A B C D E F G H I J K L M N O P Q R S T U V W X Y Z
wirtschaftslexikon wirtschaftslexikon
 
Wirtschaftslexikon Wirtschaftslexikon

 

wirtschaftslexikon online lexikon wirtschaftslexikon
   
 
     
wirtschaftslexikon    
   
    betriebswirtschaft
     
 
x

Arbeitnehmer


Inhaltsübersicht
I. Arbeitnehmer
II. Arbeitnehmerähnliche Selbstständige
III. Scheinselbstständige und „ Neue Selbstständigkeit “
IV. Entwicklungen

I. Arbeitnehmer


1. Begriffsmerkmale


Der Arbeitnehmerbegriff gilt herkömmlich als Zentralfigur des Arbeitsrechts. Durch den Begriff des Arbeitnehmers wird der Geltungsbereich der arbeitsrechtlichen Vorschriften (Gesetz, Verordnung, Tarifvertrag, Betriebsvereinbarung) abgesteckt. Ihm korrespondiert im Recht der Sozialversicherung der Begriff des Beschäftigten (§ 7 Abs. 1 SGB IV). Historisch hat sich die Bezeichnung Arbeitnehmer nach 1920 als Oberbegriff für „ Arbeiter “ und „ Angestellte “ eingebürgert. Ihn heute über diese Begriffe zu definieren, hilft nicht weiter, weil die Zugehörigkeit zu einer der beiden Arbeitnehmergruppen ihrerseits die Zuordnung zu den Arbeitnehmern voraussetzt. Überdies wird der Anschein erweckt, die Arbeitnehmereigenschaft richte sich nach bestimmten Berufen oder Berufsgruppen. Es gibt jedoch keine arbeitnehmertypischen Tätigkeiten „ an sich “ ; vielmehr kann eine Dienstleistung auf jeder beliebigen vertraglichen Grundlage erbracht werden. Maßgeblich sind die Umstände, unter denen die Arbeit geleistet werden muss.
Bislang fehlt eine handhabbare Legaldefinition mit eindeutigen Kriterien. Notwendige, aber nicht hinreichende Bedingung für die Arbeitnehmereigenschaft ist die Verrichtung entgeltlicher Dienste für einen anderen auf der Grundlage eines privatrechtlichen Vertrags. Kein Arbeitnehmer ist, wer aufgrund eines öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses tätig wird, wie beispielsweise Beamte, Richter, Soldaten, Wehr- und Zivildienstleistende, oder wer keine entgeltlichen, sondern ehrenamtliche Dienste verrichtet, wie etwa Mitglieder eines Vereins. Ebenso wenig Arbeitnehmer ist, wer als Gesellschafter einer Personengesellschaft arbeitet; seine Dienstverpflichtung wurzelt im Gesellschaftsrecht. Schließlich scheidet die Arbeitnehmereigenschaft aus, wenn nicht bloß zeitbestimmte Dienste, sondern der Erfolg der Tätigkeit versprochen wurde. In diesem Fall liegt ein Werkvertrag vor.
Nach traditioneller Ansicht ist Arbeitnehmer, wer seine Dienste in persönlicher Abhängigkeit verrichtet. Wirtschaftliche Abhängigkeit im Sinne eines „ existentiellen Angewiesenseins “ auf den Arbeitsplatz genügt zur Begründung der Arbeitnehmerstellung nicht. Arbeitnehmer sind zwar typischerweise wirtschaftlich abhängig; die daraus folgende soziale Schutzbedürftigkeit ist jedoch nur Motiv, nicht aber Anwendungsvoraussetzung arbeitsrechtlicher Vorschriften. Ob Dienste in persönlicher Abhängigkeit verrichtet werden, beurteilt sich typologisch nach den gesamten Umständen des Einzelfalls. Maßgeblich ist, ob die Arbeit weisungsgebunden und damit fremdbestimmt erfolgt. Wer Weisungen zum Inhalt, zur Zeit und zum Ort der Dienste unterliegt, gilt als Arbeitnehmer. Arbeitnehmer ist ferner, wer seine Dienste eingegliedert in einer fremden Organisation erbringt (vgl. § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB IV). Allerdings sind Weisungsgebundenheit und Eingliederung keine trennscharfen Kriterien. Weisungsgebunden können auch Selbstständige sein; umgekehrt gibt es Arbeitnehmer, wie etwa Leitende Angestellte, Chefärzte oder Wissenschaftler, denen praktisch keine Weisungen erteilt werden. Da die Weisungsgebundenheit unterschiedlich stark ausgeprägt sein kann, genügt der Rechtsprechung ein „ hinreichender Grad “ persönlicher Abhängigkeit zur Bejahung der Arbeitnehmereigenschaft (vgl. zuletzt BAG, AP Nr. 33 zu § 611 BGB Rundfunk). Damit gerät das Abgrenzungskriterium zu einer konturlosen Generalklausel, mit der sich Zweifelsfälle in der Grauzone zwischen abhängiger und selbstständiger Tätigkeit kaum sicher beurteilen lassen.
Die Abgrenzung gelingt zuverlässiger, wenn man darauf abstellt, dass der Arbeitsvertrag dem Arbeitgeber ein Recht zur Steuerung des arbeitsteiligen Prozesses gewährt. Der Arbeitgeber hat nicht nur faktische Leitungsmacht, sondern ein Leitungsrecht, aufgrund dessen er befugt ist, über die Arbeitskraft des Mitarbeiters zu verfügen. Diese Verfügbarkeit begründet die persönliche Abhängigkeit des Arbeitnehmers, weil die Arbeit höchstpersönlich zu leisten ist und die geschuldete Arbeitskraft nicht von der Person des Arbeitnehmers, der sie verrichtet, getrennt werden kann. Während die persönliche Abhängigkeit unterschiedlich abgestuft sein kann, gibt es beim Leitungsrecht nur zwei Alternativen: entweder es besteht oder es besteht nicht. Das erleichtert die Zuordnung erheblich. Stets lässt sich feststellen, ob die Koordinationskonflikte, die bei jeder arbeitsteiligen Organisation zwangsläufig auftreten, nur im Wege des Konsenses bereinigt werden können oder ob das Recht besteht, sie jederzeit durch einseitige Anordnungen zu lösen; nur im letzteren Fall besteht ein Arbeitsvertrag. Hinsichtlich der Konfliktlösung sind Zwischenformen zwischen Konsens und Anordnung ausgeschlossen. Zweiseitig-konsensuale oder einseitig-anordnende Lösungsmechanismen lassen sich nicht mischen. Gerade deshalb bietet das Leitungsrecht einen geeigneten Anknüpfungspunkt für eine trennscharfe Abgrenzung (s. im Einzelnen Maschmann,  2001, S. 163 ff.).

