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Steuern in der Unternehmensrechnung


Inhaltsübersicht
I. Unternehmensbesteuerung und Rechnungswesen
II. Externe Unternehmensrechnung
III. Steuern in der internen Unternehmensrechnung

I. Unternehmensbesteuerung und Rechnungswesen


Das deutsche Steuersystem koppelt steuerliche Belastungen nicht nur an die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit natürlicher Personen (und an Vermögenspositionen, Verkehrs- und Verbrauchsvorgänge), sondern auch an rechtlich oder wirtschaftlich-organisatorisch verselbstständigte Vermögensmassen und Tätigkeitsfelder: Unternehmen sind als Institutionen Subjekt und Objekt der Besteuerung. Die institutionenbezogene Besteuerung ist ein Kernpunkt steuertheoretischer Diskussion und Kritik (vgl. Elschen, R.  1989; Schneider, D.  1989). Für die Unternehmensrechnung freilich sind Unternehmensbesteuerung und unterschiedliche Belastung einzelner Rechtsformen Faktum.
Besteuerung und Unternehmensrechnung sind in doppelter Weise verbunden. Zum einen dient die Unternehmensrechnung der Ermittlung der Steuerlast bzw., vorgelagert, der Ermittlung von steuerlichen Bemessungsgrundlagen. Insofern definiert die Besteuerung den Rechnungszweck bestimmter Teilrechnungen (z.B. der Steuerbilanz). Zum anderen sind Steuern in die Unternehmensrechnung bzw. in einzelne Teilrechnungen zu integrieren, damit jene ihrer spezifischen Zwecksetzung genügen können. Insofern sind Steuern negative Zielbeiträge in erfolgsorientierten Informations- und Entscheidungsrechnungen.
Die externe Unternehmensrechnung dient der Information Außenstehender; in einem gesetzlich, vertraglich oder durch Eigeninteresse festgelegten Umfang wird über vergangenes und künftiges Geschehen, insbesondere über den Geschäftserfolg, berichtet. Im Hinblick auf die Besteuerung geht es sowohl um Informationen zur Ermittlung von Steuerlasten, vor allem um Information des Fiskus über den erwirtschafteten steuerpflichtigen Gewinn, als auch um Information eines breiten Adressatenkreises über Steuern als negative Komponenten des Unternehmenserfolges. Die zweitgenannte Informationsaufgabe ( „ Information des Kapitalmarktes “ ) wird im Wesentlichen vom Jahresabschluss übernommen. Dort sind alle die Unternehmung belastenden Steuern aufzuzeigen, soweit sie nicht, weil von anderen überwälzt, ohnehin in den Faktorpreisen enthalten sind (Steuerschuldnerschaft der Gesellschaft, spezifische Zahllast unternehmerischer Tätigkeit des Einzelkaufmanns). Der handelsrechtliche Jahresabschluss bietet somit Informationen für die externe Anlageanalyse unter Einschluss von (Unternehmens-)Steuern.
Die interne Unternehmensrechnung (Investitions- und Finanz(ierungs)rechnungen sowie Kosten- und Leistungs- bzw. Erlösrechnung zur Fundierung von Entscheidungen der Unternehmensleitung und nachgelagerter Instanzen, vgl. Ewert, R./Wagenhofer, A.  2000, S. 6 ff.) kann sich auf die Berücksichtigung von Unternehmenssteuern nur im Falle einer firmenbezogenen Zielsetzung beschränken. Anlageentscheidungen im Interesse der Unternehmenseigner sind (abgesehen von Fällen nachgewiesener Entscheidungsirrelevanz) allgemein nur möglich, wenn auch persönliche Steuerlasten der Eigner einbezogen werden.

II. Externe Unternehmensrechnung


1. Gewinnermittlung in der Steuerbilanz


Jenseits branchenspezifischer Sonderregelungen (§§ 5a, 13a EStG) kennt das deutsche Steuerrecht drei Methoden der Gewinnermittlung:

-

Betriebsvermögensvergleich nach § 4 I EStG für nach § 141 AO bzw. freiwillig Bücher führende Land- und Forstwirte und für freiwillig Bücher führende Freiberufler;

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Betriebsvermögensvergleich nach § 5 EStG für kraft Gesetz oder freiwillig Bücher führende Gewerbetreibende;

-

Überschussrechnung nach § 4 III EStG für Gewinnermittler, die weder aufgrund einer gesetzlichen Verpflichtung noch freiwillig Bücher führen (Vereinfachungsregelung für Gewinnermittler, denen das Steuerrecht die Buchführungspflicht nicht auferlegen will).


