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Venture Capital


Inhaltsübersicht
I. Begriff
II. Venture Capital als Eigenkapital
III. Phasen der Venture Capital-Finanzierung
IV. Venture Capital in Deutschland und in den USA
V. Marktversagen durch Informationsasymmetrien
VI. Venture Capital-Finanzierung im Modell
VII. Fazit

I. Begriff


Unter Venture Capital versteht man Wagnis- bzw. Risikokapital (Schween, 1996), welches primär jungen, innovativen Unternehmen bereitgestellt wird. Zu den institutionellen Venture Capital-Gebern zählen private und öffentliche Venture Capital-Gesellschaften sowie Corporate Venture Capital-Gesellschaften der Industrie. Business Angels und sonstige private Investoren werden dem informellen Sektor zugerechnet (Nittka, /Stickel, 1999).
Venture Capital wird nicht allein durch das mit ihm verbundene hohe Risiko charakterisiert. Würde man lediglich auf das hohe Risiko des investierten Kapitals abstellen, so müßte man ungeeigneterweise z.B. auch offene Terminkontrakte dem Venture Capital zurechnen. Zumeist wird unter der institutionellen Venture Capital-Finanzierung deshalb ausschließlich die Finanzierung von jungen, relativ kleinen und innovativen Technologieunternehmen (Kapitalnehmer) durch Venture Capital-Gesellschaften (Kapitalgeber) mit Eigenkapital verstanden, wobei teilweise das Kapital auch durch verwandte Titel wie z.B. Genussscheine bereitgestellt wird.
Bei der Venture Capital-Finanzierung sind die Schicksale des finanzierten Unternehmens und der Venture Capital-Gesellschaft besonders eng miteinander verbunden. Im allgemeinen sind die kapitalnehmenden Unternehmen wenig diversifiziert. Ihre Zukunft ist von einem in seiner Ertragskraft noch relativ unsicheren Projekt und der Qualität des Managements abhängig. Die Bedeutung eines erfolgreichen Managements nehmen die Venture Capital-Gesellschaften in der Regel zum Anlaß, sich bei der Kapitalvergabe umfangreiche Kontrollrechte einräumen zu lassen. Diese können soweit gehen, dass den Venture Capital-Gesellschaften unter bestimmten Bedingungen Mitbestimmungsrechte und Managementfunktionen eingeräumt werden müssen (Bell, 1999; Göppl, 1993).
Die Mitwirkung der Venture Capital-Gesellschaften bei der Unternehmensführung kann für beide Vertragsparteien von Nutzen sein, denn häufig verfügen Kapitalgeber über ein sehr spezielles Know-how, das weit über Finanzierungsfragen hinausgeht und z.B. Absatzmärkte betreffen kann. Insofern können sie den von ihnen finanzierten Unternehmen wertvolle Beratungsdienstleistungen erbringen, die sie sich je nach Vertragsgestaltung getrennt honorieren lassen. Problematisch wird es jedoch, wenn die Beratungsleistung von der Venture Capital-Gesellschaft zu Interessenskonflikten führt oder zu überhöhten Honoraren erfolgt.

