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Beschäftigungsmanagement


Inhaltsübersicht
I. Problembeschreibung
II. Ansatzpunkte der Gestaltung
III. Normative Grundlagen der Gestaltung
IV. Gestaltungsbeispiel: Auftragsorientierte variable Arbeitszeiten

I. Problembeschreibung


Der Begriff „ Beschäftigungsmanagement “ umspannt ein breites Themenspektrum. In einem sehr allgemeinen Verständnis geht es beim Beschäftigungsmanagement um die Konzipierung und Umsetzung der Personalbedarfsplanung, also darum, dass es weder zu einer Personalunterversorgung noch zu einer Personalüberdeckung kommt (Oechsler, /Beck,  1999). Einen etwas anderen Akzent erhält das Beschäftigungsmanagement, wenn man ihm außerdem die Aufgabe zuweist, für eine „ Verstetigung “ der Beschäftigung zu sorgen, also Personalfluktuationen (Fluktuation; Personalplanung) zu glätten und eine kontinuierliche – die wirtschaftlichen Veränderungen flankierende – Beschäftigungsentwicklung zu gewährleisten (Musshafen, /Schöfthaler,  2001, S. 279). In wirtschaftlich unbeständigen Zeiten stellt sich diese Aufgabe als Herausforderung zur „ Beschäftigungssicherung “ (Hans Böckler Stiftung,  1985; Deutsche Gesellschaft für Personalführung (DGFP),  1998; Kamm,  1998). Neben der rein „ quantitativen “ Seite der Personalanpassung geht es beim Beschäftigungsmanagement auch um qualitative Aspekte, also z.B. um die Frage, welche Rolle die besonderen Charakteristika der Mitarbeiter (z.B. deren Qualifikation) bei Beschäftigungsentscheidungen spielen sollen.
Eine zusätzliche Dimension gewinnt das Beschäftigungsmanagement, wenn es sich nicht nur mit der Personalbereitstellung, sondern auch mit der Beschäftigtenstruktur befasst. Diese Aufgabe stellt sich in Zukunft immer dringlicher, weil demographische Entwicklungen die Beschäftigungsverhältnisse grundlegend verändern werden. Besondere Beachtung verdienen die Veränderungen der Altersstruktur der Bevölkerung, die zunehmende Akademisierung der Wirtschaft und die veränderten beruflichen Orientierungen von Frauen. Aus dem Blickwinkel des Beschäftigungsmanagements muss es dabei sowohl darum gehen, die Personalstrukturen in der eigenen Organisation aktiv zu beeinflussen als auch darum, die Personalpolitik auf die sich verändernden Personalstrukturen hin auszurichten.
Ein dritter Aufgabenbereich des Beschäftigungsmanagements erwächst aus der Erosion des Normalarbeitsverhältnisses, d.h. durch den Bedeutungszuwachs von Befristungen, geringfügiger Beschäftigung, Teilzeitarbeit, Leiharbeit und der Beschäftigung von freien Mitarbeitern. Aber auch das „ Outsourcing “ von Betriebsteilen und der Bedeutungszuwachs der zwischenbetrieblichen Kooperation haben erhebliche Auswirkungen auf die Arbeitsverhältnisse und damit auf das Personal- und Beschäftigungsmanagement. Die „ Neuen Formen der Beschäftigung “ werden das Selbstverständnis der Arbeitspartner grundlegend verändern. Aus praktischer Sicht eröffnen sich für Arbeitgeber daraus neue Handlungsoptionen, die dazu beitragen können, die Flexibilität des Personaleinsatzes zu steigern, andererseits sind, was die Tragfähigkeit dieser Beschäftigungsverhältnisse angeht, viele Fragen noch offen (Martin, /Nienhüser,  2002).
Beschäftigungsmanagement
Abb. 1: Das inhaltliche Spektrum des Beschäftigungsmanagements

