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Zulieferer-Abnehmer-Beziehungen


Inhaltsübersicht
I. Begriff und Bedeutung der Beziehungen
II. Gestaltung der Beziehungen
III. Evolution der Beziehungen
IV. Aktuelle Entwicklungen der Beziehungen in Deutschland
V. Strukturwandel als Chance für Zulieferer

I. Begriff und Bedeutung der Beziehungen


Die Leistungserstellung in hoch entwickelten Industrien ist durch einen hohen Grad an zwischenbetrieblicher Arbeitsteilung gekennzeichnet. Das Ergebnis dieser Arbeitsteilung sind vielfältige Interaktionen zwischen Unternehmungen unterschiedlicher Wertschöpfungsstufen, die als Lieferanten-Abnehmer-Beziehungen bezeichnet werden. Die Gegenstände derartiger zwischenbetrieblicher Beziehungen bilden grundsätzlich alle von den industriellen Abnehmern für ihre Leistungserstellung benötigten Werkstoffe (Roh- und  Hilfsstoffe sowie Vorprodukte), Dienstleistungen und Betriebsmittel inklusive der erforderlichen Betriebsstoffe.
Die Zulieferer-Abnehmer-Beziehungen (Z-A-Beziehungen) stellen eine Teilmenge dieser Lieferanten-Abnehmer-Beziehungen dar. Ihnen kommt in den Fertigungs- und Montageindustrien eine besondere Bedeutung zu. Im Mittelpunkt steht die Versorgung der industriellen Abnehmer und hierbei insb. der Endprodukthersteller (z.B. Hersteller von Elektrogeräten, Fahrzeugen, Maschinen und Anlagen) mit Vorprodukten und den zugehörigen Dienstleistungen. In Abhängigkeit von ihrer Komplexität lassen sich bei den Vorprodukten singuläre Teile, vorgefertigte Baugruppen, Komponenten, Module und (Sub-)Systeme unterscheiden. Speziell bei den Modulen und (Sub-)Systemen handelt es sich oft um Problemlösungen (Kern, W. 1979). Soweit die Vorprodukte nicht aus der eigenen Fertigung der Endprodukthersteller kommen, können sie als Zulieferprodukte bezeichnet werden. Es ist das besondere Merkmal von Zulieferprodukten, dass sie erst durch den Einbau in oder den Anbau an die Endprodukte ihre Funktion im und für das Endprodukt zweckbestimmt erfüllen können. Im Gegensatz zu den Roh-, Halb- und Hilfsstoffen, die im Wege der Weiterverarbeitung in die Endprodukte eingehen und dabei Form- oder Substanzänderungen unterzogen werden, lassen sich Zulieferprodukte in den Endprodukten immer noch als spezifische Vorprodukte identifizieren. Bei der Entsorgung sowie beim Recycling und Downcycling der Endprodukte müssen für manche Vorprodukte (z.B. Kunststoffteile, Elektronikteile) besondere Vorkehrungen getroffen werden.
Im Folgenden werden lediglich die Endprodukthersteller als Abnehmer betrachtet. Damit wird der Gegenstandsbereich der Z-A-Beziehungen etwas verkürzt, denn in vielen Branchen haben auch die Zulieferer der Endprodukthersteller ihrerseits wiederum vorgeschaltete Zulieferer, von denen sie Teile und Baugruppen beziehen.
Bei den Zulieferern handelt es sich in erster Linie um industrielle Unternehmungen, z.T. jedoch auch um Unternehmungen mit handwerklicher Produktion, deren Sachziel in der Produktion von Vorprodukten, die ausschließlich oder doch zum überwiegenden Teil für Endprodukthersteller und nicht für Endproduktverwender bestimmt sind, besteht. Sie beliefern die Endproduktverwender direkt oder indirekt über Handel und Werkstätten nur insoweit, als die von ihnen hergestellten Zulieferprodukte auch als Ersatz- und Zubehörteile Verwendung finden.
Von den Zulieferern zu unterscheiden sind Vorlieferanten, Unterlieferanten und Lieferanten von Betriebsmitteln. Auch zu diesen unterhalten die Endprodukthersteller Geschäftsbeziehungen, die hier jedoch nicht weiter thematisiert werden sollen. Die Übergänge zwischen den genannten vier Typen von Lieferanten sind fließend.
Vorlieferanten versorgen die Endprodukthersteller mit Roh-, Halb- und Hilfsstoffen, die nicht unmittelbar in die Endmontage einfließen, sondern vorher noch weiter be- oder verarbeitet werden müssen. Unterlieferanten erweitern die Vorfertigungskapazitäten ihrer Abnehmer (Endprodukthersteller und Zulieferer) und stellen für diese damit eine flexibel einsetzbare Kapazitätsreserve dar. Im Rahmen einer lediglich quantitativen Arbeitsteilung stellen sie nach genau einzuhaltenden konstruktiven und fertigungstechnischen Vorgaben die gleichen Produkte wie ihre Abnehmer her und sind insofern für diese als verlängerte Werkbank tätig. Die Lieferanten von Betriebsmitteln (Ausrüstungslieferanten) versorgen Endprodukthersteller, aber auch Zulieferer mit den von diesen für die Leistungserstellung zu nutzenden Maschinen und Anlagen und den zugehörigen Dienstleistungen.
Z-A-Beziehungen sind durch eine auf eine gewisse Dauer ausgerichtete vertikale Kooperation zwischen den Partnern gekennzeichnet. Sie gehen über reine Marktbeziehungen hinaus. In der Elektrotechnischen Industrie, im Maschinen- und Anlagenbau, in der Fahrzeugindustrie sowie in der Feinmechanischen und Optischen Industrie werden sie in den letzten Jahren immer häufiger als bisher kaum genutztes strategisches Potenzial erkannt. Die Gestaltung der Z-A-Beziehungen tritt daher in den Mittelpunkt von neuen Sourcing-Konzepten.
Für die Hersteller von Endprodukten sind gut funktionierende Geschäftsbeziehungen mit sorgfältig ausgewählten Zulieferern eine notwendige Voraussetzung für eine langfristige Bezugsquellensicherung. Die Zusammenarbeit mit hochqualifizierten Zulieferern kann darüber hinaus auch zu einem kontinuierlichen Zufluss von Produkt- und Prozess-Know-how führen und damit für die Endprodukthersteller zu einer Quelle von Produkt- und Verfahrensinnovationen und -verbesserungen werden. Für die Zulieferer ist eine enge Zusammenarbeit mit den in ihren Marktsegmenten führenden Endproduktherstellern unmittelbar absatzwirksam. Darüber hinaus erhalten sie hieraus wichtige Impulse für die Initiierung von Produkt- und Prozessinnovationen und Einblicke in die Markttrends auf den Endproduktmärkten. Auf diese Weise fließen ihnen die Informationen zu, die sie für eine adäquate strategische Positionierung in der Wertschöpfungskette vom Rohstofflieferanten bis zum Endprodukthersteller benötigen.

