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Gruppen- und Teamarbeit


Inhaltsübersicht
I. Historische Entwicklung von Gruppen- und Teamarbeit
II. Zum Begriff der Gruppen- und Teamarbeit
III. Formen der Gruppen- und Teamarbeit
IV. Erfahrungen mit Gruppenarbeit
V. Anforderungen und Konsequenzen für die Personalarbeit
VI. Ausblick

I. Historische Entwicklung von Gruppen- und Teamarbeit


Gruppen- und Teamarbeit wird oft als moderne Form der Arbeitsorganisation propagiert. Dabei reicht die Diskussion um diese Begriffe weit in das letzte Jahrhundert zurück, allerdings standen dabei jeweils unterschiedliche Konzepte im Vordergrund. Um 1920 wurde „ Gruppenfabrikation “ als eine Art Gruppenfertigung mit tayloristischen Arbeitsstrukturen bei Daimler-Benz erprobt. Gruppendynamische Prozesse rückten in den 1930er- und 1940er-Jahren in den Mittelpunkt. In den 1970er-Jahren wurden teilautonome Arbeitsgruppen als Ansätze zur Humanisierung der Arbeit und zur Persönlichkeitsförderung der Mitarbeiter diskutiert. Zu Beginn der 1980er-Jahre breiteten sich Qualitätszirkel (QZ) aus, in denen Mitarbeiter Vorschläge zur Lösung arbeitsbezogener Probleme erarbeiteten. Anfang der 1990er-Jahre wurde Teamarbeit in Form von KVP bzw. Kaizenteams, Projekt- oder Fertigungsteams zur Optimierung von Entwicklungs- und Produktionsprozessen im Zuge von „ Lean-Production “ propagiert (Womack, /Jones, /Roos,  1991). Seit einiger Zeit finden computergestützte Teamarbeit, virtuelle Teams und firmenübergreifende Gruppenarbeit in Netzwerkorganisationen verstärkt Beachtung.
Mit Gruppen- und Teamarbeit, so die wiederkehrenden Versprechen zahlreicher Unternehmensberater und Buchautoren, könne die Produktivität verbessert, die Motivation und Arbeitszufriedenheit gesteigert werden. Was darunter verstanden wird, bleibt in der Regel jedoch unklar. Oft stehen hinter diesen Versprechen sehr unterschiedliche Konzepte mit entsprechend unterschiedlichen Anforderungen und Konsequenzen für die Personalarbeit, die betroffenen Mitarbeiter und Führungskräfte und das Unternehmen als Ganzes.

II. Zum Begriff der Gruppen- und Teamarbeit


Unter Gruppen- und Teamarbeit wird im Folgenden eine Arbeitsform verstanden, bei der mehrere Personen über eine gewisse Zeit, nach gewissen Regeln und Normen, eine aus mehreren Teilaufgaben bestehende Arbeitsaufgabe bearbeiten, um gemeinsame Ziele zu erreichen, und die dabei unmittelbar zusammenarbeiten und sich als Gruppe fühlen (Antoni,  1994). Demnach führt nicht jede formale Zuordnung von Stellen zu einem Vorgesetzten auch zu Gruppenarbeit. Vielmehr muss von einer Gruppe eine gemeinsame Aufgabe übernommen werden, um von Gruppen- oder Teamarbeit sprechen zu können. Die Begriffe Gruppe und Team sowie Gruppen- und Teamarbeit werden im Folgenden synonym gebraucht, da eine scharfe Trennung zwischen diesen Begriffen nicht möglich ist. Zwar schwingt beim Team- im Vergleich zum Gruppenbegriff bisweilen eine Vorstellung höherer Kohäsion und besser funktionierender Kooperation mit, doch sind dies wenig greifbare Assoziationen, die weder im Alltags- noch in der Wissenschaftssprache zu einem durchgängig konsistenten Sprachgebrauch führen.

