit innerhalb eines Konzerns, so ergeben sich daraus Einschränkungen für die Gestaltung von Verrechnungspreisen. Denn an den Gewinn der rechtlich selbstständigen Einheiten sind sowohl handelsrechtliche als auch steuerrechtliche Konsequenzen geknüpft. Insbesondere die Finanzverwaltungen haben Kriterien für Verrechnungspreise entwickelt, die auf tatsächliche oder konstruierte Preise zwischen unabhängigen und willigen Partnern abstellen.
Aus organisatorischer Sicht fingieren Verrechnungspreise einen Markt für die betreffenden Leistungen, der durch die Organisation des Unternehmens als hierarchische Einheit gerade ausgeschlossen wurde (vgl. Frese, E.  2000, S. 232 ff.; Neus, W.  1997). Dabei muss allerdings bedacht werden, dass die Integration der Bereiche in das Unternehmen offenbar ökonomisch vorteilhaft ist, denn sonst könnte man auf die Koordinationsfähigkeit des Marktes vertrauen und das Unternehmen in seine Einzelteile zerlegen. Die Vorteile bestehen in Synergien, die über den Markt alleine nicht erzielbar sind.

2. Funktionen von Verrechnungspreisen


Verrechnungspreise können viele Funktionen erfüllen. Die beiden wichtigsten Funktionen sind (vgl. Ewert, R./Wagenhofer, A.  2000, S. 587 ff.):

-

Ermittlung des Erfolgs der Bereiche: Verrechnungspreise bilden Erlöse des leistenden Bereichs und Einstandskosten des beziehenden Bereichs. Dadurch wird ersichtlich, welcher Bereich wie viel zum gesamten erzielten Erfolg beigetragen hat und welcher Bereich Verluste und welcher Gewinne macht. Die Erfolgsermittlung dient als Grundlage für viele Entscheidungen des Management des Unternehmens, z.B. über Mittelallokationen an die Bereiche, und für die Leistungsbeurteilung des Bereichsmanagements. Sie stellt auch Kostentransparenz und Kostenbewusstsein in den Bereichen sicher.

-

Koordination, Lenkung und Steuerung des Bereichsmanagements: Da die Bereiche selbstständig unternehmerisch agieren sollen, achten sie nur auf die Auswirkungen ihrer Entscheidungen auf ihren eigenen Bereich und nicht auf Externalitäten, die dadurch in anderen Bereichen entstehen können. Mit dem Verrechnungspreis können diese Effekte dem Bereich zumindest zum Teil angelastet werden und die Bereichsmanager dazu motiviert werden, Entscheidungen im Sinne des Gesamtunternehmens zu treffen.


Daneben gibt es noch eine Reihe untergeordneter Funktionen, wie die Kalkulation von Leistungen, die Ermittlung von Entscheidungsgrundlagen, die Preisrechtfertigung, die bilanzielle Bewertung von unfertigen und fertigen Gegenständen, die Steuerpolitik sowie die Vereinfachung von Rechnungen durch Verwendung normalisierter Größen.
Die Möglichkeit von Konflikten zwischen den Funktionen ist evident. Die bessere Erfüllung einer der Funktionen führt i.d.R. dazu, dass andere Funktionen schlechter erfüllt werden können. Die Festlegung von Verrechnungspreisen erfordert daher ein Abwägen der Auswirkungen auf die verschiedenen im Unternehmen für wichtig erachteten Funktionen.

II. Typen von Verrechnungspreisen


In Theorie und Praxis haben sich drei Typen von Verrechnungspreisen herausgebildet, die nach dem wesentlichen Anknüpfungspunkt differenzieren. Die marktorientierten und kostenorientierten Verrechnungspreise werden i.d.R. zentral festgesetzt, verhandlungsbasierte Verrechnungspreise dezentral. Die Typenbildung ist nicht überschneidungsfrei, weil Verrechnungspreise oft Merkmale mehrerer Typen aufweisen. In empirischen Untersuchungen über die praktische Verwendung zeigt sich ein Übergewicht kostenorientierter Verrechnungspreise, gefolgt von marktorientierten und verhandlungsbasierten Verrechnungspreisen (vgl. zu einer Übersicht über empirische Studien Kreuter, A.  1997, S. 39 ff.). Dabei werden jedoch selten die spezifischen organisatorischen Details erfasst, und so liefern solche Ergebnisse nur erste Einsichten in die Hintergründe der Verwendung.