II. Gestaltung der Beziehungen


Unter dem Druck des internationalen Wettbewerbs wandeln sich die Wertschöpfungsstrukturen in zahlreichen Industrien. Für die einzelne Unternehmung stellt sich die Frage nach der optimalen Leistungstiefe. Eine komplette Eigenfertigung der Vorprodukte durch die Endprodukthersteller  (vertikale Integration) verschenkt Spezialisierungsvorteile, macht starr, bindet Kapital, induziert hohe Komplexität von Produktions-Systemen und erweist sich in vielen Fällen als nicht wirtschaftlich; eine reine Marktlösung, die zu einem Fremdbezug, basierend auf kurzfristigen Kaufverträgen mit Zulieferern, führt, beinhaltet die Gefahr, dass sich die Vertragspartner voneinander abschotten, und bietet ihnen zu wenig Möglichkeiten, gemeinsam an technischen und logistischen Problemlösungen zu arbeiten. Vor diesem Hintergrund verfolgen die Endprodukthersteller in großen Teilen der Fertigungs- und Montageindustrien kombinierte Auslagerungs- und Verbundstrategien (Richter, W. 1992), die den intermediären Bereich zwischen Eigenfertigung und Fremdbezug ausfüllen. Sie bemühen sich zu diesem Zweck um den Aufbau von kooperativen Beziehungen zu sorgfältig ausgewählten Zulieferern, die weit über die klassischen Kunden-Lieferanten-Beziehungen auf der Basis von Kaufverträgen hinausgehen und die Kooperationsfelder ausweiten sowie zahlreiche Schnittstellen zwischen den Endproduktherstellern und ihren Zulieferern begründen.
Im Kern geht es bei der Gestaltung der Z-A-Beziehungen um die Schaffung eines auf Verträgen, Vereinbarungen und vor allem Vertrauen beruhenden Verbundsystems, das gemeinsame Problemlösungen der Endprodukthersteller und ihrer Zulieferer fördert. Ein solches Verbundsystem hat den Charakter einer Interorganisation und ist durch einen intensiven Austausch von Sachgütern und Informationen zwischen den Kooperationspartnern gekennzeichnet.
An ein Verbundsystem aus Endproduktherstellern und Zulieferern ist eine Reihe von Anforderungen zu stellen:

