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Organisations-/Unternehmenskultur


Inhaltsübersicht
I. Begriffliche und theoretische Konzeption
II. Kulturdimensionen und Kulturtypen
III. Wirkungen und Wandel der Organisationskultur

I. Begriffliche und theoretische Konzeption


1. Begriffliche Konzeption


Die begriffliche Klärung der (Organisations-)Kultur ist zunächst durch eine große Vielfalt unterschiedlicher Definitionen gekennzeichnet. Diese Unterschiedlichkeit ist auf verschiedene Auffassungen darüber zurückzuführen, was unter diesem Begriffsinhalt subsumiert werden soll. Es können zwei Kulturkonzeptionen unterschieden werden: eine explikative und eine deskriptive (Kluckhohn, /Kelly,  1972).
Einer explikativen Konzeption zufolge beinhaltet der Kulturbegriff die gemeinsam geteilten Werte, Anschauungen und Normen der Organisationsmitglieder sowie ihre verhaltenssteuernde Wirkung. Die Organisationskultur wirkt als „ kollektive Programmierung des menschlichen Denkens “ (Hofstede,  1980, Sp. 1169) orientierungs- und handlungsleitend.
Einer deskriptiven Konzeption zufolge umfasst der Begriffsinhalt sowohl verhaltensbeeinflussende wie auch verhaltensresultierende symbolische Manifestationen und kulturelle Artefakte. Zu den symbolischen Manifestationen zählen Legenden über den Firmengründer oder Rituale, wie die montägliche Kaffeerunde. Unter kulturellen Artefakten versteht man die Architektur des Firmengebäudes oder das Design des Firmenlogos.
In einem Drei-Ebenen-Modell der Organisationskultur berücksichtigt Schein (Schein,  1992) sowohl deren explikative Inhalte (System von Ideen) als auch deren deskriptive Inhalte (Medien der Kultur):

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Die Ebene der Basisannahmen bildet den zumeist unbewussten Kern einer jeden Kultur. Sie bezieht sich auf die Grundbereiche sozialer Existenz und klärt, wie Organisationsmitglieder ihre (Organisationsum-)Welt sehen.

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Diese Sicht der Welt konkretisiert sich als teils sichtbare und teils unbewusste Wertvorstellungen und Verhaltensanweisungen auf einer zweiten Ebene.

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Auf einer dritten Ebene befindet sich der sichtbare Teil der Organisationskultur. Die Artefakte und Verhaltensweisen der Organisationsmitglieder sind gleichzeitig Ergebnis und Medium der ihnen zugrunde liegenden Wertvorstellungen. Entsprechend kann der Bedeutungsinhalt dieser „ Objektivierungen “ der Organisationskultur nicht aus ihren physischen Eigenschaften erschlossen, sondern nur unter Berücksichtigung des ihnen hinterlegten Systems von Ideen interpretiert werden.


In einer dynamischen Erweiterung dieses Modells hebt Hatch (Hatch,  1993) die hierarchische Anordnung der Kulturebenen und die dominierende Rolle der Basisannahmen auf. Gleichzeitig weist sie auf die besondere Bedeutung von Symbolsystemen für die (Re-)Produktion der Organisationskultur hin und ordnet diese im Gegensatz zu Schein nicht der dritten, sondern einer neuen vierten Kulturebene zu (vgl. Abb. 1):

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Kulturelle Artefakte werden dann zu Symbolen, wenn ihnen von den Organisationsmitgliedern eine kulturspezifische Bedeutung zugewiesen wird, durch die sie zum Vermittler zwischen den Ebenen der Basisannahmen, Werte und Normen sowie Artefakten und Verhaltensweisen werden.