III. Formen der Gruppen- und Teamarbeit


In der betrieblichen Praxis finden sich eine Vielzahl unterschiedlicher Modelle der Gruppenarbeit. Sie können zur Vereinfachung danach unterschieden werden, ob sie integrierter Bestandteil der regulären Arbeitsorganisation sind und im Rahmen der täglichen Arbeit eine kontinuierliche Zusammenarbeit erfordern oder ob sie die bestehende Organisationsstruktur temporär ergänzen und ihre Mitglieder nur zeitweise zusammenarbeiten (Antoni,  1990).
Nicht in die reguläre Arbeitsorganisation integriert sind Qualitätszirkel, KVP- und Projektteams. Qualitätszirkel sind kleine Gruppen von Mitarbeitern, primär der unteren Hierarchieebene, die sich regelmäßig auf freiwilliger Grundlage treffen, um selbstgewählte Probleme aus ihrem Arbeitsbereich zu bearbeiten und zu lösen. Die gemeinsame Aufgabenbearbeitung beschränkt sich auf ein- bis zweistündige Treffen, die etwa alle zwei bis vier Wochen stattfinden. Sie können lediglich Verbesserungsvorschläge erarbeiten und besitzen selbst keine Entscheidungskompetenz. Bis heute stellen die langen Entscheidungswege mit mehreren zuständigen Entscheidern eines der Hauptprobleme der Qualitätszirkel-Arbeit dar. Funktionsintegration, dezentrale Entscheidungsstrukturen und die Bereitschaft, Mitarbeiter an Problemlösungen zu beteiligen, sind daher wichtige Voraussetzungen für erfolgreiche Qualitätszirkel-Arbeit.
In Projektgruppen erarbeiten Mitarbeiter und Führungskräfte, die aufgrund ihrer Fachkompetenz ausgewählt wurden, Lösungen für neuartige, einmalige, inhaltlich und zeitlich abgegrenzte komplexe Problemstellungen, die meist mehrere Funktionsbereiche betreffen. Frese (Frese,  1980) unterscheidet vier verschiedene Typen nach dem Grade der organisatorischen Verselbstständigung des Projektziels: Erstens, die Stabs-Projektorganisation, bei der die Projektkoordination von Stäben wahrgenommen wird und die Projektmitarbeiter in ihren Stammabteilungen verbleiben (Einfluss-Projektmanagement); zweitens, die Matrix-Projektorganisation, die auf einer Kompetenzaufteilung in ein funktions- und ein projektorientiertes Leitungssystem beruht, und bei der die Projektmitarbeiter zwar wie bei der Stabs-Projektorganisation in den Stammabteilungen verbleiben, jedoch projektbezogene fachliche Weisungen von dem Projektmanager bzw. der spezifischen Projekteinheit erhalten; drittens, die Schaffung projektorientierter Teilbereiche, d.h. die Aufgliederung von Fachbereichen, wie z.B. der Entwicklung nach Projekten, wobei hier der Projektcharakter fraglich wird; viertens, die reine Projektorganisation, bei der die am Projekt beteiligten Personen aus den verschiedenen Unternehmensbereichen für die Zeitdauer des Projekts freigestellt und einem selbstständigen Projektbereich zugeordnet werden. Abgesehen von der Schaffung projektorientierter Teilbereiche verändert die Einführung einer Projektorganisation nicht die vorhandene Organisationsstruktur. Während bei der Stabs- und Matrix-Projektorganisation Mitarbeiter neben ihrer Linienfunktion zeitanteilig auch Aufgaben in mehreren Projektteams bearbeiten können, arbeiten sie bei der reinen Projektorganisation für die Zeitdauer des Projektes kontinuierlich zusammen.