1.

Es sollte den Partnern eine Konzentration auf ihre Kernkompetenzen, in denen sie ihre spezifischen strategischen Wettbewerbsvorteile haben, gestatten.

2.

Es sollte als Ganzes in der Lage sein, die Anforderungen der Endproduktmärkte in qualitativer, quantitativer und zeitlicher Hinsicht besser zu erfüllen, als dies bei einer Eigenfertigung der Vorprodukte durch die Endprodukthersteller der Fall wäre.

3.

Es sollte im Vergleich zur Eigenfertigung der Vorprodukte durch die Endprodukthersteller insgesamt wirtschaftlicher sein und eine höhere Flexibilität bei Änderungen im marktlichen Umfeld aufweisen.

4.

Es sollte durch gemeinsame Produkt- und Verfahrensentwicklungen für beide Partner vorteilhafte Innovationen generieren.


Einem Verbundsystem aus Endproduktherstellern und Zulieferern ist im Gegensatz zu vertikal integrierten Unternehmungen eine gewisse Labilität immanent. Es kann nur dann Bestand haben, wenn die Zusammenarbeit allen Beteiligten erkennbare Vorteile bietet und wenn vor allem die Zulieferer genügend Anreize für eine langfristige Zusammenarbeit mit den Endproduktherstellern erhalten. Die seit Ende der 1980er-Jahre vor allem in der Automobilindustrie geäußerten Klagen der Zulieferer (vgl. Hamer, E. 1988; Fieten, R. 1991) deuten darauf hin, dass dies nicht in allen Branchen der Fall ist.
Die konstitutiven Entscheidungen bei der Gestaltung eines Verbundsystems beziehen sich im Einzelnen auf:

1.

die Breite und Tiefe der Felder, in denen eine Zusammenarbeit stattfindet;

2.

die Spielregeln der Zusammenarbeit inklusive der einzusetzenden Koordinationsformen;

3.

das Klima der Zusammenarbeit und die Lösung der typischen Spannungsverhältnisse von Kooperation und Wettbewerb, von Autonomie und Abhängigkeit sowie von Vertrauen und Kontrolle (Sydow, J./Windeler, A. 1995).


Diese konstitutiven Entscheidungen werden in Verträge und Vereinbarungen umgesetzt; sie fixieren damit den Rahmen für den Vollzug der logistischen Prozesse, der Informationsprozesse und der kommerziellen Abwicklungsprozesse, die zwischen den Endproduktherstellern und den Zulieferern stattfinden und die letztlich die Zusammenarbeit der Partner operativ wirksam machen. Die logistischen Prozesse beziehen sich auf die Bereitstellung von Zulieferprodukten und Dienstleistungen durch die Zulieferer für die Abnehmer und u.U. die Beistellung von Roh-, Halb- und/oder Hilfsstoffen durch die Abnehmer für die Zulieferer. Die Informationsprozesse beinhalten den wechselseitigen Austausch von Informationen über Produkte, Produktionsprozesse, Kosten, Bedarfe, verfügbare Kapazitäten und Lieferzeiten. Sie steuern letztlich die logistischen Prozesse und bedürfen einer Unterstützung durch moderne Informations- und Kommunikationssysteme, z.B. zwecks Electronic Data Interchange. Der kommerzielle Abwicklungsprozess umfasst Aktivitäten wie u.a. Auftragsbearbeitung, Rechnungsstellung und -prüfung, Zahlungsanweisungen und Reklamationsbearbeitung.
Auf die Gestaltung von Verbundsystemen wirkt eine Reihe von Einflussfaktoren ein wie etwa das Produkt- und Leistungsprogramm der Partner, ihre Kernkompetenzen, die von ihnen eingesetzten Produktionstechniken und -verfahren, die Entfernung ihrer Produktionsstandorte, ihr Entwicklungsstand im Bereich der Informations- und Kommunikationstechnologie sowie ihre Fertigungsorganisation. Darüber hinaus sind Faktoren wie etwa die Marktstellung der Zulieferer als Anbieter, die Marktstellung der Endprodukthersteller als Nachfrager, Machtverhältnisse und Abhängigkeiten zwischen den Partnern von erheblicher Bedeutung.
Die hier ohne Anspruch auf Vollständigkeit genannten Einflussfaktoren der Z-A-Beziehungen unterliegen im Zeitablauf dem Wandel; dementsprechend verändern sich in großen Teilen der Fertigungs- und Montageindustrien zzt. gravierend die Zusammenarbeit und in Verbindung hiermit die traditionellen Grenzen zwischen den Endproduktherstellern und ihren Zulieferern. Grundsätzlich können derartige Veränderungen sowohl von den Endproduktherstellern als auch von den Zulieferern initiiert werden. In der Praxis sind es zumeist die (mächtigeren) Endprodukthersteller, die über kombinierte Auslagerungs- und Verbundstrategien zu neuen Formen der Zusammenarbeit mit ausgewählten Zulieferern gelangen und hierbei das Ziel verfolgen, ihre Transaktionskosten zu reduzieren.

