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Unternehmensentwicklung


Inhaltsübersicht
I. Gegenstand der Unternehmensentwicklung
II. Veränderung des Umfangs der Wertschöpfungsaktivitäten
III. Umgestaltung der Wertschöpfungsaktivitäten
IV. Dynamik der Unternehmensentwicklung
V. Verlaufsmuster von Unternehmensentwicklungsprozessen

I. Gegenstand der Unternehmensentwicklung


Unternehmensentwicklung bezeichnet Veränderungen im Umfang und/oder der Struktur der Wertschöpfungsaktivitäten eines Unternehmens über die Zeit. Ein Unternehmen kann seine Wertschöpfungsaktivitäten ausweiten (z.B. aufgrund einer Umsatzsteigerung in einem gegebenen Markt oder der Ausweitung des bedienten Marktes oder des Leistungsprogramms), reduzieren (z.B. durch Rückzug aus einem Geschäftsfeld oder Auslagerung von Wertschöpfungsaktivitäten) und/oder umgestalten (z.B. durch Rationalisierung der Leistungserstellung, den Einsatz neuer Technologien oder Outsourcing). Die Ausweitung, Reduzierung oder Umgestaltung der Wertschöpfungsaktivitäten kann dabei in Bezug auf die Inputs der Leistungserstellung, die Struktur und den Prozess der Leistungserstellung und/oder den Leistungsoutput erfolgen.
Unternehmensentwicklung hat zum Ziel, den Unternehmenswert zu steigern. Durch die Gestaltung der Wertschöpfungsaktivitäten sollen Potenziale zur Unternehmenswertsteigerung erschlossen und realisiert werden (Coenenberg, Adolf G./Salfeld, Rainer 2003). Hierzu muss die Geschäftsführung eines Unternehmens entscheiden, in welche Geschäfte sie mittel- bis langfristig investieren, welche sie abbauen und welche Wertschöpfungsaktivitäten das Unternehmen in welcher Weise selbst erbringen und welche es zukaufen möchte. Bei diesen Entscheidungen hat die Geschäftsführung die Entwicklung der Umwelt- und Wettbewerbsbedingungen ebenso abzuwägen wie die internen Fähigkeiten und Ressourcen des Unternehmens sowie dessen relative Wettbewerbsstärke und angestrebte -positionierung. Konzepte des Portfolio-Managements können die Geschäftsführung dabei unterstützen, die Zusammensetzung der Geschäfte zu bestimmen, die über die Zeit das relativ größte Erfolgspotenzial bieten.

