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Organisatorische Gestaltung (Organization Design)


Inhaltsübersicht
I. Gegenstand der organisatorischen Gestaltung und Gestaltungsfelder
II. Theoretische Ansätze
III. Effizienzbewertung der Organisation
IV. Gestaltungsträger und Gestaltungsprozess
V. Ausblick

I. Gegenstand der organisatorischen Gestaltung und Gestaltungsfelder


Der Organisationsbegriff kann entweder institutional oder instrumental verstanden werden. Bei institutionalem Begriffsverständnis bezeichnet er organisierte Institutionen als solche wie z.B. Unternehmen ( „ Das Unternehmen ist eine Organisation. “ ) und öffentliche Einrichtungen (s.a. Hochschulorganisation). Aus instrumentaler Perspektive wird dagegen der Tatbestand adressiert, dass Institutionen wie Unternehmen etc. in aller Regel über eine Organisation als Instrument zur Regelung der Arbeitsteilung und Koordination verfügen ( „ Das Unternehmen hat eine Organisation. “ ). Der Begriff der organisatorischen Gestaltung folgt prinzipiell der instrumentalen Sichtweise und bezeichnet dann die – mehr oder weniger  – planvolle Ausformung der Aufbaustrukturen und Ablaufprozesse der betrachteten Institutionen. Dabei steht in betriebswirtschaftlichen Abhandlungen die organisatorische Gestaltung von Unternehmen im Vordergrund.
Entsprechend der grundlegenden Differenzierung zwischen der Aufbau- und der Ablauforganisation lassen sich aufbauorganisatorische und ablauforganisatorische Gestaltungsprobleme unterscheiden. Die aufbauorganisatorische Gestaltung führt zum (\'statischen\') System der Kompetenzbeziehungen im Unternehmen und umfasst zunächst die beiden Gestaltungsfelder der Delegation und der Bereichsbildung. Während die Delegation die (mehr zentrale oder mehr dezentrale) vertikale Kompetenzverteilung festlegt, regelt die jeweilige Form der Bereichsbildung die horizontale Verteilung und Abgrenzung der Kompetenzen auf den einzelnen Hierarchieebenen. Dabei lassen sich mit der Gestaltung der Rahmenstruktur des Unternehmens und der Ausformung seiner Teilstrukturen weitere Gestaltungsfelder der Bereichsbildung auseinander halten. Die Rahmenstruktur betrifft die Gliederung der zweiten Hierarchieebene direkt unterhalb der Unternehmensleitung (Hierarchiespitze), die entweder ein- oder mehrdimensional nach funktionalen, produktbezogenen oder regionalen Kriterien vorgenommen werden kann. Die Teilstrukturgestaltung erfolgt im Rahmen der hieraus resultierenden Grundstruktur des Unternehmens und umfasst im Wesentlichen zum einen die Organisation der Unternehmensleitung selbst. Zum anderen geht es um die Etablierung und Platzierung einzelner operativer Geschäftsbereiche und funktionaler Zentralbereiche im Rahmen der gegebenen Grundstruktur, die interne Organisation dieser Bereiche und die Regelung ihrer bereichsübergreifenden Kooperation (vgl. v. Werder, Axel 1996; v. Werder, Axel/Grundei, Jens 2000).
Die ablauforganisatorische Gestaltung bezieht sich auf den \'dynamischen\' Aspekt der Organisation und beinhaltet die raum-zeitliche Regelung der Arbeitsgänge. Dabei können sich ablauforganisatorische Gestaltungen auf Prozesse innerhalb der einzelnen Bereiche eines Unternehmens erstrecken, aber auch bereichsübergreifend angelegt sein oder sogar Unternehmensgrenzen überwinden.