III. Evolution der Beziehungen


1. Theoretische Ansätze


Theoretische Ansätze zur Analyse von Z-A-Beziehungen sind in den letzten Jahren vor allem in der angloamerikanischen Literatur vorgelegt worden (zum Überblick vgl. Lamming, R. 1993). Sie basieren zumeist auf Ansätzen der Industrieökonomik (Williamson, O. E. 1975, Williamson, O. E. 1986), aber auch auf (inter)organisationstheoretischen Arbeiten (z.B. Van de Ven, A. H./Emmitt, D. C./Koenig, R. jr. 1975). In der deutschsprachigen Literatur finden sich neben begrifflich-systematisierenden Darstellungen empirische Studien über die Veränderungen der Z-A-Beziehungen sowie Einzelfallbeschreibungen, die sich vor allem mit der Automobilindustrie befassen (z.B. Doleschal, R. 1991; Eicke, H. v./Femerling, C. 1991; Fieten, R. 1991; Schmidt, A./Richter, W. 1991; Wildemann, H. 1993).
Ein relativ umfassender konzeptioneller Bezugsrahmen, der auch als Grundlage für die Gewinnung von Hinweisen für die Gestaltung der Zusammenarbeit zwischen Endproduktherstellern und Zulieferern genutzt werden kann, wurde von der Industrial Marketing and Purchasing Group entwickelt (Hakansson, H. 1982; Lamming, R. 1993). Es handelt sich hierbei um ein Interaktionsmodell, das industrieökonomische und interorganisationstheoretische Ansätze in geschickter Weise miteinander verbindet. Dieses Modell befasst sich insb. mit den Faktoren, die auf die Interaktionen zwischen Zulieferern und Abnehmern Einfluss nehmen. Es eignet sich, um die sich wandelnden Z-A-Beziehungen in ihrer Evolution zu beschreiben und hierfür Erklärungsansätze zu bieten.

