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Kapazitätsgestaltung und -optimierung


Inhaltsübersicht
I. Problemstellung
II. Kapazitätsdeterminanten
III. Anlässe und Maßnahmen der Kapazitätsgestaltung

I. Problemstellung


Als Kapazität bezeichnet man das »Leistungsvermögen einer wirtschaftlichen oder technischen Einheit – beliebiger Art, Größe und Struktur – in einem Zeitabschnitt« (Kern, W. 1962, S. 27). Hier stehen die Kapazität fertigungstechnischer Einheiten, d.h. von Maschinen, Anlagen oder Betriebsteilen, sowie die von ihnen verursachten Kosten der Betriebsbereitschaft im Mittelpunkt.
Der Kapazitätsbegriff stellt i.d.R. auf die – technisch eindeutig determinierte – maximale Leistungsfähigkeit ab, die sich als Produkt aus maximaler Leistungsintensität, Leistungsquerschnitt und maximaler Nutzungsdauer der Einheit während der betrachteten Periode ergibt. Daneben ist die Optimalkapazität von Bedeutung, die derjenigen Leistung entspricht, die zu einem Minimum der Stückkosten führt (vgl. Clar, P. 1964). Diese liegt bei einer konvexen, u-förmigen Kostenfunktion unterhalb der Maximalkapazität. Während bei der quantitativen Kapazität die Menge der abzugebenden Leistung betrachtet wird, steht bei der qualitativen Kapazität die Art der möglichen Leistungen im Vordergrund.
Die Messung der Kapazität kann im Einproduktfall anhand der Ausbringungsmenge erfolgen, im Mehrproduktfall ist eine Umrechnung auf eine einheitliche Dimension, z.B. mithilfe von Äquivalenzziffern, Arbeitsstunden oder Maschinenzeiten, erforderlich (vgl. Lücke, W. 1965). Weiter lässt sich nur die Kapazität einer einzelnen Maschine direkt angeben, wohingegen bei der Betrachtung des Gesamtbetriebs eine Aggregation erfolgen muss, bei der die bestehenden Interdependenzen zwischen den verschiedenen Teilbereichen hinreichend berücksichtigt werden.
Der Kapazitätsnutzungsgrad gibt das Niveau an, auf dem die Kapazität eines Betriebes in Anspruch genommen wird (zur Berechnung vgl. ZVEI, 1989). Er ergibt sich als Quotient aus tatsächlicher und maximal möglicher Leistung. Der optimale Kapazitätsnutzungsgrad ist sowohl technisch als auch wirtschaftlich determiniert, er führt zu dem sparsamsten Faktorverbrauch und damit auch zu den geringsten Kosten. Eine Unterschreitung bedeutet ein Ansteigen der Stückkosten aufgrund von Unwirtschaftlichkeit, bei seiner Überschreitung treten höhere Abnutzung und Ausschuss auf.
Die Aufgabe der Kapazitätsgestaltung ist die Bereitstellung von aus Anlagen und Personal bestehenden Leistungspotenzialen, die möglichst kostengünstig die während ihrer Nutzungsphase erwarteten Leistungen erbringen. Kern (Kern, W. 1992) bezeichnet die Bereitstellung von Leistungspotenzialen als Vorkombinationen, die erst durch das Hinzutreten der Werkstoffe und ggf. weiterer Faktoren zu Produkten bzw. Endkombinationen führen. Ausgangspunkt der Kapazitätsgestaltung sind die im Entscheidungszeitpunkt aufgrund der Marktentwicklung erwarteten Produktionsanforderungen. Im theoretischen Idealfall wird die optimale Betriebsgröße errichtet, die einer gewinnmaximierenden Kapazitätsvorhaltung entspricht. Allerdings lassen sich aufgrund der hohen Unsicherheit im Planungszeitpunkt und der komplexen Wirkungszusammenhänge die einer bestimmten Entscheidung zuzurechnende Gewinne nicht exakt quantifizieren.
Auch wenn die Kapazitätsgestaltung der späteren Kapazitätsnutzung zeitlich vorangehen muss, sollte die Planung dieser beiden Bereiche nicht isoliert erfolgen, sondern unter Ausnutzung der hierarchischen Struktur der Entscheidungen. Auf der oberen Planungsebene mit langfristigem Planungshorizont und strategischer Ausrichtung ist der systematische Aufbau zukünftiger Erfolgspotenziale mithilfe einer Investitionsplanung vorzunehmen, bei der bereits die erwarteten Rückflüsse während der Nutzungsphase angemessen berücksichtigt werden. Die untere Planungsebene fällt kurzfristig-operative Entscheidungen über die optimale Anpassung der Produktionsanlagen an die jeweils aktuellen Produktionsanforderungen, wobei die Rahmenbedingungen beachtet werden müssen, die durch die strategischen Entscheidungen vorgegeben sind (vgl. Steven, M. 1994). Weiter ist zu berücksichtigen, dass die Aufgabe der Kapazitätsgestaltung ein Teil der Unternehmensplanung ist und daher nur im Zusammenhang mit weiteren strategischen Entscheidungen, z.B. Standortfragen, der Gestaltung des Produktionsprogramms, der Wettbewerbsstrategie und der Technologiestrategie und im Rahmen der allgemeinen Unternehmensziele angegangen werden kann (vgl. Zäpfel, G. 1989).
Folgende Aspekte sind bei der optimalen Kapazitätsgestaltung zu berücksichtigen:
1) Die quantitative Dimensionierung erfordert eine Entscheidung über die Art und den Umfang der Berücksichtigung von Nachfrageschwankungen und Nachfragespitzen:

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Wenn, wie bei der Massenfertigung von lagerfähigen Produkten, eine Emanzipation der Produktion von der Nachfrage möglich ist, ist die Orientierung an der mittleren Nachfrage ausreichend. Bei der Synchronisation von Produktion und Nachfrage ist hingegen die maximale Nachfrage der Kapazitätsplanung zugrunde zu legen. Diese Situation besteht insb. bei der Auftragsfertigung, bei der eine Vorausfertigung allenfalls auf Teileebene möglich ist, aber auch in Energieversorgungs- und Dienstleistungsunternehmen, die ihre Kapazität auf den möglichen Spitzenbedarf auslegen müssen.

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Während eine zu groß dimensionierte Anlage die Nichtausnutzung von Produktionsmöglichkeiten und damit Ineffizienz bedeutet und Leerkosten mit sich bringt, führt eine zu geringe Kapazität einerseits zu Fehlmengenkosten bzw. Erlöseinbußen aufgrund entgangener Marktchancen, andererseits zu kostenträchtigen Anpassungsmaßnahmen in der Nutzungsphase. Daher ist bei der Entscheidung über die Kapazität einer Anlage im Rahmen der sonstigen Restriktionen ein Ausgleich dieser gegenläufigen Kosteneinflussgrößen anzustreben.


2) Mit der qualitativen Ausgestaltung der Fertigungseinheiten wird ihre Flexibilität, d.h. die Möglichkeit zur Anpassung der abgegebenen Leistungen an veränderte Anforderungen, festgelegt.
3) Von großer Bedeutung ist schließlich die Einbindung einer Fertigungseinheit in den Gesamtbetrieb. Dabei ist eine Harmonisierung der verschiedenen Kapazitäten erforderlich, um das Leistungspotenzial des Gesamtbetriebs möglichst weit auszudehnen. Insb. führen Engpässe bei einzelnen Fertigungseinheiten zu mangelnder Kapazitätsauslastung und damit Leerkosten an anderen Stellen (vgl. Lücke, W. 1965).
Die Gesamtkapazität eines Betriebes wird durch den Engpasssektor determiniert, d.h. den Teilbereich mit der geringsten Einzelkapazität. Dieser kann – in Abhängigkeit von der Zusammensetzung des Produktionsprogramms und der davon abhängigen Inanspruchnahme der verschiedenen Anlagen – im Zeitablauf wechseln. Durch seine bestmögliche Gestaltung und Nutzung lässt sich nach dem Ausgleichsgesetz der Planung (Gutenberg, E. 1983) das Leistungsvermögen des Betriebes am effektivsten steigern.

II. Kapazitätsdeterminanten


Wesentliche Determinanten der Fertigungskapazität sind auf der einen Seite die Anlagen bzw. Betriebsmittel, auf der anderen Seite das im Betrieb verfügbare Potenzial an Personal bzw. Arbeitskräften. Im Gegensatz zu den Werkstoffen als dritter Gruppe elementarer Produktionsfaktoren (vgl. Gutenberg, E. 1983) sind weder Betriebsmittel noch Arbeitskräfte in ihrem Bestand kurzfristig variabel, sodass ihre sorgfältige Auswahl und Abstimmung die wesentliche Aufgabe im Rahmen der Kapazitätsgestaltung darstellt.