KVP-Teams finden sich sowohl als Variante von Qualitätszirkeln als auch von Projektteams. Im Rahmen des kontinuierlichen Verbesserungsprozesses (KVP) bzw. Kaizen suchen Mitarbeiter eines Arbeitsbereiches zusammen mit Fachexperten und Führungskräften gezielt nach Verschwendungen und sollen diese möglichst sofort beseitigen.
In der regulären Arbeitsorganisation können klassische Arbeitsgruppen, Fertigungsteams und teilautonome Arbeitsgruppen entsprechend ihres (zunehmenden) Handlungsspielraums differenziert werden. Unter Handlungsspielraum wird hierbei Art und Umfang direkter und indirekter Aufgaben, Entscheidungskompetenzen und Kooperationsanforderungen verstanden.
Unter klassischen Arbeitsgruppen werden Gruppen von Mitarbeitern verstanden, die eine gemeinsame Aufgabe stark funktions- und arbeitsteilig durchführen (Goodman, /Devadas, /Hughson,  1988). Die Gruppe wird von einem Vorgesetzten geleitet, der Arbeitsverteilung, die Feinsteuerung, die Personal- und Arbeitszeitplanung übernimmt, die Mitarbeiter kontrolliert und auftretende Probleme löst. Indirekte Tätigkeiten wie Qualitätssicherung, Transport, Wartung oder Instandhaltung werden von anderen Funktionsbereichen ausgeführt. Von Gruppenarbeit kann hier nur gesprochen werden, wenn trotz dieser Restriktionen, gemeinsame Aufgaben und Ziele verfolgt werden und sich die Mitglieder als Gruppe wahrnehmen.
Das Konzept der Fertigungsteams, wie es insbesondere von Toyota praktiziert wird, behält die tayloristische Arbeitsteilung mit kurzen Arbeitszyklen bei, integriert aber indirekte Funktionen in die Produktion (vgl. Berggren,  1991; Jürgens, /Malsch, /Dohse,  1989). In Montagebereichen wird durch die weitgehende Beseitigung jeglicher Puffer (just-in-time Prinzip) und die taktgebundene Fließfertigung die technische Abhängigkeit der einzelnen Arbeitsstationen und Gruppen weiter gesteigert.
Die Fertigungsteams umfassen jeweils ca. 10 Mitglieder, von denen erwartet wird, dass sie mindestens drei Arbeitsstationen beherrschen. Dies soll die notwendige personelle Flexibilität gewährleisten. Dabei wird die strikte Einhaltung vorgegebener Arbeitsstandards gefordert. Jede Operation, jeder Handgriff ist in der vorgeschriebenen Weise auszuführen, um die Prozesssicherheit sicherzustellen. Im Unterschied zum Taylorismus und klassischen Arbeitsgruppen sollen jedoch die Standards durch individuelle und kollektive Verbesserungsvorschläge von den Mitarbeitern selbst kontinuierlich weiterentwickelt werden. Die Kooperation innerhalb der Fertigungsteams beschränkt sich vorwiegend auf diesen gemeinsamen Verbesserungsprozess.