1. Marktorientierte Verrechnungspreise


Besteht für das Zwischenprodukt oder die innerbetriebliche Leistung ein Absatzmarkt, kann der Marktpreis entweder direkt oder modifiziert als Verrechnungspreis dienen. Damit wird der extern vorhandene Markt in das Unternehmen gebracht. Bei weitgehend vollkommenen Märkten, was u.a. viele Anbieter und Nachfrager sowie ein homogenes Gut voraussetzt, ist der Marktpreis der optimale Verrechnungspreis (vgl. Hirshleifer, J.  1956). In der Praxis sind die Märkte aber meist unvollkommen. Innerbetriebliche Leistungen sind häufig spezifisch auf den Bedarf im Unternehmen zugeschnitten und nicht direkt am Markt verfügbar, und Marktpreise sind oft nicht einheitlich, sondern von vielen Bedingungen abhängig. Dann ist offen, welcher Marktpreis als Verrechnungspreis verwendet werden soll. Der Markt wird ja nicht tatsächlich, sondern nur fiktiv genutzt. Damit kommt ein wesentlicher Vorteil der Verwendung von Marktpreisen als Verrechnungspreis, die Objektivierbarkeit, nur selten voll zum Tragen.
Der Marktpreis erfüllt die Erfolgsermittlungsfunktion, wobei als Messlatte der Markt dient. Der Erfolg wird so gemessen, als ob die Bereiche selbstständig am Markt agierten. Dies funktioniert jedoch nur solange, als es keine Synergieeffekte zwischen den Bereichen gibt. Synergien umfassen u.a. die Ersparnis an Kosten, die bei Auftritt am externen Markt entstünden, wie z.B. Qualitätskontrollen, Transport- und sonstige Vertriebskosten. Solche Kosten verbessern für beide Bereiche den internen Leistungstransfer relativ zur Marktalternative. Bestehen Synergien, können diese mit dem Marktpreis als Verrechnungspreis regelmäßig nicht ausgeschöpft werden. Die Lenkungsfunktion wird damit nicht vollständig erfüllt.
Infolge der Synergien gibt es einen gewissen Spielraum für die Festlegung des Verrechnungspreises, sodass er noch die Tätigung von aus Sicht des Unternehmens erfolgversprechenden internen Transaktionen gewährleistet. Dieser Spielraum kann für Modifikationen genutzt werden. Modifizierte Marktpreise können z.B. darin bestehen, dass der Verrechnungspreis als Marktpreis abzüglich der bei interner Leistung entfallenden zusätzlichen Vertriebskosten ermittelt wird. Damit wird der leistende Bereich trotz interner Leistung gleich wie bei Leistung an den Markt gestellt. Gleichzeitig bewirkt dies jedoch, dass der gesamte Vorteil aus der internen anstelle der externen Leistung beim beziehenden Bereich anfällt. Dies kann u.U. Sinn machen, wenn dadurch die (interne) Marktmacht des leistenden Bereichs reduziert werden soll. Für die Erfolgsermittlung bedeuten Modifikationen jedoch regelmäßig eine gewisse Willkür für die Aufteilung des Gesamtgewinns auf die betroffenen Bereiche.

2. Kostenorientierte Verrechnungspreise


Verrechnungspreise können auch anhand der Kosten festgelegt werden. Dabei treten mehrere Fragen auf:

-

In welchem Umfang sollen Kosten berücksichtigt werden?

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Sollen Istkosten oder Standardkosten verwendet werden?

-

Soll zusätzlich zu den Kosten auch ein Gewinnaufschlag angesetzt werden?

