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Handwerksbetriebe


Inhaltsübersicht
I. Handwerksbegriff
II. Wesensmerkmale von Handwerksbetrieben
III. Volkswirtschaftliche Bedeutung des Handwerks
IV. Handwerksorganisation

I. Handwerksbegriff


Das Handwerk ist ein äußerst vielseitiger Wirtschaftsbereich, dessen Aufgaben vornehmlich in produzierenden, reparierenden, dienstleistenden und handeltreibenden Tätigkeiten liegen. Handwerksbetriebe bilden damit keinen eigenen Wirtschaftszweig, sondern sind als produzierendes Handwerk dem verarbeitenden Gewerbe bzw. dem Baugewerbe und als Dienstleistungshandwerk dem Handel sowie sonstigen selbstständigen Gewerbetreibenden zuzurechnen. Volkswirtschaftlich ist das Handwerk somit dem sekundären und tertiären Sektor zuzuordnen.
Aufgrund seiner Heterogenität ist eine einheitliche Definition des Handwerks schwierig und kann nicht abschließend erfolgen. Einen Rahmen gibt jedoch das Gesetz zur Ordnung des Handwerks (kurz: Handwerksordnung; HwO) vor (Zentralverband des Deutschens Handwerks, 2005a). Dessen Legaldefinition besagt, dass ein Gewerbebetrieb dann ein Betrieb eines zulassungspflichtigen Handwerks ist, „ ? wenn er handwerksmäßig betrieben wird und ein Gewerbe vollständig umfasst, das in der Anlage A aufgeführt ist, oder Tätigkeiten ausgeübt werden, die für dieses Gewerbe wesentlich sind ? “ (§ 1 Abs. 2, HwO). Ähnlich formuliert sind auch die Legaldefinitionen der Betriebe des zulassungsfreien Handwerks (§ 18 Abs. 2, Satz 1, HwO) und des handwerksähnlichen Gewerbes (§ 18 Abs. 2, Satz 2, HwO).
Gemeinsam ist allen drei Definitionen der HwO die Existenz einer Positivliste, d.h. einer Liste mit Gewerben, die handwerksmäßig betrieben werden können (Gewerke). So umfasst die Anlage A derzeit 41 verschiedene Gewerke des Vollhandwerks, die Anlage B1 53 zulassungsfreie Handwerke und die Anlage B2 57 handwerksähnliche Gewerbe. Die Anlagen unterliegen dem ständigen Wandel und sind somit Ausdruck eines dynamischen Handwerksbegriffs. Einerseits ändern sich die Aufgabenspektren und machen Veränderungen der Berufsbilder notwendig, andererseits sind ihre Veränderungen Resultat des politischen Willens.
Neben der Ausübung eines Gewerbes, das in einer dieser Positivlisten enthalten ist, stellt der handwerksmäßige Betrieb das zweite in der HwO genannte Charakteristikum dar, da in vielen Fällen eine Gewerbeausübung auch in industrieller oder kleingewerblicher Form denkbar ist. Dies gilt insbesondere für das Bau- und Nahrungsmittelhandwerk. Die Handwerksmäßigkeit der Gewerbeausübung ist jedoch weder in der HwO noch in einem anderen Gesetz näher definiert. Sie ergibt sich vielmehr aus den zahlreichen Wesensmerkmalen von Handwerksbetrieben (vgl. Abschnitt II), wobei die einzelnen Merkmale isoliert betrachtet lediglich Indizien für die Handwerksmäßigkeit sein können. Entscheidend ist letztendlich die Gesamtbetrachtung.
Die Handwerksordnung gestattet nur denjenigen natürlichen und juristischen Personen sowie Personengesellschaften den selbstständigen Betrieb eines zulassungspflichtigen Handwerks, die in der Handwerksrolle eingetragen sind (vgl. § 1 Abs. 1, HwO). Voraussetzung für die Eintragung ist das erfolgreiche Ablegen der Meisterprüfung des Inhabers (vgl. § 7 Abs. 1a, HwO) oder eines angestellten Betriebsleiters in dem von ihm zu betreibenden oder in einem mit diesem verwandten Handwerk (vgl. § 7, HwO). Jedoch können aufgrund zahlreicher Ausnahmeregelungen u.a. für Ingenieure, EU-Ausländer und Altgesellen Betriebe auch von Personen ohne Meisterbrief geführt werden, wodurch das Meisterprivileg gelockert wird.
In Meistervorbereitungskursen werden Handwerksgesellen nicht nur tief gehende handwerkliche Fähigkeiten, sondern auch umfassende Kenntnisse auf dem Gebiet der Unternehmensführung vermittelt. Das Ablegen der Meisterprüfung wird als großer Befähigungsnachweis bezeichnet und berechtigt neben der Führung des Meistertitels auch zur Ausbildung von Lehrlingen (kleiner Befähigungsnachweis).