1. Anlagen


Der Einsatz von maschinellen Fertigungsanlagen gilt als ein wesentliches Kennzeichen der industriellen Produktion. Die Aufgabe der Anlagenwirtschaft besteht darin, für die jeweiligen Aufgaben quantitativ und qualitativ geeignete Betriebsmittel bereitzustellen. Bei der Auswahl von Anlagen sind folgende Aspekte zu berücksichtigen:

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Während vor der Entscheidung für eine bestimmte Anlage häufig vielfältige Ausgestaltungsalternativen bestehen, erfolgt mit ihrer Installation eine Festlegung auf die durch ihre Flexibilität bestimmten Produktionsmöglichkeiten.

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Aufgrund der begrenzten Teilbarkeit von Fertigungsanlagen kann nicht jeder gewünschte Umfang an Maschinenkapazität realisiert werden.

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Bei mehrstufigen Produktionsprozessen kann die Gestaltung einer Anlage nicht isoliert erfolgen, sondern muss die bestehenden Interdependenzen zu vor- und nachgelagerten Produktionsstufen berücksichtigen.

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Auf eine bestimmte Aufgabe zugeschnittene Spezialmaschinen weisen eine hohe Kapazität und geringe Stückkosten bei optimaler Auslastung, dafür aber nur eine geringe Flexibilität auf. Universalmaschinen hingegen erlauben zwar ein breites Bearbeitungsspektrum, können aber nur vergleichsweise geringe Stückzahlen zu höheren Kosten erzeugen. Lediglich unterhalb einer gewissen kritischen Menge erweist sich eine Universalmaschine der Spezialmaschine auch unter Kostenaspekten als überlegen.


2. Personal


Die Personalwirtschaft hat die Aufgabe, die vorhandene Personalkapazität mit den durch das Produktionsprogramm gegebenen Anforderungen in quantitativer und qualitativer Hinsicht abzustimmen. Dabei ist zu beachten, dass die Kapazität nicht nur von der Anzahl und der Arbeitszeit der verfügbaren Arbeitskräfte abhängt, sondern auch von ihrer Leistungsfähigkeit, die sich durch Maßnahmen der Aus- und Weiterbildung erhöhen lässt, sowie von ihrer Leistungsbereitschaft, die es durch Motivationsmaßnahmen zu steigern gilt. Der Einsatz der Personalkapazität hat so zu erfolgen, dass das vorhandene Potenzial quantitativ und qualitativ so gut wie möglich genutzt wird. Insb. die Zuordnung von Mitarbeitern zu Arbeitsplätzen muss so erfolgen, dass ihr individuelles Leistungspotenzial optimal ausgenutzt wird. Falls dies nicht durch eine Versetzung des Arbeitnehmers möglich ist, ist entweder der Arbeitsinhalt an seine Fähigkeiten anzupassen oder durch Weiterbildung für eine Anpassung der Qualifikation an die Anforderungen zu sorgen. Ein besonderes Problem stellt sich bei Nichtausnutzung des qualitativen Potenzials eines Arbeitnehmers: Wegen der ständigen Unterforderung kommt es nicht nur zu Leerkosten, sondern auch zu nachlassender Motivation.
Da sich in vielen Branchen die tariflich beschränkte Arbeitszeit des Personals als Engpassfaktor erweist, bestehen Tendenzen zur Entkopplung von Arbeitszeit und Maschinenlaufzeit. Hierzu zählen einerseits die Automatisierung von Bearbeitungsvorgängen, wodurch mannlose Schichten gefahren werden können, andererseits die flexiblen Arbeitszeitkonzepte, die eine Konzentration der Arbeitszeit in Zeiten hoher Produktionsanforderungen sowie die Ausweitung von Nacht- und Wochenendarbeit erlauben.
Die Anpassung der zur Verfügung stehenden Arbeitszeit an den Bedarf kann durch verschiedene Maßnahmen zur Flexibilisierung der Arbeitszeit und des Personaleinsatzes erfolgen. Gerade angesichts von Tendenzen zur weiteren Arbeitszeitverkürzung ist durch Ausweitung der Maschinenlaufzeit für eine bessere Nutzung der teuren Anlagen zu sorgen. Als Einzelmaßnahmen sind hier zu nennen (vgl. Günther, H. -O. 1989):

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Teilzeitarbeit

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individuelle Arbeitszeiten

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Zeitarbeitskräfte

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Job Sharing

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Jahresarbeitszeitverträge

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gleitende Arbeitszeit

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variable Schichtzeiten

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gleitendes Wochenende.