II. Venture Capital als Eigenkapital


Die Wagnisfinanzierung sollte wegen der hohen Ausfallrisiken über voll haftendes Eigenkapital vorgenommmen werden. Das Unabhängigkeitsbedürfnis einiger Unternehmer sowie steuerliche Überlegungen haben aber zur Folge, dass riskante Unternehmen oder Projekte teilweise über mezzanines Kapital finanziert werden. Grundsätzlich sollte die Venture Capital-Gesellschaft dem Unternehmen keine festen Zins- und Rückzahlungsverpflichtungen auferlegen. Die Finanzierung ist dann nicht risikoäquivalent, und die Gefahr für eine Insolvenz oder einen Konkurs wächst (Gerke, 1972).
Prinzipiell steht das von Venture Capital-Gesellschaften investierte Eigenkapital den Unternehmen mit unbegrenzter Laufzeit zur Verfügung. Dennoch verfolgen die Venture Capital-Gesellschaften befristete Beteiligungsabsichten. Ihr Interesse ist darauf ausgerichtet, nach einer möglichst kurzen Beteiligungszeit von beispielsweise 3 bis 5 Jahren, ihre Beteiligung gewinnbringend am Kapitalmarkt zu platzieren oder an einen Einzelerwerber zu veräußern.
Angesichts der hohen Risiken, die die Venture Capital-Gesellschaften bei der Wagnisfinanzierung eingehen, führen viele ihrer Engagements zu Totalausfällen. Um durch einzelne Ausfälle nicht in ihrer Existenz gefährdet zu werden, legen sich die Venture Capital-Gesellschaften ein diversifiziertes Portefeuille aus vielen verschiedenen Wagnisfinanzierungen zu. Die besonders erfolgreichen Beteiligungen in diesem Portefeuille sollen die Gesellschaft in die Lage versetzen, unvermeidbare Ausfälle auszugleichen. Mit steigendem Diversifikationsgrad sinkt das Risiko für die Venture Capital-Gesellschaft, solange durch die Vielfalt der Engagements die Qualität ihrer Expertise in der Unternehmensbewertung nicht zu sehr leidet.
Die wesentlichen Fehler in der Startphase der deutschen Venture Capital-Gesellschaften waren mangelnde Diversifikation der Portefeuilles, Ertragsbeschränkungen und befristete Finanzierungsformen, die dem finanzierten Unternehmen zu vorab festgelegten Konditionen Rückkaufrechte einräumten (Gerke, W. 1985). Alle drei Faktoren erhöhten die Anfälligkeit der Venture Capital-Gesellschaften bei Totalausfällen einzelner Engagements. Mit der nachhaltigen Belebung der Venture Capital-Finanzierung verfügten die meisten Venture Capital-Gesellschaften Anfang 2000 über wesentlich breiter diversifizierte Portefeuilles. Dennoch konnte diese Streuung die negativen Auswirkungen des Kursverfalls am Neuen Markt in diesem Jahr nur teilweise abfedern. Insbesondere kleine Venture Capital-Gesellschaften, die in Internet-Firmen investierten, mussten in 2000 empfindliche Verluste hinnehmen. Trotz vorübergehender Schwierigkeiten beim „ Exit “ über den Kapitalmarkt steht innovativen Jungunternehmen heute ein breites Angebot an Venture Capital-Firmen zur Verfügung.