II. Veränderung des Umfangs der Wertschöpfungsaktivitäten


1. Unternehmenswachstum


Bei Unternehmenswachstum nimmt die Menge an Wertschöpfungsaktivitäten zu, die ein Unternehmen durchführt. Dies ist gleichbedeutend mit einer Zunahme der Größe des Unternehmens. Häufig verwandte Größenindikatoren sind die Beschäftigtenzahl, die Ausbringungsmenge und der Umsatz. Empirische Untersuchungen zeigen, dass wachstumsstarke Unternehmen signifikant höhere Wertsteigerungen realisieren als wachstumsschwache (Coenenberg, Adolf G./Salfeld, Rainer 2003). Unternehmen haben verschiedene Möglichkeiten Wachstum zu realisieren, die sich in ihrer Richtung und Form unterscheiden.
Eine viel verwendete Differenzierung unterschiedlicher Wachstumsrichtungen geht auf Ansoff, Igor 1965 zurück, der, wie in Tab. 1 dargestellt, die Wachstumsoptionen in Bezug auf die Veränderung der bearbeiteten Produkt-/Marktsegmente beschreibt.
Unternehmensentwicklung
Tab. 1: Wachstumsrichtungen in Anlehnung an (Ansoff, Igor 1965, S. 109)
In der Literatur wird auch ein weiter gefasstes Verständnis von Diversifikation vertreten, das die Produkt- und Marktentwicklung mit einschließt. Verbundene Diversifikation bezeichnet eine Ausweitung des Leistungsprogramms auf verwandte Produkt-/Marktsegmente, die z.B. ähnliche Inputfaktoren, Leistungserstellungsprozesse, Produktmerkmale und/oder Vermarktungsformen aufweisen. Eine solche verbundene Diversifikation kann horizontal auf derselben Wertschöpfungsstufe erfolgen oder vertikal, indem vor- oder nachgelagerte Wertschöpfungsstufen in das Leistungsprogramm aufgenommen werden. Bei unverbundener Diversifikation (auch laterale oder konglomerate Diversifikation genannt) bestehen solche Verwandtschaften innerhalb des Leistungsprogramms eines Unternehmens hingegen nicht. Historisch hat es verschiedene Diversifikationswellen gegeben, die unterschiedliche Auslöser und Zielrichtungen hatten (Mayer, Michael C. J./Whittington, Richard 1999; Gould, Michael/Luchs, Kathleen 1993).
Eine Reihe von empirischen Untersuchungen der Erfolgswirkungen von Diversifikation haben gezeigt, dass sich der Erfolg von Unternehmen mit zunehmendem Grad der Diversifikation zunächst leicht erhöht, dann aber mit steigender Unterschiedlichkeit der Geschäftsfelder wieder abnimmt (Palich, Leslie E./Cardinal, Laura B./Miller, C. Chet 2000). Im Vergleich zu Einproduktunternehmen können Unternehmen insbesondere durch verbundene Diversifikation Vorteile aus ihrer gesteigerten Marktmacht gegenüber Kunden und Zulieferern realisieren sowie Skalen- und Synergievorteile nutzen. Mit zunehmendem Grad der Unterschiedlichkeit der Geschäfte werden diese Vorteile jedoch geringer, während die Koordinations- und Komplexitätskosten zunehmen (Besanko, David/Dranove, David/Shanley, Mark 2000).
Unternehmenswachstum können Unternehmen durch Investition in bestehende oder neue Geschäfte realisieren (internes Wachstum) oder durch Akquisition, Fusion, Allianzen oder Joint Ventures mit anderen Unternehmen (externes Wachstum). Internes Wachstum ist vor allem in frühen Phasen des Produkt- und Branchenlebenszyklus die dominante Wachstumsform, während in der Reife- und Konsolidierungsphase externes Wachstum an Bedeutung gewinnt. Im Vergleich zur Option des internen Wachstums können Unternehmen mittels externen Wachstums ihre Wachstumsziele in der Regel schneller und in größeren Schritten erreichen. Allerdings müssen sie hierfür vergleichsweise höhere Risiken in Kauf nehmen, weil die Bewertung der Ressourcen und Fähigkeiten der Partnerunternehmen mit Unsicherheit behaftet ist und die Zusammenarbeit mit dem Partnerunternehmen sich unvorteilhafter entwickeln kann als erwartet. Empirische Untersuchungen belegen, dass ein großer Anteil von Akquisitionen, Fusionen und Unternehmenskooperationen nicht die erhofften ökonomischen Vorteile bringt (Bühner, Rolf 1990; Park, Seung H./Ungson, Gerardo R. 1997; King, David R. et al. 2003).

2. Unternehmensschrumpfung


Eine Reduzierung der Menge der Wertschöpfungsaktivitäten und damit der Unternehmensgröße wird als Unternehmensschrumpfung bezeichnet (englisch: Downsizing). Wie in Tab. 2 wiedergegeben, kann Unternehmensschrumpfung Resultat des Rückzugs aus einzelnen Produkt-/Marktsegmenten sein, oder ist bei unverändertem Leistungsprogramm auf schrumpfendes Marktvolumen und/oder eine Verringerung des Marktanteils zurückzuführen.
Unternehmensentwicklung
Tab. 2: Richtungen der Unternehmensschrumpfung
Historisch gab es verschiedene Wellen der Unternehmensschrumpfung, zuletzt in den späten 1980er- und frühen 1990er-Jahren und dann nach 2001, in denen vor allem Großunternehmen massenhaft Personal abbauten und dabei erstmals in großem Umfang auch Verwaltungs- und Managementpositionen einbezogen (Baumol, William J,/Blinder, Alan S./Wolff, Edward N. 2003). Es handelte sich dabei zum Teil um defensive Reaktionen auf rückläufige Nachfrage oder sinkende Marktanteile. Einige Unternehmen bauten aber auch in Zeiten des Erfolgs Personal ab, um Möglichkeiten der Produktivitätssteigerung zu realisieren. Erfolgreiche Strategien der Unternehmensschrumpfung haben sich dabei nicht nur auf den reinen Personalabbau beschränkt, sondern ihn durch umfassende, proaktive Umgestaltung der Wertschöpfungsaktivitäten und eine systematische Reorientierung der Beschäftigten auf neue Ziele unterstützt (Love, E. Geoffrey/Nohria, Nitin 2005; Cameron, Kim S./Freeman, Sarah J./Mishra, Aneil K. 1993). Harrigan, Kathryn R. 2003 beschreibt verschiedene strategische Optionen, welche mit der Branchenstruktur und relativen Wettbewerbsposition variieren, die Unternehmen in schrumpfenden Märkten ergreifen können.