2. Veränderung der Z-A-Beziehungen


Das Interaktionsmodell zur Analyse der Z-A-Beziehungen hat sich insb. bei der empirischen Feldforschung in der Automobilindustrie bewährt. Der Wandel der Z-A-Beziehungen ist in dieser Industrie besonders gravierend. Entwicklungen, die sich in dieser Industrie vollziehen, bleiben nicht ohne Signalwirkung für andere Branchen.
Bei stark vergröbernder Betrachtung lassen sich idealtypisch eine traditionelle und eine vielleicht nicht völlig neue, aber zumindest neuartige Konzeption der Z-A-Beziehungen unterscheiden. Die Unterschiede zwischen beiden Konzeptionen betreffen vor allem die Spielregeln und das Klima der Zusammenarbeit, aber auch die Aufteilung der Leistungsumfänge zwischen den Herstellern und ihren Zulieferern.
Die traditionelle Konzeption basiert auf den klassischen Kunden-Lieferanten-Beziehungen zwischen Geschäftspartnern und ist durch ein relativ geringes Maß an Kooperation zwischen den Partnern gekennzeichnet. Die heute propagierte neuartige Konzeption der Z-A-Beziehungen orientiert sich demgegenüber an Prinzipien des Lean Management und füllt den intermediären Bereich der Kooperation zwischen den beiden Extremen »reine Marktbeziehung« und »Eigenfertigung« (vertikale Integration der vorgelagerten Wertschöpfungsstufe) aus. Sie lässt sich daher als innovationsorientierte  Wertschöpfungspartnerschaft zwischen den Endproduktherstellern und einer allerdings begrenzten Anzahl von sorgfältig ausgewählten Zulieferern, die sowohl Zulieferprodukte als auch Entwicklungsleistungen einbringen, charakterisieren. Darüber hinaus unterhalten die Hersteller klassische Marktbeziehungen zu den Zulieferern von Standard- und Normteilen.
Bei der traditionellen Konzeption werden die Zulieferer erst nach Vorliegen eines von den Abnehmern entwickelten und gut definierten Produktkonzeptes auf der Basis eines Angebotsvergleiches ausgewählt. Entscheidendes Auswahlkriterium ist der Preis. Zur Forcierung des Wettbewerbs zwischen den Zulieferern unterhalten die Hersteller Geschäftsbeziehungen zu mehreren Zulieferern pro Teil, die u.U. sogar gegeneinander ausgespielt werden. Mit diesen werden lediglich kurz- bis mittelfristige Lieferverträge abgeschlossen, um im Falle eines preislich günstigeren Angebotes einen Lieferantenwechsel vornehmen zu können. Es finden nach bestimmten Ritualen ablaufende jährliche Preisrunden statt (vgl. Jetter, O. 1992). Bei Änderungen einer Konstruktion durch die Hersteller wird über eine Anpassung der Preise der Zulieferprodukte nach oben verhandelt. Die Hersteller rufen die benötigten Zulieferprodukte ab und nehmen die ex-post-Qualitätsprüfung im Wege von Wareneingangskontrollen vor. Die Zulieferer gewähren ihren Abnehmern keinen Einblick in ihre Kalkulation und sind weithin autonom hinsichtlich ihrer Produktionsplanung. Insgesamt ist die Intensität des Informationsaustausches zwischen den Partnern relativ gering. Die Grenzen zwischen den Abnehmern und ihren Zulieferern sind klar definiert. Das Klima der Zusammenarbeit ist eher durch gegenseitiges Misstrauen denn durch Vertrauen gekennzeichnet.
Im Gegensatz dazu ist die neuartige Konzeption der Z-A-Beziehungen (vgl. Clark, K. B./Fujimoto, T. 1991; Womack, J. P./Jones, D. T./Roos, D. 1990) durch andere Spielregeln der Zusammenarbeit und vor allem durch ein auf kontinuierliche Verbesserung ausgerichtetes, leistungsorientiertes Klima der Kooperation gekennzeichnet. Die Auswahl der Zulieferer findet bereits in der Konzeptphase nach dem Kriterium der Entwicklungskompetenz statt. Die Hersteller schließen für einen längeren Zeitraum, d.h. für den Modellzyklus, Verträge nur mit einem oder mit zwei Zulieferern pro Zulieferprodukt ab (single/double sourcing). Es wird von den Zulieferern erwartet, dass sie in Eigenverantwortung neue technische Problemlösungen für ihre Abnehmer erarbeiten (Black-Box- oder Grey-Box-Entwicklung). Durch gemeinsame Anstrengungen versuchen die beiden Partner, ausgehend von den definierten Zielkosten des Endproduktes auch auf die Zulieferprodukte heruntergebrochene Zielkosten und eine kontinuierliche Kostenreduzierung zu erreichen. Dies impliziert, dass die Kostenstrukturen transparent gemacht werden. Im Hinblick auf eine Abstimmung der logischen Prozesse, aber auch der Entwicklungsprozesse findet ein intensiver Informationsaustausch statt. Information substituiert Bestände und macht im Idealfall für beide Partner eine Just in Time-Produktion möglich. Die Grenzen zwischen den Unternehmungen verwischen sich; es bilden sich zahlreiche interorganisatorische Verbindungsstellen heraus. Die Zusammenarbeit vollzieht sich idealerweise in einem Klima des Vertrauens.