Disziplinarischer Vorgesetzter von in der Regel zwei Teams ist der Meister. Im Vergleich zur herkömmlichen Meisterrolle teilt er als Werkstattmanager nicht nur die Mitarbeiter den einzelnen Arbeitsstationen zu, sondern ist darüber hinaus für deren Ausbildung und Lohneinstufung sowie für die Arbeits- und Prozessgestaltung in seinem Verantwortungsbereich maßgeblich mitverantwortlich. Zu seinen wesentlichen Aufgaben gehört insbesondere die Überwachung der Einhaltung der Arbeitsstandards und deren permanente Verbesserung.
Die eigenverantwortliche Bearbeitung einer gemeinsamen Aufgabe steht dagegen im Mittelpunkt des Konzepts der teilautonomen Arbeitsgruppe. Es wurde vor allem durch die in den siebziger Jahren in Skandinavien (Emery, /Thorsrud,  1982) und Deutschland durchgeführten Pilotprojekte bekannt (Gaugler, /Kolb, /Ling,  1977). Allerdings haben sich in der aktuellen Diskussion die Zielprioritäten von der Humanisierung auf die Rationalisierung der Arbeit verschoben. Unter einer teilautonomen oder selbstregulierenden Arbeitsgruppe (TAG) versteht man eine kleine Gruppe von Mitarbeitern, denen die Erstellung eines kompletten (Teil-) Produktes oder einer Dienstleistung mehr oder weniger verantwortlich übertragen wurde (vgl. Alioth,  1980; Rohmert, /Weg,  1976). Damit werden Gedanken der Arbeitserweiterung, der Arbeitsbereicherung und des Arbeitswechsels auf eine Gruppensituation übertragen, um den kollektiven Handlungsspielraum der Gruppe zu vergrößern.
Wesentliches Merkmal teilautonomer bzw. selbstregulierender Arbeitsgruppen ist die zumindest partiell selbstständige Planung, Steuerung und Kontrolle der übertragenen Aufgaben. Beispielsweise können indirekte Tätigkeiten wie die Qualitätskontrolle und kleinere Wartungsarbeiten in die Gruppe verlagert werden (Funktionsintegration). Die Selbstregulation der Gruppe kann sich z.B. auf die interne Arbeitsverteilung, die Planung der Arbeitszeiten oder die Feinsteuerung von Fertigungsaufträgen beziehen. Dies kann im Rahmen von Gruppensitzungen geschehen, die von einem (gewählten) Gruppensprecher moderiert werden. Er fungiert zugleich als Ansprechpartner für Vorgesetzte und gruppenexterne Stellen und unterstützt so die interne und externe Koordination der Gruppe. Dies erfordert, dass alle Beteiligten entsprechend qualifiziert werden und auch tatsächlich Freiheitsgrade bei der Auftragsausführung existieren. Die objektiven Freiheitsgrade werden nicht zuletzt durch die technische Verkopplung der Gruppe mit vor- und nachgelagerten Gruppen beeinflusst. Nur in dem Maße in dem die Gruppen voneinander unabhängig sind, können sie sich selbst regulieren. Dies ist leichter zu realisieren, wenn der kollektive Arbeitsumfang einer Gruppe ein komplettes (Teil-) Produkt oder eine Dienstleistung umfasst (ganzheitliche Aufgabe). Funktionsintegration und Selbstregulation verändern somit die horizontale und vertikale Funktions- und Arbeitsteilung in weiten Bereichen des Unternehmens. Dies betrifft nicht nur Aufgaben und Strukturen indirekter Abteilungen, sondern auch die Führungsaufgaben, die Führungsstruktur und -kultur.