III. Phasen der Venture Capital-Finanzierung


Die Venture Capital-Bereitstellung kann in unterschiedlichen Reifephasen eines Projektes oder eines Unternehmens einsetzen (Bundesverband deutscher Kapitalbeteiligungsgesellschaften (BVK), 1998; Klemm, 1988). In den 1980er- und 1990er-Jahren finanzierten die Venture Capital-Gesellschaften nur in sehr beschränktem Umfang Forschungsinvestitionen und Produktentwicklungen (Gerke, W. 1998). In der so genannten Seed-up-Phase (Gründungsphase) waren die Unternehmer zumeist auf Eigenmittel, staatliche Förderprogramme und einige spezialisierte Venture Capitalisten angewiesen (Bovaird, C. 1990). Im Zuge des High-Tech-Booms verzeichnete dieser Bereich eine deutliche Belebung, jedoch ist nach dem Abklingen der einstigen Euphorie ein merklicher Rückgang zu verzeichnen. 2005 betrug der Anteil der Investitionen in die Gründungsphase mit 200 Mio. Euro nur noch 2,03% der Bruttoinvestitionen des Venture Capital Gesamtmarktes während es im Jahre 1999 noch 156 Mio. Euro (11,2%) waren (Bundesverband deutscher Kapitalbeteiligungsgesellschaften (BVK), 2000, 2005a).
Haben die Venture Capital-Gesellschaften die Möglichkeit, eine bereits abgeschlossene Produktentwicklung zu begutachten, so sind sie bei positivem Ergebnis bereit, sich im Bereich der Produktionsvorbereitung an einem riskanten Projekt zu beteiligen (Start-Up-Financing). In der Regel benötigen junge, innovative Unternehmen bei der Produktionsaufnahme und Markteinführung besonders hohe Kapitalbeträge. In dieser Phase sind Venture Capital-Gesellschaften häufig die einzigen Finanziers, die den Unternehmen den Markteintritt ermöglichen (Gerke, W. 1983). 2004 wurden rund 332 Mio. Euro bzw. 30,7% der Venture Capital Bruttoinvestitionen in Unternehmen dieser Wachstumsphase investiert (Bundesverband deutscher Kapitalbeteiligungsgesellschaften (BVK), 2005a).
Etwas leichter fällt die Finanzierung von Unternehmen, die sich in der Expansionsphase befinden, da sich in dieser Situation bereits mehr über ihre Entwicklungspotenziale und Geschäftsaussichten sagen lässt. Da innovative Unternehmen bei besonders schnellem Wachstum häufig nicht in der Lage sind, ihre Eigenkapitalquote zu verbessern, betätigen sich Venture Capital-Gesellschaften auch in dieser Phase der Produktions- und Absatzausweitung (Expansion-Stage-Financing oder Expansionsfinanzierung). Die Einhaltung einer bestimmten Mindesteigenkapitalquote ist oft erforderlich, da Lieferanten und/oder Abnehmer, die in längerfristiger Geschäftsbeziehung zu jungen Unternehmen stehen, eine solche als Bonitätssignal fordern. Das Expansion-Stage-Financing bildet mit knapp 612 Mio. Euro bzw. 56,7% der Bruttoinvestitionen den Schwerpunkt der Venture Capital-Investitionstätigkeit (Bundesverband deutscher Kapitalbeteiligungsgesellschaften (BVK), 2005a).
Zumeist beginnt mit der Wachstumsphase auch eine Konsolidierungsphase, in der die Finanzierungsrisiken sinken und die Venture Capital-Gesellschaften allmählich in der Lage sind, ihr Desinvestment zu planen. In dieser Phase übernehmen sie die Funktion einer Überbrückungsfinanzierung (Bridge-Financing), bis sich andere Finanziers wie Kreditinstitute oder neue Aktionäre z.B. im Rahmen einer Börsenemission an den Unternehmen beteiligen. (Hierl, 1986). Im Zuge des Erlöschens des Neuen Marktes hat jedoch auch hier die Investitionstätigkeit nachgelassen, 2004 betrugen die Bruttoinvestitionen mit 8,75 Mio. Euro nur noch 0,8% des Gesamtmarktes (Bundesverband deutscher Kapitalbeteiligungsgesellschaften (BVK), 2005a).
Weitere Phasen der Venture Capital-Finanzierung bilden die Turnaround-Finanzierungen und Replacement-Capital. Bei Ersteren handelt es sich um Mittel, die Unternehmen zur Verfügung gestellt werden, nachdem sie existenzgefährdende Schwierigkeiten überwunden haben. Replacement-Capital wird eingesetzt, um die Anteile von Eignern zu übernehmen, die ihr finanzielles Engagement in dem Unternehmen beenden möchten. In 2004 beliefen sich die Turnaround-Finanzierungen auf 12,7 Mio. Euro bzw. 1,2% der Gesamtinvestitionen. Auf Replacement-Capital entfielen 2,5 Mio. Euro (8,6%).
Die massiven Kursverluste ab 2000 und die anschließende Beendigung des Neuen Marktes 2003 haben die Beteiligungsaktivitäten der Venture Capital-Gesellschaften erheblich beeinflusst, da seitdem einer der wichtigsten Exit-Kanäle, der IPO-Markt, zum Erliegen gekommen ist. Am Neuen Markt waren seinerzeit 139 der 327 Unternehmen, die dort erstnotierten, durch Venture Capital-Gesellschaften vorfinanziert worden (Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW), 2003). In den Jahren 2002 bis 2004 sind hingegen lediglich 10 Börsenneulinge zu verzeichnen gewesen (Bundesverband deutscher Kapitalbeteiligungsgesellschaften (BVK), 2005b). Infolge dessen hat sich auch das Volumen an Venture Capital in Deutschland erheblich verändert. 1999 beliefen sich die Gesamtinvestitionen auf rund 11 Mrd. DM, 2004 jedoch nur noch auf ca. 1,08 Mrd. Euro (Bundesverband deutscher Kapitalbeteiligungsgesellschaften (BVK), 2005a).
Die neu geschaffenen Freiverkehrssegmente an der Münchner Börse (M:access) und an der Frankfurter Börse (Entry Standard) verbessern die Möglichkeiten der Venture Capital-Gesellschaften zum Exit. Während die Transparenzauflagen am Neuen Markt sehr umfrangreich waren, begnügt sich die Frankfurter Börse im Entry Standard mit geringen Anforderungen. So kann bei Beschränkung der Erstzeichneranzahl auf einen Börsenprospekt verzichtet werden, was unter Anlegerschutzbestimmungen zu kritisieren ist. Der Gang an die Börse erfordert auch die Bereitschaft zur Offenlegung von Unternehmensdaten.