2. Nachweis der Merkmale


Da das Leitungsrecht wesensmäßig mit jedem Arbeitsvertrag verbunden ist, braucht es nicht ausdrücklich vereinbart zu werden, sondern kann sich aus den Umständen der Tätigkeit ergeben. Zumeist zeigt es sich in einem umfassenden Weisungsrecht. Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Arbeitgeber fachlich oder tatsächlich in der Lage ist, „ sinnvolle “ Anordnungen zu geben; entscheidend ist, ob er rechtlich zur Weisungserteilung befugt ist und über die Arbeitskraft verfügen darf. Werden dem Arbeitnehmer keine Weisungen erteilt, kann sich das arbeitsvertragliche Leitungsrecht u.a. darin manifestieren, dass der Arbeitgeber den Arbeitseinsatz durch verbindliche Dienst- oder Tourenpläne einseitig ohne Rücksprache mit seinem Vertragspartner koordinieren und damit im Wesentlichen frei über seine Arbeitskraft verfügen darf. Ferner können umfassende Kontrollbefugnisse, die vornehmlich der Überwachung der Anwesenheit des Mitarbeiters dienen, auf das Leitungsrecht hindeuten. Dagegen wird die Arbeitnehmereigenschaft nicht schon dadurch begründet, dass einem an sich selbstständigen Auftragnehmer durch die Gestaltung oder bei der Durchführung des Vertrages kaum nennenswerter unternehmerischer Spielraum verbleibt. Klauseln, die den Selbstständigen unangemessen beschränken, sind im Wege einer Inhaltskontrolle des Vertrags zu beseitigen. Der Arbeitsvertrag ist im Verhältnis zum Selbstständigenvertrag kein wesensgleiches „ minus “ , sondern ein „ aliud “ . Der Arbeitnehmer ist kein „ verhinderter Unternehmer “ , sondern jemand, der sich zu Diensten unter der Leitung und nach der Weisung eines anderen verpflichtet hat. Der Arbeitsvertrag verfügt über eine eigene Pflichtenstruktur. Sie unterscheidet sich von Verträgen mit Selbstständigen nicht in quantitativer, sondern in qualitativer Hinsicht. Entscheidend ist nicht das Maß der Einschränkung, sondern ihre Ursache, namentlich die Anerkennung fremder Leitungsmacht.
Keine Rolle spielt, ob in Vollzeit- oder Teilzeitbeschäftigung, haupt- oder nebenberuflich, kurzfristig oder geringfügig, in den Räumen des Dienstherrn oder zu Hause beim Dienstnehmer gearbeitet wird. Unerheblich ist ferner, ob die Arbeit zeit- oder erfolgsbezogen vergütet wird. Formale Kriterien, wie etwa die Übergabe von Arbeitspapieren (z.B. Lohnsteuerkarte), die Abführung von Steuern und Sozialabgaben oder die Gewährung von Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall und Erholungsurlaub, haben keine ausschlaggebende Bedeutung, weil mit ihnen nur Folgerungen aus dem Bestand eines Arbeitsverhältnisses gezogen werden. Nichtssagend sind schließlich reine Äußerlichkeiten, die der Dienstherr beliebig verändern kann, wie beispielsweise das Fehlen oder Vorhandensein eines eigenen Büros, Schreibtisches oder Postfaches, die Aufnahme in das hausinterne Telefonverzeichnis oder die Führung von Personalakten.