II. Wesensmerkmale von Handwerksbetrieben


1. Allgemeine Kennzeichnung


Handwerksbetriebe sind Wirtschaftseinheiten, die überwiegend erfolgswirtschaftlich geführt werden. Ziel ist es meist, den Arbeitsplatz und eine konstante Einkommensquelle für den Eigentümer zu sichern, d.h. Gewinnmaximierung wird unter der Nebenbedingung der Sicherheit angestrebt. Hinzu kommen weitere, in der Person des Unternehmers begründete, Ziele wie Unabhängigkeit und Selbstverwirklichung (Küpper, Hans-Ulrich 2005, S. 51).
Die überwiegende Zahl der Handwerksbetriebe zählt zu den Klein- und Kleinstbetrieben. Nur 3% aller Betriebe beschäftigen, wie die folgende Tabelle zeigt, mehr als 50 Mitarbeiter und nur 2% erreichen einen Umsatz von über 5 Mio. Euro.
Handwerksbetriebe
Tab. 1: Mitarbeiter und Umsatz von Handwerksbetrieben (Statistisches Bundesamt, 1996, S. 17 und 144)
Bei der Rechtsformwahl haben sich der Handwerkszählung von 1995 (letzte Vollerhebung) zufolge 70% der Betriebe für das Einzelunternehmen entschieden. Großer Beliebtheit erfreut sich zudem die GmbH mit 22% der Betriebe, während die GbR (4%) und sonstige Rechtsformen wenig verbreitet sind (Statistisches Bundesamt, 1996, S. 91).

2. Führung


Die Führung von Handwerksbetrieben liegt zumeist in der Hand des Eigentümers und seiner Familie. Fremdgeschäftsführer sind eher selten und fast ausschließlich in großen Betrieben anzutreffen. Eigentum und Leitung werden in den meisten Fällen innerhalb der Familie weitergegeben, sodass viele Betriebe auf eine lange Familientradition zurückblicken können.
Die zentrale Rolle des Unternehmers spiegelt sich auch in den organisatorischen Strukturen wider. Flache Hierarchien und ein niedriger Delegationsgrad sind typische Kennzeichen eines Handwerksunternehmens. Dies führt zu einer Funktionshäufung sowie zur Konzentration von Entscheidungs- und Weisungsbefugnissen in der Person des Handwerksunternehmers. So ist es nicht verwunderlich, dass in Handwerksbetrieben oftmals ein patriarchalischer Führungsstil vorherrscht.
Neben dem kaufmännischen Teil der Meisterausbildung haben nur etwa 15% der Betriebsinhaber eine weitergehende Qualifikation auf dem Gebiet der Unternehmensführung erworben (Glasl, Markus 2000, S. 104). Nachdem auch die Meisterausbildung in vielen Bereichen keine zwingende Voraussetzung für den Betrieb eines Handwerksunternehmens mehr ist, fehlen den Handwerkern vielfach die notwendigen Kenntnisse über betriebswirtschaftliche Instrumentarien.
Zudem bevorzugen zahlreiche Handwerker die praktische Arbeit gegenüber der Bürotätigkeit, sodass Managementaufgaben teilweise vernachlässigt werden. Informationsbeschaffung mittels eines aussagekräftigen Rechnungswesens fehlt ebenso häufig wie langfristige strategische Planung (Glasl, Markus 2000, S. 81 ff.; Schwarz, Wolfgang 1998, S. 89 ff.). Die Gestaltung des Betriebsablaufs basiert so überwiegend auf Intuition und Erfahrungswissen, im Gegensatz zur Industrie, wo wissenschaftlich fundierte Führungsinstrumente vermehrter zum Einsatz kommen.