II. Theoretische Ansätze


Die Frage nach der Möglichkeit wissenschaftlich fundierter Empfehlungen für die organisatorische Gestaltung wird in der Organisationstheorie ganz unterschiedlich beantwortet. Zu den profiliertesten Richtungen zählen insoweit die evolutionstheoretischen, die institutionalistischen, die institutionenökonomischen und die entscheidungs- bzw. handlungstheoretischen Ansätze.
Die evolutionstheoretischen Ansätze verneinen unter Hinweis auf die regelmäßig auftretende Unklarheit und Konfliktträchtigkeit der verfolgten Organisationsziele, der unvollkommenen Kenntnis der Konsequenzen alternativer Organisationsformen und der praktischen Schwierigkeiten einer reibungslosen Implementierung organisatorischer Entwürfe prinzipiell die Möglichkeit einer zielgerichtet-erfolgreichen Organisationsgestaltung (vgl. Aldrich, Howard E. 1979; Hannan, Michael T./Freeman, John 1989). Sie führen die Existenz und Veränderung praktischer Organisationsformen daher in Analogie zur Evolutionsbiologie auf Variations-, Selektions- und Reproduktionsmechanismen zurück, die sich einer gezielten Steuerung durch das Management entziehen.
Die institutionalistischen Ansätze stellen die Einbindung der organisatorischen Gestaltung in den institutionellen Kontext des Unternehmens, der von rechtlichen und sozialen Normen gebildet wird und mehr oder weniger nachdrücklich bestimmte Erwartungen an die Ausformung der Organisation formuliert, in den Vordergrund der Betrachtung (z.B. Meyer, John W./Rowan, Brian 1977; DiMaggio, Paul J./Powell, Walter W. 1983). Organisatorische Gestaltung dient hier insbesondere der Erfüllung der Organisationserwartungen der relevanten Bezugsgruppen (Stakeholder), um so Vertrauen in die Legitimität der Organisation zu schaffen. Je weniger sich die in den Normen geronnenen Erwartungen an die Organisation auf objektive Erkenntnisse über die Zweckmäßigkeit der erwarteten organisatorischen Gestaltung stützen (können), um so mehr nähert sich diese Richtung dem Gestaltungsskeptizismus der evolutionstheoretischen Ansätze an. Zu denken ist namentlich an reaktive organisatorische Gestaltungen, die mehr oder weniger unreflektiert den jeweils herrschenden Trends und \'Organisationsmoden\' folgen (vgl. Kieser, Alfred 1996).
Die institutionenökonomischen Ansätze nehmen die technologische Herausforderung an und versuchen, auf einer modellanalytisch-mathematischen Grundlage Aussagen über transaktionskostenoptimale Organisationsstrukturen abzuleiten, die als Arrangements aus Verfügungsrechten und Anreizsystemen modelliert werden (Williamson, Oliver E. 1975; Picot, Arnold/Dietl, Helmut/Franck, Egon 2002). Das Optimierungsanliegen macht allerdings vergleichsweise rigide Prämissenstrukturen und Vereinfachungen der betrachteten Problemstellungen erforderlich, sodass diese Analysen nur sehr bedingt zur (\'optimalen\') Lösung praktisch relevanter komplexer Organisationsprobleme beitragen können.
Die heuristisch angelegten Konzeptionen der organisatorischen Gestaltung wie namentlich die entscheidungs- bzw. handlungstheoretischen Ansätze und der Kontingenzansatz anerkennen durchaus die theoretischen und praktischen Grenzen einer zielführenden organisatorischen Gestaltung, die aus Zielkonflikten, unsicheren Konsequenzprognosen und Implementierungsschwierigkeiten resultieren. Sie erheben daher auch nicht den uneinlösbaren Anspruch einer optimalen Lösung praktisch bedeutsamer Organisationsprobleme. Ihr Anliegen besteht vielmehr darin, auf Basis des jeweils verfügbaren organisatorischen Wissens Problemlösungen zu erarbeiten bzw. zu unterstützen, die im Rahmen des Möglichen vernünftig und vorteilhaft erscheinen. Dabei lassen sich diese Ansätze weiter danach gruppieren, ob sie schwerpunktmäßig auf die Konsistenz der organisatorischen Gestaltung mit externen (z.B. Umweltdynamik) und internen (z.B. Strategie und Führungssystem) Unternehmensmerkmalen abstellen (vgl. z.B. Pugh, D. S. et al. 1969; Mintzberg, Henry 1979; Burton, Richard M./Obel, Borge 1998) oder aber Gestaltungsaussagen v.a. aus der Effizienzanalyse arbeitsteiliger Handlungssysteme ableiten (vgl. z.B. Galbraith, Jay R. 1977; Frese, Erich 2000; Frese, Erich/v. Werder, Axel 1993).