Ein weiterer gravierender Unterschied zwischen den beiden o.g. Konzeptionen besteht in der Komplexität der Beschaffungsaufgabe. In der traditionellen Konfiguration haben die Endprodukthersteller nur wenige Zulieferer mit Entwicklungs- und Modulkompetenz. Die Hersteller koordinieren die Zulieferungen von zahlreichen Komponenten-, Baugruppen- und Teileherstellern und müssen auf der Beschaffungsseite eine beachtlichte Komplexität bewältigen (Abb. 1).
Zulieferer-Abnehmer-Beziehungen
Abb. 1: Traditionelle Konfiguration der Z-A-Beziehungen
Diese Lösung induziert für die Hersteller trotz detaillierter Verträge und Qualitätssicherungsvereinbarungen hohe Transaktionskosten, die in hohen Logistikkosten, aber auch in einem erheblichen Aufwand für Qualitätsaudits und -zertifizierung begründet sind. In der neuartigen Konfiguration arbeiten die Endprodukthersteller mit wesentlich weniger direkten Zulieferern (Modul- und in Zukunft Systemlieferanten) zusammen. Diese koordinieren wiederum gewissermaßen wie Generalunternehmer ihre Teile- und Komponentenlieferanten. Eine solche Lösung wird im industriellen Großanlagenbau bereits seit vielen Jahren praktiziert (Fieten, R. 1981). Sie führt dazu, dass sich insgesamt eine Zuliefererpyramide herausbildet (Abb. 2).
Zulieferer-Abnehmer-Beziehungen
Abb. 2: Neuartige Konfiguration der Z-A-Beziehungen
Der Übergang von den klassischen, traditionellen Kunden-Lieferanten-Beziehungen zu der neuen Konzeption der innovationsorientierten  Wertschöpfungspartnerschaft vollzieht sich nicht abrupt und auch nicht problemlos. Nach den von Lamming (Lamming, R. 1993) in der Automobilindustrie durchgeführten empirischen Recherchen gibt es Zwischenstufen des Übergangs.
Während die klassischen, traditionellen Kunden-Lieferanten-Beziehungen charakteristisch für die Zeit der fordistischen Produktion in einem Umfeld wachsender Märkte waren, verwandelten sich diese in Nordamerika ebenso wie zeitversetzt in Westeuropa zu konfliktreichen und spannungsgeladenen Beziehungen, als beträchtliche Markteinbrüche zu verzeichnen waren und eine zunehmende Bedrohung der amerikanischen und europäischen Automobilindustrie durch die internationale Konkurrenz offensichtlich wurde. Durch Druck auf die Zulieferer und Ausspielen ihrer Nachfragemacht wollten die Automobilhersteller ihre eigenen Strukturprobleme, die eigentlich in der mangelnden Eignung der fordistischen Produktion für volatile und sich rasch verändernde Märkte ihre Begründung hatten, lösen. Dies gelang nur z.T., zumal viele Zulieferer aus dem Markt ausscheiden mussten und sich bei den verbleibenden Zulieferern erhebliche Widerstände gegen die verschärften, als unbillig empfundenen Beschaffungspraktiken der Hersteller herausbildeten. In Anbetracht dessen, aber auch vor dem Hintergrund der Tatsache, dass Hersteller und Zulieferer sich mehr und mehr von der fordistischen Massenproduktion lösen, entspannen sich ihre Beziehungen, und die Automobilhersteller und ihre Zulieferer bemühen sich um eine Bewältigung der aufgelaufenen Konflikte. Damit vollzieht sich allmählich der Übergang zu einer partnerschaftlichen Zusammenarbeit, die in Japan offenbar immer noch mit Erfolg praktiziert wird (Hemmert, M. 1993).
Der Prozess des Übergangs ist noch nicht beendet; gleichwohl zeichnet sich ab, dass die in Japan möglichen Z-A-Beziehungen außerhalb Japans in ihrer Reinform auch von den japanischen Transplants in Nordamerika und in Europa nicht realisiert werden können. Bei kritischer Betrachtung sind es lediglich einzelne Elemente des »japanischen Modells«, die außerhalb Japans angewandt werden. Bei einer Globalen Produktion greift dieses Modell zu kurz. Sein entscheidender Mangel besteht darin, dass es nicht auf einer Zusammenarbeit von gleichberechtigten Partnern basiert; vielmehr kommt den Herstellern die entscheidende Rolle der »Seniorpartner« zu, die die Zulieferer in der Versorgungskette quasi wie »Juniorpartner« führen und koordinieren, hierbei jedoch auf die explizite Ausübung ihrer Nachfragemacht verzichten. Es kann in diesem Modell nicht gelingen, das gesamte Innovationspotenzial einer effektiven Zusammenarbeit zwischen den Herstellern und ihren Zulieferern zu erschließen. Hinzu kommt, dass die Transaktionskosten in diesem Modell zwar geringer sind als im klassischen Modell der Marktbeziehungen; dennoch sind sie immer noch zu hoch, da es erheblicher Anstrengungen seitens der Hersteller bedarf, um die Auslagerung der Leistungsumfänge auf die Zulieferer abzusichern. Vor diesem Hintergrund erscheint es sinnvoll, die o.g. Konzeption einer weiterentwickelten innovationsorientierten  Wertschöpfungspartnerschaft nur mit den (welt)besten Zulieferern, die dann in der Tat gleichberechtigte Partner in einer strategischen Allianz sind, zu realisieren.