Die Gewinnermittlung nach § 4 I EStG erfolgt in einer originären Steuerbilanz, in der jedoch handelsrechtliche GoB zu beachten sind (§ 141 I AO). Bei der Gewinnermittlung nach § 5 EStG ist die Steuerbilanz aus der Handelsbilanz abzuleiten (Maßgeblichkeitsprinzip); der in der konkreten Handelsbilanz zulässigerweise ausgewiesene Wert ist für die Steuerbilanz verbindlich (formelle Maßgeblichkeit), es sei denn, steuerliche Vorschriften stehen dem entgegen. Für den Bilanzansatz (Bilanzierung dem Grunde nach) bedeutet dies: Unter Beachtung der (divergierenden, z.T. auch inhaltsgleichen) Regelungen des § 5 EStG sind die Positionen zu bilanzieren, die nach den handelsrechtlichen GoB auszuweisen sind (Wirtschaftsgut gleich Vermögensgegenstand). Zudem werden kraft Richterrecht (vgl. Weber-Grellet, H.  2001, § 5 Rz 31) handelsrechtliche Aktivierungswahlrechte zu steuerrechtlichen Aktivierungsgeboten, handelsrechtliche Passivierungswahlrechte zu steuerrechtlichen Passivierungsverboten. Bilanzierungshilfen (§§ 269, 274 II HGB) gehören jedoch nicht in die Steuerbilanz, da sie keine Wirtschaftsgüter sind (vgl. Weber-Grellet, H.  2001, § 5 Rz 32). Bei der Ansatzfrage werden somit originär handelsrechtliche Wahlrechte für die Steuerbilanz ausgeschaltet, durch zwingende Regelungen ersetzt. Eines Bezugs auf die konkrete Handelsbilanz bedarf es insoweit nicht; für die formelle Maßgeblichkeit bleibt beim Bilanzansatz Raum lediglich im Rahmen der sog. umgekehrten Maßgeblichkeit.
Bei der Bilanzbewertung (Bilanzierung der Höhe nach) lassen steuerrechtliche Vorschriften (§§ 6 – 7k EStG) Freiräume für eine Ausfüllung durch die in der konkreten Handelsbilanz getroffene, GoB-konforme Bewertungsentscheidung. Für die Bewertung bleibt es nicht bei der allgemeinen Relevanz der GoB (materielle Maßgeblichkeit), vielmehr sind die konkreten Werte der Handelsbilanz in die Steuerbilanz zu übernehmen (formelle Maßgeblichkeit). Die formelle Maßgeblichkeit endet erst dann, wenn der Handelsbilanzwert den steuerlich zulässigen Bewertungskorridor verlässt.
Die Auseinandersetzung um die Maßgeblichkeit ist letztlich eine Diskussion um die Zwecksetzung der Handelsbilanz. Versteht man die Handelsbilanz als eine vom Gläubigerschutz geprägte Ausschüttungsbemessungsbilanz und ordnet weiterreichende Informationsaufgaben dem Anhang zu (sog. Abkopplungsthese, vgl. Moxter, A.  1995, S. 426 ff.), so stimmen die Zwecke von Handels- und Steuerbilanz überein. Das Maßgeblichkeitsprinzip wirkt überzeugend; steuerrechtliche Sondervorschriften erscheinen lediglich als Korrektiv für vom Steuerrecht nicht akzeptierte „ Großzügigkeiten “ des Handelsrechts. Ordnet man indes der Handelsbilanz, nicht nur dem handelsrechtlichen Jahresabschluss insgesamt, weiterreichende Informationsaufgaben zu, dann ist dem Maßgeblichkeitsprinzip der Boden entzogen. Angesichts des wachsenden Einflusses anglo-amerikanischer Rechnungslegungsgrundsätze mit ihrer dominanten Zwecksetzung der Kapitalmarktinformation ist ein Fortbestand des Maßgeblichkeitsprinzips nicht denkbar.