III. Effizienzbewertung der Organisation


1. Grundtatbestände der Effizienzbewertung


Kernstück jeder Organisationsgestaltung, die proaktiv erfolgt und nicht bloß passiv auf externe organisatorische Evolutionsprozesse, Normen und Trends reagiert, ist die Beurteilung der Zweckmäßigkeit alternativer Organisationsstrukturen. Eine solche Effizienzbewertung ist sowohl zur Einschätzung der jeweils vorliegenden Ist-Situation der Organisation eines Unternehmens notwendig als auch zur Vorteilhaftigkeitsanalyse der offen stehenden Optionen zur Reorganisation. Nach dem gegenwärtigen Stand der Organisationsforschung zeichnen sich überzeugende organisatorische Effizienzbewertungen durch die drei Merkmale der Subzielorientierung, der Kontextbezogenheit und der Verhaltensabhängigkeit aus (v. Werder, Axel 1999, S. 412 f.).

a) Subzielorientierung


Die Beurteilung der Auswirkungen der Organisationsstruktur auf die Verwirklichung der obersten Unternehmensziele wie Steigerung von Gewinn, Unternehmenswert oder Wettbewerbsfähigkeit steht vor der Schwierigkeit, dass die Realisierung derartiger Zielsetzungen nicht nur von der Unternehmensorganisation beeinflusst wird, sondern von zahlreichen weiteren Faktoren wie bspw. der Qualität und dem Marketing der Produkte. Organisationsbewertungen gehen daher sinnvollerweise von Subzielen aus, deren Erreichung direkt(er) von den jeweiligen Ausprägungen der Organisationsstruktur abhängt und zur Verwirklichung der übergeordneten Unternehmensziele beiträgt (Simon, Herbert A. et al. 1954, S. VI; Frese, Erich 2000, S. 253 ff.). Welche Subziele bzw. Effizienzkriterien in diesem Sinne zur Effizienzbewertung geeignet sind, hängt im Einzelnen von den betrachteten Organisationsproblemen ab, sodass Subziele problemadäquat zu formulieren sind. Beispiele bilden etwa die Kriterien der Beschaffungs-, der Ressourcen-, der Prozess- und der Programmeffizienz zur Beurteilung der alternativen Rahmenstrukturen von Unternehmen (zur Ableitung dieser und weiterer Effizienzkriterien Frese, Erich/v. Werder, Axel 1993, S. 24 ff.; v. Werder, Axel 1999, S. 414 ff.).

b) Kontextbezogenheit


Die Gewichtung und Erreichung der jeweils zugrunde gelegten Subziele kann je nach Situation des Unternehmens unterschiedlich ausfallen (Pugh, D. S. et al. 1969; Kieser, Alfred 2002; Kontingenzansatz). Organisatorische Effizienzurteile müssen daher regelmäßig den Einfluss von Kontextfaktoren berücksichtigen. Zu den wichtigsten Kontextfaktoren zählen z.B. die Größe, der Diversifikationsgrad, die verfolgten Wettbewerbsstrategien und die verwendeten Technologien sowie die Dynamik der Umwelt eines Unternehmens, aber bspw. auch die jeweils geltenden Normen des Organisationsrechts, die bestimmte organisatorische Gestaltungen untersagen, unterstützen oder mit speziellen Rechtsfolgen belegen können (v. Werder, Axel 1986, S. 48 ff.). Nicht zuletzt ist an die jeweils vorhandenen Personalressourcen mit ihren je spezifischen Qualifikations- und Motivationsprofilen zu denken. Gerade auf höheren Ebenen der Hierarchie werden Zuständigkeitsbereiche nicht selten weniger nach rein sachlichen Aspekten gebildet ( „ organisation ad rem “ ), sondern gezielt auf die Interessen konkreter Personen zugeschnitten ( „ organisation ad personam “ ) (Krüger, Wilfried 1994, S. 47; Bühner, Rolf 2004, S. 71).