IV. Venture Capital in Deutschland und in den USA


Gefördert durch den „ Small Business Investment Act “ von 1958 hat die Wagnisfinanzierung in den USA große gesamtwirtschaftliche Bedeutung erlangt und nachhaltig Innovationen durch kleine Unternehmen gefördert. Venture Capital-Gesellschaften erhielten als Small Business Investment Companies Steuererleichterungen und zinssubventionierte Kredite. Insbesondere große institutionelle Anleger beteiligen sich in den USA an der Venture Capital-Aufbringung. Hierzu zählen vor allem Pensionsfonds (Berger, A. N./Udell, G. F. 1998; Smith, 1992).
In Deutschland hat die Venture Capital-Finanzierung lange Zeit eine deutlich geringere Bedeutung eingenommen als in den USA (Albach, H./Hundsdiek, D./Kokalj, L. 1986) Teilweise standen die deutschen Unternehmer der Aufnahme zusätzlicher Gesellschafter ablehnender gegenüber als amerikanische Unternehmer. Außerdem wurde die Venture Capital-Finanzierung bis in die 1990er-Jahre von den deutschen Universalbanken dominiert, die aufgrund von Interessenskonflikten zwischen Bankfilialen, die befürchteten, gute Kunden zu verlieren, und Venture Capital-Gesellschaften die Geschäfte nicht mit der gleichen Intensität betrieben wie in den USA (Gerke, W. 1996).
Mit der Einrichtung des Neuen Marktes, der sehr gute Voraussetzungen für ein Desinvestment bot, kam deutlich Belebung in den deutschen Venture Capital-Markt. Wesentlich beigetragen hat auch die Einsicht vieler Gründer, das angestrebte Wachstum nur mittels ausreichenden Eigenkapitals finanzieren zu können. Angezogen von hohen jährlichen Renditen, entstanden zahlreiche private und industrielle Venture Capital-Gesellschaften. Investitionssummen von über 10 Mio. Euro waren bei Internet-Start-ups keine Seltenheit (Frommann, 1999). In diesem Boom wurden zunehmend auch Unternehmen an die Börse gebracht, die unerprobte und unausgereifte Geschäftsmodelle aufwiesen. Begleitet durch Fälle von Kursmanipulationen und Bilanzskandalen, führte dies schließlich zu massiven Kurseinbrüchen und der letztendlichen Schließung des Neuen Marktes im Jahre 2003. Seitdem hat sich der Venture Capital-Markt in Deutschland erheblich verändert. Die Venture Capital-Gesellschaften durchlebten eine Konsolidierungsphase. Gleichzeitig sank das Mittelneuaufkommen für Venture Capital-Finanzierungen. Gemessen am Mittelaufkommen, bildet den Schwerpunkt des Private Equity-Marktes nun der Buy-out-Markt (Management Buy Outs, Management Buy Ins, und Leveraged Buy Outs) (Bundesverband deutscher Kapitalbeteiligungsgesellschaften (BVK), 2005a). Die neu gebildeten Marktsegmente „ Entry Standard “ , und „ M:access “ werden nur bei einer ähnlich zum AIM (Alternative Investment Market) in London gestalteten steuerlichen Förderung dessen Neuemissionsbilanz erreichen.