III. Umgestaltung der Wertschöpfungsaktivitäten


Durch Ausweitung des angebotenen Leistungsspektrums und/oder der bedienten Märkte realisiertes Unternehmenswachstum impliziert, dass Unternehmen ihre bestehenden Wertschöpfungsaktivitäten auf neue, vor-, nach- oder parallel gelagerte Wertschöpfungsstufen ausdehnen. Dies geht regelmäßig mit einer Ausweitung der Inputs und häufig auch mit einer Umgestaltung von Prozessen der Leistungserstellung einher, durch die Skalen- und/oder Synergieeffekte realisiert werden sollen. Eine Unternehmensschrumpfung, die auf eine Verringerung des Leistungsspektrums oder der bedienten Märkte zurückgeht, wird häufig durch Abspaltung, Verkauf oder Schließung von Unternehmensteilen und durch Beendigung bestehender Allianzen und Joint Ventures umgesetzt.
Unternehmensentwicklung kann sich aber auch ohne Veränderung des Leistungsprogramms und der bedienten Märkte allein durch Umgestaltung der Wertschöpfungsaktivitäten vollziehen. Unternehmen können ihre Wertschöpfungsaktivitäten innerhalb des gegebenen Umfangs umgestalten, um mittels neuer Inputs, veränderter Organisationsstrukturen und/oder der Anwendung neuer Verfahren eine Steigerung der Effizienz und Effektivität der Leistungserstellung zu erreichen. Als Reaktion auf nachhaltig schrumpfende Marktvolumina oder Marktanteile werden Unternehmen ihre Ausbringungsmengen und die hierfür verwendeten Inputs reduzieren; dies ist regelmäßig mit Umsatzeinbußen und häufig mit Personalabbau verbunden. Schließlich können Unternehmen bei unverändertem Leistungsprogramm und gleicher Marktabdeckung den Umfang der durchgeführten Wertschöpfungsaktivitäten ausdehnen oder reduzieren, wenn sie bislang von anderen Unternehmen erstellte Leistungen eingliedern bzw. bislang selbst erstellte Leistungen ausgliedern. Damit verändern Unternehmen ihre Wertschöpfungsarchitektur und ihre Position innerhalb der Branchenwertschöpfungskette. Solche Maßnahmen zielen darauf, den Erfolg des Unternehmens durch Verbesserung seiner Wettbewerbsposition zu steigern. Heuskel, Dieter 1999 beschreibt vier Typen von Wertschöpfungsarchitekturen von Unternehmen: Schichtenspezialisten wie etwa Amazon spezialisieren sich auf eine eng begrenzte Wertschöpfungsaktivität und vermarkten diese in verschiedenen Produkt-/Marktsegmenten; Pioniere wie etwa Sabre generieren neue Wertschöpfungsstufen und schaffen damit einen neuen Markt; Orchestratoren wie Dell oder Generalbauunternehmen führen nur die für ihre Wettbewerbsfähigkeit zentralen Elemente der Wertschöpfungskette selbst durch, koordinieren aber gegenüber dem Kunden die Leistungserstellung aller an der Wertschöpfung beteiligten Unternehmen; Integratoren wie z.B. die BASF oder ThyssenKrupp führen einen Großteil der Wertschöpfungsaktivitäten in eigener Regie durch und realisieren damit Größen- und Koordinationsvorteile. Welche Wertschöpfungsarchitektur für ein Unternehmen vorteilhaft ist, hängt zum einen von den relativen Wettbewerbsvorteilen ab, welche das Unternehmen in Bezug auf die von ihm durchgeführten Elemente der Wertschöpfungskette besitzt, und zum anderen davon, wie effizient das Unternehmen seine Beziehungen zu Unternehmen in vor-, nach- und nebengelagerten Wertschöpfungsstufen gestaltet. Letztere Frage wird insbesondere von der Institutionenökonomik analysiert.