c) Verhaltensabhängigkeit


Organisationsstrukturen stellen Regelungssysteme dar, welche die Gesamtaufgabe des Unternehmens auf mehrere Personen bzw. Handlungsträger verteilen (Arbeitsteilung) und das Verhalten der Handlungsträger auf die Erreichung der Unternehmensziele hin ausrichten sollen (Koordination). Organisationsstrukturen bilden somit Regelungen zur Verhaltensbeeinflussung und können nur über das individuelle Verhalten der organisierten Akteure wirksam werden. Vor diesem Hintergrund hängen Effizienzurteile in hohem Maße von den jeweiligen Vorstellungen über das Verhalten von organisierten Handlungsträgern ab (March, James G./Simon, Herbert A. 1958, S. 6 f.; Williamson, Oliver E. 1996, S. 49). Insoweit lassen sich gegenwärtig drei prinzipiell verschiedene Ansätze unterscheiden, die von rationalen, opportunistischen und realen Verhaltensweisen der Unternehmensmitglieder ausgehen (siehe Abb. 1). Während der Rational- und der Opportunismusansatz sachlogischer Natur sind und idealisierende, allerdings konträre Verhaltensprämissen setzen, sucht der Realansatz die in der Praxis zu beobachtenden, tatsächlichen Verhaltensmuster in die Effizienzanalyse einzubeziehen.
Organisatorische Gestaltung (Organization Design)
Abb. 1: Verhaltensgrundlagen organisationstheoretischer Ansätze
Der Rationalansatz unterstellt intendiert-rational handelnde Akteure, die ihre kognitiven Fähigkeiten und praktischen Fertigkeiten grundsätzlich zur Erreichung der Unternehmensziele einsetzen. Im Gegensatz hierzu stehen Interessengegensätze zwischen Unternehmung und Individuum ganz im Mittelpunkt der Opportunismusprämisse, wie sie etwa für die neueren institutionenökonomischen Richtungen der Organisationstheorie kennzeichnend ist. Charakteristisch ist hier die Annahme, dass Handlungsträger in Unternehmungen stets danach streben, ihre Individualziele – z.B. durch Ausnutzung von Informationsasymmetrien – möglichst weitgehend und im Zweifel auch zu Lasten der Unternehmensziele zu verwirklichen.
In der Realität verhalten sich Handlungsträger offensichtlich weder streng intendiert-rational noch ausschließlich opportunistisch. Die beiden Verhaltensprämissen beschreiben vielmehr die gegensätzlichen Eckpole des Kontinuums der Verhaltensalternativen, die möglich und mehr oder weniger realistisch sind. Die tatsächlichen Verhaltensweisen zwischen den Endpunkten dieses Kontinuums bilden den Gegenstand des Realansatzes. Diese stark empirisch geprägte Perspektive fragt, welche (verschiedenen) Verhaltensmuster Handlungsträger in der Realität (in verschiedenen Situationen) typischerweise zeigen und welche Implikationen hieraus für die Effizienz alternativer Organisationsformen resultieren (vgl. etwa Hackman, J. Richard/Oldham, Greg R. 1980; Grundei, Jens 1999, S. 121 ff., 211 ff., 356 ff.).