IV. Erfahrungen mit Gruppenarbeit


Exakte Angaben zur Verbreitung dieser Konzepte sind mangels aktueller fundierter empirischer Daten kaum möglich. Projektgruppen scheinen am weitesten verbreitet zu sein. Sie wurden bereits Mitte der neunziger Jahre von fast allen großen deutschen Industrieunternehmen genutzt. Qualitätszirkel und KVP-Teams waren zu dieser Zeit immerhin bei mehr als der Hälfte dieser Firmen verbreitet. Teilautonome Arbeitsgruppen fanden sich dagegen erst bei einem knappen Drittel der befragten Betriebe (Antoni,  1995). In der Verbreitung mehr oder (meist) weniger teilautonomer Gruppenarbeit lag Deutschland zu dieser Zeit im europäischen Vergleich in etwa im Mittelfeld (Benders, /Huijgen, /Pekruhl,  2002). Allerdings verdoppelte sich zumindest in der Investitionsgüterindustrie der Anteil der Firmen, die zumindest in Teilbereichen teilautonome Gruppenarbeit eingeführt haben, von 32 Prozent im Jahre 1995 auf 64 Prozent im Jahre 1999 (Kinkel, /Wengel,  1997; Wengel, /Lay,  2001). Eine ähnliche Entwicklung wird auch von den Fortune 1000 Betrieben in den USA berichtet: von 27 Prozent im Jahre 1987 auf 78 Prozent im Jahre 1996 (Lawler, /Mohrman, /Ledford,  1998).
Während Projektgruppen quer durch die Unternehmensbereiche genutzt werden, finden sich die übrigen Formen der Gruppenarbeit primär im Produktionsbereich. Die Gedanken der Delegation von Verantwortung und Kompetenzen und der Selbstregulation von Arbeitsgruppen können jedoch auch auf „ Nicht-Produktionsbereiche “ übertragen werden. Beispiele hierfür sind die Einrichtung von Verwaltungsinseln bzw. Kundenteams zur Auftragsabwicklung oder Entwicklungsteams (Theerkorn,  1991; Hüser, /Kaun,  1995). Gerade im Entwicklungsbereich können Projektteams in projektorientierten Teilbereichen oder in einer reinen Projektorganisation, da sie zumindest über einen bestimmten Zeitraum konstant zusammenarbeiten, leicht als selbstregulierende Arbeitsgruppen organisiert werden. Allerdings scheinen im Angestelltenbereich Begrifflichkeiten, die sich vom Produktionsbereich unterscheiden, z.B. Teamarbeit statt Gruppenarbeit, leichter Akzeptanz zu finden. Entwicklungen in dieser Richtung könnten sich durch den Trend zu prozessorientierten Unternehmensstrukturen weiter verstärken bzw. zumindest deren Rahmenbedingungen verbessern.
Vor allem zu teilautonomen Arbeitsgruppen liegen eine Vielzahl von Fallstudien vor, die vorwiegend positive ökonomische und soziale Auswirkungen berichten (vgl. Antoni, /Eyer, /Kutscher,  1996; Ulich, /Conrad-Betschart, /Baitsch,  1989; Zink,  1995). Methodisch anspruchsvollere quasi-experimentelle Längsschnittuntersuchungen mit Kontroll- bzw. Vergleichsgruppen liefern jedoch uneinheitliche und z.T. widersprüchliche Befunde. Nach der Einführung selbstregulierender Arbeitsgruppen kam es nicht in allen Studien zu Produktivitätssteigerungen, bisweilen stiegen Belastungs- und Beanspruchungswerte sowie Fehlzeiten- und Fluktuationsindizes sogar (Antoni,  1997; Guzzo, /Dickson,  1996).
Diese uneinheitlichen Befunde könnten beispielsweise darauf zurückzuführen sein, dass sich die Ausgangssituationen in den Betrieben bzgl. potentieller Produktivitätssteigerungen aufgrund konkurrierender Rationalisierungsansätze und der sie tragenden Funktionsbereiche und -träger erheblich unterscheiden (Springer,  1999). Ergebnisunterschiede können ferner auf unterschiedliche Gruppenmodelle zurückzuführen sein. So mindern steigende Leistungsanforderungen die positiven sozialen Auswirkungen von Gruppenarbeit insbesondere dann, wenn die Gruppen geringe Handlungsspielräume haben. Umgekehrt können Gruppen, die technisch und organisatorisch unabhängig sind und ganzheitliche Aufgaben bearbeiten, wachsende Arbeitsanforderungen besser bewältigen (Berggren,  1991; Gerst, /Hardwig, /Kuhlmann, et al.1994; Schumann, /Gerst,  1997). Nicht zuletzt beeinflussen den Erfolg der Gruppenarbeit auch das Management, vor- und nachgelagerte und indirekte Bereiche sowie das Zusammenspiel technischer und organisatorischer Rahmenbedingungen und inwieweit diese in der Einführungsstrategie berücksichtigt werden.

V. Anforderungen und Konsequenzen für die Personalarbeit


Die Einführung von Gruppenarbeit sollte im Rahmen eines Personal- und Organisationsentwicklungskonzeptes erfolgen, damit die betrieblichen Anforderungen erfüllt werden und die Beteiligten angemessen vorbereitet sind, sie Verantwortung übernehmen und Eigeninitiative ergreifen (Antoni,  2000; Frei, /Hugentobler, /Alioth, et al.1993). Für die Personalarbeit ergeben sich dabei wichtige Aufgaben auf strategischer und operativer Ebene im Rahmen des Projektmanagements, der Personalentwicklung, -auswahl und -führung sowie bei der Entwicklung und Einführung gruppengerechter Führungs-, Arbeitszeit- und Entgeltsysteme.