V. Marktversagen durch Informationsasymmetrien


Eines der Hauptprobleme der Venture Capital-Finanzierung liegt in der Informationsasymmetrie zwischen kapitalsuchendem Unternehmer und potenziellem Finanzier (Gerke, W. 1998; Hartmann-Wendels, 1987; Chan, 1983). Die Unternehmen sind noch nicht lange am Markt und ihre Produkte befinden sich teilweise noch in der Entwicklungsphase. Die Venture Capital-Gesellschaft verfügt folglich nur über wenig historische Unternehmensdaten, die ihr als Anhaltspunkte für die Qualität des Managements und der Produkte dienen könnten. Sie wird damit vor Informationsrisiken gestellt, die auch die Finanzierung objektiv (d.h. bei Kenntnis aller Informationen) hochrentabler Projekte nachhaltig erschweren bzw. scheitern lassen können.
Die Verringerung bzw. Aufhebung der asymmetrischen Informationsverteilung kann als besonderer Vorteil von Venture Capital-Gesellschaften in Relation zu anderen potenziellen Kapitalgebern gesehen werden. Die Spezialisierung auf Informationsbeschaffung und -auswertung spielt hier die Schlüsselrolle. Venture Capital-Gesellschaften verfügen darüber hinaus über Routine in der Managementbeurteilung und in der Vertragsgestaltung. Durch umfangreiche Kontrollrechte haben sie zudem die besten Chancen, Agency-Probleme zu verringern.
Trotz aller Professionalität bei der Unternehmensanalyse und Vertragsgestaltung verbleibt bei den Venture Capital-Gesellschaften ein durch Diversifikation und Rating nur begrenzt abbaubares Informationsrisiko. Dieses Risiko unterscheidet die Venture Capital-Finanzierung nachhaltig von der Finanzierung eines seit mehreren Jahren börsennotierten Großunternehmens und belastet sowohl die kapitalsuchenden Unternehmer wie die Venture Capital-Gesellschaften.

VI. Venture Capital-Finanzierung im Modell


Wie sich die Informationsasymmetrien sowie Agency-Beziehungen zwischen Unternehmer und Venture Capital-Gesellschaft auf die Unternehmensbewertung im Rahmen der Investitionsentscheidung auswirken, soll im Folgenden anhand eines Modells skizziert werden. Analysiert werden die Investitionen in ein junges innovatives Unternehmen IV, welches Wagniskapital nachfragt, und in eine alternative Investition IA, die z.B. ein börsennotiertes Unternehmen darstellt.