2. Konfigurationseffizienz und Motivationseffizienz


Rein sachlogische Effizienzanalysen unter der Rationalitäts- wie unter der Opportunismusprämisse sind bis zu einem gewissem Grade (bewusst) unrealistisch. Zu beachten ist allerdings, dass das Wissen um tatsächliche Verhaltensweisen organisierter Handlungsträger beim heutigen Stand der Organisationsforschung noch sehr lückenhaft ist und zudem tatsächliche Abweichungen vom intendiert-rationalen Verhalten betriebswirtschaftlich nicht durchgängig akzeptiert werden können. Fundierte und praktisch verwertbare Beurteilungen organisatorischer Strukturen erfordern daher letztlich eine Kombination sachlogischer mit verhaltensbezogenen Betrachtungen, um Aussagen sowohl zur Konfigurationseffizienz als auch zur Motivationseffizienz der in Rede stehenden Organisationsalternativen treffen zu können (v. Werder, Axel 1999; Grundei, Jens 1999). Die Konfigurationseffizienz ist danach unter Zugrundelegung bestimmter Verhaltensprämissen analytisch aus den Funktionsbedingungen arbeitsteiliger Handlungssysteme abzuleiten. Dabei bietet die Annahme intendiert-rationaler Verhaltensweisen den Vorteil, dass sich auf diese Weise das höchstmögliche Effizienzniveau herausarbeiten lässt, das durch zweckmäßige Organisation bei unternehmenszielkonformem Verhalten erreichbar ist. Ferner besteht bei dieser Verhaltensannahme nicht die gravierende Gefahr der \'sich selbst erfüllenden Prophezeiung\', indem durch Organisationsentwürfe auf der Grundlage der Prämisse streng opportunistischen Verhaltens gerade solche Verhaltensweisen provoziert werden (Deci, Edward L. 1975, S. 222; Ghoshal, Sumantra/Moran, Peter 1996, S. 14, 21 ff.; Frey, Bruno S./Osterloh, Margit 1997, S. 316).
Aufbauend auf den Urteilen zur Konfigurationseffizienz geht es bei der Motivationseffizienz dann um die ergänzende Einschätzung der mutmaßlichen strukturimmanenten (Motivations-)Effekte der betrachteten Organisationsalternativen für das tatsächliche Verhalten der Handlungsträger. Zur Ermittlung dieser Motivationswirkungen ist v.a. auf die einschlägigen Erkenntnisse der Individual- und Sozialpsychologie zurückzugreifen.
Die Bewertung der Konfigurations- und der Motivationseffizienz organisatorischer Alternativen kann naturgemäß zu widersprüchlichen Ergebnissen führen. Von Bedeutung ist dabei v.a. der Fall, bei dem die sachlogische Konfigurationseffizienz einer bestimmten Organisationsform insgesamt positiv beurteilt wird, die Motivationseffizienz jedoch unzureichend erscheint. In dieser Situation kann eine Integration der Rational- und der Realbewertung im Wege der Flankierung oder der Modifizierung erfolgen.
Bei einer Flankierung werden die Kompetenzregelungen der sachlogisch präferierten Organisationsalternative im Prinzip beibehalten, jedoch durch Installierung eines Motivationssystems ergänzt, das die Diskrepanzen zwischen den offiziellen Unternehmenszielen und den individuellen Zielen der Handlungsträger abbauen soll. Als strukturflankierende Motivationsmechanismen kommen grundsätzlich Transaktionssysteme und Transformationssysteme der Motivation in Betracht (Burns, James MacGregor 1978; Bass, Bernard M. 1985). Im Fall einer Modifizierung werden demgegenüber aus Motivationsgründen Korrekturen an der ursprünglichen, sachlogisch positiv beurteilten Kompetenzverteilung vorgenommen. Ein Beispiel bildet die Einräumung von Handlungsspielräumen über das sachlogisch gebotene Delegationsausmaß hinaus, um durch die größere Autonomie die Motivation der Mitarbeiter zu fördern. Derartige Modifikationen der Ursprungslösung werden umso eher in Betracht kommen, je größer deren motivationale Defizite sind, je mehr sich anders gewendet also die Realität gegen die Rationalprämisse sperrt.