3. Finanzen


Handwerksbetriebe zeichnen sich, was ihre Finanzierung betrifft, durch eine sehr enge Beziehung zu ihrer Hausbank aus. Darüber hinaus sind die Unternehmen bestrebt, ihre Unabhängigkeit im Rahmen der Kapitalbeschaffung möglichst weitgehend zu wahren. Schließlich führen Betriebsgrößen- und Rechtsformcharakteristika der Handwerksbetriebe zu einem oftmals eingeschränkten Zugang zu den Kapitalmärkten.
Infolge dessen stellen neben der Selbstfinanzierung der Bank- und der Lieferantenkredit die am meisten genutzten Finanzierungsinstrumente dar. Dahingegen spielen alternative Finanzierungsformen, wie beispielsweise die Beteiligungsfinanzierung und das Factoring nur eine untergeordnete Rolle (Burger, Tobias 2006).
Was das Verhältnis von Eigen- zu Fremdkapital betrifft, sind bei Handwerksbetrieben zudem sehr niedrige Eigenkapitalquoten feststellbar. So erreicht das bilanzielle Eigenkapital bei mehr als 40% der Betriebe nicht einmal ein Zehntel der Bilanzsumme. Dieser Wert ist jedoch nur bedingt mit dem großer Kapitalgesellschaften vergleichbar, denn bei Handwerksbetrieben existieren sehr häufig Haftungsverflechtungen mit dem Privatvermögen, z.B. über die Gestellung von Kreditsicherheiten (Burger, Tobias/Bertram-Pfister, Bernd 2003, S. 13).

4. Personal


Neben dem Inhaber sind häufig auch Familienangehörige im Betrieb beschäftigt. So arbeitet der Ehepartner in zwei von drei Fällen im Unternehmen mit. Dabei übernimmt der Partner zumeist Bürotätigkeiten und/oder den Verkauf. Nur in jedem fünften Betrieb sind auch die Partner handwerklich tätig (Glasl, Markus 2003, S. 15).
Der Anteil der weiblichen Beschäftigten liegt bei rund 30%, wobei deutliche Unterschiede zwischen den Gewerken bestehen. So erreichen Berufe, in denen schwere körperliche Tätigkeiten verrichtet werden müssen, einen deutlich geringeren Frauenanteil als etwa das Friseurhandwerk oder die Lebensmittelhandwerke, in denen Frauen die Majorität der Beschäftigten stellen (Glasl, Markus 2003, S. 18).
Das Qualifikationsniveau der Mitarbeiter ist überwiegend sehr hoch. Bedingt durch die breit angelegte Aus- und Weiterbildung im Handwerk sowie den hohen Stellenwert der betrieblichen Ausbildung findet man im Unterschied zur Industrie überwiegend Generalisten und nur wenige an- bzw. umgelernte Arbeitskräfte (Mecke, Ingo 1999, S. 15).
Aufgrund der zumeist geringen Betriebsgröße existieren i.d.R. sehr enge persönliche Kontakte zwischen allen Mitarbeitern. Dies führt einerseits zu kurzen, informellen Kommunikationswegen und verstärkt andererseits die Identifikation der Mitarbeiter mit dem Unternehmen und damit auch deren Motivation.
Gerade im Bau- und Ausbauhandwerk ist die Auftragslage jahreszeitlich sehr unterschiedlich, aber auch in vielen anderen Bereichen gibt es saisonale Schwankungen im Arbeitsanfall. Dementsprechend sind flexible Arbeitszeitregelungen, wie z.B. Jahresarbeitszeitkonten, im Handwerk weit verbreitet. Auch Leih- und Zeitarbeitskräfte werden häufig zur Bewältigung von Auftragsspitzen eingesetzt.