II. Ansatzpunkte der Gestaltung


Die betriebliche „ Beschäftigungspolitik “ ist nur selten ein zentrales Thema der Unternehmensführung, und sie ist auch nur selten Gegenstand bewusster Gestaltungsbemühungen. Es gibt aber auch Ausnahmen, also Unternehmen, die sich dazu entschlossen haben, ein systematisches „ Beschäftigungsmanagement “ zu betreiben. Die Gestaltung der Beschäftigungsverhältnisse ist dann nicht nur ein zusätzliches Betätigungsfeld des Personalwesens, sie ist vielmehr eng in die Personalstrategie eingebunden. Außerdem ist Beschäftigungsmanagement in diesem Sinne nicht mehr nur ein Krisenthema, sondern ein zentrales Gestaltungsfeld auch in Zeiten des Wachstums. Im Folgenden soll ein Überblick über die wichtigsten Ansatzpunkte des Beschäftigungsmanagements gegeben werden. Hierbei erweist es sich als sinnvoll, unterschiedliche Gestaltungsebenen zu unterscheiden.

1. Beschäftigungspolitische Strategien


Idealerweise ist personalwirtschaftliches Handeln – und damit auch das Beschäftigungsmanagement – in ein schlüssiges Handlungskonzept eingebettet (Wiskemann,  2000). Die Durchführung konkreter Maßnahmen und der Einsatz einzelner Instrumente sollte demnach einer wohl überlegten Personalstrategie folgen (Martin,  2001a). Wirklich ausgearbeitete Beschäftigungsstrategien findet man in der Praxis zwar selten, dessen ungeachtet lassen sich einige markante Merkmale des Beschäftigungsverhaltens identifizieren. Beispiele hierfür liefern einerseits Unternehmen, die als „ Kopfzahlanpasser “ agieren und andererseits Unternehmen, die sich primär als „ Arbeitszeitanpasser “ (Ernst,  1988, S. 18; Dirks,  1996) verhalten. Im ersten Fall werden Beschäftigungsschwankungen durch Einstellungen und Entlassungen ( „ amerikanisches Modell “ ) ausgeglichen, im letzteren Fall versuchen Unternehmen, das Beschäftigungsniveau zu halten und dem veränderten Arbeitsvolumen über einen Zeitausgleich beizukommen ( „ japanisches Modell “ ). Das Beispiel zeigt im Übrigen, dass die Beschäftigungspolitik bzw. Beschäftigungsstrategie eng mit der Unternehmensphilosophie verzahnt ist. Ein Unternehmen, das ernsthaft danach strebt, eine lebenslange Beschäftigung zu garantieren, hat ein grundsätzlich anderes Verständnis von der Natur des Arbeitsverhältnisses als ein Unternehmen, das im Arbeitsverhältnis ein jederzeit kündbares Tauschverhältnis sieht. Unterschiedliche Leitlinien verfolgen Unternehmen aber nicht nur in Bezug auf Entlassungen, sondern auch in Bezug auf Einstellungen. So wird häufig darauf hingewiesen, dass die Unternehmen in Deutschland trotz deutlichen Umsatzwachstums keine Neueinstellungen vornehmen; die durch die bessere Geschäftslage anfallende Mehrarbeit wird vielmehr von den bereits beschäftigten Mitarbeitern geleistet, wofür die Unternehmen hohe Überstundensätze zahlen müssen. Tatsächlich ist die sogenannte Beschäftigungsschwelle (also das Umsatzwachstum, von dem an Unternehmen zu Einstellungen übergehen) in den letzten Jahrzehnten aber gesunken und nicht etwa gestiegen. Auf einzelbetrieblicher Ebene sind die Beschäftigungsschwellen jedenfalls sehr unterschiedlich (Maddison,  1997; Schalk, /Untiedt,  2000).
Auch was die Gestaltung der Personalstruktur angeht, gibt es sehr verschiedene Verhaltensstrategien. Bezüglich der Akademikerbeschäftigung findet man beispielsweise viele Unternehmen, die an ihren alten Strukturen festhalten und sich in einer Art Abschöpfungsstrategie versuchen, indem sie möglichst nur die bestqualifizierten Hochschulabsolventen einstellen. Andere Unternehmen öffnen dagegen viele Tätigkeitsgruppen, die bislang von Nichtakademikern besetzt wurden, auch für Hochschulabsolventen und versuchen damit, ihr Qualifikationsniveau auf breiter Basis anzuheben (Bartscher,  1995). Auch auf die Veränderung der Altersstrukturen reagieren Unternehmen sehr unterschiedlich. Nicht wenige Unternehmen beschränken sich auf die Kompensation der Folgen der Altersverschiebungen. Grund für diese defensive Strategie ist häufig die Annahme, letztlich ließe sich die Altersstruktur gar nicht grundlegend beeinflussen. Dieser Auffassung folgen aber nicht alle Unternehmen. Man findet vielmehr auch Versuche, sich auf absehbare Strukturbrüche einzustellen, z.B. dadurch, dass man dem plötzlichen Ausfall einer umfangreichen Alterskohorte durch den Übergang in den Ruhestand durch rechtzeitige „ Vorratsbildung “ jüngerer Alterskohorten abmildert (Nienhüser,  1998).
Bezüglich der Gestaltung der Beschäftigungsverhältnisse hat insbesondere das Konzept der flexiblen Firma Aufmerksamkeit erregt (Atkinson, /Meager,  1986). Hiernach gruppieren sich unterschiedliche Arbeitnehmergruppen in Schichten um das Zentrum des Leistungsprozesses. Sie erfahren – je nach Funktion und Einsatzvoraussetzungen – eine differenzierte personalwirtschaftliche Behandlung (Martin,  1989).