IV. Gestaltungsträger und Gestaltungsprozess


1. Träger der organisatorischen Gestaltung


Als Träger der organisatorischen Gestaltung kommen grundsätzlich Spezialisten (Organisationsmanager), die Führungskräfte der einzelnen organisatorischen Bereiche sowie externe Berater in Betracht (vgl. Cantin, Francoise/Thom, Norbert 1995, S. 60 ff.; v. Werder, Axel/Grundei, Jens 2000, S. 104 f.). Spezialisierte Organisationsmanager, die in der Praxis oft, allerdings keineswegs immer in gesonderten Organisationsabteilungen zusammengefasst werden, können namentlich Methodenwissen zur organisatorischen Gestaltung sowie Querschnittswissen über Aufgabenzusammenhänge in den Gestaltungsprozess einbringen (vgl. Frese, Erich/Theuvsen, Ludwig 2000, S. 11 ff.). Die Führungskräfte hingegen kennen v.a. die Anforderungen der von ihnen geführten Funktionen und Geschäfte. Infolgedessen werden Reorganisationen oft Organisationsmanagern und Führungskräften gemeinsam überantwortet, um die jeweiligen Spezialkenntnisse zusammenzuführen. Soweit Reorganisationen auf einzelne Bereiche beschränkt sind, wird die Verantwortung allerdings zunehmend auch den betreffenden Führungskräften selbst übertragen. Die organisatorische Gestaltung entwickelt sich damit verstärkt zu einem Teil der allgemeinen Führungsaufgabe, der von den Organisationsmanagern auf \'organisierende Manager\' verlagert wird.
Sofern Reorganisationen Bereichsgrenzen überschreiten und eine nennenswerte Reichweite haben, die Änderung der Rahmenstruktur oder die Organisation der Unternehmensleitung selbst betreffen, ist grundsätzlich das Top Management (sowie ggf. auch der Aufsichtsrat) involviert. Ganz abgesehen davon, dass die Bedeutung solcher tiefgreifender Umstrukturierungen für den Unternehmenserfolg die Einschaltung der Unternehmensführung nahe legt, kann die Autorität der Hierarchiespitze erforderlich sein, um interessensensible Reorganisationen gegen offene und verdeckte Widerstände durchzusetzen (siehe Abschn. IV.2.b)). Die verbreitete Einschaltung von externen Beratern schließlich dient v.a. dazu, Kapazitätsengpässe zu kompensieren, externes Know-how auszuschöpfen oder aber auch Reorganisationen zu legitimieren und Implementierungsbarrieren zu überwinden.

2. Prozess der organisatorischen Gestaltung


Der organisatorische Gestaltungsprozess, der häufig als Projekt aufgesetzt wird, lässt sich grundsätzlich in die drei Phasen der Konzipierung und Implementierung sowie des Controllings einer neuen Organisationslösung einteilen.

a) Konzipierung


Maßnahmen der organisatorischen Gestaltung bedürfen eines unternehmensintern oder extern verursachten Anlasses. Zu denken ist bspw. an einen internen Problemdruck, der aus der unbefriedigenden Unternehmensentwicklung resultiert, an Restrukturierungsnotwendigkeiten im Zuge von Akquisitionen und Desinvestitionen sowie an Reorganisationsimpulse, die durch geänderte Erwartungen der relevanten Stakeholder oder aber neue Managementtrends und Organisationsmoden ausgelöst werden.
Sofern die Notwendigkeit einer Reorganisation erkannt worden ist, besteht der erste Schritt eines (intendiert-rationalen) Gestaltungsprozesses im Entwurf der neuen Organisationslösung. Zu diesem Zweck ist grundsätzlich zunächst eine Ist-Aufnahme sowie eine Effizienzbewertung der in Frage stehenden organisatorischen Regelungen erforderlich. Mit Blick auf die hierbei festgestellten Schwächen der gegenwärtigen Organisationssituation ist sodann – wiederum auf der Grundlage einer fundierten Bewertung der Effizienz der offen stehenden Organisationsoptionen – die zielführende neue Organisation als zukünftiger Soll-Zustand zu konzipieren. Zur systematischen Konzipierung der künftigen Strukturen kann auf zahlreiche Organisationsmethoden und -techniken zurückgegriffen werden, deren Einsatz heute in hohem Maße durch Organisationssoftware unterstützt wird.

