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Vertriebskosten


Inhaltsübersicht
I. Inhalt und Bedeutung der Vertriebskosten
II. Vertriebskosten in der Kosten- und Erlösrechnung
III. Vertriebskosten im Einzelabschluss
IV. Vertriebskosten im Konzernabschluss
V. Vertriebskosten in der Internationalen Rechnungslegung
VI. Vertriebskosten in der Prüfung

I. Inhalt und Bedeutung der Vertriebskosten


Vertrieb als entgeltliche Verwertung von Sachgütern und Dienstleistungen durch ein Unternehmen am Markt stellt eine Grundfunktion unternehmerischer Tätigkeit dar. Die hierbei in den Vertriebsabteilungen und im Zusammenhang mit dem Vertrieb entstehenden Kosten können in Einzel- und Gemeinkosten untergliedert werden. Durch zunehmende Wettbewerbsintensität und Umweltdynamik, die sich z.B. zeigt in erhöhter Internationalisierung, wachsender Marktorientierung, steigender Programmkomplexität, sinkenden Produkt- und Prozesslebenszyklen mit immer schnellerer Marktanpassung, einem Wandel der ergebnisbeeinflussenden Faktoren, ergibt sich eine umfassende Kundenorientierung. Daraus resultieren auch erhöhte Anforderungen an den Vertrieb. Durch Verschärfung des Wettbewerbs auf nationalen und internationalen Märkten wachsen ebenfalls die vom Vertrieb zu erfüllenden Aufgaben. Entsprechend steigen die dafür erforderlichen Personal- und Sachkosten.
Die Kosten- und Erlösrechnung als internes Instrument des Unternehmens dient dem Zweck, die Kosten (in Gegenüberstellung zu den Erlösen) und ihre Einflussfaktoren zu erkennen, ihre Höhe zu quantifizieren, um auf dieser Grundlage Einfluss auf ihre Reduzierung (Minimierung) – und damit Maximierung des Betriebsergebnisses – auszuüben. Hierfür werden Kostenarten- und Kostenstellenrechnungen im Vertrieb und die vielfach globale Behandlung als Vertriebsgemeinkosten in der Kostenträgerrechnung neu gestaltet. Dies betrifft in Analogie zu den Funktionen der Kostenrechnung insbesondere entscheidungsorientierte, ferner dispositive sowie kontrollierende Aufgaben.

II. Vertriebskosten in der Kosten- und Erlösrechnung


1. Kostenarten und Kostenstellen des Vertriebs


Kostenarten des Vertriebs entstehen als Vertriebseinzelkosten (bzw. Sondereinzelkosten des Vertriebs) bei der Realisierung der Vertriebsfunktionen, vor allem für Verkaufsprovisionen, Verkaufslizenzen, Versandverpackung, Transporte und ihre Versicherung, Frachten, Kundendienst, produkt- bzw. auftragsgebundene Marktforschung, Kundenberatung, Angebotserarbeitung, Werbung, Vertriebsfinanzierung i.w.S. (u.a. Kurs-, Kreditsicherung, Skontierung). Häufig werden bestimmte Vertriebseinzelkosten in der Praxis als Gemeinkosten gehandhabt.
Überwiegend als Vertriebsgemeinkosten fallen Kosten für Marktforschung, Werbung einschließlich des Besuchs von Ausstellungen und Messen, Kundenberatung i.A., Fertigerzeugnislager, Verkaufsbüro, Anfragen- und Auftragsbearbeitung, Angebotskalkulation, Statistik, Kreditbearbeitung, Rechnungserteilung, Mahnwesen sowie die Leitung des Gesamtprozesses an.
Kostenstellen des Vertriebs ergeben sich aus der Strukturierung des Unternehmens und den Besonderheiten des Vertriebs bei der Realisierung o.g. Funktionen.
Zur besseren Kontrolle der Wirtschaftlichkeit und damit gezielteren Einflussnahme auf Kosten und folglich Ergebnis ist eine detaillierte Gliederung nach Kostenstellen (Vertriebsleitung, Verkauf, Kundendienst, Werbung, Fertigwarenlager, Versand, Fakturierung) anzustreben.