3. Rechtsformwahl, Rechtsformzwang, Rechtsformverfehlung


Im Arbeitsrecht herrscht Rechtsformzwang. Das Arbeitsrecht zwingt niemanden zum Abschluss eines Arbeitsvertrags; aber es verweist jeden, der einen anderen auf der Grundlage eines Arbeitsvertrags beschäftigt, in die dafür verbindlich vorgesehene Form. Aus dem Rechtsformzwang ergibt sich auch immer ein Rechtsfolgenzwang. Das gesamte arbeitsrechtliche Schutzinstrumentarium setzt sich schlechthin gegenüber abweichenden Parteivereinbarungen durch. Abreden, die gegen zwingendes Arbeitsrecht verstoßen, sind unwirksam; an ihre Stelle tritt die entsprechende gesetzliche oder kollektivvertragliche Vorschrift.
Ob die Dienste aufgrund eines Arbeitsvertrags versprochen sind, bestimmt sich rein objektiv danach, ob eine höchstpersönlich zu verrichtende Tätigkeit unter Einräumung eines Leitungsrechts versprochen wurde. Unbeachtlich ist dagegen, wie die Parteien den Vertrag bezeichnet haben, da sonst zwingendes Arbeitsrecht durch schlichte Umqualifizierung umgangen werden könnte. Der Arbeitnehmerbegriff entzieht sich jeglicher Parteidisposition. Das gilt selbst dann, wenn die objektiven Merkmale schwer nachweisbar sind, aber auch, wenn ein Dienstnehmer ausnahmsweise keines arbeitsrechtlichen Schutzes bedarf, weil er wirtschaftlich unabhängig ist. Die zuweilen „ überschießende “ Schutztendenz des Arbeitsrechts ergibt sich aus der Notwendigkeit zu Abstraktion und Typisierung; sie entbindet nicht von der Einhaltung zwingender Vorschriften. Divergieren objektiv bestimmte Rechtsform und subjektive Parteivorstellung, kommt es zu einer Rechtsformverfehlung. Haben die Parteien verkannt, dass ein Arbeitsvertrag geschlossen wurde, führt das weder zur Nichtigkeit noch zur Anfechtbarkeit. Vielmehr ist der zu Unrecht als Nicht-Arbeitnehmer Behandelte rückwirkend als Arbeitnehmer zu behandeln (BAG, NZA 2002, 155).

II. Arbeitnehmerähnliche Selbstständige


1. Begriff


Wer bei seiner Tätigkeit keinem Leitungsrecht unterliegt, ist Selbstständiger. Er kann, weil er persönlich unabhängig ist, seine Arbeit im Wesentlichen frei einteilen und über seine Arbeitszeit bestimmen (vgl. § 84 Abs. 1 Satz 2 HGB). Das Rechtsverhältnis mit dem Auftraggeber ist ein Dienst- oder Werkvertrag, ein Werklieferungs- oder Kaufvertrag, ein Franchising- oder sonstiger Vertrag. Indes unterscheidet sich das Tätigkeitsbild manches „ kleinen “ Selbstständigen nur wenig von dem eines Arbeitnehmers. Das gilt vor allem für die „ neuen “ Selbstständigen, die als „ Ein-Mann-Unternehmer “ häufig Aufgaben übernehmen, die zuvor von eigenen Mitarbeitern des Auftraggebers erfüllt wurden. Kleine Franchisenehmer gehören ebenso dazu wie selbstfahrende Frachtführer und Kurierdienstunternehmer, aber auch Einfirmenhandels- bzw. -versicherungsvertreter, „ ständige “ freie Mitarbeiter bei den Rundfunkanstalten und Medienunternehmen und Ein-Mann-Subunternehmer in der Bauwirtschaft. Ist ein Selbstständiger von seinem Auftraggeber zwar nicht persönlich, aber wirtschaftlich abhängig und vergleichbar einem Arbeitnehmer schutzbedürftig, bezeichnet man ihn als arbeitnehmerähnliche Person, genauer: als arbeitnehmerähnlichen Selbstständigen (Hromadka,  1997a, S. 1249; Pfarr,  1997, S. 75 ff.). Arbeitnehmerähnliche Selbstständige arbeiten wie Arbeitnehmer persönlich, d.h. überwiegend ohne eigene Mitarbeiter, auf Dauer und im Wesentlichen für ein und denselben Auftraggeber, von dem sie den überwiegenden Teil ihres Erwerbseinkommens beziehen (vgl. § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI, § 12a Abs. 1 Nr. 1 TVG), ohne jedoch seinem Leitungsrecht zu unterliegen.