b) Implementierung


Neben der Konzipierung einer neuen Organisationsstruktur bildet die Einführung der ausgewählten Konzeption im Unternehmen das zweite Hauptproblem der organisatorischen Gestaltung. Das Implementierungsproblem beruht im Kern darauf, dass jede Reorganisation potenziell die Interessenpositionen von Handlungsträgern im Unternehmen berührt und daher Anlass für erhebliche Widerstände sein kann. Infolgedessen werden oft bereits im Zuge der Erarbeitung neuer Organisationskonzepte, spätestens aber bei ihrer Einführung regelmäßig starke mikropolitische Kräfte wirksam, die den Erfolg an sich überzeugender Organisationslösungen in Frage stellen können und nicht selten zum Scheitern einer Reorganisation führen. Größere Reorganisationen erfordern daher in aller Regel ein systematisches Change Management, das den Betroffenen die Notwendigkeiten und Konsequenzen der organisatorischen Neuausrichtung verdeutlicht, eventuelle Einbußen für die Mitarbeiter (in Hinblick auf Zuständigkeiten, Status, Karriereaussichten etc.) im Rahmen des Möglichen abfedert und ggf. auch Machtpromotoren (Witte, Eberhard 1973) einsetzt, um Widerständen zu begegnen.

c) Controlling


Die Erarbeitung und Einführung neuer Strukturen zählen zum Standard der praktischen Organisationsarbeit. Hingegen findet eine regelmäßige Überprüfung der Wirksamkeit von Reorganisationen in der Unternehmenspraxis bislang kaum statt (vgl. Fischermanns, Guido 1996, S. 6; Knyphausen-Aufseß, Dodo zu 1997). Zwar lassen sich gewisse Einzelaktivitäten – z.B. im Rahmen von Ordnungsmäßigkeitsprüfungen der internen Revision – beobachten, die in Ansätzen als organisatorische Kontrollen interpretiert werden können, aber keineswegs ein ausgebautes Controlling von Organisationsstrukturen repräsentieren. Der bisher weitgehende Verzicht der Praxis auf ein systematisches Organisationscontrolling erscheint um so bemerkenswerter, als ein in sich geschlossener Prozess der organisatorischen Gestaltung ohne Zweifel nach der Konzipierung und Implementierung einer neuen Organisationsstruktur auch eine Feststellung und Bewertung ihrer tatsächlichen Auswirkungen erfordert.
Ein Organisationscontrolling kann grundsätzlich zwei Fragestellungen verfolgen. Zum einen ist angesichts der dargelegten Implementierungsbarrieren sowie der bekannten Abweichungen zwischen der formalen und der informalen Organisation zu überprüfen, inwieweit die konzipierten Sollregelungen in der Realität des Unternehmens auch tatsächlich befolgt werden. Bei diesem \'Compliance-Controlling\' geht es im Kern folglich um den Implementierungserfolg der organisatorischen Gestaltung. Zum anderen kann im Rahmen des Organisationscontrollings untersucht werden, inwieweit die eingeführten Organisationsregelungen die bei der Konzipierung erwarteten Zielbeiträge leisten. Dieses \'Performance-Controlling\' stellt somit auf die tatsächliche Effizienz der gewählten organisatorischen Gestaltung ab. Die Resultate beider Komponenten des Organisationscontrollings können Anstöße für einen weiteren Gestaltungszyklus geben. Wenn etwa die geplanten neuen Regelungen tatsächlich nicht \'gelebt\' und angesichts der Widerstände aufgegeben werden oder aber die neuen Strukturen sich im Nachhinein als nicht zielführend und damit ineffizient herausstellen, liegen wichtige Anlässe für eine Neukonzipierung der Organisation vor.