2. Steuern im (handelsrechtlichen) Jahresabschluss

a) Steuerausweis in der Gewinn- und Verlustrechnung


Im Jahresabschluss sind die Steuern auszuweisen, für die das Unternehmen Steuerschuldner ist, nicht jedoch persönliche Steuern von Personengesellschaftern und des Einzelunternehmers. Die LSt ist Arbeitsentgelt, von dritter Seite abgeführte KapESt ist als Beteiligungsertrag auszuweisen (einbehaltene KapESt berührt als Gewinnverwendung nicht die GuV). Steuerliche Nebenleistungen (§ 3 III AO), Steuerstrafen und Bußgelder sind nicht den sonstigen Steuern, sondern den sonstigen betrieblichen Aufwendungen oder, sofern sie Zinscharakter aufweisen, den Zinsen zuzurechnen.
Das HGB schreibt für Kapitalgesellschaften den getrennten Ausweis von Steuern vom Einkommen und Ertrag (KSt, GewSt, entsprechende ausländische Steuern) und sonstigen Steuern in der GuV vor (§ 275 HGB). Nicht-Kapitalgesellschaften, die der Gliederung nach § 275 HGB folgen, können diese Zweiteilung übernehmen (Erfolgsteuer ist dann allein die GewSt) oder alle Steuern unter den sonstigen Aufwendungen ausweisen (§ 5 V Satz 2 PublG).
Zu den sonstigen Steuern gehören neben den Steuern vom Vermögen (GrSt, ErbSt) die Verbrauch- und Verkehrsteuern (z.B. KfzSt, MineralölSt, BierSt etc., VersSt) mit Ausnahme der USt, die (Sonderfälle: § 3 Ib, IXa UStG) als durchlaufender Posten von den Umsatzerlösen abzusetzen ist (§ 277 I HGB). Bei Unternehmen, die branchentypisch Steuerschuldner von Verbrauchsteuern (z.B. MineralölSt, BierSt) sind, ist es zulässig und üblich, diese Steuern (soweit nicht Herstellungskosten) offen von den Umsatzerlösen abzusetzen (vgl. Förschle, G.  1999, § 275 Anm. 251). Bei Anwendung des Gesamtkostenverfahrens sind wegen des Primärgliederungsprinzips die sonstigen Steuern stets unter Pos. 19 auszuweisen. Beim Umsatzkostenverfahren ist es aufgrund des hier dominierenden Sekundärgliederungsprinzips auch möglich, die üblicherweise unter den sonstigen Steuern auszuweisenden Kostensteuern den im Gliederungsschema vorgesehenen Unternehmensbereichen funktional zuzuordnen; eine funktionale Zuordnung erfolgt auch nach US-GAAP und IFRS/IAS, die eine gesonderte Position für sonstige Steuern nicht vorsehen (vgl. Coenenberg, A.G.  2000, S. 484 f.).
Der Erfolgsteuerausweis erlaubt nur begrenzt den Schluss auf den Gewinn vor Steuern; neben Verzerrungen durch nicht abzugsfähige Ausgaben und steuerfreie Einnahmen gehen in die Erfolgsteuerposition auch Steueraufwand und -ertrag vergangener Jahre und ein Erstattungsüberhang ein. Wesentliche den Vorjahren zugehörige Steuerpositionen sind im Anhang zu erläutern (§ 277 IV HGB). Seit Geltung des Halbeinkünfteverfahrens kommt es bei der Kapitalgesellschaft zur definitiven Belastung thesaurierter wie ausgeschütteter Gewinne mit 25 % KSt. Allerdings resultiert aus den Überleitungsregelungen vom Anrechnungs- zum Halbeinkünfteverfahren (§§ 36, 37 KStG n.F.) ein KSt-Guthaben, das bis zu seinem Verbrauch über einen Zeitraum von maximal 15 Wirtschaftsjahren bei jeder Ausschüttung eine KSt-Minderung in Höhe von ⅙ des Ausschüttungsbetrages bewirkt. Für den Übergangszeitraum ist die KSt-Belastung daher weiterhin vom Gewinnverwendungsbeschluss oder -vorschlag abhängig (dazu §§ 278 HGB, 174 AktG).