IV. Aktuelle Entwicklungen der Beziehungen in Deutschland


Die Zulieferindustrie hat in Deutschland eine lange Tradition und ist durch eine Reihe besonderer Merkmale gekennzeichnet:

1.

Die deutsche Zulieferindustrie ist vorwiegend mittelständisch strukturiert.

2.

Speziell in der Automobilindustrie, z.T. auch in der Elektroindustrie, steht eine große Zahl mittelständischer Zulieferer einer geringen Zahl von Großabnehmern, die mit relativ großer Nachfragemacht ausgestattet sind, gegenüber.

3.

Zulieferer und Abnehmer in Deutschland sind i.d.R. rechtlich unabhängig voneinander.

4.

Üblicherweise bestehen keine Kapitalverflechtungen zwischen den Herstellern und ihren Zulieferern.

5.

Die deutsche Zulieferindustrie verfügt über eine hohe technische Problemlösungskompetenz aufgrund ihres ausgeprägten produkt- und verfahrenstechnischen Know-hows.


Die Beziehungen zwischen den Zulieferern und ihren Abnehmern befinden sich im Übergang von traditionellen Marktbeziehungen zu innovationsorientierten  Wertschöpfungspartnerschaften. Der Übergang erweist sich in Deutschland jedoch als schwierig und langwierig, zumal es auch den Herstellern nicht abrupt gelingt, ihre internen Strukturen und ihre überkommenen Denkmuster zu verändern. Vor diesem Hintergrund sind die Z-A-Beziehungen seit Jahren konfliktbeladen. Neue Beschaffungs- und Logistikstrategien der Abnehmer, vor allem in der Automobilindustrie, aber auch die lange Zeit vernachlässigte Internationalisierung der Abnehmer stellen gewachsene und in der Vergangenheit durchaus bewährte Muster der Z-A-Beziehungen infrage. Darüber hinaus besteht latent die Gefahr, dass Großabnehmer ihre Marktmacht ausnutzen, um den Wettbewerbsdruck, dem sie selbst auf der Absatzseite ausgesetzt sind, einseitig auf die Zulieferer abzuwälzen.
Vor diesem Hintergrund haben sich u.a. das Bundeskartellamt, der Verband der Automobilindustrie und der Arbeitskreis »Zulieferfragen« des BDI dieses Themas angenommen. Der BDI hat Ende 1994 fünf Leitsätze für Zulieferbeziehungen formuliert. Im Einzelnen handelt es sich um Fairnessregeln für die Lösung der sensiblen Fragen Preispolitik, gemeinsame Kostensteuerung, Besitz- und Dispositionsrechte an Fertigungsmitteln (Werkzeuge, Formen, Muster, Modelle, Profile, Prüfeinrichtungen), Qualitätssicherungsvereinbarungen sowie Logistik zwischen Zulieferern und Abnehmern (BDI, 1994). Es ist nunmehr Sache der Akteure in der Industrie, diese Regeln in die tägliche Praxis umzusetzen.