2. Instrumente und Maßnahmen


Zur Umsetzung ihrer Beschäftigungsstrategien können die Unternehmen auf eine Vielzahl von Instrumenten zurückgreifen. Ihr Einsatz lässt sich – der jeweiligen Situation entsprechend – zu spezifischen Maßnahmebündeln kombinieren.
Beschäftigungsmanagement
Abb. 2: Maßnahmen und Instrumente der Beschäftigungssicherung
Die Anordnung der Gestaltungsansätze in Abb. 2 entspricht dem Ausmaß an Proaktivität, die dem Unternehmen abverlangt wird (Martin, /Nienhüser,  1996). Die größte Proaktivität liegt dann vor, wenn ein Unternehmen auch bezüglich der Beschäftigung eine „ unternehmerische “ Perspektive einnimmt, also in Zeiten wirtschaftlicher Stagnation nicht sofort zu personellen „ Anpassungsmaßnahmen “ greift, sondern durch betriebliche Maßnahmen zur Erschließung neuer Märkte aktiv nach Beschäftigung für die von Entlassungen bedrohten Mitarbeiter sucht. Eine derartige Handlungsorientierung erfordert eine radikale Abkehr von der Auffassung, Personal sei ein beliebig verfügbarer Produktionsfaktor. Die Arbeitnehmer erlangen den Status einer gegenüber den Kapitalinteressen gleichberechtigten Anspruchsgruppe. Im Extremfall wird die Personalstrategie dann nicht aus der Unternehmensstrategie abgeleitet, sondern ist selbst Ausgangspunkt unternehmerischen Handelns. In diesem Fall wird sich in Zeiten des Beschäftigungsrückgangs der primäre Handlungsansatz darauf richten, neue Geschäftsfelder zu erschließen, um für die ansonsten „ freizusetzenden “ Arbeitnehmer Beschäftigungsmöglichkeiten zu schaffen (zu Beispielen für eine aktive Beschäftigungspolitik vgl. Dax, /Gruhler,  1991; Haase, /Kuhn,  1995).
Neben den in Abb. 2 aufgeführten Maßnahmen und Instrumenten werden in der Literatur zahlreiche weitere Handlungsmöglichkeiten diskutiert (Bosch, /Kohl, /Schneider,  1995; Klimecki, /Gmür,  1998; Drumm,  2000), die nicht alle unmittelbar an der Beschäftigung, sondern auch in anderen Funktionsfeldern des Personalwesens ansetzen. So empfehlen Oechsler/Wiskemann (Oechsler, /Wiskemann,  1999) z.B. eine Flexibilisierung der Entgeltstrukturen, um Puffer für Krisenzeiten zu schaffen. Durch die Kopplung des Entgelts an Leistungsgrößen könnten die Mitarbeiter in wirtschaftlich guten Zeiten am Erfolg partizipieren, in weniger guten Zeiten entstünde entsprechend eine Lohnkostenentlastung. Inwieweit derartige Vorschläge den gewünschten Erfolg bringen können, hängt natürlich von einer Vielzahl von Variablen ab. Im genannten Beispiel wäre u.a. zu klären, wie die Mittel für die erstmalige Einführung des variablen Entgeltanteils aufzubringen sind, welche Leistungsgrößen überhaupt in Frage kommen und wie es gelingen kann, die Mitarbeiter im Unternehmen zu halten, wenn der Lohn zurückgeht.