b) Steuerausweis in der Kapitalflussrechnung


In der Kapitalflussrechnung ist die Zuordnung von Steuerzahlungen zu den Bereichen der dreiteiligen Gliederung „ Laufende Geschäftstätigkeit “ , „ Investitionstätigkeit “ und „ Finanzierungstätigkeit “ zu klären. Steuerzahlungen können mit Aktivitäten in allen Teilbereichen verbunden sein. Der einschlägige US-Standard FAS 95 fordert eine Steuerzuordnung zum Bereich der laufenden Geschäftstätigkeit (FAS 95.23c) und begründet dies mit der Willkür einer Aufteilung auf die drei Aktivitätsbereiche (FAS 95.91 – 92). Diese Zurechnung gilt für sämtliche Steuern, doch wird ein gesonderter Ausweis der Ertragsteuern vorgeschrieben (FAS 95.27f). IAS 7 und der deutsche Standard DRS 2 regeln lediglich die Zuordnung der Ertragsteuern; DRS 2.40 fordert zudem die gesonderte Angabe ertragsteuerbedingter Zahlungsströme. Grundsätzlich ist die Zuordnung zur laufenden Geschäftstätigkeit vorgesehen; erlaubt ist jedoch auch eine Aufteilung und teilweise Zurechnung zu den anderen Bereichen, wenn dies sachlich gerechtfertigt ist (IAS 7.35 – 36, DRS 2.42). Solche Fälle sind etwa Steuern auf Gewinne aus Desinvestitionen und Steuern auf Anlageerträge. Die bestehenden Wahlrechte sollten durch verbindliche und sachgerechte Zuordnungsregelungen ersetzt werden. (Zu weiteren Einzelheiten vgl. Gebhardt, G.  1999, Rz 180 ff.).

c) Latente Steuern


Für den Einzelabschluss regelt § 274 HGB (ergänzend für den Konzernabschluss § 306 HGB): Ist der dem Geschäftsjahr und früheren Geschäftsjahren zuzurechnende Steueraufwand zu niedrig (zu hoch), weil der zu versteuernde Gewinn niedriger (höher) als das handelsrechtliche Ergebnis ist, und gleicht dies sich in späteren Geschäftsjahren voraussichtlich aus, so ist in Höhe der voraussichtlichen Steuerbelastung nachfolgender Geschäftsjahre eine Rückstellung nach § 249 I Satz 1 zu bilden (so darf in Höhe der voraussichtlichen Steuerentlastung nachfolgender Geschäftsjahre ein aktiver Abgrenzungsposten als Bilanzierungshilfe gebildet werden). Der Betrag ist aufzulösen, sobald die höhere Steuerbelastung (die Steuerentlastung) eintritt oder mit ihr voraussichtlich nicht mehr zu rechnen ist.
Die Berechnung der Steuerabgrenzung orientiert sich an der Höhe der voraussichtlichen Steuerbe- bzw. -entlastung und berücksichtigt daher nicht den Steuersatz der Abrechnungsperiode (Deferred-Methode), sondern die künftigen Steuersätze (Liability-Methode); bei Steuersatzänderungen müssen daher die latenten Steuern angepasst werden (vgl. Coenenberg, A.G.  2000, S. 382, 391).
Aktive latente Steuern sind in der Bilanz als Bilanzierungshilfe, naheliegenderweise vor oder nach den RAP, passive latente Steuern unter Steuerrückstellungen auszuweisen. In der GuV sind latente Steueraufwendungen und -erträge unter Steuern vom Einkommen und Ertrag zu zeigen.

d) Anschaffungs- und Herstellungskosten


Mit dem Erwerb anfallende Steuern (GrESt, Eingangszölle) sind Anschaffungsnebenkosten, soweit sie nicht vom Veräußerer gezahlt und schon Preisbestandteil sind. In die Herstellungskosten können Erfolgsteuern (ESt, KSt, GewSt) nicht eingehen, weil sie vom realisierten Veräußerungserlös der hergestellten Vermögensgegenstände abhängen. Daher verstößt das steuerliche Einrechnungswahlrecht für die GewSt (R 33 V EStR) gegen das Realisationsprinzip (die Erfolgsneutralität des Herstellungsvorgangs). Die Hinzurechnungsbelastung durch Dauerschuldzinsen und Mieten (§ 8 Nr. 1, 7 GewStG) ist nicht realisationsabhängig, wohl aber (miet)zinserhöhend (vgl. Mellwig, W.  1985, S. 9, 218); die Einrechnung als Zuschlag auf Fremdkapitalzinsen und Mieten nach den dafür geltenden Grundsätzen liegt nahe.
Mit Entfernung des Produkts aus der Produktionsstätte entstehende Verbrauchsteuern lassen (formalrechtlich) ein Produkt anderer Verkehrsfähigkeit entstehen und stellen daher einrechnungspflichtige Einzelkosten der Fertigung dar (vgl. Knop, W./Küting, K.  1995, § 255 Rn 400). Eine Aktivierung als RAP nach §§ 250 I Satz 2 Ziff. 1 HGB, 5 V Satz 2 Ziff. 1 EStG kommt nur in Betracht, wenn die (vorrangige) Aktivierung als Herstellungskosten ausscheidet.