Bereits seit Beginn der Industrialisierung ist ein Trend zur Rationalisierung festzustellen, die zu einem zunehmenden Ersatz von Personal durch Anlagen führt. Dadurch werden einerseits Unsicherheiten reduziert, die z.B. bei Arbeitsniederlegungen zu einem Stillstand der Produktion führen, andererseits werden die Kosten gesenkt. Als jüngste Entwicklung in dieser Richtung ist die Lean Production anzusehen, die durch eine Straffung der Organisation zum Wegfall ganzer Hierarchieebenen führt. Hinsichtlich der Arbeitsinhalte bestehen gegenläufige Tendenzen: Einerseits führt die Automatisierung zu einer zunehmenden Arbeitsteilung und Spezialisierung der Arbeitsinhalte, andererseits findet in Konzepten für die »Fabrik der Zukunft« wie der Gruppen- und Inselfertigung eine verstärkte Arbeitszusammenführung statt.

3. Abstimmungserfordernisse


Die Gestaltung von Anlagen- und Personalkapazität dürfen nicht isoliert erfolgen, sondern müssen aufeinander abgestimmt werden. Dies wird erschwert durch die Langfristigkeit der Entscheidungen und die Unsicherheit bezüglich der zugrunde gelegten Markteinwicklungen. Des Weiteren sind die Leistungsquerschnitte auf den verschiedenen Fertigungsstufen aufeinander abzustimmen, um spätere Engpasssituationen bereits in der Planung so weit wie möglich zu verhindern. Eine Abstimmung der Fertigungsanlagen auf die darauf zu produzierenden Produkte erfolgt beim Simultaneous Engineering, wodurch gleichzeitig eine Verkürzung der Produktentwicklungszeiten erreicht wird.

III. Anlässe und Maßnahmen der Kapazitätsgestaltung


Der Ausgangspunkt für Maßnahmen zur Kapazitätsgestaltung liegt regelmäßig in der erwarteten Entwicklung der für das Unternehmen relevanten Märkte und den daraus resultierenden Produktionsanforderungen. Während bei konstanten Produktionsanforderungen die Planung der Kapazitätsnutzung dominiert, erfordern die quantitative Zu- und Abnahme sowie ein qualitativer Wandel der Produktionsanforderungen unterschiedliche Maßnahmen der Kapazitätsgestaltung.

1. Zunehmende Produktionsanforderungen


Der Auf- bzw. Ausbau von Produktionspotenzialen ist eine langfristig wirkende Investitionsentscheidung, die durch die Erwartung nachhaltig zunehmender Produktionsanforderungen ausgelöst wird. Bei der Gründung eines Betriebes oder der Einrichtung eines neuen Fertigungsbereichs erfolgt eine Einrichtungsinvestition, bei der Erweiterung bestehender Anlagen liegt eine Erweiterungsinvestition vor. Schließlich kann es auch bei einer Ersatzinvestition, bei der eine Fertigungsanlage gegen ihren technischen Nachfolger ausgetauscht wird, zu einem Kapazitätserweiterungseffekt kommen. Bei der Anschaffung neuer Anlagen ist gleichzeitig dafür zu sorgen, dass die zusätzlich benötigten Arbeitskräfte mit den erforderlichen Qualifikationen eingestellt werden.
Vor der Entscheidung über eine Kapazitätsausweitung ist zu prüfen, für welchen Zeitraum die gestiegenen Produktionsanforderungen relevant sein werden.

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Handelt es sich um einen kurzfristigen Nachfrageanstieg, so wird das Unternehmen keine zusätzlichen Kapazitäten bereitstellen, sondern vielmehr versuchen, durch Maßnahmen der zeitlichen, quantitativen oder intensitätsmäßigen Anpassung (Gutenberg, E. 1983) zu reagieren. Zeitliche Anpassung bedeutet längere Maschinenlaufzeiten und Überstunden für das Personal, sie steht daher – wie auch die anderen Anpassungsformen – nur in bestimmten Grenzen zur Verfügung.