3. Beschäftigungsrelevante Strukturen


Unternehmerisches Handeln erfolgt nicht voraussetzungslos. Es ist in Strukturen eingebettet, und soweit dies möglich ist, sollte das Beschäftigungsmanagement daher auch Strukturgestaltung sein oder zumindest versuchen, sich auf die jeweiligen strukturellen Gegebenheiten einzustellen. Beschäftigungspolitisch relevante Strukturen, die sich dem unternehmerischen Einfluss normalerweise entziehen, sind u.a. das Arbeitsrecht, die arbeitspolitischen Institutionen (z.B. das System der Arbeitsvermittlung oder die Tarifautonomie), die Wirtschaftsstruktur und die Wirtschaftspolitik. Wenn in einem Land z.B. ein starker Kündigungsschutz besteht, dann tendieren die Unternehmen in diesem Land in besonderer Weise zu einer Segmentierung der Arbeitskräfte. In diesem Fall bleibt das schwer auflösbare Standardarbeitsverhältnis der Kernbelegschaft vorbehalten, während sich in der Peripherie „ prekäre “ Beschäftigungsverhältnisse etablieren, die es den Unternehmen möglich machen, sich dem schwankenden Arbeitskräftebedarf anzupassen (Tsui, /Pearce, /Porter,  1997). Bedeutsame unternehmensinterne Strukturen ergeben sich z.B. aus dem Produktionsprogramm, der Arbeitsorganisation, aber auch der Unternehmenskultur. Die Bedeutsamkeit dieser Strukturen dürfte unmittelbar einleuchten. So wird man z.B. in einem Unternehmen, in dem traditionell eine starke „ Gegnerschaft “ zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern besteht, kaum Leitlinien zur lebenslangen Beschäftigung finden. Sind dagegen die Arbeitsbeziehungen von gegenseitigem Vertrauen getragen, dann dürfte es kaum ein Problem sein, auch unkonventionelle Lösungen zur Förderung der Beweglichkeit und Wettbewerbsfähigkeit eines Unternehmens zu finden. Eine erhebliche strukturelle Bedeutung für das Beschäftigungsmanagement hat schließlich auch die Ausgestaltung der sogenannten „ internen Arbeitsmärkte “ . Interne Arbeitsmärkte unterscheiden sich u.a. nach der Regulierung des Eintritts, nach den Karrieremöglichkeiten, den Karrierekriterien und den Lohnunterschieden, die innerhalb des betrieblichen Teilarbeitsmarkts existieren (Pinfield, /Berner,  1994). Sie definieren damit auch den Bewegungsspielraum, der dem Beschäftigungsmanagement z.B. bei der Gewinnung und Förderung von Mitarbeitern bleibt.