Diese Überlegungen verdeutlichen die wechselseitigen Zusammenhänge zwischen den explikativen und deskriptiven Inhalten der Organisationskultur im Prozess ihrer Entstehung, Verfestigung und Veränderung. Kulturelle Basisannahmen manifestieren sich in konkreten Wertvorstellungen und Normen, die in einem Realisationsprozess ihren sichtbaren Ausdruck finden. In ihrer symbolhaften Bedeutung fungieren Artefakte als Medien zwischen den Inhalten des ideellen Systems und den sinnlich wahrnehmbaren Phänomenen.
Organisations-/Unternehmenskultur
Abb. 1: Kulturebenen und ihr Zusammenhang (in Anlehnung an Hatch,  1993; Schein,  1992)

2. Theoretische Konzeption


In der Organisationskulturforschung können zwei Ansätze identifiziert werden. Sie unterscheiden sich hinsichtlich ihrer Zielsetzung, zugrunde liegenden theoretischen Annahmen und Forschungsmethoden. Der erste betrachtet Kultur als kritische Variable (eine Organisation hat Kultur), der zweite sieht Kultur als Metapher (eine Organisation ist Kultur) (Ebers,  1985; Smircich,  1983).
Der Variablenansatz sieht in der Kultur eine weitere organisatorisch relevante Variable (wie z.B. die Technologie, die Art der Aufgabe, das Wettbewerbsumfeld etc.). Die Zielsetzung dieses Ansatzes besteht insbesondere darin, Aussagen über den Einfluss der Kultur auf die formalen Organisationsstrukturen, das Verhalten der Organisationsmitglieder oder den Unternehmenserfolg zu generieren. Dementsprechend sehen Vertreter dieses Ansatzes die (organisationale) Welt als objektiv gegeben. Sie wird repräsentiert durch ein Netz von (Kausal-)Zusammenhängen, deren Systematisierung und Überprüfung wesentliches Erkenntnisinteresse ist. Die diesem Ansatz zugrunde liegenden theoretischen Annahmen basieren auf einer objektivistischen, positivistischen Sicht sozialer Realität.
Dieser Ansatz bedient sich großzahliger, quantitativer Forschungsmethoden. Durch standardisierte Fragebögen sollen die Werthaltungen, Einstellungen oder Verhaltensweisen der Organisationsmitglieder erfasst und organisationsübergreifend verglichen werden (vgl. z.B. Chatman, et al. 1998; Denison, /Mishra,  1995; O\'Reilly, /Chatman, /Caldwell,  1991). Die Schwierigkeit dieses Vorgehens besteht darin, dass die Forscher unabhängig von ihrer eigenen Weltsicht auch tatsächlich das messen, was die Kultur der Organisationsmitglieder ausmacht.
Demgegenüber sieht der Metapheransatz die (organisationale) Welt nicht als objektiv gegeben und messbar. Sie wird vielmehr von den Mitgliedern der Organisation sozial konstruiert. Die Zielsetzung wissenschaftlicher Untersuchung bezieht sich dann darauf, den Konstruktionsprozess zu erschließen und zu verstehen. So geht es Vertretern dieses Ansatzes z.B. darum, die Interpretationsschemata bzw. die Weltsicht der Organisationsmitglieder zu beschreiben oder die symbolischen Handlungen, die zur Entstehung dieser Interpretationsschemata führen, aufzudecken. Dieser Ansatz gründet auf den Annahmen eines subjektivistischen, interpretativen Zugangs zu sozialer Realität.
Als konkreter Forschungsansatz (Methoden der Personalforschung, qualitative; Mitarbeiterbefragungen) findet insbesondere die (Einzel-)Fallstudie Verwendung. Sie ist zumeist multimethodisch angelegt und kann zum Beispiel die Beobachtung, das qualitative Interview oder die Dokumentenanalyse umfassen. Dieser methodische Zugang ermöglicht eine detaillierte Beschreibung einzelner interessierender Organisationskulturen (vgl. z.B. Wittel,  1996; Meyerson,  1994; Batelaan,  1993). Dies schränkt gleichzeitig die Generalisierbarkeit der Erkenntnisse sowie die Systematisierung und den Vergleich unterschiedlicher Organisationskulturen ein.
Obwohl die beiden Ansätze zumeist als unvereinbar dargestellt werden, lassen sich einige Gemeinsamkeiten oder zumindest Verbindungen identifizieren. Beide Ansätze verfolgen das grundsätzliche Ziel, den unsichtbaren und unbewussten Kern der Kultur aufzudecken. Diesen Kern sehen beide als Muster von Annahmen und Werthaltungen, die in Kulturtypen aggregiert werden können. Diese Muster werden als weitgehend statische Repräsentationen der Organisationskultur konzeptualisiert (Schultz, /Hatch,  1996).
In ähnlicher Weise erfolgt in einigen empirischen Studien eine Kombination der den jeweiligen theoretischen Ansätzen zugeordneten quantitativen bzw. qualitativen Forschungsmethoden (vgl. z.B. Zammuto, /Krakower,  1991; Hofstede, et al. 1990; Denison,  1990).