2. Rechtsfolgen


Arbeitnehmerähnliche unterfallen, weil sie Selbstständige sind, nicht dem Arbeitsrecht. Von diesem Grundsatz bestehen nur wenige Ausnahmen: Die Arbeitsbedingungen von Arbeitnehmerähnlichen können durch Tarifvertrag geregelt werden (§ 12a TVG), wie es beispielsweise bei den ständigen freien Mitarbeitern der Rundfunkanstalten geschieht. Sie haben Anspruch auf bezahlten Urlaub (§ 2 BUrlG) und genießen Schutz gegen sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz (§ 1 Abs. 2 BeschSchG). Ferner gilt für sie das Arbeitsschutzgesetz (§ 2 Abs. 2 Nr. 3 ArbSchG), das sie vor Arbeitsunfällen und sonstigen arbeitsbedingten Gesundheitsgefahren bewahren soll. Für Klagen gegen ihre Auftraggeber sind die Arbeitsgerichte zuständig (§ 5 Abs. 1 S. 2 ArbGG); die Arbeitsgerichte haben allerdings, soweit Arbeitsrecht nicht gilt, nach bürgerlichem oder Handelsrecht zu entscheiden. Seit 1999 unterliegen Arbeitnehmerähnliche auch der Rentenversicherungspflicht (§ 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI), von der sie unter besonderen Umständen aber wieder befreit werden können (§ 6 Abs. 1a SGB VI). Für in Heimarbeit beschäftigte Selbstständige (Heimarbeiter und Hausgewerbetreibende) gilt das Heimarbeitsgesetz, das umfassende Vorschriften zum Arbeitsschutz, zu Entgelt und Entgeltschutz und zur Kündigung enthält. Darüber hinaus hat die Rechtsprechung eine Reihe arbeitsrechtlicher Vorschriften und Grundsätze für entsprechend anwendbar erklärt. Hinsichtlich der betrieblichen Mitbestimmung gelten sie als Arbeitnehmer des Betriebes, für den sie tätig werden (§ 5 Abs. 1 Satz 2 BetrVG). Für Einfirmenvertreter, d.h. für Handels- oder Versicherungsvertreter, die vertraglich nicht für weitere Unternehmer tätig werden dürfen oder denen dies nach Art und Umfang der von ihnen verlangten Tätigkeit nicht möglich ist, kann der Bundesminister der Justiz durch Rechtsverordnung „ die untere Grenze der vertraglichen Leistungen des Unternehmers festsetzen “ , „ um die notwendigen sozialen und wirtschaftlichen Bedürfnisse ? sicherzustellen “ (§ 92a HGB). Insbesondere können Mindestprovisionen oder feste Bezüge in einer Mindesthöhe, die Pflicht zur Gewährung von Erholungsurlaub, zur Zahlung einer Vergütung bei unverschuldetem Dienstversäumnis und zur Erteilung eines Zeugnisses festgesetzt werden. Eine Rechtsverordnung ist allerdings bislang mangels Bedürfnisses nicht ergangen.