1. Heuristische Einführung mittels eines partizipativen Projektmanagements


Teamarbeit scheitert immer wieder daran, dass detaillierte und zum Teil in Betriebsvereinbarungen festgeschriebene Patentrezepte von zentralen Stellen vorgegeben und die sich daraus ergebenden potentiellen Konflikte ignoriert werden. Stattdessen sollte die Einführung von Gruppenarbeit ausgehend von einer Diagnose der betrieblichen Ausgangssituation partizipativ in einer top-down Strategie erarbeitet werden. In einem Lenkungsteam sollten Auftraggeber, Personalleitung und Betriebsrat lediglich die Spielregeln und Rahmenbedingungen festlegen. Eine Pilotphase bzw. Pilotgruppen ermöglichen es, Maßnahmen und Modelle zu erproben, um sie dann stufenweise in weitere Bereiche des Unternehmens einzuführen. Dies erfordert Handlungsspielraum auch in Betriebsvereinbarungen. In Projektteams kann dann die konkrete Ausgestaltung durch die jeweiligen Führungskräfte, Betriebsräte und Mitarbeiter eines Bereichs erfolgen. Dieser Einführungsprozess berührt zahlreiche Interessens-, Macht- und Einflusssphären und führt zu entsprechenden Konflikten, die mit der Hilfe interner und externer Berater konstruktiv genutzt werden können.

2. Personalentwicklung


Zu den zentralen Aufgaben der Personalarbeit gehört es, eine frühzeitige Qualifizierung aller Beteiligter (Teammitglieder, Führungskräfte, Mitarbeiter indirekter Bereiche) in Hinblick auf die neuen fachlichen, methodischen und sozialen Anforderungen zu fördern. Im Vordergrund sollten ein projektbegleitendes und von den Betroffenen selbstverantwortetes und selbstgesteuertes Lernen stehen, das durch ein fachliches, methodisches und soziales Coaching unterstützt wird. Diese Maßnahmen können im Rahmen eines langfristigen und kontinuierlichen Qualifizierungsprozesses durch weitere klassische fachliche Schulungen, Team-Entwicklungstrainings, Gruppensprecher- und Führungskräfte-Trainings nach Bedarf ergänzt werden. Bei diesen Qualifizierungsmaßnahmen sollte insbesondere die Kompetenz der Führungskräfte zur Mitgestaltung des Einführungsprozesses, zur Entwicklung und Unterstützung der Gruppen gefördert werden. Diese werden jedoch häufig zu spät beteiligt und qualifiziert, was z.T. zu nicht mehr lösbaren Problemen führt. Geeignete Führungskräfte und Mitarbeiter können zu internen Beratern bzw. Prozessbegleitern entwickelt werden, die interne und externe Personal- und Organisationsentwickler vor Ort unterstützen.

3. Personalauswahl


Die bei Gruppenarbeit geforderten fachlichen, methodischen und sozialen Fähigkeiten sind als Anforderungskriterien auch bei der Auswahl und dem Einsatz von temporärem und dauerhaftem Personal zu beachten, was in der Praxis erstaunlicherweise häufig nicht geschieht. Kurzfristig wechselnde Zeitarbeitskräfte belasten ein Team. Es ist schwierig sie zu integrieren und an der Selbststeuerung zu beteiligen und sie erfordern zusätzlichen Koordinationsaufwand. Die Erfüllung fachlicher Anforderungskriterien ist leichter zu beurteilen, als die methodischer und sozialer. Hinweise auf methodische und soziale Kompetenzen lassen sich aus biographischen Informationen zu Erfahrungen mit Teamarbeit und aus Simulationsaufgaben in multimodalen Interviews und Assessment Centern (Schuler,  1998) ableiten. Insbesondere empfiehlt es sich, das Team an der Personalauswahl zu beteiligen.

4. Kooperative zielorientierte Führung


Teilautonome Gruppenarbeit impliziert die Delegation von Verantwortung und Kompetenzen und die Selbstregulation der Gruppe innerhalb des übertragenen Verantwortungsbereichs und damit eine zielorientierte und partizipative Führung im gesamten Management (Bungard, /Kohnke,  2000). Diese Prinzipien können nur dann ihre volle Wirksamkeit entfalten, wenn sie nicht im Widerspruch stehen zur Unternehmenskultur und zu den in der Führungskräfteentwicklung vermittelten Normen und bei der Leistungsbeurteilung und Karriereplanung berücksichtigten Kriterien. Diese berücksichtigen jedoch immer noch allzu oft lediglich individuelle Durchsetzungsfähigkeit und Leistung anstatt die Fähigkeit zur Teamarbeit und Teamentwicklung. Ferner erfordern sie kompatible Führungs-, Arbeitszeit- und Entgeltsysteme.