a) Grenzkosten und Vollkosten


Grenzkosten werden häufig als die Lösung für Lenkungsaufgaben angesehen (vgl. bereits Hirshleifer, J.  1956). Damit ist i.d.R. die sachliche Koordination gemeint. Angenommen, das Unternehmen erzeugt x Stück Endprodukte, die am Absatzmarkt zu einem Preis p(x) mit p\'(x) < 0 verkauft werden. Ein Stück des Endprodukts erfordert genau ein Stück eines Zwischenprodukts, das der leistende Bereich erzeugt. Seine Kostenfunktion K1(x) wie auch die des beziehenden Bereichs K2(x) sind konvex. Der Gewinn des Unternehmens lautet
G(x) = p(x)·x – K1(x) – K2(x)
Der liefernde Bereich maximiert G1(x) = v·x – K1(x), der beziehende Bereich maximiert G2(x) = p(x)·x – v·x – K2(x), wobei v den Verrechnungspreis symbolisiert. Setzt man als Verrechnungspreis die Grenzkosten des liefernden Bereichs bei der zentral optimalen Menge x*, v = K1 ´(x*), ermitteln beide Bereiche dezentral dieselbe optimale Produktionsmenge x*. Damit wird das Lenkungsproblem allerdings nur scheinbar gelöst. Die Zentrale muss nämlich die optimale Menge x* kennen, und dazu muss sie das Problem vorab lösen. Der beziehende Bereich erhält i.d.R. den gesamten Vorteil aus der gemeinsamen Leistung, während dem liefernden Bereich nur ein Teil der Kosten ersetzt wird. Damit wird die Erfolgsermittlungsfunktion nicht sinnvoll erfüllt.
Wird der Verrechnungspreis in Höhe der Vollkosten des leistenden Bereichs festgelegt, erhält dieser gerade seine Produktionskosten ersetzt. In der Praxis ist dieser Typ von Verrechnungspreis sehr beliebt. Er entspricht der typischen Vorgehensweise einer Kostenstellenrechnung auf Basis der Vollkosten. Die Kostenzurechnung ist eine Form von Verrechnungspreisen für innerbetriebliche Leistungen zwischen Kostenstellen. Als Grundlage für Entscheidungen sind die Vollkosten allerdings nur wenig geeignet. Sie umfassen auch Kosten, die für die Entscheidung nicht relevant sind, sie schwanken in Abhängigkeit vom Beschäftigungsgrad, und die Zurechnung ist aufgrund der erforderlichen Schlüsselungen in gewissem Umfang willkürlich. Vollkosten können allenfalls als Approximation der langfristig veränderlichen Kosten dienen.
Werden die Leistungen mit ihren Vollkosten weiter verrechnet, ermittelt der leistende Bereich immer einen Erfolg von null, der gesamte erzielte Gewinn entsteht beim beziehenden Bereich. Damit ist die Erfolgsermittlungsfunktion nicht erfüllt. Beim beziehenden Bereich ergibt sich eine verfälsche Kostenstruktur, da die Fixkosten des leistenden Bereichs, die in den Vollkosten enthalten sind, bei ihm als variable Einstandskosten aufscheinen und die Entscheidungssituation verzerren.
Eine Verbesserung schaffen zweistufige Verrechnungspreise, bei denen die laufenden Leistungen zu Grenzkosten verrechnet werden und periodisch ein einmaliger Betrag geleistet wird, der z.B. die Fixkosten abdecken kann (vgl. Poensgen, O.H.  1973, S. 513 ff.).

b) Istkosten und Standardkosten


Ein Verrechnungspreis auf Basis der Istkosten deckt genau die im leistenden Bereich entstandenen Kosten (Grenzkosten oder Vollkosten) ab. Dadurch besteht kein Anreiz zu einer wirtschaftlichen Leistungserstellung. Auf Basis von Standardkosten werden die geplanten Kosten verrechnet, eine Kostenabweichung bleibt beim leistenden Bereich hängen. Dadurch sind die Kosten des beziehenden Bereichs besser planbar. Ein möglicher Nachteil der Standardkosten besteht darin, dass der beziehende Bereich von tatsächlichen Kostenabweichungen insoweit isoliert wird, sodass er keinen Anreiz hat, seinerseits darauf zu reagieren und mögliche Anpassungsentscheidungen zu treffen (vgl. Ewert, R./Wagenhofer, A.  2000, S. 605).

c) Kosten und Gewinnaufschlag


Verrechnungspreise können neben den Kosten auch einen Gewinnaufschlag beinhalten. Die Idee ist, den beziehenden Bereich wie einen externen Kunden zu behandeln. Gerade bei individuellen Leistungen, etwa bei Auftragsfertigung, werden auf diese Art „ Marktpreise “ ermittelt. Ein Vorteil besteht darin, dass der leistende Bereich nun auch einen Gewinn erzielen kann. Der Nachteil ist jedoch, dass diese Gewinne noch nicht realisiert sind, sondern beim beziehenden Bereich als Einstandskosten erscheinen und dessen Entscheidungsbasis verzerren.
Es lässt sich allerdings zeigen, dass Kosten mit Gewinnaufschlag die optimale Lösung für Steuerungsprobleme darstellen, in denen der leistende Bereich private Information über seine Produktivität besitzt. Der Gewinnaufschlag stellt sicher, dass der Bereich bei höherer Produktivität diese auch zum Vorteil des Unternehmens nutzt (vgl. Amershi, A.H./Cheng, P.  1990; Vaysman, I.  1996; Wagenhofer, A.  1992).