III. Scheinselbstständige und „ Neue Selbstständigkeit “


In der Grenzzone zwischen abhängiger und selbstständiger Tätigkeit bereitet die rechtliche Einordnung Probleme. Nicht selten wurden in der Vergangenheit Dienstleistungsverhältnisse als Selbstständigenverträge deklariert, die sich bei objektiver Betrachtung als Arbeitsverträge erwiesen. Der Abschluss des Selbstständigenvertrages geschah nur zum Schein, nicht zuletzt um der mit dem „ Arbeitnehmer- und Beschäftigtenstatus “ zwingend verbundenen Sozialversicherungs- und Beitragspflicht zu entgehen. Unter dem Begriff der „ Scheinselbstständigkeit “ wurde allerdings noch eine andere, rechtspolitische Frage diskutiert: der sozialversicherungsrechtliche Schutz der „ neuen “ , kleinen Selbstständigen gegen die „ Wechselfälle des täglichen Lebens “ (Krankheit, Unfall, Invalidität, Alter, Arbeitslosigkeit, Pflegebedürftigkeit) und – gleichsam als Kehrseite der Medaille – die Angst der Sozialversicherungsträger vor dem rasanten Verlust von in die (Schein-)Selbstständigkeit entlassenen Versicherten.
Der Gedanke, diese „ neuen “ Selbstständigen (wieder) in die Sozialversicherung einzubeziehen, lag nahe. Hilfestellung leistete eine neuere Lehre im Arbeitsrecht, die das tragende Abgrenzungsmerkmal für die Arbeitnehmereigenschaft nicht in der persönlichen, sondern in der wirtschaftlichen Abhängigkeit sah (Wank,  1988). Echter, versicherungsfreier Selbstständiger sollte nur sein, wer freiwillig ein Unternehmerrisiko übernommen hatte, was die Möglichkeit zu freier unternehmerischer Betätigung voraussetzte: nach außen das Auftreten am Markt gegenüber vielen Vertragspartnern, nach innen das Bestehen einer eigenen betrieblichen Organisation mit eigenen Mitarbeitern und eigenem Kapital. Dagegen sollte Arbeitnehmer sein, wer ohne nachhaltige Aussicht auf Gewinn nur die Risiken seines „ Unternehmertums “ trug, weil unternehmerische Spielräume versagt wurden oder sich mangels Marktorientierung oder eigener Organisation nicht realisieren ließen. Viele „ neue Selbstständige “ , die herkömmlich als arbeitnehmerähnliche Selbstständige gegolten hätten, erklärte die neuere Lehre zu Arbeitnehmern und damit zu versicherungspflichtigen Beschäftigten.
Manche Ideen der neueren Lehre machte sich der Gesetzgeber zu eigen, als er 1999 eine Regelung zur „ Bekämpfung der Scheinselbstständigkeit “ schuf, nach der ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis (widerlegbar) vermutet wurde, wenn ein Erwerbstätiger – soweit er nicht selbstständiger Handelsvertreter war – mindestens zwei der von der neueren Lehre entwickelten Kriterien erfüllte. Da sich die Sozialversicherungsträger auf die Feststellung leicht zu ermittelnder formaler Merkmale beschränkten, die meist erfüllt und kaum widerlegbar waren, wurden „ neue Selbstständige “ eine Zeitlang scharenweise dem Versicherungs- und Beitragszwang unterworfen. Nach erheblichen Protesten entschärfte der Gesetzgeber Ende 1999 die Vorschrift. Der rechtliche Schutz der neuen Selbstständigen bleibt gleichwohl ein dringendes Anliegen (vgl. Hromadka,  2000, S. 461 ff.).

IV. Entwicklungen


Rechtstatsächlich ist bei Arbeitnehmern ein Trend zu weniger Bindung und mehr Freiheit festzustellen. Man konstatiert die Auflösung des „ Normalarbeitsverhältnisses “ , dessen Leitbild der Fabrikarbeiter war, der hauptberuflich als Vollzeitkraft in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis beschäftigt wurde. Der Wandel der Industrie- zur Dienstleistungs-, Informations- und Freizeitgesellschaft ist an diesem Leitbild nicht spurlos vorübergegangen. Mehr denn je hat man es zu tun mit Teilzeitbeschäftigung und befristeter Beschäftigung. Die modernen Kommunikationstechniken erlauben es, Dienste auch von zu Hause aus als Telearbeit verrichten zu lassen.

1. Teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer


Teilzeitbeschäftigt sind die Arbeitnehmer, deren regelmäßige Wochenarbeitszeit kürzer ist als die vollzeitbeschäftigter Arbeitnehmer mit der gleichen oder einer ähnlichen Tätigkeit im selben Betrieb oder derselben Branche (§ 2 Abs. 2 TzBfG). Auf den Umfang der Verkürzung kommt es nicht an – bei der 40-Stunden-Woche ist auch eine 39-Stunden-Woche Teilzeitarbeit -, ebenso wenig auf die Art und Weise der Verkürzung (7 statt 8 Stunden täglich, 30 Stunden oder 3 Tage je Woche oder abwechselnd in der einen Woche 3, in der anderen 2 Tage, 3 Wochen im Monat oder nur die ersten beiden Monate im Quartal). Für Teilzeitbeschäftigte, deren Arbeitszeit bestimmte Höchstgrenzen nicht übersteigt, gibt es Sonderregelungen im Sozialversicherungs- und im Steuerrecht; im Arbeitsrecht stehen sie den anderen Teilzeitbeschäftigten gleich.
Teilzeitbeschäftigte haben dieselben Rechte und Pflichten wie Vollzeitbeschäftigte. Insbesondere haben sie pro rata Anspruch auf dieselben Leistungen (Entgelt, Gratifikationen, Urlaub, Jubiläumsgeld, Altersversorgung) wie Vollzeitkräfte (§ 4 Abs. 1 TzBfG). Sie dürfen wegen der Teilzeitarbeit nicht grundlos schlechter behandelt werden. Sachliche Gründe für eine Ungleichbehandlung können sein: Arbeitsleistung, Qualifikation, Berufserfahrung, soziale Lage, Arbeitsplatzanforderungen, aber auch eine geringere Belastung oder eine geringere Erfahrung infolge der verkürzten Arbeitszeit. Teilzeitbeschäftigte brauchen grundsätzlich keine Überstunden zu leisten, wenn die Teilzeitarbeit auf ihren Wunsch zurückgeht, weil sie damit zu erkennen geben, dass sie dem Arbeitgeber nur für eine beschränkte Zeit zur Verfügung stehen. Teilzeitkräfte haben Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall, auf Freistellung aus persönlichen Gründen (Erkrankung eines Kleinkindes, Geburt, Todesfall usw.), wenn das Ereignis unvermeidlich auf einen Tag mit Arbeitspflicht fällt, und auf Urlaub. Zur Urlaubsberechnung sind die Arbeitstage, an denen Voll- bzw. Teilzeitkräfte zu arbeiten haben, in Beziehung zu setzen. Ergeben sich dabei Bruchteile von Urlaubstagen, so hat es damit sein Bewenden. Teilzeitbeschäftigte genießen denselben Kündigungsschutz wie Vollzeitbeschäftigte.
Der Arbeitgeber hat einen Arbeitsplatz inner- wie außerbetrieblich auch als Teilzeitarbeitsplatz auszuschreiben, wenn er sich dafür eignet. Hat ihm ein Arbeitnehmer den Wunsch nach einer Verringerung oder Verlängerung seiner Arbeitszeit angezeigt, muss der Arbeitgeber ihn über entsprechende freie Plätze im Unternehmen informieren (§ 7 Abs. 1, 2 TzBfG). Ein Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis länger als 6 Monate bestanden hat und der bei einem Arbeitgeber tätig ist, der in der Regel mehr als 15 Arbeitnehmer beschäftigt, kann verlangen, dass seine vertraglich vereinbarte Arbeitszeit verringert wird. Arbeitgeber und Arbeitnehmer müssen versuchen, eine einvernehmliche Lösung zu finden. Gelingt das nicht, so hat der Arbeitgeber der Verringerung der Arbeitszeit zuzustimmen und ihre Verteilung entsprechend den Wünschen des Arbeitnehmers festzulegen, soweit betriebliche Belange nicht entgegenstehen (§ 8 Abs. 4 S. 1 TzBfG), wie z.B. die Beeinträchtigung der Organisation, des Betriebsablaufs oder der Sicherheit oder die Verursachung – nicht nur ganz geringfügiger – Kosten. Der Einwand, es lasse sich keine geeignete zusätzliche Arbeitskraft finden, ist allerdings nur beachtlich, wenn der Arbeitgeber nachweist, dass eine entsprechende Arbeitskraft auf dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung steht. Auf Überstunden, Leiharbeit oder Leistungen im Rahmen eines Dienst- oder Werkvertrags kann er nicht verwiesen werden. Verlangt ein Elternteil die Verringerung seiner Arbeitszeit, um selbst sein höchstens drei Jahre altes Kind zu betreuen, darf der Arbeitgeber dies nur aus dringenden betrieblichen Gründen verweigern (§ 15 Abs. 7 BErzGG). Schwerbehinderte haben einen Anspruch auf Teilzeitbeschäftigung, wenn die kürzere Arbeitszeit wegen Art oder Schwere der Behinderung notwendig ist und die Erfüllung dieses Anspruchs dem Arbeitgeber nicht unzumutbar ist (§ 15 Abs. 5 S. 3 SGB IX). Hat ein teilzeitbeschäftigter Arbeitnehmer dem Arbeitgeber den Wunsch nach einer Verlängerung seiner vertraglich vereinbarten Arbeitszeit angezeigt, muss er bei der Besetzung eines entsprechenden freien Arbeitsplatzes bei gleicher Eignung bevorzugt berücksichtigt werden, es sei denn, dass dringende betriebliche Gründe oder Arbeitszeitwünsche anderer teilzeitbeschäftigter Arbeitnehmer entgegenstehen (§ 9 TzBfG).

