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Holding


Inhaltsübersicht
I. Begriffe
II. Holding-Grundtypen
III. Bildung einer Holding
IV. Zielsetzung und Motive
V. Effizienzbewertung
VI. Rechtliche Bewertung
VII. Praktische Verbreitung

I. Begriffe


1. Definition


Eine Holding ist eine Unternehmung, die dauerhaft Beteiligungen an einem oder mehreren rechtlich selbstständigen Unternehmen hält. Grundfunktionen der Holding sind die Beteiligungsverwaltung und die Beteiligungsfinanzierung sowie die Führung.

2. Begriffsbildungen


In der Wirtschaftspraxis finden sich Begriffe, die sich am Gegenstand (z.B. Industrie-/Post-Holding, etc.), dem Ort (Landes-/Auslands-Holding), an der hierarchischen Einordnung (Dach-/Zwischen-Holding) oder am Hauptgesellschafter (Familien-/Staats-Holding) der Holding orientieren (Keller, Thomas 1993, S. 32 – 41; Bernhardt, Wolfgang/Witt, Peter 1995, S. 1341 ff.). Darüber hinaus gibt es „ Misch-Holdinggesellschaften “ , also Holdings, die noch ein operatives (Rest-)Geschäft haben.

II. Holding-Grundtypen


Es gibt zwei Grundtypen: die Finanzholding und die Führungsholding (Keller, Thomas 1998b, S. 116, S. 112 – 114). Erstere hält lediglich Beteiligungen und verwaltet sie. Die Beteiligungen reichen von wenigen Prozent bis zu 100%. Von der Finanzholding geht kein Führungseinfluss aus. Sie nimmt ihre Rechte „ distanziert “ über rein rechtliche Kontrollgremien und Kontrollinstrumente wie Aufsichtsratsmandate, Gesellschafterversammlungen sowie die Satzungsgestaltung wahr.
Die Führungsholding hält zumindest die einfache Mehrheit am Gesellschaftskapital ihrer Töchter und übt einen unmittelbaren Einfluss auf ihre abhängigen Töchter aus. Ziel der Führung ist die „ wirtschaftseinheitliche Leitung “ eines Konzerns (Lutter, Marcus 1998, S. 20 – 23, sowie zur Konzernführung im Allgemeinen Theisen, Manuel R. 2000). Führungsinstrumente sind eine strategische Konzern- und Unternehmenspolitik, eine konzernweite finanzielle Führung (Scheffler, Eberhard 1998, S. 236 – 239) sowie die Besetzung der Führungs- und Aufsichtsorgane im Rahmen der konzernweiten personellen Führung (Keller, Thomas 1998b, S. 152). Der Führungseinfluss kann durch den Abschluss von Unternehmensverträgen weiter untermauert werden. In Abhängigkeit vom Führungseinfluss ist zwischen einer „ strategischen “ und einer „ operativen “ Führungsholding zu unterscheiden. Die strategische Führungsholding beschränkt sich auf die Wahrnehmung eines grundlegenden Führungseinflusses. Die operative Führungsholding nimmt einen tiefer gehenden Einfluss bis in die Tagesgeschäfte einer Tochtergesellschaft wahr.

III. Bildung einer Holding


Holdings entstehen (a) durch Gründung und Erwerb von Beteiligungen (Gründungsmodell: Zahlung der Bareinlage durch Investoren bzw. Erwerber), (b) durch Gründung der Holding und Einbringung bereits bestehender Beteiligungen (Einbringungs-Modell: Die Beteiligung wird zur Sacheinlage) und (c) Ausgliederung und Übertragung von Vermögensgegenständen auf neue Tochtergesellschaften (Ausgliederungsmodell).

IV. Zielsetzung und Motive


1. Steigerung von Flexibilität und Anpassungsfähigkeit


Die Schnelligkeit und der Grad an Umweltveränderungen stellen zunehmend höhere Anforderungen an die Anpassungsfähigkeit der Struktur und der Prozesse eines Unternehmens (Keller, Thomas 2002, S. 812 – 814). Die Organisationsstrukturen sind so zu gestalten, dass Informations- und Innovationsprozesse beschleunigt werden. In der Holding-Struktur wird dies durch Delegation (Bassen, Alexander 1998) unternehmerischer Entscheidungsprozesse auf die Leitungsorgane der Töchter sowie durch die Aufspaltung großer Organisationen in mehrere kleine Einheiten erreicht (siehe z.B. Baier, Werner 1999, S. 115 – 116). Für die am Markt operierenden Töchter können individuelle Markt- und Wettbewerbsstrategien definiert und ggf. selektiv angepasst werden. Ferner kann die Integration neuer Firmen bzw. die Des-Integration bei Verkäufen aufgrund der rechtlichen Selbstständigkeit der strategischen Einheiten leichter umgesetzt werden.