5. Forschung und Entwicklung


Im Vergleich zu anderen Bereichen der Wirtschaft sind die Innovationsaktivitäten im Handwerk nur schwach ausgeprägt. Sie sind zumeist diskontinuierlich und unsystematisch. Im Mittelpunkt der Innovationsbestrebungen stehen überwiegend Verfahrensinnovationen sowie die Weiterentwicklung bestehender Produkte während Produkt- und Basisinnovationen vergleichsweise selten sind (Warkotsch, Nicolas 2004, S. 77 ff.). Dementsprechend gibt es in den wenigsten Betrieben ein eigenes Budget für Forschung und Entwicklung, und auch die Möglichkeiten des Outsourcings in Form von Fremdvergabe oder Kooperation werden nur selten genutzt. Das Handwerk kann dennoch als dynamisch und fortschrittlich gesehen werden, denn neue Technologien werden schnell adaptiert und in den Betriebsablauf integriert.

6. Beschaffung


Handwerksbetriebe sehen sich auf der Beschaffungsseite häufig wenigen großen industriellen Zulieferern oder Großhändlern gegenüber (Angebotsoligopol). Die Marktmacht der Betriebe ist aufgrund ihrer i.d.R. geringen Abnahmemengen äußerst begrenzt, sodass Preis und Konditionen vielfach durch die Lieferanten bestimmt werden können. Aus diesem Grund haben sich Handwerksbetriebe in vielen Bereichen zu Einkaufskooperationen zusammengeschlossen, die oft in Form von Genossenschaften organisiert sind.
Durch die auftragsorientierte Fertigungsweise werden viele Inputfaktoren erst bei Bedarf, d.h. nach Auftragseingang beschafft (Einzelbeschaffung im Bedarfsfall). Lediglich wichtige, häufig verwendete Einsatzgüter werden im Lager vorgehalten. Zum Einsatz kommt dabei zumeist ein Bestellpunktsystem mit fixer Bestellmenge, d.h. eine neue Bestellung konstanten Umfangs wird jeweils dann ausgelöst, wenn der Lagerbestand auf oder unter einen vorher festgelegten Meldebestand abgesunken ist.

7. Produktion


Der Produktionsbegriff ist im Zusammenhang mit der handwerklichen Leistungserbringung weit zu sehen. Neben der Erstellung physischer Güter (Produktion i.e.S.) umfasst handwerkliche Tätigkeit auch Dienstleistungen im Form von Beratung, Montage, Wartung und Reparatur sowie Handel. Da gerade die Dienstleistungen vor Ort beim Kunden erbracht werden, ist die Baustellenfertigung ebenso verbreitet wie die Werkstattfertigung.
Kennzeichnend für die handwerkliche Produktion war lange Jahre das Überwiegen manueller Arbeit. Durch zunehmende Mechanisierung hat sich das humankapitalintensive Handwerk jedoch deutlich der Industrie angenähert. Im Gegensatz zur industriellen Arbeitsweise ist der Mensch dabei aber nicht dem Produktionsmittel zugeordnet, sondern bedient sich lediglich der Maschinen. Der Arbeitsrhythmus wird also weiterhin durch den Menschen bestimmt.
Aufgrund der überwiegenden Einzel- und Kleinserienfertigung werden im Handwerk zumeist Universalmaschinen eingesetzt. Im Vergleich zur Industrie ist das Ausmaß der Arbeitsteilung innerhalb der Leistungserstellung dabei relativ gering (Mecke, Ingo 1999, S. 14).