Abb. 1: Informationsasymmetrie und Wagnisfinanzierung
Über das größere Börsenunternehmen IA sollen umfangreiche Informationen bekannt und verarbeitet sein, sodass sich die objektive Rendite/Risikokombination μA,σA in Punkt A ergibt. Das innovative Kleinunternehmen soll hingegen einen höheren Erwartungswert μV und ein höheres objektives Risiko σV besitzen. Weiterhin wird angenommen, dass sich die beiden Investitionsmöglichkeiten gegenseitig ausschließen, sodass die Venture Capital-Gesellschaft nur jeweils in eine der beiden Alternativen investieren kann. Für eine Venture Capital-Gesellschaft ist es außerordentlich schwierig, die objektive Rendite-/Risikoposition V des kleinen Unternehmens zu ermitteln, wenn dieses noch sehr jung ist und sich mit einer neuen technologischen Entwicklung beschäftigt. Das Risiko, die Erfolgschancen eines neuen Technologieprojektes falsch zu bewerten, ist wesentlich höher als das Risiko der Fehlbewertung eines etablierten Unternehmens. Hinzu kommt das Risiko, die Managementfähigkeiten der Jungunternehmer zu überschätzen, sowie die Gefahr, von den Kapitalnehmern übervorteilt zu werden. In dieser Situation kann für das Venture Capital-Unternehmen und für private Anleger das subjektiv empfundene Risiko σ ″V des Unternehmens IV aufgrund von Informationsasymmetrien und Agency-Problemen wesentlich höher ausfallen als das objektive Risiko σV (σV < σ ″V). Die Venture Capital-Gesellschaft und auch andere potenzielle Kapitalgeber müssen angesichts ihres unvollkommenen a priori Informationsstandes den Ertragsvorhersagen μV des jungen Unternehmens eine hohe Unsicherheit beimessen, so dass sich als Ausgangspunkt die ungünstige subjektive Rendite/Risikostruktur in Punkt V ″ ergibt.
Betrachtet man lediglich die beiden Rendite-/Risikokombinationen A und V ″ und lässt Portefeuille-Diversifikationseffekte bzw. mögliche Korrelationen zwischen A und V ″ außer acht (Gerke, W. 1993), so wird die Venture Capital-Gesellschaft eine Investition in das junge Unternehmen nicht durchführen, da es ihr subjektiv einen niedrigeren erwarteten Nutzen verschafft als die Alternativanlage A. Grafisch liegt der Punkt V ″ auf einer niedrigeren Indifferenzkurve als der Punkt A.
Informationsasymmetrien lassen sich nun durch Aktivitäten zur Informationsbeschaffung und -auswertung verringern (Kürsten, 1994). Der durchschnittliche Kapitalgeber kann sich z.B. verhältnismäßig leicht über ein börsennotiertes Unternehmen informieren, während er auf große Schwierigkeiten stößt, die Erfolgschancen eines jungen, kleinen und wenig bekannten Unternehmens einzuschätzen. Die Informationsbeschaffung und -auswertung wird z.B. für private Anleger oder Banken, im Folgenden alternative Investoren genannt, außerdem mit relativ hohen Kosten verbunden sein. Aus diesem Grund steht die durch Verringerung der Informationsasymmetrie bewirkte Risikoreduktion in einem ungünstigen Verhältnis zu den dafür notwendigen Aufwendungen. Die Kurve VAK in Abb. 1 zeigt, wie