2. Erhöhung der Transparenz


In tief gestaffelten Hierarchien besteht die Gefahr, dass kritische Situationen vom Top-Management nicht oder zu spät erkannt werden. Mit wachsender Größe besteht ferner die Schwierigkeit, Markterfolge und Leistungen richtig ermitteln und bewerten zu können. Im Gegensatz zur Einheitsunternehmung unterliegen die Holding-Töchter als „ marktbearbeitende Einheiten “ einer gesetzlich begründeten Buchführungs- und Abschlusspflicht. Für jede strategische Untereinheit können somit Umsätze, Kosten und Ergebnisse eindeutig zugerechnet werden.
Auch der Leistungsaustausch zwischen Holdingtöchtern lässt sich präzise ermitteln. Quersubventionen werden offen gelegt. Über die Zurechnung ergebnisrelevanter Zahlen hinaus können jeder Holding-Tochtergesellschaft Vermögen, Schulden und somit der Kapitaleinsatz sowie spezifische Risikofaktoren zugeordnet werden. Die Holding hat daher den Vorteil, dass gesamtunternehmerische Erfolgszahlen ermittelt werden können (Keller, Thomas 1993, S. 215 – 218; Keller, Thomas 1998a, S. 197, 203; Borchers, Stefan 2002).

3. Reduktion und Beherrschung von Komplexität


Mit der Bildung unternehmerischer Untereinheiten und der Delegation von Verantwortung wird die Konzernführung (= Holding) von der operativen Geschäftsführung und einem entsprechenden Kontrollaufwand entlastet. Die Reduktion von Hierarchieebenen führt unmittelbar zu einer Reduktion struktureller Komplexität (Keller, Thomas 1993, S. 202 – 215). Gleichzeitig steigt der Grad an Spezialisierung bei konzernweiten Funktionen (Konzernfinanzierung, Führungskräfteentwicklung etc.) und marktnahen Funktionen (Kundenservice/Kundenbindung). Ferner steigt die Professionalisierung als Voraussetzung für eine weitergehende Beherrschung umweltbezogener Komplexitätsfaktoren.

4. Allianzfähigkeit


Dominierende Strukturform ist die Holding bei internationalen Unternehmenszusammenschlüssen. Mangels internationaler Rechtsnormen bei grenzüberschreitenden Verschmelzungen wird die „ als-ob “ -Fusion durch Einbringung von Beteiligungen der Allianzpartner unter ein gemeinsames Holding-Dach vollzogen (Raupach, Arndt 1998, S. 123 – 127; Keller, Thomas 2002, S. 814 – 815). Die besondere Allianzfähigkeit ergibt sich daraus, dass für jede Holding-Tochter Partnerschaften und/oder Allianzen auf Konzernebene geschaffen werden können.

5. Förderung der Motivation


Das Management einer Holding-Tochter GmbH/AG verfügt schon aufgrund der rechtlichen Selbstständigkeit über umfassendere Kompetenzen und Verantwortung. Hierdurch kann das Status- und Aufstiegsempfinden leitender Mitarbeiter gesteigert werden, da sie nicht mehr Direktoren eines Einheitsunternehmens, sondern Geschäftsführer/Vorstände sind. Sie müssen ihre Fähigkeiten in einem gesamtunternehmerischen Umfeld unter Beweis stellen. Diese Ziele werden insbesondere auch für Nachfolgeplanungen in Familienunternehmen genutzt (Keller, Thomas 1999, S. 14 – 19).
Wegen der höheren Transparenz im Holdingverbund führt die exaktere Zurechnung von Kosten, Leistungen und Ressourceneinsatz zu einer höheren Motivation der Ergebnisverantwortlichen. Die Holdingstruktur ermöglicht darüber hinaus, das Management an „ ihren eigenen “ Unternehmen kapitalmäßig zu beteiligen und schafft somit eine breite Mitunternehmerschaft.
De-Motivation wird vermieden, da die Holding als produktionsneutrale Obergesellschaft unabhängig von operativen Eigeninteressen eine sachzielneutralere Verbundführung gewährleistet.