III. Normative Grundlagen der Gestaltung


Wenn zwei Unternehmen das Gleiche tun, dann ist das oft nicht dasselbe, und zwar deswegen nicht, weil beschäftigungspolitische Instrumente „ gestaltungsoffen “ sind. Jedes Instrument besitzt eine Vielzahl von Gestaltungsparametern und gewinnt in der konkreten Anwendung daher auch seine ganz eigene Charakteristik. Bezüglich der Kurzarbeit z.B. bestehen Optionen im Hinblick auf den Zeitpunkt, die Dauer, die einbezogenen Arbeitnehmer, die Inanspruchnahme öffentlicher Unterstützungsleistungen usw. Beim Einsatz beschäftigungsstrategischer Maßnahmen sollte geprüft werden, welche Gestaltungsalternative – innerhalb der gegebenen Handlungssituation – am ehesten geeignet ist, die damit verfolgten Ziele zu erreichen (Martin,  2001a). Dabei ist zu beachten, dass das Beschäftigungsmanagement immer im Dienste von Interessen steht. Interessengeleitet ist beispielsweise auch die Entscheidung, Leiharbeitnehmer zu beschäftigen. Sie ist nämlich gleichzeitig eine Entscheidung gegen die Schaffung neuer Stellen und auch eine Entscheidung für eine bestimmte Arbeitsorganisation und die damit verknüpften Beschäftigungsmöglichkeiten. Und auch vermeintlich unbestreitbar wichtige Ziele erweisen sich bei näherer Betrachtung als interessenpolitisch gefärbt. Ein Beispiel ist das vielbemühte Flexibilitätsziel, weil sich bei allen Vorschlägen zur Flexibilitätssteigerung immer auch die Frage stellt, wessen Flexibilität denn (auf wessen Kosten) verbessert werden soll (Martin,  2001b).
Die Interessenberücksichtigung sollte sich nicht in einer wechselseitigen „ Aufrechnung “ der jeweiligen Ansprüche der Interessengruppen erschöpfen. Stabile Lösungen ergeben sich erst aus einem Standpunkt, der gewissermaßen „ über “ den Parteien steht und der das Gesamtunternehmen und dessen Funktionsvoraussetzungen in den Blick nimmt. Es ist zu prüfen, wie sich die Maßnahmen des Beschäftigungsmanagements auf die Leistungserbringung, auf die Kooperation und auf das organisationale Lernen auswirken (Martin,  2001a). Was den Leistungsbereich angeht, so sind nicht zuletzt betriebswirtschaftliche Größen zu beachten (z.B. die direkten und indirekten Lohnkosten, die „ Leerkosten “ nicht ausgenutzter Kapazitäten, mögliche (eingesparte) Zeitzuschläge, die durch (den Wegfall von) Überstunden, Samstags-, Sonntagsarbeit (nicht) entstehen, Entlassungs- und Einstellungskosten sowie mögliche staatliche Zuschüsse). Die betriebswirtschaftliche Leistungsbetrachtung beschränkt sich allerdings nicht auf die Kosten- bzw. Ausgabenseite. Ebenso bedeutsam sind die Produktivitätsgewinne bzw. -verluste, die durch beschäftigungspolitische Maßnahmen entstehen können. Die Umwandlung von Vollzeit- in Teilzeitstellen beispielsweise verursacht zwar zusätzliche Koordinationskosten, sie wird aber normalerweise auch positive Leistungswirkungen hervorrufen. Und schließlich sind auch die Flexibilisierungsgewinne und -belastungen zu berücksichtigen. Und neben Leistungsgrößen sind auch die beiden anderen Grundfunktionen einer jeden Organisation, die Kooperationssicherung und die Weiterentwicklung der Organisation zu beachten. In Abb. 3 sind einige Beispiele hierzu aufgeführt. Eine Beschäftigungspolitik, die z.B. nachhaltig die Reputation schädigt, kann kaum als sinnvoll gelten. Und ebenso wenig anzuraten ist es, durch eine allzu hohe „ Personalumschlagsrate “ die Substanz des Humankapitals zu zerstören, weil letztlich die Lern- und Anpassungsfähigkeit ganz zentral von den menschlichen „ Leistungsträgern “ abhängt, die sich nicht wie beliebige Produktionsfaktoren zu- und abschalten lassen.
Beschäftigungsmanagement
Abb. 3: Beurteilungskriterien für das Beschäftigungsmanagement