8. Absatz


Das Handwerk bietet seine Leistungen vor allem auf lokalen oder regionalen Märkten an. Nationale und internationale Kundengruppen sprechen nur sehr wenige, zumeist große und spezialisierte Unternehmen an. Aus den engen, oft persönlich geprägten Beziehungen zu den Abnehmern erhalten die Handwerksunternehmer einen guten Überblick über die Wünsche und Bedürfnisse der Kunden. Die Angebotspalette kann so auch ohne systematische Absatzmarktanalysen marktgerecht gestaltet werden. In vielen Bereichen wird ohnehin nicht für einen anonymen Markt produziert, sondern herrscht Auftragsproduktion vor.
Eine wichtige Kundengruppe sind private Haushalte. Trotz überwiegend polypolistischer Nachfragestrukturen ist die Marktmacht der Kunden nicht zu unterschätzen. Fehlerfreie Leistung alleine genügt nicht, um Aufträge zu akquirieren. Termingerechte und schnelle Auftragsabwicklung, komplexe Problemlösungen sowie Zertifikate und Garantien sind wichtige Entscheidungskriterien der Kunden. Auch das Design spielt eine immer bedeutendere Rolle bei der Differenzierung von Wettbewerbern.
Oligopolistische oder im Extremfall sogar monopolische Nachfragestrukturen finden klassische Zulieferbetriebe vor oder solche Betriebe, die sich auf die Bearbeitung von Aufträgen einzelner gewerblicher Kunden oder der öffentlichen Hand spezialisiert haben.
Häufig fordern die Kunden das Angebot handwerklicher Komplettleistungen. Da diese oftmals wegen gewerkeübergreifender Aufgabenstellung nicht von einem einzelnen Betrieb erbracht werden können, kooperieren Handwerksbetriebe mit dem Ziel, „ alles aus einer Hand “ anbieten zu können. Auch zur Bewältigung größerer Auftragsvolumina sind Kooperationen ein geeignetes Instrument (vgl. itb, 2003, S. 11 f.).

III. Volkswirtschaftliche Bedeutung des Handwerks


Die Zahl der Handwerksbetriebe in Deutschland unterliegt zwar leichten Schwankungen, aber mit knapp 900.000 Betrieben bildet das Handwerk eines der Kernstücke der deutschen Wirtschaft. Mit etwa 5 Millionen Menschen beschäftigte das Handwerk im Jahr 2004 rund 13% aller Erwerbstätigen in Deutschland und erwirtschaftete einen Umsatz von über 460 Milliarden Euro. Handwerksbetriebe tragen damit etwa 8% zur Bruttowertschöpfung in der Bundesrepublik bei (Zentralverband des Deutschen Handwerks, 2006a; Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie, 2006).
Handwerksbetriebe
Tab. 2: Entwicklung von Betrieben, Beschäftigten und Umsatz im Handwerk (Zentralverband des Deutschen Handwerks, 2005b, S. 19 f.; Zentralverband des Deutschen Handwerks, 2006b)
Besonders groß ist die Bedeutung des Handwerks auf dem Gebiet der Berufsausbildung. Mit fast 500.000 Lehrlingen beschäftigte das Handwerk im Jahr 2004 rund 31% aller Auszubildenden in Deutschland (Zentralverband des Deutschen Handwerks, 2006a). Es bildet damit über dem eigenen Bedarf aus und sorgt so für positive externe Effekte im Bereich der Humankapitalbildung (Kucera, Gustav 1990, S. 40 ff.).
Das duale Ausbildungssystem des Handwerks basiert auf zwei Säulen. Im Rahmen des Berufschulbesuchs wird den Lehrlingen zum einen das notwendige theoretische Wissen vermittelt, und zum anderen erlernen sie im Betrieb konkret praktische Fähigkeiten und Kenntnisse für ihren Beruf. Ergänzt wird die betriebliche Ausbildung durch die überbetriebliche Unterweisung. In diesen von Handwerkskammern und -verbänden veranstalteten Kursen werden die Auszubildenden zusätzlich in speziellen Arbeitstechniken geschult. Den Abschluss der je nach Beruf und Vorbildung 2- bis 3,5-jährigen Ausbildung bildet die Gesellenprüfung.
Das Handwerk erbringt spezialisierte Leistung, die auf die individuellen Bedürfnisse einzelner Kunden zugeschnitten sind. Eine derartig flexible Bedürfnisbefriedigung ist mit industriellen Massengütern nur schwer zu erreichen. Damit trägt das Handwerk entscheidend zu einer optimalen volkswirtschaftlichen Allokation bei (Kucera, Gustav 1990, S. 62). Durch seine dezentrale Struktur sichert es ferner die wohnortnahe Leistungs- und Arbeitsplatzversorgung, was insbesondere in ländlichen Regionen von großer Bedeutung ist.
Betriebe des Handwerks zeichnen sich zumeist durch eine hohe Standorttreue und Beharrungsvermögen am Markt aus. Viele Unternehmer haben aufgrund der kleinbetrieblichen Strukturen ein sehr enges Verhältnis zu ihren Mitarbeiten. Dadurch werden in wirtschaftlich schlechten Jahren Arbeitsplätze nur in geringem Maße abgebaut oder ins Ausland verlagert. Auch die Insolvenzquote liegt im Handwerk regelmäßig unter dem Durchschnitt aller Branchen, sodass dem Handwerk die Rolle eines wirtschaftlichen Stabilisators zukommt (Zentralverband des Deutschen Handwerks, 2006c).