6. Haftung


In Einheitsunternehmen schlagen unternehmerische Risiken aufgrund der Vermögensgemeinschaft auf alle Einheiten durch. Holdingstrukturen begrenzen Risiken ( „ Trennungsprinzip “ ) auf einzelne Rechtseinheiten. Voraussetzung ist, dass keine „ Haftungsbrücken “ wie Bürgschaften, Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträge oder eine Eingliederung (§ 322 AktG; die Holding haftet den Gläubigern der eingegliederten Tochter unmittelbar) existieren oder die Holding ihren Einfluss zu Lasten der Tochter (Schädigungsprivileg der Holding als herrschendes Unternehmen) ausübt.

7. Sicherung der Führungs- und Kapitalkontinuität


Die Einbringung von Anteilen in eine Holding schafft stabile Mehrheiten und führt so zu einer deutlichen Verstärkung der Führungs- und Kapitalkontinuität. Veränderungen im Gesellschafterkreis oberhalb der Holding haben nur noch einen mittelbaren Einfluss auf die Töchter . Auch schlagen bei Interessenkonflikten die divergierenden Vorstellungen der Gesellschafter der Holding nicht mehr direkt auf die operativen Einheiten durch. Holdingstrukturen werden aus diesem Grund vornehmlich im Mittelstand genutzt, um die Auswirkungen von Nachfolgeregelungen oder einer Erweiterung des Gesellschafterkreises um Familienfremde zu begrenzen (May, Peter 1999, S. 51 – 53).

V. Effizienzbewertung


Holdingstrukturen stellen hohe Anforderungen an die Führungssysteme, insbesondere das Controlling (Keller, Thomas 1996, S. 320 – 321; Leker, Jens/Cratzius, Michael 1998, S. 362 ff.), das Finanzmanagement, die Personalentwicklung sowie die strategische Unternehmensplanung. Die Holding muss neue Führungsinstrumente entwickeln, die insbesondere dem Grundsatz der unternehmerischen Verantwortung in den Tochtergesellschaften entsprechen. Eine Mischung aus dezentraler Verantwortung und zentraler Kontrolle ist zu implementieren.
Die Effizienz ist neben den Umstrukturierungskosten auch von laufenden Holding-Kosten abhängig. Diese sind im Verhältnis zu den von der Holding wahrgenommenen Zentralfunktionen und weiteren Folgenutzen zu sehen: Zusätzliche Buchführungs- und Prüfungskosten stehen häufig in einem vernachlässigbaren Verhältnis zum Gewinn an Transparenz, Anpassungsfähigkeit im Wettbewerb, höherer Motivation der Führungskräfte etc.
Maßgebend für die Effizienz ist die Deckungsgleichheit von Strategie und Struktur der marktbearbeitenden Einheit. Tochtergesellschaften müssen über alle erforderlichen betrieblichen Funktionen verfügen. Werden Tochtergesellschaften zu klein geschnitten, droht nicht nur eine kostenmäßige Ineffizienz, sondern eine strategische wie operative Ineffektivität des Gesamtverbundes.
Entscheidend für den Erfolg von Holdingkonzepten ist ferner die Verfügbarkeit geeigneten Führungspersonals für die verschiedenen Holding-Töchter. Die Einführung von Holdingkonzepten erfordert deshalb eine sorgfältige quantitative wie qualitative personelle Vorbereitung.

VI. Rechtliche Bewertung


Holdingstrukturen eröffnen eine hohe rechtliche Flexibilität bei der Holding als auch bei den Töchtern (Rechtsformwahl, Rechtsform-Kombinationen, Unternehmensverträge etc., Nutzung ausländischen Rechts).
Die Führungsholding ist Konzern-Obergesellschaft. Sie hat einen Konzernabschluss nach §§ 290 ff. HGB aufzustellen und unterliegt der Anwendbarkeit besonderer konzern-gesellschaftsrechtlicher Regelungen.
Holdingstrukturen ermöglichen die Abschottung von Haftungsrisiken, sofern Haftungsbrücken vermieden werden (vgl. BGH v. 23.09.1991, BGHZ 115,187 „ Video “ und BGH v. 29.03.1993, BGHZ 122, 123 „ TBB “ ). Als generelle Gestaltungsempfehlung gilt, dass (a) die Holding ihre Tochtergesellschaften grundsätzlich wie fremde Dritte behandelt und (b) sie keine nachteiligen Weisungen zu Lasten der Tochter gibt (Lutter, Marcus 1998, S. 252 – 255).