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Bei einem kurz- bis mittelfristigen Nachfrageanstieg ist zu prüfen, ob sich die benötigten Produktionsleistungen nicht vorteilhafter außerhalb des Unternehmens beschaffen lassen.

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Erst bei einem nachhaltig erwarteten Nachfrageanstieg wird sich die Investition in zusätzliche Kapazitäten als vorteilhaft erweisen.


Der Kapazitätsaufbau kann entweder –  bei optimistischen Zukunftserwartungen – kostengünstig in großen Abschnitten erfolgen, die anfangs nur zum Teil ausgelastet werden, oder sukzessiv, entsprechend der Ausweitung des Marktpotenzials, in kleinen, relativ teuren Einheiten. Da die Kosten der Anlagennutzung mit der Anlagengröße kaum ansteigen, besteht eher eine Tendenz zur Anschaffung von großen Anlagen (vgl. Männel, W. 1974).
Da die Fertigung i.d.R. auf mehreren aufeinander folgenden Produktionsstufen erfolgt, ist die Harmonisierung der Kapazitäten auf den einzelnen Stufen gerade beim Kapazitätsausbau von großer Bedeutung, da in dieser Phase noch umfassende Gestaltungsmöglichkeiten bestehen. Dazu sind sämtliche Anlagen so zu dimensionieren, dass ein reibungsloser Fertigungsablauf möglich ist und die Nutzung jeweils mit der optimalen Intensität erfolgen kann, die sowohl die minimalen Kosten als auch die geringsten Werte für Faktorverbrauch und Verschleiß aufweist. Aufgrund der Heterogenität der Anlagen ist dies allerdings ein Idealfall, der in der Realität nur ausnahmsweise vorzufinden sein wird.
Bei neueren Systemen der Fertigungssteuerung ist häufig die Tendenz festzustellen, dass die Kapazität und die damit verbundenen Kosten zugunsten anderer, für wichtiger gehaltene Aspekte in den Hintergrund treten. So findet z.B. bei der Just in Time-Produktion eine Substitution von Umlauf- durch Anlagevermögen statt; bei der Fertigungssegmentierung führt die Mehrfachbeschaffung bestimmter Maschinen für verschiedene Fertigungssegmente zu einer Redundanz auf Maschinenebene, die mit einer geringeren Kapazitätsauslastung der einzelnen Maschinen verbunden ist. In flexiblen Fertigungssystemen werden bevorzugt Anlagen mit hoher Flexibilität angeschafft, die sich häufig nur durch die Vorhaltung von Kapazität realisieren lässt, z.B. in Form von Maschinen mit überlappenden Verrichtungsspektren oder von Werkzeugmagazinen, aus denen jeweils nur eines benutzt wird.
Auch die Entscheidung über Eigenfertigung oder Fremdbezug von Leistungen ist in engem Zusammenhang mit der Kapazitätsgestaltung zu sehen, denn durch die Auslagerung von bestimmten Teilen der Produktion kann auf die Bereitstellung der entsprechenden Kapazitäten verzichtet werden. Die Grundstruktur des Entscheidungsproblems besteht in einer Break-Even-Analyse, d.h. der Ermittlung einer kritischen Menge, bei der beide Alternativen gleichwertig sind.
Generell erfolgt die Entscheidung für die Eigenfertigung, wenn die Leistungen im eigenen Unternehmen kostengünstiger erstellt als von außen bezogen werden können. Weitere potenzielle Vorteile der Eigenfertigung sind:

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Gewährleistung von bestimmten Qualitätsanforderungen

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Unabhängigkeit von Lieferanten

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hohe Versorgungssicherheit

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kürzere Lieferfristen

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ggf. Auslastung leer stehender Kapazitäten.


Dementsprechend wird dem Fremdbezug i.A. dann der Vorzug gegeben, wenn die Transaktionskosten eines Leistungsbezugs am Markt geringer sind als die Kosten der internen Koordination. Darüber hinaus weist er folgende Vorteile auf:

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größere Flexibilität bezüglich der bezogenen Mengen

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Möglichkeit des Lieferantenwechsels

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keine langfristige Kapitalbindung bei nur kurzfristigem Bedarf

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Reduktion bzw. Verlagerung von Lagerbeständen auf den Lieferanten.