III. Steuern in der internen Unternehmensrechnung


1. Zur Entscheidungsrelevanz der Steuern


Die Frage, ob Steuern entscheidungsrelevant und deshalb in der internen Unternehmensrechnung zu berücksichtigen sind, wurde zunächst für die Kostenrechnung (Sind Steuern Kosten?) und später sehr detailliert für die Investitionsrechnung diskutiert. Dabei ist die Feststellung, dass Steuern als Auszahlungen die Zielgröße (Periodengewinn, Kapitalwert) vermindern, nicht maßgeblich; von Bedeutung ist, ob Steuern die Rangfolge von Handlungsalternativen verändern.
Die Entscheidungs(ir)relevanz der Steuern kann auf zwei Ebenen analysiert werden (vgl. Mellwig, W.  1985, S. 69 ff.). Auf einer ersten Ebene wird untersucht, wann eine höhere Zielgröße vor Steuern notwendig einhergeht mit einer höheren Zielgröße nach Steuern. In diesem Falle liegt eine streng steuerindifferente Entscheidungssituation vor, auf die Integration von Steuern in den Kalkül kann verzichtet werden. Steuerneutralität besteht, wenn

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die Steuerlast entscheidungsunabhängig ist, die Steuern fixe Kosten (Ausgaben) darstellen oder

-

Steuerbemessungsgrundlage und Zielgröße identisch sind, die Zielgröße selbst besteuert wird.


Die erste Bedingung wird oftmals hinsichtlich der Substanzsteuerlast erfüllt sein; so ist die GrSt für die kurzfristigen Entscheidungen der Kosten- und Leistungsrechnung fix. Die zweite Bedingung führt zur Steuerneutralität, wenn der Grenzsteuersatz unter 100 % liegt. Allerdings muss die Besteuerung alle Alternativen gleich treffen; bei Steuern, die einzelne Maßnahmen diskriminieren (z.B. die GewSt beim Vergleich gewerblicher und nicht-gewerblicher Investitionen), ist die Bedingung nicht mehr hinreichend. Auch die zweite Bedingung wird oftmals bei Entscheidungen der Kosten- und Leistungsrechnung zutreffen, bei Investitionsentscheidungen ist sie regelmäßig nicht erfüllt: Bemessungsgrundlage ist der steuerrechtliche Periodengewinn, Zielgröße der Kapitalwert, die Annuität o.Ä.
Auf einer zweiten Ebene kann man prüfen, ob, trotz eines grundsätzlich vorhandenen Steuereinflusses, eine wenig steuersensitive Situation vorliegt, ob sich durch die Berücksichtigung von Steuern keine wesentliche Entscheidungsverbesserung ergibt. Wenngleich die Beurteilung der „ Wesentlichkeit “ dem einzelnen Entscheider überlassen bleiben muss, ist es dennoch sinnvoll, für abgrenzbare Gruppen von Entscheidungssituationen das Ausmaß von Steuereinflüssen zu analysieren. Dies ermöglicht dem einzelnen Entscheider zu befinden, ob sich für ihn der Aufwand eines ausgebauten Steuerkalküls lohnt.