IV. Dynamik der Unternehmensentwicklung


Das Zusammenspiel von internen und externen Treibern begründet die Dynamik der Unternehmensentwicklung (Burgelman, Robert A. 1991). Einschlägige Beschreibungs- und Erklärungsmodelle thematisieren dabei oft verschiedene Entwicklungsstufen oder -phasen, die jeweils besondere Herausforderungen für die Gestaltung der Unternehmensentwicklung implizieren. In der Literatur sind aber auch verschiedene hemmende Faktoren aufgezeigt worden, welche zu fehlender Dynamik der Unternehmensentwicklung beitragen können.

1. Externe Treiber


In Bezug auf relevante externe Entwicklungen gehören Modelle des Branchen- und Produktlebenszyklus zu den ältesten (Rogers, Everett M. 1962; Levitt, Theodore 1965). Üblicherweise werden eine Pionier-, Wachstums-, Reife- und Niedergangsphase differenziert, die in idealtypischer Sicht über den Zeitverlauf zusammen einen S-förmigen Wachstumsverlauf zeigen. Es werden dann für jede Phase typische Maßnahmen erfolgreicher Unternehmensentwicklung postuliert, was jedoch nicht unproblematisch ist.
Ein weiterer häufig analysierter externer Treiber der Unternehmensentwicklung ist die technische Entwicklung (vgl. Abb. 1). Hier werden in idealtypischer Betrachtung in Abhängigkeit vom kumulierten F&E-Aufwand ebenfalls S-Kurvenverläufe der Entwicklung der Leistungsfähigkeit von technischen Lösungen über die Zeit unterstellt. Dieses Konzept ist insbesondere von den Unternehmensberatungen Arthur D. Little und McKinsey verbreitet worden, die Unternehmen für jede Entwicklungsphase einer Technik bestimmte Normstrategien vorschlagen, die jedoch allenfalls Plausibilität beanspruchen können (Wolfrum, Bernd 1991).
Unternehmensentwicklung
Abb. 1: S-Kurvenkonzept der Technikentwicklung (Foster, Richard N. 1986)
Die neuere Forschung hat sich insbesondere der Frage zugewandt, welche Implikationen technische Diskontinuitäten, d.h. die Ablösung einer Basistechnik (z.B. mechanische durch Quartz-Uhren) oder eines technischen Standards durch eine/n andere/n, auf die Unternehmensentwicklung besitzen. Es ist offensichtlich, dass technische Diskontinuitäten eine große Herausforderung für die in der alten Technik erfolgreichen Unternehmen bedeuten, weil die besonderen Kompetenzen dieser Unternehmen in der alten Technik entwertet werden. Nicht selten kommt es daher zu einer Ablösung der Industrieführer durch Pioniere der neuen Technik (Tushman, Michael L./Anderson, Philip 1997). Dies kann auf verschiedene Beharrungskräfte zurückgeführt werden, welche die Unternehmensentwicklung hemmen können (s. unten).
Ein weiterer externer Treiber der Unternehmensentwicklung ist die Wettbewerbsdynamik. Die strategischen Handlungen ihrer Zulieferer, Kunden und Konkurrenten stellen Unternehmen permanent vor die Herausforderung, sich neuen Wettbewerbsbedingungen zu stellen und sich im Wandel zu behaupten. Neben der Strategieforschung (s. Müller-Stewens, Günther/Lechner, Christoph 2005) haben sich insbesondere populationsökologische Studien mit den Implikationen der Wettbewerbsdynamik auf die Unternehmensentwicklung beschäftigt (s. Kieser, Alfred/Woywode, Michael 2006).
Schließlich können auch von der weiteren institutionellen Umwelt Impulse ausgehen, die eine veränderte Unternehmensentwicklung erfordern, z.B. dem Rechtssystem, dem Kapitalmarkt oder gesellschaftlichen Gruppen. Solche Entwicklungen und ihre Implikationen für Unternehmen sind insbesondere von der neo-institutionalistischen Organisationstheorie untersucht worden (s. Walgenbach, Peter 2006).