V. Strukturwandel als Chance für Zulieferer


Im Zuge der Reorganisation historisch gewachsener industrieller Wertschöpfungsstrukturen ist seit einigen Jahren ein grundlegender Wandel der Z-A-Beziehungen nicht nur in der Automobilindustrie, sondern auch in anderen Industrien zu beobachten. Generell nehmen die Anforderungen an die Zulieferer in erheblichem Maße zu. Hieraus resultiert ein Ausleseprozess, der noch keineswegs abgeschlossen ist und zu einem Strukturwandel in der Zulieferindustrie führt. Für einen Teil der Zulieferer geht es um einen rechtzeitigen und geordneten Marktaustritt und eine Hinwendung zu anderen Abnehmerkreisen. Für wiederum andere geht es um die Anlehnung an stärkere Partner oder zumindest den Einstieg in strategische Allianzen mit anderen Zulieferern. Andere sind stark genug, um sich in einer attraktiven Marktnische oder sogar als System- oder Modullieferanten positionieren zu können.
Literatur:
BDI, : Leitsätze für Zulieferbeziehungen. BDI-Drucksache Nr. 289, Köln 1994
Clark, K. B./Fujimoto, T. : Product Development Performance, Boston 1991
Doleschal, R. : Daten und Trends der bundesdeutschen Automobil-Zulieferindustrie, in: Zulieferer im Netz zwischen Abhängigkeit und Partnerschaft, hrsg. v. Mendius, H. G./Wendeling-Schröder, U., Köln 1991, S. 35 – 60
Eicke, H. v./Femerling, C. : Modular Sourcing, München 1991
Fieten, R. : Beschaffungsplanung im industriellen Großanlagengeschäft, in: Organisation, Planung, Informationssysteme, hrsg. v. Frese, E./Schmitz, P./Szyperski, N., Stuttgart 1981, S. 137 – 159
Fieten, R. : Erfolgsstrategien für Zulieferer, Wiesbaden 1991
Geck, H. M./Petry, G. : Nachfragemacht gegenüber Zulieferern, Köln et al. 1983
Hakansson, H. : International Marketing and Purchasing of Industrial Goods: An Interaction Approach, Chichester 1992
Hamer, E. : Zuliefererdiskriminierung, Minden 1988
Hemmert, M. : Vertikale Kooperation zwischen japanischen Industrieunternehmen, Wiesbaden 1993
Jetter, O. : Einkaufsmanagement, 2. A., Landsberg a.L. 1992
Kaufmann, L. : Planung von Abnehmer-Zulieferer-Kooperationen, Gießen 1993
Kern, W. : Produkte, Problemlösungen als, in: HWProd, hrsg. v. Kern, W., Stuttgart 1979, Sp. 1433 – 1441
Kern, W. : Qualitätssicherung als eine Voraussetzung zwischenbetrieblicher produktionssynchroner Anlieferung, in: DBW, 1989, S. 287 – 298
Kern, W. : Industrielle Produktionswirtschaft, 5. A., Stuttgart 1992
Koehler, J. : Betriebswirtschaftliche Probleme der kleinen und mittleren Zu- und Unterlieferer, Freiburg 1965
Lamming, R. : Beyond Partnership, New York et al. 1993
Petzoldt, I. : Die Zulieferindustrie, Berlin 1968
Richter, W. : Die kombinierte Auslagerungs- und Verbundstrategie im industriellen Zulieferwesen, Köln 1992
Schmidt, A./Richter, W. : Die Auswirkungen des EG-Binnenmarktes auf mittelständische Zulieferunternehmen in der Bundesrepublik Deutschland, Stuttgart 1991
Sydow, J./Windeler, A. : Über Netzwerke, virtuelle Integration und Interorganisationsbeziehungen, in: Management interorganisationaler Beziehungen, hrsg. v. Sydow, J./Windeler, A., Opladen 1994, S. 1 – 48
Vand de Ven, A. H./Emmitt, C. D./Koenig, R. jr. : Frameworks for Interorganisational Analysis, in: Interorganisational Theory, hrsg. v. Negandhi, A. R., Kent/Ohio 1975, S. 19 – 38
Wildemann, H. : Die deutsche Zulieferindustrie im europäischen Markt, München 1993
Williamson, O. E. : Markets and Hierarchies, New York 1975
Williamson, O. E. : Economic Organization: Firms, Markets and Policy Control, Brighton 1986
Womack, J. P./Jones, D. T./Roos, D. : The Machine that Changed the World, New York et al. 1990

 

 


 

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