5. Führungs-, Arbeitszeit- und Entgeltsysteme


Die zielorientierte Führung von Gruppen erfordert, dass Ziele spezifisch für Teams formuliert und entsprechende Kriterien teamspezifisch gemessen und verständlich rückgemeldet werden können. Vorhandene Managementinformations- und Produktionsplanungssysteme sind dazu häufig nicht in der Lage. Sie müssen verändert oder durch teambasierte Systeme ergänzt werden. Die selbstständige Verfolgung der Teamziele erfordert ferner entsprechende Freiheitsgrade für das Team, innerhalb derer es sich selbst regulieren und den gestellten Anforderungen anpassen kann. In dieser Hinsicht ermöglichen flexible Arbeitszeitsysteme es den Teams, ihren Arbeitszeiteinsatz anforderungsgerecht zu planen. Erfolgreiche Kooperationsprozesse können durch gruppenorientierte Leistungsprämien oder erfolgsabhängige Bonussysteme gefördert und belohnt werden. Die Motivation zur oder gar der Erfolg von Teamarbeit darf dabei jedoch nicht auf die Entgeltkomponente reduziert werden.

VI. Ausblick


Dem differenzierten Bild der Forschung steht eine zum Teil holzschnittartige öffentliche bzw. populärwissenschaftliche Diskussion von entschiedenen Vertretern und Gegnern von Teamarbeit gegenüber. Die einen propagieren Teamarbeit als Königsweg zu Produktivität und menschengerechter Arbeit, die anderen sehen darin den Untergang des Unternehmens in der Mittelmäßigkeit und stellen dem Teammythos den Heldenmythos des kreativen Genies und Führers entgegen. Derartige Pauschalierungen verhindern jedoch eine detaillierte Betrachtung und Analyse betrieblicher Anforderungen und Rahmenbedingungen, die für die Entwicklung geeigneter Formen der Arbeitsorganisation notwendig ist.
Betrachtet man die vorliegenden Zahlen zur Verbreitung von Gruppenarbeit, so sprechen diese dafür, dass Projektgruppen und selbstregulierende Arbeitsgruppen in den letzten Jahren von immer mehr Unternehmen genutzt werden. Dabei finden sich in der betrieblichen Praxis eine Vielzahl von Varianten und Mischformen der hier dargestellten Modelle. Von einem flächendeckenden Einsatz von Teams, der den Großteil oder gar die gesamte Belegschaft umfasst, kann jedoch nicht die Rede sein. Angesichts individueller und kollektiver Aufgabenstellungen und unterschiedlichster Rahmenbedingungen wäre dies auch nicht sinnvoll. Dennoch scheint sich ein Trend zu mehr Teamarbeit abzuzeichnen, der durch die wachsende Komplexität und Vernetztheit von Aufgaben eher noch zunehmen dürfte.
Die Fähigkeit mit anderen kooperieren und dabei zumindest zeitweise auch in Teams effizient arbeiten zu können, dürfte daher weiter an Bedeutung gewinnen. Umso wichtiger wird es sein, die hier angesprochenen Maßnahmen im Bereich der Personal- und Organisationsentwicklung im Rahmen einer strategischen Personalarbeit voranzutreiben.
Literatur:
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Antoni, C. : Qualitätszirkel als Modell partizipativer Gruppenarbeit. Analyse der Möglichkeiten und Grenzen aus der Sicht betroffener Mitarbeiter, Bern 1990
Antoni, C. : Gruppenarbeit – mehr als ein Konzept. Darstellung und Vergleich unterschiedlicher Formen der Gruppenarbeit, in: Gruppenarbeit – Konzepte, Erfahrungen, Perspektiven, hrsg. v. Antoni, C., Weinheim, 1994, S. 19 – 48
Antoni, C. : Gruppenarbeit in Deutschland – eine Bestandsaufnahme, in: Erfolgreiche Konzepte der Gruppenarbeit, hrsg. v. Zink, K. J., Neuwied, 1995, S. 23 – 37