2. Steuern in der Investitionsrechnung


Zur Analyse des Erfolgsteuereinflusses auf die Investitionsentscheidung sind die steuerpflichtigen Periodengewinne des Projektes zu bestimmen und die darauf lastenden Steuern von den Projektüberschüssen abzusetzen; zudem sind die Erfolgs- und Steuerwirkungen einer Auf- bzw. Abzinsung originärer Projektüberschüsse (zur Ermittlung der investitionsrechnerischen Zielgröße, etwa des Kapitalwertes) zu erfassen (vgl. Wagner, F.W./Dirrigl, H.  1980, S. 23 ff.; Mellwig, W.  1985, S. 2 ff.). Dies kann in einem vollständigen Zahlungsmodell mit Darstellung aller steuerlichen Einzeleffekte (KSt, ESt, GewSt) geschehen; man kann die Steuerwirkungen jedoch auch in gemeinsamen Steuersätzen für mehrere Steuerarten (etwa Teilsteuersatz für KSt und GewSt) zusammenfassen und die Konsequenzen der zeitlichen Verlagerung originärer Projektüberschüsse in einem steuerverkürzten Nettokalkulationszinsfuß zum Ausdruck bringen ( „ investitionstheoretischer Ansatz “ ).
Ceteris paribus wirkt die Minderung der Projektüberschüsse (bei Projekten mit positiven Periodengewinnen) negativ, die Minderung des Kalkulationszinsfußes (im Kapitalwertmodell) positiv auf die Projektvorteilhaftigkeit. Im allgemeinen Fall ist der Gesamteffekt offen. Dominiert der Zinseffekt, so kann ein ohne Berücksichtigung der Steuern unvorteilhaftes Projekt bei Berücksichtigung der Steuern vorteilhaft werden (sog. Steuerparadoxon). Da der Steuereinfluss bei konkurrierenden Sachinvestitionen unterschiedlich stark sein kann, ist auch eine Umkehrung der relativen Vorteilhaftigkeit möglich.
In realen Steuersystemen wäre eine Entscheidungsirrelevanz von Erfolgsteuern rein zufällig. Zur exakten Beurteilung der Vorteilhaftigkeit von Investitionen kann deshalb auf die Erfassung von Steuern nicht verzichtet werden. Dies führt zur Frage nach dem Ausmaß von Steuereinflüssen, zur Analyse des potenziellen Fehlers, der durch die Nichtberücksichtigung von Steuern bei der Investitionsentscheidung entstehen kann. Dabei zeigt sich insbesondere, dass Entscheidungen über nicht von speziellen steuerlichen Fördermaßnahmen betroffene Investitionen im beweglichen Anlagevermögen wenig steuersensitiv sind, dass hier die Vernachlässigung von Steuerwirkungen nur zu Fehlern führt, die kaum geeignet sind, den Aufwand eines komplexen und sehr aufwändigen Steuermodells zu rechtfertigen (vgl. Mellwig, W.  1985, S. 109 ff.).

3. Steuern in der Kostenrechnung


Die ältere Literatur beurteilte den Kostencharakter von Steuern anhand eines vorgegebenen (wertmäßigen oder pagatorischen) Kostenbegriffs. Man erkannte nicht, dass die Gestaltung jeglichen Rechnungswesens und der Umfang zu erfassender positiver wie negativer Erfolgskomponenten vom Rechnungszweck abhängt. Welche Steuern als negative Zielbeiträge im Kalkül zu berücksichtigen sind, lässt sich erst nach Vorgabe des Rechnungszwecks beantworten.
Dient die Kosten- und Leistungsrechnung zur Fundierung strategischer Entscheidungen, so handelt es sich um Kalküle mit mehrjähriger Bindungswirkung, um Rechnungen, die sich den gleichen Problemen wie auch die Investitionsrechnung widmen (vgl. Ewert, R./Wagenhofer, A.  2000, S. 269 ff., insbes. S. 276 ff. zur Verbindung von Kosten- und Investitionsrechnung vgl. Küpper, K.-U.  1985, S. 26 ff.). Damit sind auch die gleichen Steuerwirkungen zu erwarten (so auch Wagner, F.W.  1999, S. 662 ff.).
Beschränkt man die Kosten- und Leistungsrechnung auf ihre traditionelle Zwecksetzung, kurzfristige Entscheidungen zu treffen bzw. Informationen für das Treffen solcher Entscheidungen bereitzustellen, so ist Gegenstand der Kosten- und Leistungsrechnung die Optimierung von Preis- und Produktionsentscheidungen bei gegebenen Kapazitäten. Dann unterscheidet sich die Kosten- und Leistungsrechnung klar von der mehrperiodig ausgerichteten Investitionsrechnung. Entscheidungsrelevant sind zwar produktmengenabhängige Verbrauchsteuern, z.B. die MineralölSt, doch sind Substanzsteuern (GrSt) und GrESt entscheidungsfix; nicht relevant ist die USt als durchlaufender Posten (Ausnahme: Ausschluss des Vorsteuerabzugs). Für die Erfolgsteuern lässt sich zeigen (vgl. Wagner, F.W.  1999), dass die Besteuerung bei kurzfristigen Entscheidungen ohne praktische Relevanz ist, weil