2. Interne Treiber


Der wohl wichtigste interne Treiber der Unternehmensentwicklung ist das Innovationsmanagement. Hier geht es darum, Neuerungen in Bezug auf die Gestaltung der Wertschöpfungsaktivitäten, des Leistungsprogramms und seiner Vermarktung zu generieren (Invention), zu realisieren (Innovation) und dann im Markt erfolgreich zu verbreiten (Adoption und Diffusion). Hierzu sind verschiedene Verfahren entwickelt worden, die den Innovationsprozess unterstützen (s. Gerpott, Torsten J. 2005). Die aufgrund von Innovationen erforderliche Restrukturierung der Wertschöpfungsaktivitäten erfolgt im Rahmen von Change-Management-Prozessen, die in unterschiedlicher Weise gestaltet werden können.
Während das Innovations- und Change Management versuchen, die Unternehmensentwicklung gezielt zu gestalten, gibt es andere interne Treiber der Unternehmensentwicklung, die eher ungeplant endogene Entwicklungsdynamiken auslösen. Eines der bekanntesten entsprechenden Modelle ist das von Greiner, Larry E. 1998 (vgl. Abb. 2).
Unternehmensentwicklung
Abb. 2: Modell der Unternehmensentwicklung nach Greiner, Larry E. 1998
Dieses Modell postuliert, dass in Abhängigkeit von Alter und Größe eines Unternehmens phasenspezifisch bestimmte Managementstile vorherrschen, die mit zunehmendem Alter und Größe der Unternehmung in phasenspezifische Krisen führen. Erfolgreiche Unternehmen lösen diese Krisen dann durch Einführung eines neuen Managementstils, der Ergebnis der Charakteristika der vorhergehenden und Auslöser derer der nächsten Phase ist. Wie für andere Phasenmodelle gilt aber auch für dieses, dass es zwar Beispiele für solche Abfolgen geben mag, das Modell jedoch keine allgemeine Gültigkeit beanspruchen kann.
Ein weiterer interner Treiber der Unternehmensentwicklung, der in jüngerer Zeit verstärkt untersucht wurde, ist das organisationale Lernen (Levitt, Barbara/March, James G. 1988). Organisationales Lernen bezeichnet den Prozess, in dem Organisationen ihre internen Verfahren und Routinen, die als organisatorische Wissensbestände aufgefasst werden, aufgrund gemachter Erfahrungen verändern, was wiederum Auswirkungen auf den Leistungsoutput hat. Die Forschung hat u.a. untersucht, wie organisationales Lernen induziert wird, welchen Hemmnissen es ausgesetzt sein kann, wie es institutionalisiert wird und welche Wirkungen von ihm ausgehen (Argote, Linda 1999).
Eine interne und externe Treiber kombinierende Perspektive wird z.B. von Burgelman, Robert A. vertreten, der Unternehmensentwicklung als Prozess extern induzierten und intern gesteuerten, evolutionären Wandels konzeptualisiert (Burgelman, Robert A./Grove, Andrew S. 2002).

