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Rating, externes


Inhaltsübersicht
I. Wesen des Rating
II. Ratingverfahren
III. Ratingsysteme
IV. Aufgaben des Rating
V. Ratingagenturen
VI. Wachstumstreiber für Ratings

I. Wesen des Rating


1. Begriffsbestimmung


Ein Rating kann allgemein als ein Verfahren zur Einschätzung bzw. Beurteilung von Personen, Gegenständen oder Situationen mit Hilfe von Skalen definiert werden. Meist bezeichnet der Ausdruck „ Rating “ auch nur das Ergebnis dieses Verfahrens, nämlich das durch Symbole einer Ratingskala ausgedrückte Urteil (eine Note oder Zensur). Eine Ratingskala kann als eine in regelmäßige Intervalle aufgeteilte Strecke verstanden werden, die den Ausprägungsgrad (z.B. stark – mittel – gering) eines bestimmten Merkmals zeigt.
Im Bereich des Finanz- und Bankwesens beziehen sich Ratings entweder auf Finanzierungstitel oder auf Wirtschaftssubjekte. Nach einer weiten Begriffsfassung ist Rating jedes durch ein Symbol bzw. ein Zeichen oder eine semantische Verkettung von Zeichen (Zeichenfolge) ausgedrückte Urteil einer Beurteilungsinstanz über ein bestimmtes Merkmal eines Finanzierungstitels resp. Wirtschaftssubjektes. Das Rating kann unterschiedlichen Zwecken dienen und sich auf finanzwirtschaftliche, aber auch etwa auf ökologische oder gar ethische Aspekte beziehen.
Im Unterschied zum Rating werden bei einem Ranking alle Untersuchungsobjekte so beurteilt, dass sie gemäß eines Beurteilungskriteriums in eine Rangfolge gebracht werden können. Ein Ranking kann gegebenenfalls zu einem Rating verdichtet werden, indem bestimmte Untersuchungsobjekte zu einer Notenklasse zusammengefasst werden. Umgekehrt kann das Rating jedoch nur in Ausnahmefällen in ein Ranking transformiert werden. In der Bankpraxis bedeutet Rating meist ein Bonitätsurteil, während Rankings auf Aktien gerichtet sind.

2. Gegenstände des Rating


Grundsätzlich können sowohl Beteiligungs- als auch Forderungstitel Gegenstand des Rating sein (Steiner, 1992). Bei Beteiligungstiteln (insbesondere Aktien) gibt das Rating Auskunft über die allgemeine Ertragskraft oder andere Merkmale des Emittenten. Ein „ Credit Rating “ (Everling, O. 1991) ist die durch spezielle Symbole einer Ratingskala ausgedrückte Meinung einer auf Bonitätsanalysen spezialisierten Agentur über die Fähigkeit und rechtliche Bindung eines Emittenten, die mit einem bestimmten Finanztitel verbundenen Zahlungsverpflichtungen vollständig und rechtzeitig zu erfüllen (Emissionsrating). Es kann sich jedoch auch allgemein auf die Zahlungsfähigkeit eines Emittenten beziehen (Emittentenrating). Im folgenden wird der Ausdruck Rating im Sinn dieser beiden Ausprägungsformen des „ Credit Rating “ verwendet. Von den hier behandelten Ratings von Agenturen zu unterscheiden sind außerdem die ebenfalls häufig als Ratings oder Rankings bezeichneten Kauf-, Halte- oder Verkaufsempfehlungen sowie Risiko-/Chancen-Bewertungen von Aktien durch Finanzanalysten und Bankhäuser. Für das Rating ist somit die Existenz eines Forderungstitels oder einer ähnlichen Anwartschaft auf zukünftige, im voraus in ihrer Höhe fixierte Zahlungen eines Emittenten konstitutiv. Da Aktien in der Regel neben Eigentums-, Teilhaber- und Mitgliedschaftsrechten nur das Anwartschaftsrecht auf ein in seiner Höhe noch nicht bestimmtes Residualeinkommen verbriefen, werden sie von Ratingagenturen nicht eingestuft. Eine Ausnahme bilden Vorzugsaktien, die das genannte Kriterium erfüllen.
Die Agenturen erteilen Ratings insbesondere für kurz- oder langlaufende Schuldverschreibungen, Anleihen, Obligationen, Commercial Papers, Certificates of Deposit, aber auch Bankeinlagen, Forderungen aus Lebensversicherungspolicen, Geldmarktfonds und Rentenfonds (Everling, O. 1992). In jüngster Zeit sind vor allem auch Strukturierte Finanzierungen (Asset Backed Securities, Mortage Backed Securities) und Unternehmens- bzw. Kundenkredite mit Ratings versehen worden (Heinke, V.G./Steiner, M. 2000). Zahlreiche neu gegründete Agenturen vergeben Ratings für innovative mittelständische Start-Up-Unternehmen (Venture Capital, Technology Rating) (Everling, O./Riedel, S./Weimerskirch, P. 2000). Das Länderrating wird bei Bonitätseinstufungen von (in ausländischer Währung denominierten) Forderungen gegen einen Staat verwendet.
Sog. kurzfristige Ratings beziehen sich auf Finanztitel mit einer Laufzeit von bis zu einem Jahr, langfristige Ratings auf Finanztitel mit einer Laufzeit von mehr als einem Jahr.