IV. Gestaltungsbeispiel: Auftragsorientierte variable Arbeitszeiten


Vor dem Ergreifen einer Maßnahme sollten die verfügbaren Gestaltungsalternativen erkundet werden. Außerdem ist zu prüfen, ob die Erwartungen über den erwünschten Handlungserfolg fundiert sind. Die dabei zum Tragen kommenden Wirkungsvermutungen müssen dabei immer die jeweils gegebenen situativen Bedingungen berücksichtigen. Auf dieser Handlungslogik basiert die folgende Analyse. Beispielhaft betrachtet wird die auftragsorientierte variable Arbeitszeit als Instrument, das zum ersten der in Abb. 1 angeführten Gestaltungsbereiche des Beschäftigungsmanagements gehört. Auf Beispiele aus den beiden anderen Bereichen kann an dieser Stelle aus Raumgründen leider nicht näher eingegangen werden (hierzu Martin,  2002).
Beschäftigungsmanagement
Abb. 4: Ansatzpunkte der Gestaltung
Innerhalb einer strikten Verwendungslogik sollte Arbeitskraft nur dann bereitstehen (und entsprechend bezahlt werden müssen), wenn sie auch gebraucht wird. Genau um dieses Ziel geht es bei dem Konzept der auftragsorientierten variablen Arbeitszeit. Vereinbart wird ein Arbeitszeitkontingent – z.B. mindestens zehn (§ 12 TzBfG), höchstens fünfzehn oder auch zwanzig Arbeitsstunden in der Woche – das binnen bestimmter Fristen (z.B. drei Tage vor jedem Arbeitseinsatz) vom Arbeitgeber abgerufen wird (Meyer,  1989; Busch,  2001). Besondere Bedeutung hat die sogenannte „ Arbeit auf Abruf “ naturgemäß in Branchen mit stark schwankendem Personalbedarf, also z.B. im Einzelhandel und im Hotel- und Gaststättengewerbe, bei Reinigungsdiensten und für Nachtwachen. Die Vorteile der variablen Arbeitszeitgestaltung für den Arbeitgeber liegen auf der Hand. Neben der beschriebenen „ punktgenauen “ Beschäftigung erhält der Arbeitgeber eine Personalreserve, die es ihm ermöglicht, Beschränkungen der Beschäftigung, die aus tariflichen Höchstgrenzen für die Arbeitszeit entstehen, zu umgehen, denn bei Bedarf können die Betriebszeiten durch den Einsatz von Abruf-Arbeitnehmern ausgeweitet werden. Neben der Flexibilisierung entsteht hieraus auch der Vorteil, dass keine teuren Überstundenzuschläge anfallen. Bezüglich der Beschäftigten werden meistens Nachteile diskutiert, insbesondere der Verlust der Zeitsouveränität, die Abwälzung des Beschäftigungsrisikos und die Gefahr, dass arbeitsrechtliche Schutzrechte wie der Kündigungsschutz umgangen werden (Meyer,  1989). Dabei kann Arbeit auf Abruf für die betroffenen Arbeitnehmer durchaus auch vorteilhaft sein, nämlich dann, wenn der jeweilige Arbeitsvertrag auf die Zeit- und Einsatzwünsche der Arbeitnehmer abgestellt wird.
Wie ist die variable Arbeitszeitgestaltung aus dem Blickwinkel einer systematischen – auf die Arbeitsbeziehung gerichteten – Betrachtungsweise zu beurteilen? In Abb. 5 sind einige Konsequenzen aus gesamtbetrieblicher Sicht aufgeführt.
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Abb. 5: Problembereiche der variablen Arbeitszeitgestaltung