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eine der beiden Neutralitätsbedingungen (vgl. Abschnitt III. 1.) erfüllt ist oder

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die Steuern einer einzelnen Entscheidung nicht zurechenbare Gemeinkosten darstellen oder

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die Steuerlast in einer praktisch vernachlässigbaren Größenordnung liegt.


Diese Qualifikation gilt auch für die GewSt, denn für Handlungsalternativen innerhalb einer gewerblichen Unternehmenseinheit wirkt die GewSt wie eine Erhöhung des ESt- bzw. des KSt-Satzes. Effekte aufgrund gewerbesteuerlicher Hinzurechnungen und Kürzungen (§§ 8, 9 GewStG) ergeben sich nicht, weil diese Be- und Entlastungen der einzelnen kurzfristigen Entscheidung nicht zugeordnet werden können.
Dies bedeutet im Ergebnis, dass Steuern zwar in die strategische Kosten- und Leistungsrechnung Eingang finden müssen, dass indes in den traditionellen kurzfristigen Entscheidungsrechnungen auf die Berücksichtigung von Steuern (Ausnahme: produktmengenabhängige Verbrauchsteuern) verzichtet werden kann. Nennenswerte Kalkulationsfehler sind durch diese Rechenvereinfachungen nicht zu erwarten.
Literatur:
Coenenberg, Adolf Gerhard : Jahresabschluß und Jahresabschlußanalyse, Landsberg/Lech, 17. A., 2000
Elschen, Rainer : Institutionale oder personale Besteuerung von Unternehmensgewinnen?, Hamburg 1989
Ewert, Ralf/Wagenhofer, Alfred : Interne Unternehmensrechnung, Berlin et al., 4. A., 2000
Förschle, Gerhart : Kommentierung zu § 275 HGB, in: Beck\'scher Bilanz-Kommentar, bearb. v. Budde, Wolfgang Dieter/Clemm, Hermann/Ellrott, Helmut, München, 4. A., 1999
Gebhardt, Günther : C 620, Kapitalflussrechnungen, in: Beck\'sches Handbuch der Rechnungslegung, Band II, hrsg. v. Castan, Edgar/Heymann, Gerd/Müller, Eberhard, München 1999
Knop, Wolfgang/Küting, Karlheinz : Kommentierung zu § 255 HGB, in: Handbuch der Rechnungslegung: Kommentar zur Bilanzierung und Prüfung, Bd. Ia, hrsg. v. Küting, Karlheinz/Weber, Claus-Peter, Stuttgart, 4. A., 1995
Küpper, Hans-Ulrich : Investitionstheoretische Fundierung der Kostenrechnung, in: ZfbF, Jg. 37, H. 1/1985, S. 26 – 46
Mellwig, Winfried : Investition und Besteuerung, Wiesbaden 1985
Moxter, Adolf : Zum Verhältnis von handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung und True-and-fair-view-Gebot bei Kapitalgesellschaften, in: Rechnungslegung im Wandel, Festschrift für Wolfgang Dieter Budde, hrsg. v. Förschle, Gerhart/Kaiser, Klaus/Moxter, Adolf, München 1995, S. 419 – 429
Schneider, Dieter : Reform der Unternehmensbesteuerung aus betriebswirtschaftlicher Sicht, in: StuW, Jg. 66, 1989, S. 328 – 339
Wagner, Franz W. : Ertragsteuern in der Kosten- und Erlösrechnung – Ein Beitrag zur Theorie des Partialkalküls, in: ZfbF, Jg. 51, 1999, S. 662 – 676
Wagner, Franz W./Dirrigl, Hans : Die Steuerplanung der Unternehmung, Stuttgart et al. 1980
Weber-Grellet, Heinrich : Kommentierung zu § 5 EStG, in: Einkommensteuergesetz, hrsg. v. Schmidt, Ludwig, München, 20. A., 2001

 

 


 

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