3. Ratingskalen, -symbole und -definitionen


Das Rating wird mit Hilfe von Ratingsymbolen einer (ordinalen) Ratingskala ausgedrückt. Jedem Ratingsymbol ist eine Ratingdefinition zugeordnet. Kurz- und langfristige Ratings werden nach unterschiedlichen Ratingskalen bestimmt. Eine erstklassige Bonität kommt in dem Symbol AAA bzw. Aaa zum Ausdruck, während z.B. das Symbol AA bzw. Aa bereits eine weniger überragende Kreditwürdigkeit signalisiert. Die Skalen umfassen weiter die Symbole A, BBB, BB, B, CCC, CC, C und D bzw. A, Baa, Ba, B, Caa, Ca und C.
Die niedrigste Bonitätsstufe wird somit durch die Symbole D bzw. C kenntlich gemacht. Die Einstufungen werden – mit Ausnahmen – durch die Modifikatoren + und – oder 1, 2 und 3 nuanciert. Für das kurzfristige Rating werden reduzierte Skalen verwendet, die weniger Stufen umfassen (Prime-1, Prime-2, Prime-3, Not Prime bzw. A-1+, A-1, A-2, A-3, B, C, D).

II. Ratingverfahren


Das Ratingverfahren ist die prozessuale Komponente des Rating und umfasst die zur Generierung eines Rating notwendigen Schritte. Sein Ablauf variiert geringfügig je nach Ratingagentur, Art des Ratingobjektes und zugrunde liegender Konzeption des Ratingsystems. Die Dauer des Ratingverfahrens überschreitet selten drei Monate und kann in dringenden Fällen – soweit möglich – auf einige Tage beschränkt werden.

1. Ratingauftrag


Das Ratingverfahren wird meist durch einen schriftlichen Auftrag des Emittenten initiiert. Es geht üblicherweise ein Informationsgespräch voraus, in dem die Ratingagentur den Emittenten über ihre Vorgehensweise unterrichtet. Der Ratingantrag wird zurückgewiesen, wenn der Emittent die für die Durchführung des Verfahrens notwendigen Voraussetzungen nicht erfüllt, z.B. wenn er die zu beurteilende Emission nicht exakt spezifiziert oder keine testierten Bilanzen für die letzten Geschäftsjahre vorlegen kann. Der Emittent verpflichtet sich, alle für die Beurteilung notwendigen Unterlagen einzureichen und unabhängig vom Ergebnis des Ratingverfahrens eine Ratinggebühr zu entrichten. Die Gebühr wird auch dann fällig, wenn die Agentur kein Rating veröffentlicht. Dies trägt dazu bei, die Unabhängigkeit der Urteilsbildung der Agentur zu sichern.
Die dem Emittenten nach Antragsannahme zugewiesenen Analysten (mindestens zwei) führen zunächst eine agenturinterne Recherche durch, werten öffentlich zugängliche Informationsquellen (Emissionsprospekte, Jahresabschlüsse, Pressemeldungen, statistische Daten usw.) über den Emittenten aus. Daneben erhalten die Analysten vom Emittenten aufbereitete, nicht öffentliche Zusammenstellungen von Informationen ( „ Rating Handbook “ ) und gelangen so zu einer vorläufigen Einschätzung des Emittenten.