2. Befristet beschäftigte Arbeitnehmer


Befristet beschäftigt ist ein Arbeitnehmer mit einem auf bestimmte Zeit geschlossenen Arbeitsvertrag, sei es, dass die Dauer kalendermäßig bestimmt ist – „ vom 1. – 31.5 “ oder „ ab 1.6. für 2 Monate “ – , sei es, dass sich die Dauer aus Art, Zweck oder Beschaffenheit der Arbeitsleistung ergibt – „ bis zur Genesung von Frau N. N. “ – (§ 3 Abs. 1 TzBfG). Die Befristung eines Arbeitsvertrags ist nur zulässig, wenn sie durch einen sachlichen Grund gerechtfertigt ist (§ 14 Abs. 1 TzBfG). Ein sachlicher Grund liegt insbesondere vor, wenn

-

der betriebliche Bedarf an der Arbeitsleistung nur vorübergehend besteht

-

die Befristung im Anschluss an eine Ausbildung oder an ein Studium erfolgt, um den Übergang des Arbeitnehmers in eine Anschlussbeschäftigung zu erleichtern

-

der Arbeitnehmer zur Vertretung eines anderen Arbeitnehmers beschäftigt wird

-

die Eigenart der Arbeitsleistung die Befristung rechtfertigt

-

die Befristung zur Erprobung erfolgt

-

in der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe die Befristung rechtfertigen

-

der Arbeitnehmer aus Haushaltsmitteln vergütet wird, die haushaltsrechtlich für eine befristete Beschäftigung bestimmt sind, und er entsprechend beschäftigt wird

-

die Befristung auf einem gerichtlichen Vergleich beruht.


Die Befristung eines Arbeitsvertrags bedarf der Schriftform (§ 14 Abs. 4 TzBfG), ebenso seine Verlängerung. Fehlt es an der Schriftform, so gilt der befristete Arbeitsvertrag als auf unbestimmte Zeit geschlossen (§ 16 S. 1 TzBfG). Nicht erforderlich ist die Angabe des Grundes für die Befristung. Will der Arbeitnehmer geltend machen, dass die Befristung eines Arbeitsvertrags rechtsunwirksam ist, so muss er innerhalb von 3 Wochen nach dem vereinbarten Ende Klage beim Arbeitsgericht auf Feststellung erheben, dass das Arbeitsverhältnis aufgrund der Befristung nicht beendet ist (§ 17 S. 1 TzBfG). Tut er das nicht, so gilt die Befristung als wirksam.
Arbeitnehmer im befristeten Vertrag haben dieselben Rechte und Pflichten wie Arbeitnehmer im unbefristeten Vertrag. Sie dürfen wegen der Befristung nicht schlechter behandelt werden als vergleichbare unbefristet beschäftigte Arbeitnehmer, es sei denn, dass sachliche Gründe eine unterschiedliche Behandlung rechtfertigen (§ 4 Abs. 2 S. 1 TzBfG). Das heißt, sie haben grundsätzlich – pro rata temporis – Anspruch auf dieselben Leistungen wie vollzeitbeschäftigte Arbeitnehmer. Allerdings entsteht bei einer Einstellung auf weniger als 4 Wochen kein Anspruch auf Entgeltfortzahlung (§ 3 Abs. 3 Nr. 1 EfzG) und bei einer Einstellung auf weniger als einen Monat kein Anspruch auf Urlaub (§ 5 Abs. 1 BUrlG). Der Arbeitgeber hat befristet beschäftigte Arbeitnehmer über unbefristete freie Arbeitsplätze zu unterrichten; ein Aushang am Schwarzen Brett oder eine Information in der Werkszeitung genügt (§ 18 TzBfG). Ein befristeter Arbeitsvertrag ist ordentlich nur kündbar, wenn das vereinbart ist. Ausnahmsweise kann das befristete Arbeitsverhältnis auch vor dem vereinbarten Ende gekündigt werden, wenn die Befristung mangels Schriftform unwirksam ist. Ist die Befristung aus einem anderen Grund unwirksam, so kann der Arbeitnehmer das Arbeitsverhältnis von Anfang an kündigen, der Arbeitgeber erst zum vereinbarten Ende (§ 16). Bei Aushilfsverträgen bis zu 3 Monaten kann die Kündigungsfrist durch Vertrag bis auf Null abgekürzt werden (§ 622 Abs. 4 BGB, vgl. auch Kündigung und Kündigungsschutz); dasselbe gilt bei länger dauernden Aushilfsverhältnissen in den ersten 3 Monaten. Immer zulässig bleibt die außerordentliche Kündigung aus wichtigem Grund (§ 626 BGB).