IV. Handwerksorganisation


Jeder Inhaber eines Handwerksbetriebs ist Pflichtmitglied in der für ihn zuständigen Handwerkskammer, einem Zusammenschluss aller Handwerker eines Bezirks in der Form einer Körperschaft des öffentlichen Rechts. Im Rahmen der Selbstverwaltung erfüllen die 54 deutschen Handwerkskammern u.a. hoheitliche Aufgaben wie die Führung der Handwerksrolle, in der sämtliche Betriebe erfasst werden. Ferner regeln sie die Berufsausbildung und sind für das fachliche Prüfungswesen verantwortlich. Die Förderung des Gesamthandwerks auf der regionalen Ebene und die Repräsentation der Interessen des Handwerks gegenüber Politik und Verwaltung sind weitere zentrale Aufgaben der Kammern, die ihren Mitgliedern darüber hinaus ein breites Spektrum von Dienstleistungen anbieten.
Die Handwerkskammern führen zudem die Rechtsaufsicht über die Handwerksinnungen. Darunter versteht man die fachlichen Basisorganisationen der einzelnen Handwerksberufe in einem bestimmten Landkreis/Bezirk, denen die Betriebe freiwillig angehören. Die Innungen einer Stadt oder eines Kreises bilden zusammen die Kreishandwerkerschaft.
Auf Landesebene bilden die Kammern regionale Kammertage und auf Bundesebene den Deutschen Handwerkskammertag. Die Innungen sind zu Landesinnungs- oder Landesfachverbänden zusammengeschlossen. Diese bieten ihren Mitgliedern fachliche Unterstützung sowie gewerkespezifische Dienstleistungen und Beratung an. Bundesweite Dachorganisation der Innungen sind die 38 Zentralfachverbände. Dies sind Zusammenschlüsse der Landesinnungs- und Landesfachverbänden eines Handwerks oder fachlich bzw. wirtschaftlich nahe stehender Gewerke.
Neben den Handwerkskammern und Zentralfachverbänden gehören auch wirtschaftliche und wissenschaftliche Einrichtungen des Handwerks dem Zentralverband des Deutschen Handwerks  (ZDH) an. Der ZDH dient der einheitlichen Willensbildung in allen grundsätzlichen Fragen der Handwerkspolitik. Er vertritt die Gesamtinteressen des deutschen Handwerks gegenüber Bundestag, Bundesregierung und anderen zentralen Behörden, der Europäischen Union (EU) und internationalen Organisationen.
An der Spitze der wissenschaftlichen Einrichtungen des Handwerks steht das Deutsche Handwerksinstitut  (DHI). Diesem gehören derzeit 6 Forschungsinstitute an, die sich schwerpunktmäßig mit Fragen der anwendungsorientierten Handwerksforschung und praktischen Gewerbeförderung in den drei Bereichen Technik – Organisation – Qualifizierung, Beruf und Bildung sowie Handwerkswirtschaft und Recht beschäftigen (Zentralverband des Deutschen Handwerks, 2006d).