Derzeit besteht in zahlreichen Bereichen die Tendenz zur Auslagerung bestimmter Funktionen:

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Durch die Verlagerung von Transportaufgaben auf Logistikdienstleister lässt sich der eigene Fuhrpark einsparen und gleichzeitig das Terminrisiko abwälzen.

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Der Fremdbezug von Leistungen wie Reinigungsdiensten, Gebäudeüberwachung oder der Kantinenbewirtschaftung ermöglicht erhebliche Kostensenkungen, da der externe Anbieter auf die jeweiligen Tätigkeiten spezialisiert ist. Weiter kann er günstige Hilfskräfte einstellen, während bei eigenem Personal die jeweiligen Tarifverträge eine höhere Entlohnung vorsehen.

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Beim Anlagenleasing lässt sich die Kapazität erhöhen, ohne dass Eigenkapital eingesetzt werden muss. Zugleich ist eine höhere Flexibilität durch die Möglichkeit zur vorzeitigen Kündigung des Vertrages gegeben.

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Ähnliches gilt für den Einsatz von Arbeitnehmern, die bei Leiharbeitsfirmen eingestellt sind. Es lassen sich Kapazitätsengpässe überbrücken, ohne die langfristige Bindung an zusätzliche Stammbelegschaft eingehen zu müssen.

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Weiter ist die Reduktion der Fertigungstiefe durch den Einsatz von Systemlieferanten ein wesentliches Element der Lean Production, durch das sich die Produktionskosten erheblich senken lassen. Allerdings kommt es gerade hier zu neuen Abhängigkeiten, die bei der Beurteilung des Kostenvorteils zu berücksichtigen sind.

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Schließlich können sowohl die Hereinnahme von Zusatzaufträgen als auch die Fremdvergabe von Aufträgen als Instrument zur mittelfristigen Anpassung von Kapazität und Nachfrage eingesetzt werden.


2. Zurückgehende Produktionsanforderungen


Auch bei einem Rückgang der Produktionsanforderungen hängen die zu ergreifenden Maßnahmen davon ab, ob dieser als nachhaltig eingeschätzt wird. Bei einem kurzfristigen Nachfrageeinbruch wird zunächst versucht, diese Phase durch Produktion auf Lager oder durch operative Anpassungsmaßnahmen zu überbrücken. So wird bei der Kurzarbeit das Produktionspotenzial sowohl auf der Anlagen- als auch auf der Personalseite unverändert aufrechterhalten, um bei der erwarteten anschließenden Nachfragesteigerung sofort wieder zur optimalen Produktionsweise zurückkehren zu können. Zu einer Kapazitätsstilllegung kommt es hingegen, wenn auch auf mittlere Sicht nicht damit zu rechnen ist, dass die Anlagen sinnvoll genutzt werden können. Hierbei ist eine Abwägung von Stillstands- und Wiederingangsetzungskosten erforderlich.
Ein endgültiger Kapazitätsabbau durch Desinvestition der Anlagen und Entlassung der Arbeitskräfte bzw. Ausnutzung der natürlichen Fluktuation führt zu einem Abbau der entsprechenden Fix- bzw. Leerkosten. Da es auf der einen Seite nur einen begrenzten Markt für gebrauchte Produktionsanlagen gibt, die auf bestimmte Anforderungen hin konstruiert worden sind, auf der anderen Seite der Personalabbau durch Entlassungen in großem Umfang zu erheblichen zusätzlichen Kosten z.B. für Sozialpläne führt, wird diese Maßnahme erst ergriffen, wenn auch langfristig keine zufrieden stellenden Ertragsaussichten bestehen. Diese Situation besteht z.B. in den Bereichen Kohle und Stahl, in denen die Erzeugnisse aufgrund gesunkener Weltmarktpreise nur noch unter ihren Grenzkosten abgesetzt werden können.
Ein Kapazitätsabbau ist weiterhin angebracht, wenn sich zuvor aufgebaute Überkapazitäten als nicht ausnutzbar erweisen. Hier ist zu prüfen, ob nicht durch Hereinnahme von Zusatzaufträgen die Auslastung erhöht werden kann (vgl. Steffen, R. 1980).