II. Kulturdimensionen und Kulturtypen


Welche Typen von Organisationskulturen existieren und über welche Dimensionen können diese beschrieben werden? Zwei unterschiedliche Herangehensweisen erfassen Organisationskulturen zum einen über die Dimensionen ihrer Inhalte und zum anderen über die Dimensionen ihrer Stärke.
Eine Dimensionalisierung organisationskultureller Inhalte bezieht sich entweder auf die Wertvorstellungen der Organisationsmitglieder oder auf Bestimmungsfaktoren für diese Wertvorstellungen. Zum Beispiel können je nachdem, welche Ausprägungen die effizienzbezogenen Orientierungsmuster bzw. Werte der Organisationsmitglieder auf den Dimensionen „ Flexibilität versus Kontrolle “ und „ interne versus externe Orientierung “ annehmen, vier Idealtypen der Organisationskultur unterschieden werden (Goodman, /Zammuto, /Gifford,  2001; Quinn,  1988; Howard,  1998):

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„ Offenes System “ : Hier sorgen flexible Werte und eine externe Orientierung dafür, dass unternehmerisches Wachstum als Ziel und Innovativität als Mittel zur Zielerreichung gesehen werden. In ihrer praktischen Umsetzung kann man sich diese Kultur in Start-up-Unternehmen vorstellen, die in unsicheren und dynamischen Branchen wie der New Economy oder der Biotechnologie operieren.

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„ Gruppe “ : In dieser Kultur steht ebenfalls ein flexibles Wertegefüge im Vordergrund. Eine interne Orientierung betont jedoch die Kommunikation und den Konsens zwischen den Organisationsmitgliedern. Gruppenkohäsion und Moralvorstellungen bilden die Basis für die Entwicklung der Humanressourcen.

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Hierarchie “ : Sie ist durch formale Rationalität und eine interne Orientierung gekennzeichnet. Die Formalisierung, die Standardisierung von Verfahren und die Entscheidungszentralisation unterstützen das Ziel organisatorischer Stabilität. Es handelt sich damit um Unternehmen mit einer eher konservativen Grundorientierung und bürokratischen Elementen.

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„ Rationale Ziele “ : Kontrollbezogene Werte bzw. formale Rationalität und eine externe Orientierung betonen die Zielplanung und die Zielerreichungskontrolle als Triebkräfte organisatorischer Effizienz.