Literatur:
Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie, : Handwerk, URL: http://bmwi.de/navigation/wirtschaft/branchenfokus/handwerk-und-freie-berufe/handwerk.html, 2006
Burger, Tobias : Einflussgrößen und Wirkungen des Finanzierungsverhaltens von Handwerksunternehmen, München 2006
Burger, Tobias/Bertram-Pfister, Bernd : Eigenkapitalausstattung und Fremdfinanzierung, München 2003
Glasl, Markus : Controllinginstrumente als Erfolgsfaktoren im Handwerk, München 2000
Glasl, Markus : Beschäftigungssituation von Frauen im Handwerk, München 2003
itb, : Gewerk: Wegweiser für erfolgreiche Kooperationen im Handwerk. Erfahrungsberichte und Handlungsempfehlungen für die Praxis, Karlsruhe 2003
Kucera, Gustav : Deregulierung des Handwerks. Gesamtwirtschaftliche Risiken und Gefahren, in: Die Regulierung des Handwerks aus Volkswirtschaftlicher Sicht, hrsg. v. Kucera, Gustav/Strathenwert, Wolfgang, Göttingen 1990, S. 23 – 148
Küpper, Hans-Ulrich : Werte als Fundament für die Zukunft, in: Strategien für ein zukunftsfähiges Handwerk, hrsg. v. Bertelsmann Stiftung/Zentralverband des Deutschen Handwerks, , Gütersloh 2005, S. 50 – 53
Mecke, Ingo : Das Handwerk im dienstleistungsgeprägten Strukturwandel, Duderstadt 1999
Schwarz, Wolfgang : Strategische Unternehmensführung im Handwerk, München 1998
Statistisches Bundesamt, : Produzierendes Gewerbe. Handwerkszählung vom 31. März 1995, Wiesbaden 1996
Warkotsch, Nicolas : Einflussgrößen und Wirkungen des Innovationsverhaltens von Handwerksunternehmen, München 2004
Zentralverband des Deutschen Handwerks, : Gesetz zur Ordnung des Handwerks und ergänzende gesetzliche Vorschriften, Bergisch Gladbach 2005a
Zentralverband des Deutschen Handwerks, : Handwerk 2004, Berlin 2005b
Zentralverband des Deutschen Handwerks, : Wirtschaftlicher Stellenwert des Handwerks, URL: http://www.zdh.de/daten-und-fakten/das-handwerk/wirtschaftlicher-stellenwert-des-handwerks.html, 2006a
Zentralverband des Deutschen Handwerks, : Zahl der handwerksähnlichen Betriebe, unveröffentlichte Auskunft des Zentralverbands des Deutschen Handwerks, 2006b
Zentralverband des Deutschen Handwerks, : Insolvenzen und Insolvenzquoten im Handwerk, URL: http://www.zdh.de/wirtschaft-und-umwelt/statistik/kennzahlen-handwerk/insolvenzen-und-insolvenzquoten.html, 2006c
Zentralverband des Deutschen Handwerks, : Aufbau der Handwerksorganisation, URL: http://zdh.de/handwerksorganisationen.html, 2006d

 

 


 

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