Antoni, C. : Soziale und ökonomische Effekte der Einführung teilautonomer Arbeitsgruppen – eine quasi-experimentelle Längsschnittsstudie, in: Zeitschrift für Arbeits- und Organisationspsychologie, Bd. 41, 1997, S. 131 – 142
Antoni, C./Eyer, E./Kutscher, J. : Das flexible Unternehmen. Arbeitszeit, Gruppenarbeit, Entgeltsysteme, Wiesbaden 1996
Antoni, C. : Teamarbeit gestalten – Grundlagen, Analysen, Lösungen, Weinheim 2000
Benders, J./Huijgen, F./Pekruhl, U. : What do we know about the incidence of group work (if anything)?, in: Personnel Review, Bd. 31, 2002
Berggren, C. : Von Ford zu Volvo. Automobilherstellung in Schweden, Berlin 1991
Bungard, W./Kohnke, O. : Zielvereinbarungen erfolgreich umsetzen,Wiesbaden 2000
Emery, F./Thorsrud, E. : Industrielle Demokratie – Bericht über das norwegische Programm der industriellen Demokratie, Bern 1982
Frei, F./Hugentobler, M./Alioth, A. : Die kompetente Organisation: Qualifizierende Arbeitsgestaltung – die europäische Alternative, Stuttgart 1993
Frese, M. : Projektorganisation, in: Handwörterbuch der Organisation, hrsg. v. Grochla, E., Stuttgart 1980, Sp. 1960 – 1974
Gaugler, E./Kolb, M./Ling, B. : Humanisierung der Arbeitswelt und Produktivität, Ludwigshafen 1977
Gerst, D./Hardwig, T./Kuhlmann, M. : Gruppenarbeit in der betrieblichen Erprobung – Ein Modell kristallisiert sich heraus, in: Angewandte Arbeitswissenschaft, Bd. 142, 1994, S. 5 – 30
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Guzzo, R. A./Dickson, M. W. : Teams in organizations: Recent research on performance and effectiveness, in: Annual Review of Psychology, Bd. 47, 1996, S. 307 – 338
Hüser, M./Kaun, R. : Wer wa(a)gt, gewinnt – Wägetechnik nach Kundenwunsch von der Metler-Toledo GmbH, in: Aufbruch zum fraktalen Unternehmen. Praxisbeispiele für neues Denken und Handeln, hrsg. v. Warnecke, H.-J., Heidelberg 1995, S. 315 – 336
Jürgens, U./Malsch, T./Dohse, K. : Moderne Zeiten in der Automobilfabrik. Strategie der Produktmodernisierung im Länder- und Konzernvergleich, Berlin 1989
Kinkel, S./Wengel, J. : Neue Produktionskonzepte: Eine Diskussion macht noch keinen Sommer. Fraunhofer Institut für Systemtechnik und Innovationsforschung. PI Mitteilungen Nr. 4/1997
Lawler, E. E./Mohrman, S./Ledford, G. E. : Strategies for high performance organizations, San Francisco 1998
Rohmert, W./Weg, F. J. : Organisation teilautonomer Gruppenarbeit: Betriebliche Projekte – Leitregeln zur Gestaltung, München 1976
Schuler, H. : Psychologische Personalauswahl: Einführung in die Berufseignungsdiagnostik, Göttingen, 2. A., 1998
Schumann, M./Gerst, D. : Innovative Arbeitspolitik – Ein Fallbeispiel. Gruppenarbeit in der Mercedes-Benz AG, in: Zeitschrift für Arbeits- und Organisationspsychologie, Bd. 41, 1997, S. 143 – 156
Springer, R. : Rückkehr zum Taylorismus? Arbeitspolitik in der Automobilindustrie am Scheideweg, Frankfurt 1999
Theerkorn, U. : Ein Betrieb denkt um. Die dualistische Fabrikplanung, Berlin 1991
Ulich, E./Conrad-Betschart, H./Baitsch, C. : Arbeitsform mit Zukunft. Ganzheitlich-flexibel statt arbeitsteilig, Bern 1989
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Womack, J. P./Jones, D. T./Roos, D. : Die zweite Revolution in der Automobilindustrie, Frankfurt 1991
Zink, K. J. : Erfolgreiche Konzepte der Gruppenarbeit, Neuwied 1995

 

 


 

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