d) Duale Verrechnungspreise


Bei dualen Verrechnungspreisen erhält der leistende Bereich einen anderen Verrechnungspreis als denjenigen, den der beziehende Bereich zahlt. Der leistende Bereich erhält den Deckungsbeitrag vor Abzug der Kosten der internen Leistung, und der beziehende Bereich zahlt die Vollkosten des leistenden Bereichs (vgl. Ronen, J./McKinney, G.  1970). Dadurch werden die Gewinnfunktionen der beiden Bereiche identisch mit der Gesamtgewinnfunktion. Beide gelangen daher auch zu den optimalen Mengenentscheidungen. Da aber beide Bereiche den gleich hohen Gewinn ermitteln, wird die Erfolgsermittlungsfunktion untergraben. Duale Verrechnungspreise stoßen in der Praxis auf mangelnde Akzeptanz, weil es erstens zwei verschiedene Verrechnungspreise gibt, und zweitens die Differenz eine Art Subvention durch die Zentrale ist.

3. Verhandlungsbasierte Verrechnungspreise


Die Zentrale kann es den betroffenen Bereichen anheim stellen, die Verrechnungspreise selbst auszuhandeln. Dies kann zu Beginn jedes Budgetzeitraums (z.B. in Form von Leistungsvereinbarungen) oder fallweise für jede Leistung erfolgen. Die Bereiche genießen dadurch die größtmögliche Autonomie, sie können ihre bessere Information über die Sachlage verwenden, um zu einer sinnvollen Lösung zu gelangen. Allerdings hängt der Verrechnungspreis von der Verhandlungsmacht (die über organisatorische Rahmenbedingungen von der Zentrale beeinflusst werden kann) und dem Verhandlungsgeschick der Bereichsmanager ab. Es kann zu innerbetrieblichen Konflikten kommen, die auch auf andere Entscheidungen ausstrahlen. Die Zentrale sieht dafür häufig eine Schlichtungsstelle vor.
Verhandlungsbasierte Verrechnungspreise haben den Nachteil, dass sie ex ante ungenügende Anreize zu bereichsspezifischen Investitionen geben ( „ hold-up “ -Problem). Denn die Kosten der spezifischen Investitionen trägt der investierende Bereich, während der Erfolg daraus je nach Verhandlungssituation i.d.R. beiden Bereichen je zum Teil zugute kommt. Inwieweit kostenorientierte Verrechnungspreise, die ex post zu ineffizienten Mengen führen können, günstiger sind, hängt von der jeweiligen Konstellation ab (vgl. Baldenius, T.  2000; Baldenius, T./Reichelstein, S.  1998).