Inhaltliche Typologisierungen von Organisationskulturen ermöglichen Forschern, Beratern und Organisationsmitgliedern gleichermaßen, ihre alltäglichen Erfahrungen in und mit Organisationen zu systematisieren und einzuordnen. Dieser Vorteil spiegelt sich zumeist in einer einfachen und anschaulichen Namensgebung der Kulturtypen wider (für einen Überblick vgl. Detert, /Schroeder, /Mauriel,  2000; Ebers,  1995). Genau in dieser Vereinfachung liegt jedoch auch die Gefahr einer Typologie, die ein so vielschichtiges Konzept wie die Organisationskultur durch eine Vier-Felder-Matrix abzudecken versucht.
Typologisierungen der Organisationskultur anhand Dimensionen ihrer Stärke verzichten auf die Beschreibung organisationskultureller Inhalte. Sie differenzieren Kulturen anhand formaler Merkmale und sehen in der Übereinstimmung der Organisationskultur mit den unternehmerischen Zielen ihre besondere Stärke. Die Stärke einer Organisationskultur kann dabei über die Dimensionen „ Prägnanz “ , „ Verbreitungsgrad “ und „ Verankerungstiefe “ bestimmt werden (Schreyögg,  1992; Bleicher,  1986). „ Starke “ Kulturen sind demnach von „ schwachen “ Kulturen dadurch zu unterscheiden, dass sie über klare Orientierungsmuster verfügen, die nach Möglichkeit von allen Organisationsmitgliedern geteilt werden und als selbstverständlich akzeptiert und internalisiert das Verhalten der Organisationsmitglieder werte- und zielkonform steuern.
Der Idee starker und damit immer auch homogener Organisationskulturen steht die Idee fragmentierter, möglicherweise widersprüchlicher und heterogener Organisationskulturen entgegen (Carroll, /Harrison,  1998; Meyerson, /Martin,  1987). Letztere stellen ein spezifisches Gefüge organisationaler Subkulturen dar. Subkulturen können z.B. auf hierarchischen Ebenen (Arbeiterkultur, Managerkultur) oder in Funktionsbereichen einer Organisation (Marketingkultur, F&E-Kultur) angesiedelt werden. Sie entstehen zum einen organisationsintern, indem bestimmte organisationale Subgruppen gemeinsame Erfahrungen im Umgang mit Problemen und Herausforderungen sammeln. Sie können zum anderen in einer vororganisationalen Sozialisation durch Studium und Ausbildung einen organisationsübergreifenden Ursprung haben (Schein,  1996).

III. Wirkungen und Wandel der Organisationskultur


1. Wirkungen der Organisationskultur


Die Wirkungen der Organisationskultur werden zumeist in Bezug auf starke Kulturen diskutiert. Das Mittragen organisationaler Werte und Ziele durch die Organisationsmitglieder soll zu einer erleichterten Koordination und Kontrolle, verstärkten Integration und erhöhten Motivation führen, was letztlich als Voraussetzung für den Unternehmenserfolg gesehen wird (Schreyögg,  1992; Dill, /Hügler,  1987):

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Erleichterte Koordination und Kontrolle: Ähnlich wie ein Kompass soll eine starke Organisationskultur die Organisationsmitglieder auf dem gewünschten Kurs halten. Eine Internalisierung unternehmerischer Grundregeln senkt gleichzeitig den Kontrollbedarf, denn die Organisationsmitglieder wollen, was sie sollen. Eine starke Organisationskultur wird insbesondere dann als subtile und effektive Alternative zu herkömmlichen Kontrollinstrumenten gesehen, wenn unsichere und mehrdeutige Umweltbedingungen die Steuerung der Mitarbeiter durch Vorschrift und Kontrolle weder möglich noch sinnvoll werden lassen.

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Verstärkte Integration: Angesichts der bestehenden Dezentralisierungs-  und  Divisionalisierungsbestrebungen von Organisationen gewinnt die einer unternehmenskonformen Kultur zugeschriebene Integrationsfunktion zunehmend an Bedeutung. Die Organisationskultur wird hier weniger als Kompass denn als soziales Bindemittel gesehen; und genau als dieses Bindemittel soll sie wider die zentrifugalen Kräfte und Konfliktpotenziale einer unternehmerischen Differenzierung den internen Zusammenhalt ihrer Mitglieder fördern.

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Erhöhte Motivation: Starke Kulturen sollen zu einer kollektiven Selbststeuerung führen. Dadurch scheint zunächst das Grundproblem jeder Motivation überwunden zu sein: die Fremdsteuerung. Des weiteren vermag die Kultur in der oft postulierten Sinn- und Orientierungskrise den Mitgliedern der Organisation einen Sinnzusammenhang ihrer Arbeit zu vermitteln. Ihr Bedarf an Sicherheit und Identität wird gedeckt, was dann wiederum eine gesteigerte Arbeitsmotivation zur Folge haben soll.