3. Telearbeit


Unter Telearbeit versteht man eine auf programmgesteuerte Arbeitsmittel gestützte Tätigkeit, die regelmäßig ganz oder teilweise ( „ alternierende Telearbeit “ ) außerhalb der zentralen Arbeitsstätte des Arbeit- oder Auftraggebers an einem Arbeitsplatz ausgeübt wird, der mit der Zentrale durch elektronische Kommunikationsmittel verbunden ist (Preis,  1998, S. 75). Die Telearbeit kann in der Wohnung des Telearbeiters, in einem Nachbarschaftsbüro, in einem Satellitenbüro oder ohne ständige Anwesenheit an einem festen Arbeitsplatz ( „ mobiler Telearbeiter “ ) verrichtet werden. Nachbarschaftsbüros sind Räumlichkeiten, die mehrere Arbeit- oder Auftraggeber oder mehrere Telearbeiter gemeinsam unterhalten und die von mehreren Telearbeitern genutzt werden; Satellitenbüros sind Zweigstellen von Unternehmen, die ebenfalls der Benutzung durch Telearbeiter dienen. Telearbeit kann in allen Rechtsformen geleistet werden, in denen Leistungen für andere erbracht werden: vor allem in einem Arbeitsvertrag oder in einem Dienst- oder Werkvertrag. Je nach Ausgestaltung kann der Telearbeiter Arbeitnehmer, Heimarbeiter oder ein sonstiger Arbeitnehmerähnlicher oder „ echter “ Selbstständiger sein; im Allgemeinen sind Telearbeiter Arbeitnehmer, weil sie einem arbeitsvertraglichen Leitungsrecht unterstehen.
Literatur:
Bauer, J. H. : Scheinselbständigkeit. Kriterien und Auswege, Stuttgart et al. 2000
Boemke, B./Föhr, S. : Arbeitsformen der Zukunft, Heidelberg 1999
Hohmeister, F./Goretzki, S. : Verträge über freie Mitarbeit, 2. A., Heidelberg 2000
Hromadka, W. : Arbeitnehmerähnliche Personen, in: NZA, 1997a, S. 1249 – 1256
Hromadka, W. : Arbeitnehmerbegriff und Arbeitsrecht, in: NZA, 1997b, S. 569 – 580
Hromadka, W. : Zum Arbeitsrecht der arbeitnehmerähnlichen Selbständigen – Eine rechtspolitische Skizze, in: Festschrift für Alfred Söllner zum 70. Geburtstag, hrsg. v. Köbler, G. et al., München 2000, S. 461 – 478
Hromadka, W. : Das neue Teilzeit- und Befristungsgesetz, in: NJW, 2001, S. 400 – 405
Maschmann, F. : Arbeitsverträge und Verträge mit Selbständigen, Diss., Berlin 2001
Mayer, U. R./Paasch, U. : Ein Schein von Selbständigkeit. Ein-Personen-Unternehmen als neue Form der Abhängigkeit, Köln 1990
Pfarr, H. : Die arbeitnehmerähnliche Person, in: Festschrift für Karl Kehrmann, hrsg. v. Engelen-Kefer, U. et al., Köln 1997, S. 75 – 98
Preis, U. : Arbeitsrechtliche Probleme der Telearbeit, in: Die Zukunft der Medien hat schon begonnen – Rechtlicher Rahmen und neue Teledienste im Digitalzeitalter, hrsg. v. Prütting, H. et al., München 1998, S. 75
Schmidt, B./Schwerdtner, P. : Scheinselbständigkeit, München et al. 1999
Sieben, S. : Geringfügige Beschäftigung und Scheinselbständigkeit, Köln et al. 1999
Wank, R. : Arbeitnehmer und Selbständige, Habil., München et al. 1988
Wank, R. : Telearbeit, Köln et al. 1997
Worzalla, M. : Arbeitsverhältnis – Selbständigkeit, Scheinselbständigkeit, Neuwied et al. 1996

 

 


 

<< vorhergehender Begriff
nächster Begriff >>
Arbeitgeberverbände
 
Arbeitnehmerüberlassung