4. Verrechnungspreise zur Verhaltenssteuerung


Die bisherigen Typen von Verrechnungspreisen orientierten sich an Marktpreisen, an Kosten der Leistungserstellung oder gehen von einer Einigung der betroffenen Bereiche aus. Es wurde jedoch bereits erkennbar, dass für die personelle Koordination von Entscheidungen der Bereichsmanager alle diese Typen ihre Tücken haben. Soll die Koordinationsfunktion gut erfüllt werden, ist es oft notwendig, Verrechnungspreise festzulegen, die zunächst keinem dieser drei Typen zuordenbar sind. Die Steuerung zur personellen Koordination erfordert die Berücksichtigung individueller Präferenzen und besserer Informationsstände von Bereichsmanagern. Die neueren Ansätze zur Verrechnungspreisermittlung beziehen deshalb explizit Unsicherheit und asymmetrisch verteilte Information sowie mögliche Interessenkonflikte ein. Sie basieren auf Modellen der Agency-Theory und der Spieltheorie, womit die Informations- und Koordinationsfunktion abgebildet werden kann (vgl. Christensen, J./Demski, J.S.  1998). Sie zeigen auch, dass Verrechnungspreissysteme nicht unabhängig von der dezentralen Organisation und von Anreizsystemen gestaltet werden können (vgl. Holmström, B./Tirole, J.  1991).
Angenommen, ein Bereichsmanager ist an einer Umsatzausweitung interessiert, weil er sich von einem umsatzstarken Bereich z.B. mehr Macht und Prestige verspricht. Die Zentrale kann gegensteuern, indem sie den Verrechnungspreis für einen innerbetrieblich erzeugten Inputfaktor sehr hoch ansetzt. Dadurch „ kostet “ die Umsatzsteigerungsstrategie den Manager des beziehenden Bereichs mehr und bewirkt ein Eindämmen der Tendenz zur Umsatzsteigerung (vgl. Ewert, R./Wagenhofer, A.  2000, S. 634 ff.).
Durch den Verrechnungspreis kann der Wettbewerb zweier abnehmender Bereiche am Markt beeinflusst werden. Angenommen, die Bereiche erzeugen am Markt konkurrierende Produkte. Sie verhalten sich wie unabhängige Konkurrenten und setzen meist aus Sicht der Zentrale zu geringe Preise. Durch ein Heben des Verrechnungspreises für eine interne Leistung, die beide benötigen, kann der Preiswettbewerb gemildert werden (vgl. Wagenhofer, A.  1995). Verrechnungspreise können auch als Instrument der Selbstbindung des Unternehmens gegenüber externen Konkurrenten eingesetzt werden, weniger starken Preiswettbewerb zu betreiben (vgl. Göx, R.F.  1999). Dies setzt voraus, dass der Verrechnungspreis von außen beobachtbar ist (vgl. Schiller, U.  2000). An diesen Beispielen lässt sich auch zeigen, dass der Verrechnungspreis durch seine Steuerungsfunktion einen produktiven Effekt hat, indem er den Gesamtgewinn des Unternehmens erhöht. Gleichzeitig weist er aber auch einen distributiven Effekt auf, indem er diesen Gesamtgewinn in ganz bestimmter Weise auf die betroffenen Bereiche aufteilt. Die Erfolgsermittlungsfunktion kann daher nicht getrennt von der Steuerungsfunktion gesehen werden.
Damit ein Verrechnungspreis eine solche Verhaltenssteuerungsfunktion ausübt, muss er von den betroffenen Bereichsmanagern akzeptiert (und nicht ignoriert) werden. Die Orientierung an Marktpreisen und Kosten kann nun als Begründung für den Verrechnungspreis dienen. Welche Kosten enthalten sind und welche nicht, wie sie zugeordnet werden, welche Zu- und Abschläge bei Marktpreisen vorgenommen werden usw., ist daher zielgerichtet in Bezug auf die gewünschte Höhe des Verrechnungspreises zu sehen. Die „ Berechnung “ des Verrechnungspreises erhält überwiegend Rechtfertigungsfunktion (vgl. Wagenhofer, A.  1998). Voraussetzung ist allerdings, dass sich die Zentrale darüber bewusst ist, welche Anreize sie schaffen, stärken oder verhindern möchte, und mit welcher Höhe des Verrechnungspreises dies möglich ist.

III. Organisatorische Rahmenbedingungen


Bei der Gestaltung von Verrechnungspreissystemen treten Themen auf, die über die Bestimmung der Höhe des Verrechnungspreises hinausgehen. So muss definiert werden, wer für die Festlegung des Verrechnungspreises zuständig ist, welchen Gültigkeitszeitraum er hat und wann er neu festgelegt wird. Dies hängt vom wirtschaftlichen Umfeld und dessen Dynamik genauso ab wie von Art und Umfang der innerbetrieblichen Leistungsbeziehungen.
Der Verrechnungspreis ist auch im Zusammenhang mit dem Entscheidungsspielraum zu sehen, den ein Bereichsmanager hat. Dazu gehören u.a. die folgenden Überlegungen (vgl. auch Eccles, R.F.  1985, S. 77 ff.; Poensgen, O.H.  1973, S. 469 ff.; Coenenberg, A.G.  1999, S. 536 ff.):

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Gibt es Beschränkungen der Inanspruchnahme von Leistungen externer Anbieter bzw. Abnahmeverpflichtungen gegenüber internen Bereichen?

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Gibt es Beschränkungen der Leistungsverwertung an externe Nachfrager bzw. Leistungsverpflichtungen gegenüber einem internen Nachfrager?