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Unternehmenserfolg: Neben den obigen direkt aus der Organisationskultur ableitbaren Wirkungen, ergibt sich der Unternehmenserfolg als indirekte Folge einer gemeinsamen Wertebasis. Die Möglichkeit, über die Organisationskultur das Denken und Handeln der Organisationsmitglieder zu beeinflussen, gilt als Grundvoraussetzung für den gesteigerten Unternehmenserfolg. Eine starke Organisationskultur ermöglicht intern die volle Ausschöpfung des Humankapitals und wird gleichzeitig zum wichtigen Differenzierungsfaktor am Markt. Zahlreiche Studien dokumentieren das Interesse an der Verbindung zwischen Organisationskultur und Erfolg (vgl. z.B. Christensen, /Gordon,  1999; Marcoulides, /Heck,  1993; Gordon, /DiTomaso,  1992).


2. Wandel der Organisationskultur


Organisationskulturen sind historisch gewachsen. Dadurch sind sie Veränderungen unterworfen und grundsätzlich auch veränderbar. Insbesondere die mit starken Kulturen verbundenen positiven Wirkungen lassen nun die Frage nach einer bewussten Beeinflussung der Organisationskultur aufkommen. Bei der Beantwortung dieser Frage besteht große Uneinigkeit darüber, ob Organisationskulturen zu beeinflussen sind, wie sie zu beeinflussen sind und welche Auswirkungen eine solche Einflussnahme zur Folge hat. Gehen die einen mit einer fast unbegrenzten Euphorie davon aus, dass die Kultur gestaltet und verändert werden kann ( „ Interventionisten “ ), so begegnen die anderen dieser Sichtweise mit ebenso großer Skepsis ( „ Kulturalisten “ ) (Schreyögg,  1991).
Vertreter des ersten Standpunkts gestehen zwar durchaus ein, dass ein Kulturwandel schwierig durchzuführen und schmerzhaft sein kann. Angesichts der versprochenen Belohnungen und erhofften Auswirkungen des Wandels scheinen jedoch die zunächst angekündigten Schwierigkeiten zu verblassen oder sich zumindest zu rentieren (Kilman,  1985).
Vertreter des zweiten Standpunkts bringen dieser instrumentalisierenden Sichtweise zumindest drei kritische Einwände entgegen, die in der Frage „ kann man, soll man und darf man die Organisationskultur verändern “ zum Ausdruck kommen. Zunächst ist fraglich, ob die Organisationskultur überhaupt zum Instrument der Unternehmenspolitik werden kann, denn aufgrund ihres komplexen und vielschichtigen Charakters entzieht sie sich zumindest teilweise einem geplanten Wandel. Selbst wenn ein Wandel hin zur starken Kultur gelingen könnte, so stehen möglichen Erfolgsaussichten ebenso große Erfolgsrisiken entgegen. Gerade in starken Kulturen werden neue Chancen und Gefahren in der Organisationsumwelt entweder nicht wahrgenommen oder fehlinterpretiert. Die dysfunktionale Folge dieser „ kollektiven Blindheit “ ist dann mangelnde Anpassungsfähigkeit und -bereitschaft (Krell,  1997; Schreyögg,  1989). Schließlich können ethisch-moralische Bedenken gegen einen zielgerichteten Eingriff in die Organisationskultur angeführt werden, da sich unter dem Deckmantel der Effizienzverbesserung die Manipulation der Denk- und Verhaltensweisen der Mitarbeiter verbirgt (Bendixen,  1989).