3. Beharrungskräfte


Insbesondere im Rahmen der Forschung zur Populationsökologie und ökonomischen Evolutionstheorie, zum organisationalen Lernen und in der Innovationsforschung sind verschiedene Faktoren und Prozesse identifiziert worden, welche die Unternehmensentwicklung hemmen können.
Die populationsökologische und evolutionstheoretische Forschung hat in verschiedenen empirischen Studien Faktoren identifiziert, die zu einer Beharrung von Organisationen (englisch: inertia) in gegebenen Wertschöpfungsaktivitäten und Strukturen beitragen: höheres Alter der Organisation, beträchtliche Größe der Organisation, organisatorische Routinen, externer Legitimitätsdruck, vergangener Erfolg u.a.m. (Baum, Joel A. C./Amburgey, Terry L. 2002; Aldrich, Howard E. 1999; Hannan, Michael T./Freeman, John 1984).
March, James G./Olsen, Johan P. 1976 beschreiben vier mögliche Unterbrechungen des organisationalen Lernzyklus, welche Lernerfolg verhindern können: eingeschränkte Problemwahrnehmung der Entscheidungsträger; mangelnde Umsetzung in Entscheidungen und individuelles Handeln; fehlende Auswirkungen individueller Entscheidungen und Handlungen auf Entscheidungen und Handlungen der Organisation; und fehlende Wirkung der organisatorischen Entscheidungen und Handlungen auf den Leistungsoutput.
In der Innovationsforschung wird die mangelnde Fähigkeit von bislang erfolgreichen Unternehmen, technische Diskontinuitäten zu überstehen, darauf zurückgeführt, dass sich diese Unternehmen in einer Kompetenzfalle befinden (Leonard-Barton, Dorothy 1992). Diese lässt sie die Bedrohung durch die neue Technik zunächst nur schwer erkennen und schränkt dann auch die Motivation und Optionen zu reagieren ein. Denn für Industrieführer, die gewohnt sind, hohe Marktanteile, hohe Volumina und hohe Renditen zu erzielen, sind die durch eine neue Technik entstehenden kleinen Marktnischen zunächst unattraktiv; die Unternehmensressourcen, Strukturen und Prozesse sind auf die bestehenden Produkte und Kunden ausgerichtet; eine Umstellung auf die neue Technik und deren z.T. neuen Kunden(-anforderungen) erscheint angesichts des hohen Umstellungsaufwands nicht so rentabel wie die Reinvestition in die bestehende Technik (Christensen, Clayton M. 1997).

V. Verlaufsmuster von Unternehmensentwicklungsprozessen


In der Literatur werden verschiedene Verlaufsmuster von Unternehmensentwicklungsprozessen aufgezeigt, die je spezifische Herausforderungen, Chancen und Risiken bergen. Die wohl meist verwandte Differenzierung beschreibt Verlaufsformen von Unternehmensentwicklungsprozessen auf dem Spektrum zwischen inkrementeller und revolutionärer Veränderung. Diese Differenzierung wird beispielsweise von Greiner, Larry E. 1998 zur Beschreibung von Unternehmensentwicklungsprozessen verwandt, in Bezug auf Prozessmanagement (Hammer, Michael/Champy, James 1993) und Prozesse des Change Managements oder zur Beschreibung von Prozessen technischen Wandels (Christensen, Clayton M. 1997; Tushman, Michael L./Anderson, Philip 1997).
Inkrementelle Veränderungsprozesse (auch als evolutionäre bezeichnet) bringen allmähliche, schrittweise Veränderungen in relativ wenigen Wertschöpfungsaktivitäten oder Leistungsmerkmalen und begründen eine Kontinuität der Entwicklung. Revolutionäre Veränderungen (auch transformative oder radikale Veränderungen genannt) ziehen hingegen einen grundlegenden Wandel in einer Vielzahl von Bereichen nach sich, welche die bestehende Struktur und Inhalte der Wertschöpfungsaktivitäten nachhaltig umgestalten und damit eine Diskontinuität der Entwicklung bedingen. Inkrementelle Entwicklungsprozesse sind vergleichsweise besser planbar, bergen geringere Risiken, aber auch weniger Chancen auf außerordentliche Verbesserungen. Revolutionäre Entwicklungsprozesse bieten hingegen vergleichsweise größeres Potenzial, bedeutende Verbesserungen realisieren zu können, sind aber auch mit entsprechend höheren Risiken verbunden.
In Bezug auf die Implikationen der technischen Entwicklung haben verschiedene Studien untersucht, ob revolutionäre Pioniere, deren frühe Folger oder Nachzügler, die eine neue Technik erst spät übernehmen, erfolgreicher sind. Während in einigen Fällen die Pioniere auch Pioniergewinne realisieren konnten, die sie ihrer temporären Monopolstellung verdankten, waren es in der Mehrzahl der Fälle jedoch die frühen Folger, welche die relativ größten Vorteile aus der Übernahme der neuen Technik ziehen konnten. Denn sie mussten die mit der neuen Technik verbundenen Anlaufschwierigkeiten nicht tragen, konnten aus den Fehlern des Pioniers lernen und von dessen Vorbereitung des Marktes für die Innovation profitieren (Grant, Robert M. 2005; Teece, David J. 1987).
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