V. Ausblick


In der Organisationsforschung dominieren gegenwärtig – namentlich im angelsächsischen Bereich – Untersuchungen zur Erklärung organisatorischer Phänomene (Organization Theory), während die Auseinandersetzung mit der Ableitung wissenschaftlicher Empfehlungen zur Organisationsgestaltung (Organization Design) mehr und mehr in den Hintergrund zu treten scheint. Dieser Trend geht mit einer zunehmenden Verbreitung des institutionalen Organisationsverständnisses einher, wodurch die Organisationstheorie verstärkt in eine übergreifende Theorie der Unternehmung und der Unternehmensführung ausläuft, die gleichermaßen abstrakter und weniger gestaltungsorientiert angelegt ist. Da das Management in der Praxis aber zweifelsohne vor der Notwendigkeit organisatorischer Gestaltung steht und die Unternehmensorganisation seit den 1990er-Jahren als einer der wichtigsten strategischen Erfolgsfaktoren angesehen wird (Frese, Erich/v. Werder, Axel 1994, S. 4; Arbeitskreis „ Organisation “ , 1996, S. 622, 626), muss sich die Organisationsforschung in Zukunft auch wieder stärker dem Problem fundierter Organisationsgestaltungen zuwenden, wenn sie praktisch verwertbar sein und bleiben will. Dabei wird es letztlich darum gehen, den Bestand wissenschaftlich begründeter Heuristiken auszubauen, die das Management vor dem Hintergrund der Komplexität organisatorischer Problemstellungen und der (auf lange Sicht) chronischen Unvollkommenheit organisationstheoretischer Kenntnisse (vgl. Kirsch, Werner 1981, S. 189 ff.) bei der zweckmäßigen Organisationsgestaltung unterstützen.
Literatur:
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Arbeitskreis „ Organisation “ , : Organisation im Umbruch, in: ZfbF, Jg. 48, 1996, S. 621 – 665
Bass, Bernard M. : Leadership and Performance Beyond Expectations, New York et al. 1985
Bühner, Rolf : Betriebswirtschaftliche Organisationslehre, 10. A., München et al. 2004
Burns, James MacGregor : Leadership, New York et al. 1978
Burton, Richard M./Obel, Borge : Strategic Organizational Diagnosis and Design, 2. A., Boston et al. 1998
Cantin, Francoise/Thom, Norbert : Organisationsarbeit in der Schweiz, Glattbrugg 1995
Deci, Edward L. : Intrinsic Motivation, New York et al. 1975
DiMaggio, Paul J./Powell, Walter W. : The Iron Cage Revisited: Institutional Isomorphism and Collective Rationality in Organizational Fields, in: ASR, Jg. 48, 1983, S. 147 – 160
Fischermanns, Guido : Organisationscontrolling: Aufgaben, Instrumente und Institutionalisierung, Hamburg 1996
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Frese, Erich/v. Werder, Axel : Organisation als strategischer Wettbewerbsfaktor – Organisationstheoretische Analyse gegenwärtiger Umstrukturierungen, in: Organisationsstrategien zur Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit, Sonderheft 33 der ZfbF, hrsg. v. Frese, Erich/Maly, Werner, 1994, S. 1 – 27
Frese, Erich/v. Werder, Axel : Zentralbereiche: Organisatorische Formen und Effizienzbeurteilung, in: Zentralbereiche – Theoretische Grundlagen und praktische Erfahrungen, hrsg. v. Frese, Erich/v. Werder, Axel/Maly, Werner, Stuttgart 1993, S. 1 – 50
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Ghoshal, Sumantra/Moran, Peter : Bad for Practice: A Critique of the Transaction Cost Theory, in: AMR, Jg. 21, 1996, S. 13 – 47
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