2. Vertriebskosten in der Kostenträgerrechnung


Die Aufgaben der Kostenträgerrechnung – Bestimmung und Kontrolle des Perioden- und Stückergebnisses, Grundlage der Preispolitik, Preisbeurteilung und Programmpolitik sowie Bewertung von Erzeugnisbeständen – erfordern eine qualifizierte Einbeziehung der Vertriebskosten.
In der Kostenträgerzeitrechnung erfolgt entsprechend handelsrechtlichen Bestimmungen für den Jahresabschluss (§ 255 II HGB) keine Aktivierung, sondern die volle Einbeziehung in die Ergebnisrechnung der jeweiligen Periode. Probleme können bei Langfristfertigung auftreten.
In der Kostenträgerstückrechnung (Kalkulation) ist nach Voll- und Teilkostenrechnung zu unterscheiden. In der Vollkostenrechnung, insbesondere zur Angebotskalkulation und bei der Kalkulation öffentlicher Aufträge, existiert das Problem einer verursachungsgerechten Zurechnung aller Gemeinkosten, auch der des Vertriebs. Im Rahmen der differenzierenden Zuschlagskalkulation werden die Vertriebsgemeinkosten (ebenso wie die Verwaltungs(gemein)kosten) den Herstellkosten hinzugerechnet, um die Selbstkosten zu ermitteln. Häufig erfolgt eine Zurechnung der Vertriebsgemeinkosten (der Periode) auf der Basis der Herstellkosten der hergestellten oder abgesetzten Leistungen derselben Periode. Eine solche Handhabung widerspricht einer verursachungsgerechten Kostenzurechnung, da i.A. keine Proportionalität zwischen Vertriebsgemeinkosten und Herstellkosten besteht und damit die produktbezogene Kalkulation verzerrt werden kann. Das führt häufig zu fehlerhaften Entscheidungen. Um solchen Fehlern entgegenzuwirken, könnte versucht werden, immer mehr Kosten als Einzelkosten direkt zuzurechnen (s. II. 1.), um durch eine funktions- bzw. prozessbezogene Kostenanalyse im Rahmen der Prozesskostenrechnung eine verursachungsgerechtere Kostenzurechnung zu erreichen. Beispielsweise ist es denkbar, ausgewählte o.g. Gemeinkosten (für Auftragsbearbeitung, Angebotskalkulation, Rechnungserteilung, weiterführend für Kundenauftragsabwicklungsprozesse oder Liefer- und Betreuungsprozesse u.a.) nach ablaufenden (Haupt-) Prozessen zu analysieren und auf dieser Grundlage Prozesskostensätze zu ermitteln, die der Kostenzurechnung zugrunde gelegt werden. Ferner ist auch durch Anwendung differenzierterer (variabler) Bezugsgrößen innerhalb einer zu gestaltenden Vertriebskostenstellenhierarchie die qualifiziertere Kostenzurechnung möglich. Hierzu sind erzeugnis-, kunden-, länder- und absatzwegspezifische Vertriebskostenanalysen erforderlich, ebenso nach SGE.
Zur Produktbeurteilung und Programmpolitik wird vielfach auf die fehlerhafte Gemeinkostenschlüsselung verzichtet und auf Teilkostenbasis entschieden. Angewendet werden gemäß Aussageziel die verschiedenen Teilkostenrechnungssysteme.
Wichtiges Führungsinstrument des Ergebniscontrolling in der Praxis ist eine Managementerfolgsrechnung, deren Hauptbestandteil – Verkaufserfolgsrechnung – wie folgt gegliedert ist:
Vertriebskosten
Als Maßstab der Vertriebsfunktionserfüllung sagen die einzelnen Deckungsbeiträge Folgendes aus:

-

Deckungsbeitrag I = Produktbeurteilung;

-

Deckungsbeitrag II = Beurteilung des Erfolgs der Vertriebsmaßnahmen;

-

Deckungsbeitrag III = Beurteilung der Profit-Center-Leistung.


Vorausgesetzt wird bei Anwendung der o.g. Rechnung o.ä. Instrumente eine mehrdimensionale Kostengliederung nach den Merkmalen Beschäftigung (Fixe und variable K.), Zurechenbarkeit (Einzel- und Gemeinkosten) sowie Beeinflussbarkeit. Neben einer solchen sparten- bzw. produktbezogenen Gliederung ist weiterhin eine Detaillierung nach Absatzregionen, Vertriebswegen, Leistungsempfängern u.a. (= Absatzsegmentrechnung) erforderlich.
Mit zunehmendem Umfang der V. und komplexer werdenden Vertriebsprozessen wird eine mehrdimensionale Analyse immer zwingender, um daraufhin Interdependenzen erkennen und beeinflussen zu können. Eine aktive Einflussnahme auf die V. im Rahmen eines umfassenden Kosten- und Leistungsmanagements wird damit immer bedeutsamer.