Wie man daraus ersehen kann, ist eine einheitliche Bewertung des Instruments der variablen Arbeitsgestaltung nicht möglich. Neben positiven (z.B. geringe Einarbeitungskosten, hohe Flexibilität) entstehen aus der variablen Arbeitszeitgestaltung etliche negative Folgen. Insbesondere führt die geringe Einbindung der Arbeitnehmer in das Betriebsgeschehen dazu, dass Ideen und innovative Arbeitsweisen der Mitarbeiter keinen systematischen Eingang in die betrieblichen Praktiken finden und sie damit das organisationale Lernen auch nicht bereichern können. Bei der Gesamtbewertung der variablen Arbeitszeitgestaltung ist außerdem zu bedenken, dass auch dieses personalwirtschaftliche Instrument – wie oben beschrieben – „ gestaltungsoffen “ ist. Pauschale Aussagen über die Praxistauglichkeit der variablen Arbeitszeitgestaltung sind daher auch nur bedingt informativ. Von Interesse ist vielmehr, mit welchen Wirkungen die einzelnen Gestaltungsparameter verknüpft sind. Gestaltungsparameter sind u.a. die Ankündigungszeit (wann muss der Arbeitseinsatz abgerufen werden?), die Dauer des einzelnen Einsatzes und die Dauer der Beschäftigung innerhalb einer Woche/eines Monats (wobei jeweils Mindest- und Höchstbeschäftigungszeiten zu vereinbaren sind), die für die Beschäftigung in Frage kommenden Wochentage und Tageszeiten, Lohnvereinbarungen bezüglich besonderer Beschäftigungszeiten, die Funktionen, in denen die Mitarbeiter tätig sind, die Zuweisung zu einem Vorgesetzten und/oder einem Betreuer. Wie man sieht, besteht ein großes Spektrum an Möglichkeiten, die variable Arbeitszeit zu gestalten, zumal ja auch die üblichen Bestandteile eines Arbeitsvertrags variiert werden können (also die Lohnhöhe, der Einsatzort usw.). Bei der konkreten Umsetzung der „ Arbeit auf Abruf “ wird man Vorstellungen darüber entwickeln müssen, welche Verhaltenswirkungen von diesen Gestaltungsparametern ausgehen. Zu prüfen ist außerdem, nach welchen Kriterien die variable Arbeitszeitgestaltung beurteilt werden soll. Bezüglich der Leistungsgrößen wird man vor allem auf die Verfügbarkeit, die Verlässlichkeit und die Pünktlichkeit der Arbeitnehmer Wert legen. Unter Umständen sind aber ebenso Qualitätsbewusstsein, Eigeninitiative und Kundenorientierung gefragt. Daneben sollten Kriterien zur Kooperation (Hilfsbereitschaft, positive Einstellung zum Arbeitgeber usw.) und zum Lernen (z.B. durch Variation der Arbeitsinhalte) Berücksichtigung finden.
Literatur:
Atkinson, J./Meager, N. : Changing Working Patterns: How companies achieve flexibility to meet new needs, London 1986
Bartscher, S. : Die Akademisierung der Wirtschaft und ihre Implikationen für das betriebliche Personalwesen, Stuttgart 1995
Bosch, G./Kohl, H./Schneider, W. : Handbuch Personalplanung, Köln 1995
Busch, M. : Aus für die Arbeit auf Abruf?, in: Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht, H. 18/2001, S. 593 – 594
Dax, P./Gruhler, W. : Beschäftigungssicherung durch Flexibilität, Köln 1991
Deutsche Gesellschaft für Personalführung (DGFP), : Bündnisse für Arbeit im Betrieb, Köln 1998