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Bestehen Prioritätsregeln für Leistungen dafür, inwieweit zuerst ein interner oder ein externer Bedarf erfüllt wird?

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Kann ein Bereich in einen beabsichtigten Auftrag eines anderen Bereiches mit einem Externen einsteigen?

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Darf ein Bereich eine Leistung, die ein anderer Bereich erzeugt, auch selbst herstellen?

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Wie ist bei Reklamationen über interne Leistungen vorzugehen?

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Welche Informationen müssen wann und wie häufig an andere Bereiche gegeben werden?


Mittels solcher Rahmenbedingungen (Spielregeln) können die Funktionen und Anreize von Verrechnungspreisen angepasst werden, und es wird Einfluss auf die Verhandlungsmacht der Bereiche ausgeübt.
Literatur:
Amershi, Amin H./Cheng, Peter : Intrafirm Resource Allocation: The Economics of Transfer Pricing and Cost Allocation in Accounting, in: Contemporary Accounting Research, Jg. 7, 1990, S. 61 – 99
Baldenius, Tim : Intrafirm Trade, Bargaining Power, and Specific Investments, in: Review of Accounting Studies, Jg. 5, 2000, S. 27 – 56
Baldenius, Tim/Reichelstein, Stefan : Alternative Verfahren zur Bestimmung innerbetrieblicher Verrechnungspreise, in: ZfbF, Jg. 50, 1998, S. 236 – 259
Christensen, John/Demski, Joel S. : Profit Allocation under Ancillary Trade, in: JAR, Jg. 36, 1998, S. 71 – 89
Coenenberg, Adolf G. : Kostenrechnung und Kostenanalye, Landsberg am Lech, 4. A., 1999
Eccles, Robert F. : The Transfer Pricing Problem, Lexington, MA 1985
Ewert, Ralf/Wagenhofer, Alfred : Interne Unternehmensrechnung, Berlin et al., 4. A., 2000
Frese, Erich : Grundlagen der Organisation, Wiesbaden, 8. A., 2000
Göx, Robert F. : Strategische Transferpreispolitik im Dyopol, Wiesbaden 1999
Hirshleifer, Jack : On the Economics of Transfer Pricing, in: JB, Jg. 56, 1956, S. 172 – 189
Holmström, Bengt/Tirole, Jean : Transfer Pricing and Organizational Form, in: Journal of Law, Economics and Organization, Jg. 7, 1991, S. 201 – 228
Kreuter, Andreas : Verrechnungspreise in Profit-Center-Organisationen, München et al. 1997
Laux, Helmut/Liermann, Felix : Grundlagen der Organisation, Berlin et al., 4. A., 1997
Neus, Werner : Verrechnungspreise – Rekonstruktion des Marktes innerhalb der Unternehmung?, in: DBW, Jg. 57, 1997, S. 38 – 47
Poensgen, Otto H. : Geschäftsbereichsorganisation, Opladen 1973
Ronen, Joshua/McKinney, George : Transfer Pricing for Divisional Autonomy, in: JAR, Jg. 8, 1970, S. 300 – 314
Schiller, Ulf : Strategische Selbstbindung durch Verrechnungspreise?, in: ZfbF, Sonderheft 45/2000, S. 1 – 21
Schmalenbach, Eugen : Pretiale Wirtschaftslenkung. Band 2: Pretiale Lenkung des Betriebs, Bremen, Horn 1948
Vaysman, Igor : A Model of Cost-based Transfer Pricing, in: Review of Accounting Studies, Jg. 1, 1996, S. 73 – 108
Wagenhofer, Alfred : Ermittlung von Verrechnungspreisen für Profit Center, in: KRP, Sonderheft 1/1998, S. 23 – 30
Wagenhofer, Alfred : Verhaltenssteuerung durch Verrechnungspreise, in: Rechnungswesen und EDV – 16. Saarbrücker Arbeitstagung 1995, hrsg. v. Scheer, August-Wilhelm, Heidelberg 1995, S. 281 – 301
Wagenhofer, Alfred : Verrechnungspreise zur Koordination bei Informationsasymmetrie, in: Controlling – Grundlagen, Informationssysteme, Anwendungen, hrsg. v. Spremann, Klaus/Zur, Eberhard, Wiesbaden 1992, S. 637 – 656

 

 


 

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