III. Vertriebskosten im Einzelabschluss


Gemäß § 255 II Satz 6 HGB dürfen Vertriebskosten nicht in die Herstellungskosten (beachte: Unterschied zu Herstellkosten) einbezogen und damit aktiviert werden. Ihr Umsatzbezug entfällt. Das betrifft sowohl Vertriebseinzel- als auch Vertriebsgemeinkosten. Die Regelung gilt in diesem Umfang seit 1985. Hiernach wird ein Wertzuwachs bei hergestellten Erzeugnissen allein durch Erhöhung der Gebrauchseigenschaften aus dem Vorbereitungs- und Fertigungsprozess, nicht aber durch den Vertriebsprozess bewirkt. Dagegen wird eingewandt, dass durch den Vertrieb entscheidende Wirkungen auf Stückzahlen, realisierbare Preise, Gebrauchseigenschaften und Kosten, auch im Fertigungsprozess, ausgeübt werden und damit ein Werteinfluss vorliegt. Dieser Einfluss wird durch zunehmende Kundenorientierung weiter verstärkt. Insofern ist zu erwägen, bestimmte Vertriebskosten bei bereits verkauften Erzeugnissen und Leistungen im Vorratsvermögen zu aktivieren. Dies gilt insbesondere auch für das Aktivierungsverbot der Vertriebskosten bei Auftrags- und langfristiger Einzelfertigung.
In der GuV nach dem Umsatzkostenverfahren werden Vertriebskosten nach § 275 Abs. 3 HGB gesondert ausgewiesen. Sie umfassen alle Material-, Personal- und Abschreibungsaufwendungen sowie sonstige Aufwendungen des Vertriebsbereichs. Innerhalb des Gesamtkostenverfahrens werden die Vertriebskosten unter den einzelnen Aufwandsarten ausgewiesen.

IV. Vertriebskosten im Konzernabschluss


Auch im Konzernabschluss sind Vertriebskosten gem. § 298 I i.V.m. § 255 II HGB nicht aktivierungsfähig. Allerdings resultiert aus dem Konsolidierungsgrundsatz der Fiktion der rechtlichen Einheit, dass Vertriebskosten im Einzel- und Konzernabschluss nicht zwangsläufig übereinstimmen.
Nicht aktivierungsfähig bleiben die Vertriebskosten des liefernden Konzernunternehmens dann, wenn sie auch zu den Vertriebskosten des Konzerns zu rechnen sind (z.B. anteilige Werbeaufwendungen). Zu den aktivierungsfähigen Kosten sind solche Vertriebskosten der einzelnen konzerninternen Lieferer zu zählen, die den Wertminderungen oder den Fertigungs- und Verwaltungskosten des Konzerns zuzurechnen sind (z.B. Abschreibungen auf innerbetrieblich genutzte Transportanlagen). Aktivierungspflichtig sind Vertriebskosten eines Konzernunternehmens im Konzernabschluss dann, wenn sie zu den Material- bzw. Fertigungskosten des Konzerns gehören (z.B. Verpackungsmaterial, Bahnfracht und Versicherung).

V. Vertriebskosten in der Internationalen Rechnungslegung


Ebenso wie nach deutschem Recht dürfen Vertriebskosten auch nach US-GAAP und International Financial Reporting Standards (IFRS) nicht aktiviert werden. Insofern gibt es keine Unterschiede zu den deutschen handelsrechtlichen (§ 255 II S. 6 HGB) bzw. steuerrechtlichen (R 33 II S. 4 EStR) Vorschriften. Bezüglich des Einbeziehungsverbotes von Vertriebskosten in die Bewertung von Vorräten gilt nach US-GAAP: ARB No. 43 (ARB 43, Ch. 4.5A vom Juni 1953 sowie I 78.106A (Current Text, General Standards, Inventory) vom Juni 2005 mit Verweis auf ARB No. 43. Analog bestätigt IAS 2.16 ebenfalls das Einbeziehungsverbot von Vertriebskosten.

VI. Vertriebskosten in der Prüfung


Im Rahmen der Wirtschaftsprüfung ergeben sich bzgl. der Vertriebskosten sowohl nach deutschem Recht als auch nach International Standards on Auditing (ISA) keinerlei Besonderheiten.
Literatur:
Busse von Colbe, W./Ordelheide, D./Gebhardt, G./Pellens, B. : Konzernabschlüsse, 7. A., Wiesbaden 2003
Coenenberg, A. G. : Jahresabschluss und Jahresabschlussanalyse, 20. A., Stuttgart 2005
Deyhle, A. : Controller-Praxis, 1. Bd., 15. A., Gauting/München 2003
Höffgen, E. : Vertriebskosten, in: HWR, 3. A., Stuttgart 1993, Sp. 2076 – 2084
Hummel, S./Männel, W. : Kostenrechnung, 2. Bd., 3. A., Wiesbaden 1983 (Nachdruck 1999)
Hummel, S./Männel, W. : Kostenrechnung, 1. Bd., 4. A., Wiesbaden 1986 (Nachdruck 1999), S. 291 – 299
Kilger, W./Pampel, J./Vikas, K. : Flexible Plankostenrechnung und Deckungsbeitragsrechnung, 11. A., Wiesbaden 2002
KPMG, : International Accounting Standards, Stuttgart 1999
Pellens, B./Fülbier, R./Gasser, J. : Internationale Rechnungslegung, 5. A., Stuttgart 2004
Riebel, P. : Einzelkosten- und Deckungsbeitragsrechnung, 7. A., Wiesbaden 1994

 

 


 

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