Dirks, D. : Beschäftigungssicherung statt Arbeitsplatzgarantie. Personalanpassungsmaßnahmen japanischer Unternehmen in der Rezession, Arbeitspapier der Philipp-Franz-von Siebold-Stiftung, 96 – 4, Tokio 1996
Drumm, H. J. : Personalwirtschaft, 4. A., Berlin et al. 2000
Ernst, A. : Dauerbeschäftigung und Flexibilität in Japan, Frankfurt a. M. et al. 1988
Haase, P./Kuhn, T. : Neue Arbeitsmodelle bei der Volkswagen AG, in: Innovatives Personalmanagement, hrsg. v. Wunderer, R./Kuhn, T., Berlin 1995, S. 263 – 286
Hans Böckler Stiftung, : Personalpolitische Beurteilung von Maßnahmen und Mitteln zur Anpassung an Beschäftigungsschwankungen Teil 1: Beschäftigungsrückgang Düsseldorf 1985
Kamm, D. : Regelungen der Betriebsparteien zur Standort- und Beschäftigungssicherung, Hamburg 1998
Klimecki, R./Gmür, M. : Personalmanagement, Stuttgart 1998
Maddison, A. : Casual influences on productivity performance 1820 – 1992, in: Journal of Productivity Analysis, H. 8/1997, S. 325 – 359
Martin, A. : Die strategische Bedeutung der Personalführung, in: Strategisches Personalmanagement, hrsg. v. Weber, W./Weinmann, J., Stuttgart 1989, S. 17 – 47
Martin, A. : Personal – Theorie, Politik und Gestaltung, Stuttgart 2001a
Martin, A. : Formale und faktische Deregulierung und die Personalwirtschaft, in: Arbeit – Umwelt, hrsg. v. Ahrens, M./Donner, H./Simon, J., Baden-Baden 2001b, S. 173 – 194
Martin, A. : Ansatzpunkte für ein systematisches Beschäftigungsmanagement, in: Schriften aus dem Institut für Mittelstandsforschung Lüneburg, H. 16/2002
Martin, A./Nienhüser, W. : Auf der Suche nach Erklärungen der Personalpolitik, unveröffentlichtes Manuskript, Essen/Lüneburg 1996
Martin, A./Nienhüser, W. : Neue Formen der Beschäftigung – Personalpolitische Voraussetzungen und Effekte, in: Sonderband der Zeitschrift für Personalforschung, 2002, S. 1 – 16
Meyer, H. J. : Kapazitätsorientierte variable Arbeitszeit, Neuwied et al. 1989
Musshafen, S./Schöfthaler, U. : Systematisches Beschäftigungs-Management in der BASF AG in: Bertelsmann Stiftung (Hrsg.): Leitfaden systematisches Beschäftigungsmanagement, Gütersloh 2001, S. 277 – 286
Nienhüser, W. : Ursachen und Wirkungen betrieblicher Personalstrukturen, Stuttgart 1998
Oechsler, W.A./Beck, M. : Beschäftigungsstabilisierende Maßnahmen in: Bertelsmann Stiftung (Hrsg.): Systematisches Beschäftigungsmanagement in der Praxis, Gütersloh, S. 95 – 146, 1999
Oechsler, W. A./Wiskemann, G. : Flexibilisierung von Entgeltsystemen, in: Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung – Dokumentation Nr. 99 – 04, 1999
Pinfield, L. T./Berner, M. F. : Employment Systems, in: Research in personnel and human resources management, H. 12/1994, S. 41 – 78
Schalk, H. J./Untiedt, G. : Wachstum und Arbeitslosigkeit, Bonn 2000
Tsui, A. S./Pearce, J. I./Porter, L. W. : Alternative approaches to the employee-organization relationship: does investment in employees pay off?, in: Academy of Management Journal, H. 40/1997, S. 1089 – 1121
Wiskemann, G. : Strategisches Human Resources Management und Arbeitsmarkt, Baden-Baden 2000

 

 


 

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