3. Die Bedeutung der Personalfunktionen beim Wandel der Organisationskultur


Die Idee der organisationskulturellen „ Kurskorrektur “ nimmt einen moderaten Standpunkt zwischen Interventionisten und Kulturalisten ein. Hierbei geht es insbesondere darum, sich der bestehenden kulturellen Orientierungen bewusst zu werden und Anstöße für eine Umorientierung zu suchen (Schreyögg,  1991). In diesem Zusammenhang kommt einzelnen Personalfunktionen eine besondere Bedeutung zu. Sie nehmen Einfluss darauf, welche Denkmuster und Verhaltensweisen rekrutiert, sanktioniert und vorgelebt werden. Dadurch können sie sowohl eine bewahrende als auch eine verändernde Wirkung auf die Organisationskultur haben. Ein einfaches Ordnungsschema soll mögliche personalpolitische Strategien (Personalpolitik; Strategic Human Resource Management) der Einflussnahme auf die Orientierungsmuster und Verhaltensweisen der Organisationsmitglieder aufzeigen (Neuberger, /Kompa,  1987; Türk,  1981):

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Personalselektion: Die Selektion von Mitarbeitern kann zunächst als kulturbewahrende Maßnahme bezeichnet werden, indem diejenigen Mitarbeiter angeworben und ausgewählt werden, die zur Organisation und ihrer Kultur „ passen “ . Gerade in der Personalanwerbung und Personalauswahl kann allerdings auch ein geeigneter Mechanismus für den Wandel der Organisationskultur gesehen werden, nämlich dann, wenn die Rekrutierung neuer Mitarbeiter als Infusion von Kulturträgern verstanden wird (Schein,  1992; Bleicher,  1991). Ganz entsprechend wird empfohlen, „ unpassende “ , renitente Mitarbeiter zu entlassen.

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Personalallokation: Abgesehen davon, dass sich die Personalabteilung bei der Allokation von Personal nicht eines extern vorhandenen, sondern eines intern verfügbaren Angebots bedient, ist die Wirkungsweise auf den Kulturwandel analog zur Personalselektion. Durch gezielte Versetzungen ist die interne Rekrutierung konformer Mitarbeiter ebenso möglich wie die „ Abschiebung “ weniger konformer Mitarbeiter auf Nebenstellen.

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Organisationale Sozialisation: Die Sozialisation kann als komplementärer Prozess zur Selektion verstanden werden (Caroll, /Harrison,  1998; Chatman,  1991). In Einführungs- und Mentorenprogrammen (Mentoring; Coaching) können neuen Mitarbeitern die bestehenden Grundregeln der Organisation vermittelt werden. In speziellen Veranstaltungen oder im Rahmen der üblichen Aus-, Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen können bestehende Orientierungsmuster verändert werden.

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Beförderungs- und Anreizsysteme: Beim Kulturwandel wird in bestehenden Anreizsystemen eine Stützfunktion alter, inzwischen inadäquater Orientierungsmuster gesehen. Demgegenüber wird vermutet, dass die Veränderung gewohnter Arbeitsbewertungs-  und  Bezahlungskriterien auch zur Veränderung individueller Orientierungsmuster und Verhaltensweisen führt (Bleicher,  1990; Hoffmann,  1989).

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Vorgesetzte: Sowohl Firmengründern als auch nachfolgenden Managergenerationen wird ein Einfluss auf die Organisationskultur zugeschrieben, da beide neue Problemlösungen anbieten und implementieren können (Schein,  1992). So genannte symbolische Manager sollen zudem durch das, was und wie sie kommunizieren sowie durch ihre Vorbildfunktion die Grundwerte der Organisationsmitglieder beeinflussen (Deal, /Kennedy,  1982). Dafür greifen sie auf symbolische Ressourcen zurück, weil gerade über Symbole komplizierte Sachverhalte verständlich gemacht werden können (Berg,  1985).


Im Rahmen eines kulturbewussten Managements können also Personalfunktionen Einfluss auf Handlungsmuster und konkrete Handlungen der Organisationsmitglieder nehmen. Die Ausgestaltung der Personalpolitik ist dabei jedoch nicht nur unabhängiger Bewahrer und Veränderer kultureller Orientierungen, sondern immer auch deren Produkt.
Literatur:
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