3. Wandel der Produktionsanforderungen


Ein Wandel der Produktionsanforderungen erfordert eine Kapazitätsumstrukturierung. Da dabei gleichzeitig ein Kapazitätsauf- und -abbau stattfindet, lassen sich die zuvor angestellten Überlegungen auf dieses Problem übertragen.
Der Wandel der Produktionsanforderungen kann insb. in Nachfrageverschiebungen bestehen, durch die das bisherige Produktionsprogramm nicht mehr abgesetzt werden kann. Gleichzeitig sind die vorhandenen Produktionspotenziale nicht in der Lage, die neuen Anforderungen zu erfüllen. Dies ist z.B. in der Automobilindustrie der Fall, wo eine Tendenz gleichzeitig zu immer individuelleren Produkten und zu immer kürzeren Produktlebenszyklen besteht. In diesem Fall ist eine Anpassung der maschinellen und personellen Ausstattung des Unternehmens an die neuen Gegebenheiten durch eine Kapazitätsumstrukturierung erforderlich.
Veränderte Produktionsanforderungen können sich auch durch verschärfte Umweltschutzvorschriften ergeben. Bei einer Herabsetzung von Grenzwerten erfüllen die vorhandenen Anlagen diese häufig nicht, sodass ihr Betrieb nach einer Übergangsfrist nicht mehr zulässig ist. Daher ist eine Stilllegung der alten Anlage und eine Ersatzbeschaffung einer umweltverträglicheren Anlage mit entsprechend geringeren Emissionen erforderlich.
Ein weiterer Auslöser für eine Kapazitätsumstrukturierung kann der technische Fortschritt sein, durch den die vorhandenen Anlagen vorzeitig ausgemustert werden. Die in die Nachfolgetechnologie erfolgende Ersatzinvestition erfordert häufig gleichzeitig eine organisatorische Umstrukturierung, so z.B. bei CIM, flexiblen Fertigungssystemen oder dem Einsatz von Industrierobotern.
Literatur:
Clar, P. : Die Kapazitätsnutzung der Industrieunternehmung, Berlin 1964
Corsten, H./Köhler, R./Müller-Merbach, H. : Kapazitätsmessung, Kapazitätsgestaltung, Kapazitätsoptimierung, Stuttgart 1992
Günther, H.-O. : Produktionsplanung bei flexibler Personalkapazität, Stuttgart 1989
Gutenberg, E. : Grundlagen der Betriebswirtschaft, Bd. 1: Die Produktion, 24. A., Berlin et al. 1983
Kern, W. : Die Messung industrieller Fertigungskapazitäten und ihrer Ausnutzung, Köln et al. 1962
Kern, W. : Aufgaben und Dimensionen von Kapazitätsrechnungen, in: Finanz- und Rechnungswesen als Führungsinstrument, hrsg. v. Ahlert, D./Franz, K.-P./Göppl, H., Wiesbaden 1990, S. 222 – 235
Kern, W. : Industrielle Produktionswirtschaft, 5. A., Stuttgart 1992
Kistner, K.-P./Steven, M. : Produktionsplanung, 2. A., Heidelberg 1993
Klinger, K. : Zur betriebswirtschaftlichen Klärung des Begriffs der industriellen Kapazität, in: BFuP, 1949, S. 46 – 60
Layer, M. : Optimale Kapazitätsausnutzung und Kapazitätsbereitstellung, Würzburg et al. 1975
Lücke, W. : Probleme der quantitativen Kapazität in der industriellen Erzeugung, in: ZfB, 1965, S. 354 – 369
Männel, W. : Anlagen und Anlagenwirtschaft, in: HWB, Bd. 1, hrsg. v. Grochla, E./Wittmann, W., 4. A., Stuttgart 1974, Sp. 138 – 147
Steffen, R. : Die Bestimmung von Kapazitäten und ihrer Nutzung in der industriellen Fertigung, in: ZfbF, 1980, S. 173 – 190
Steven, M. : Hierarchische Produktionsplanung, 2. A., Heidelberg 1994
Zäpfel, G. : Stategisches Produktions-Management, Berlin et al. 1989
ZVEI, : Kapazitätsrechnung, Frankfurt a.M. 1989

 

 


 

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