sich für den durchschnittlichen alternativen Kapitalgeber durch Maßnahmen der Informationsbeschaffung und -auswertung der erwartete subjektive Wert von V ″ verändert. Die Senkung des subjektiven Risikos von σ ″V ist zumeist mit so hohen Kosten verbunden, dass die Alternativanlage A allen erreichbaren Punkten auf der Kurve VAK vorgezogen wird. Dies verdeutlicht die Indifferenzkurve u (Zur Vereinfachung der Darstellung wird für die alternativen Kapitalgeber und die Venture Capital-Gesellschaft in Abb. 1 von gleichen Risiko-Nutzen-Funktionen ausgegangen).
In der professionellen Informationsbeschaffung und -auswertung sowie in der ständigen Unternehmensbetreuung liegt die Stärke der Venture Capital-Gesellschaften. Sie werden weniger leicht von dem Kapitalnehmer über μV getäuscht und haben eine günstigere Informationskostenfunktion als die alternativen Investoren. Auch bei ihnen wird es aber einen Punkt geben, ab dem zusätzliche Aufwendungen für Informationsbeschaffung und -verarbeitung nur noch eine geringe zusätzliche Risikoreduktion erbringt, so dass sich weitere Bonitätsprüfungen nicht mehr rentieren. Durch Aufwendung von Informationskosten kann die Venture Capital-Gesellschaft, analog zu den alternativen Kapitalgebern, das subjektive Risiko um einen bestimmten Erwartungswert verringern. Der Zusammenhang zwischen Informationskosten und der erwarteten Reduzierung des subjektiven Risikos ist durch die Kurve VVC dargestellt, die aufgrund der spezifischen Vorteile der Venture Capital-Gesellschaft flacher verläuft als die Kurve VAK. Das höchste Nutzenniveau u ″ erreicht die Venture Kapital-Gesellschaft im Punkt V ′. Im dargestellten Fall wird die Wagnisfinanzierung durch die Venture Capital-Gesellschaft durchgeführt.
Die Differenz zwischen μV und μ ′V stellt aus Sicht der Venture Capital-Gesellschaft den optimalen Informationsbeschaffungs- und -auswertungsaufwand für eine bestimmte erwartete Reduktion des subjektiven Risikos dar. Damit ist noch nicht gesagt, dass diese Kosten voll von der Venture Capital-Gesellschaft getragen werden. Es wäre auch denkbar, dass das junge Unternehmen einen Teil der Kosten direkt übernimmt, denn ansonsten wird die Venture Capital-Gesellschaft das finanzierte Unternehmen wahrscheinlich über den Beteiligungspreis an den Kosten beteiligen. Teilweise lässt sich die Informationsasymmetrie auch durch die Beteiligung Dritter bei der Begutachtung von V verringern (vgl. hierzu den Ansatz von Gerke, W. 1993). Steht zu einem späteren Zeitpunkt eine Revision der Finanzierungsentscheidung an, so sind die bis zu diesem Zeitpunkt angefallenen Kosten nicht entscheidungsrelevant, d.h. sie stellen „ Sunk Costs “ dar. Bei Revision verläuft der „ Entscheidungsprozess “ in der gleichen Weise ab, wie in Abb. 1 dargestellt. Die Venture Capital-Gesellschaft muss nur eine neue Erwartung über die dann vermutete Kurve VVC bilden. Denkbar ist dann sowohl die Fortführung als auch die Liquidation des finanzierten Unternehmens.