VII. Praktische Verbreitung


Holdingstrukturen sind zur dominierenden Organisationsform geworden. Unabhängig von Größenordnung und Branchenzugehörigkeit sind Holdings in Großunternehmen, im Mittelstand und in der öffentlichen Verwaltung (Stadtwerke-Holding) weit verbreitet (Bühner, Rolf 1993a, S. 285 ff.; Bühner, Rolf 1993b; und für Holdings im Mittelstand Kraehe, Jeannette 1994; Watermann, Lars Oliver 1999).
Literatur:
Baier, Werner : Die Unternehmensgruppe Webasto. Mehr Unternehmer im Unternehmen durch eine Management-Holding, in: Die Holding im Mittelstand, hrsg. v. Keller, Thomas, Köln 1999, S. 103 – 121
Bassen, Alexander : Dezentralisation und Koordination von Entscheidungen in der Holding, Wiesbaden 1998
Bernhardt, Wolfgang/Witt, Peter : Holding-Modelle und Holding-Moden, in: ZfB, Jg. 65, 1995, S. 1341 – 1364
Borchers, Stefan : Beteiligungscontrolling in der Management-Holding. Ein integratives Konzept, Wiesbaden 2002
Bühner, Rolf : Management-Holding in der Praxis. Eine empirische Untersuchung deutscher Unternehmen, in: DB, Jg. 46, 1993a, S. 285 – 290
Bühner, Rolf : Erfahrungen mit der Management-Holding, Landsberg/Lech 1993b
Keller, Thomas : Holdingkonzepte als organisatorische Lösungen bei hohem Internationalisierungsgrad, in: Handbuch Internationales Management, hrsg. v. Macharzina, Klaus/Oesterle, Michael-Jörg, 2. A., Wiesbaden 2002, S. 797 – 821
Keller, Thomas : Entrepreneurship durch Holdingstrukturen, in: Die Holding im Mittelstand, hrsg. v. Keller, Thomas, Köln 1999, S. 9 – 20
Keller, Thomas : Wertorientierte Beteiligungsführung in mittelständischen Konzernen, in: Der Konzern im Umbruch, hrsg. v. Theisen, Manuel R., Stuttgart 1998a, S. 191 – 220
Keller, Thomas : Die Führung einer Holding, in: Holding – Handbuch, hrsg. v. Lutter, Marcus et al., 3. A., 1998b, S. 101 – 113
Keller, Thomas : Holding-Controlling, in: Lexikon des Controlling, hrsg. v. Schulte, Chrisitof, München, Wien 1996, S. 318 – 322
Keller, Thomas : Unternehmungsführung mit Holdingkonzepten, 2. A., Köln 1993
Kraehe, Jeannette : Die Mittelstandsholding. Ein Führungs- und Organisationskonzept für mittelständische Unternehmen, Wiesbaden 1994
Kraft, Ernst-Thomas : Rechtsformen und Entstehung der Holding, in: Holding-Handbuch, hrsg. v. Lutter, Marcus et al., 3. A., Köln 1998, S. 33 – 100
Leker, Jens/Cratzius, Michael : Erfolgsanalyse von Holdingkonzernen, in: BB, Jg. 53, 1998, S. 362 – 365
Lutter, Marcus : Haftungsfragen in der Holding, in: Holding-Handbuch, hrsg. v. Lutter, Marcus et al., 3. A., Köln 1998, S. 248 – 289
May, Peter : Von den „ May-Werken “ zur „ May-Gruppe “ , in: Die Holding im Mittelstand, hrsg. v. Keller, Thomas, Köln 1999, S. 41 – 56
Raupach, Arndt : Wechselwirkung zwischen der Organisationsstruktur und der Besteuerung multinationaler Konzernunternehmungen, in: Der Konzern im Umbruch, hrsg. v. Theisen, Manuel R., Stuttgart 1998, S. 59 – 167
Scheffler, Eberhard : Finanzielles Konzernmanagement – Ansätze und Empfehlungen aus betriebswirtschaftlicher Sicht, in: Der Konzern im Umbruch, hrsg. v. Theisen, Manuel R., Stuttgart 1998, S. 233 – 247
Theisen, Manuel R. : Der Konzern. Betriebswirtschaftliche und rechtliche Grundlagen der Konzernunternehmung, 2. A., Stuttgart 2000
Watermann, Lars Oliver : Die Management-Holding für große Familienunternehmen. Ein Führungs- und Organisationskonzept, Wiesbaden 1999

 

 


 

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