VII. Fazit


Die Praxis der Venture Capital-Finanzierung und das hier entwickelte Modell zeigen, dass Venture Capital-Gesellschaften aufgrund ihrer professionellen Finanzintermediation in der Lage sind, auch solchen innovativen Unternehmen Kapital zur Verfügung stellen, die beim durchschnittlichen Anleger aufgrund von Informationsasymmetrien und Agency-Problemen kein Kapital aufnehmen könnten. Die institutionelle Wagnisfinanzierung leistet damit einen wichtigen gesamtwirtschaftlichen Beitrag, denn sie finanziert gerade die Unternehmen, die für den technischen Fortschritt und die Wettbewerbsfähigkeit eines Landes benötigt werden. Anhand des vorgestellten Modells lässt sich aber auch ablesen, dass trotz der Finanzierungsdienste von Venture Capital-Gesellschaften nicht emissionsfähige kleine Unternehmen gegenüber Großunternehmen auf den Finanzmärkten Wettbewerbsnachteile in Kauf nehmen müssen, die auf Informationsasymmetrien und Agency-Beziehungen beruhen. Die Förderung geeigneter Exit-Kanäle würde zu einer erneuten Belebung des Venture Capital-Marktes in Deutschland führen. Hiervon würden sowohl Unternehmensgründer durch die Erweiterung ihrer Finanzierungsquellen als auch infolgedessen der Staat durch die Schaffung neuer Arbeitsplätze profitieren.
Literatur:
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Bell, M. G.. : Venture Capitalist oder Angel – Welcher Kapitalgeber stiftet den größeren Nutzen, in: Die Bank 6/1999, S. 372 – 377
Berger, A. N./Udell, G. F. : The economics of small business finance: The roles of private equity and debt markets in the fianancial growth cycle, in: Journal of Banking and Finance 22 (1998), S.613 – 673
Bovaird, C. : Introduction to Venture Capital Finance, London 1990
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Bundesverband deutscher Kapitalbeteiligungsgesellschaften (BVK), : Jahrbuch, Berlin 1999
Bundesverband deutscher Kapitalbeteiligungsgesellschaften (BVK), : Jahrbuch, Berlin 2000
Bundesverband deutscher Kapitalbeteiligungsgesellschaften (BVK), : Jahrbuch, Berlin 2005a
Bundesverband deutscher Kapitalbeteiligungsgesellschaften (BVK), : IPO-Markt 2005 – Einschätzung der aktuellen Börsensituation aus Sicht der deutschen Beteiligungsgesellschaften, Berlin 2005b
Chan, Y. S. : On the Role of Financial Intermediation in Allocation of Venture Capital in a Market with Imperfect Information, in: JF 1983, S. 1542 – 1568
Fleischhauer, U. : Unternehmer auf der Suche nach intelligentem Kapital, in: Handelsblatt Nr. 231, 29.11.1999, S. B2
Frommann,, : Mit dem Venture-Capital-Boom verändern sich die Mentalitäten, in: Handelsblatt Nr. 231, 29.11.1999, S. B2
Gerke, W. : Kapitalbeteiligungsgesellschaften, Frankfurt a.M. 1972
Gerke, W. : Die Rolle der Kapitalbeteiligungs-Gesellschaften und Kreditinstitute bei der Technologiefinanzierung, in: Workshop Venture Capital für junge Technologieunternehmen, Berlin 1983, S. 25 – 34
Gerke, W. : Die Akzeptanz der Kapitalbeteiligungsgesellschaft im Mittelstand, in: Die Finanzierung mittelständischer Unternehmen in Deutschland, hrsg. v. Wossidlo, P.R., Berlin 1985, S. 314 – 336
Gerke, W. : Informationsasymmetrien am Markt für Beteiligungen an mittelständischen Unternehmen, in: Handbuch des Finanzmanagements, hrsg. v. Gebhardt, G./Gerke, W./Steiner, M., München 1993, S. 3263 – 3273
Gerke, W. : Venture Capital in Germany, in: Venture Capital and Innovation, hrsg. v. OCDE/GD(96)168, Committee for Scientific and Technology Policy, Paris 1996, S. 90 – 93
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Göppl, H. : Wagnisfinanzierung, in: HWB Teilband 2, Stuttgart 1993, 5. A., Sp. 4638 – 4648
Hartmann-Wendels, T. : Venture Capital aus finanzierungstheoretischer Sicht, in: ZfbF 1987, S. 16 – 30
Hierl, W. : Banken und Venture Capital, Unterföhring 1986
Klemm, A. : Die Finanzierung und Betreuung von Innovationsvorhaben durch Venture Capital Gesellschaften, Frankfurt/M. 1988
Kürsten, W. : Finanzkontrakte und Risikoanreizproblem, Wiesbaden 1994
Nittka, I./Stickel, E. : Informelles Venture Capital am Beispiel von Business Angels, in: Sparkasse, H. 10/1999, S. 445 – 453
Schween, K. : Corporate Venture Capital: Risikofinanzierung deutscher Industrieunternehmen, Wiesbaden 1996
Smith, R. H. : Venture Capital, in: The New Palgrave Dictionary of Money & Finance, Vol. 3, 1992, S. 761 – 762
Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW), : ZEW news, Mannheim Oktober 2003

 

 


 

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