2. Managementgespräch


Ein im Rahmen der Voruntersuchung erstellter Fragenkatalog bildet die Grundlage für eine Zusammenkunft zwischen Analysten der Ratingagentur und Vertretern des Emittenten, meist Mitgliedern des Vorstands resp. der Geschäftsführung. Die Sitzung beginnt meist mit einer kurzen Präsentation durch den Emittenten und mündet in der Beantwortung kritischer Fragen. In der Regel findet die Sitzung am Ort des Hauptsitzes des Emittenten statt und schließt eine Betriebsbesichtigung ein. Das Gespräch dient insbesondere der Weitergabe auch vertraulicher Informationen an die Analysten sowie der Beurteilung der Qualifikation des Managements. Die Agentur sichert dem Emittenten zu, die erhaltenen vertraulichen Angaben nicht ohne seine Zustimmung zu veröffentlichen. Aus den im Managementgespräch übermittelten Informationen resultiert der höhere Informationswert von Ratings gegenüber üblichen Finanzanalysen von Banken und anderen Marktteilnehmern.

3. Ratingkomitee


Nach Auswertung der im Managementgespräch erhaltenen Daten fertigt das verantwortliche Analystenteam der Agentur einen Bericht an, der die für die Festlegung des Rating ausschlaggebenden Informationen enthalten soll und einem Ratingkomitee aus besonders erfahrenen Analysten vorgelegt wird. Das Analystenteam stellt seine Untersuchungsergebnisse hinsichtlich der Finanz-, Vermögens- und Ertragslage sowie weiterer Kriterien dem Ratingkomitee gegenüber dar. Nach Diskussion der wesentlichen Beurteilungsfaktoren stimmt das Komitee über das festzusetzende Rating ab.

4. Veröffentlichung


Das festzusetzende Rating wird zunächst nur dem Emittenten mitgeteilt, der Gelegenheit erhält, zur Beurteilung Stellung zu nehmen. In einem eng beschränkten Rahmen hat der Emittent die Möglichkeit, durch Bereitstellung weiteren nicht veröffentlichten Datenmaterials auf ein erneutes Zusammentreten des Ratingkomitees und ein abweichendes Urteil hinzuwirken. Danach wird das Rating festgesetzt und veröffentlicht, wenn der Emittent der Publizierung nicht widerspricht. Dieses Vetorecht kann dem Emittenten nur dann eingeräumt werden, wenn er ordnungsgemäß einen Ratingauftrag erteilt hat und seinen Verpflichtungen gegenüber der Agentur uneingeschränkt nachkommt. Oft müssen Ratingagenturen jedoch auch ohne Antrag des Emittenten tätig werden und können dem Emittenten dieses Recht dann nicht bewilligen (Moody\'s Investors Service Inc., 1991).
Nach der Veröffentlichung des Rating ist die Tätigkeit der Ratingagentur nicht beendet, sondern findet in der laufenden Überwachung des Rating ihre Fortsetzung. Bei Auftreten von Faktoren, die auf eine Bonitätsveränderung des Emittenten hindeuten, wird der Name des Emittenten auf einer sog. Watchlist verzeichnet, bis das Ratingkomitee nach einem besonderen Überprüfungsverfahren das Rating herauf- (Upgrading) oder herabstuft (Downgrading) oder unverändert bestätigt.

III. Ratingsysteme


Die Determinanten der Entscheidung über ein Rating ergeben sich aus dem Ratingsystem, das die inhaltliche, taxonomische Komponente des Rating bezeichnet.

1. Alternative Konzeptionen


Ratingsysteme können unterschiedlichen Konzeptionen folgen (Everling, O. 1991). Durch die Ratingkonzeption wird festgelegt, welche Indikatoren oder Faktoren, die für das Bonitätsrisiko als ursächlich oder aussagekräftig angesehen werden, grundsätzlich ins Rating einbezogen werden (Ratingkriterien).

a) Qualitative Ratingsysteme


Qualitative Ratingsysteme entspringen dem Bemühen, neben Kennzahlen auch solche Ratingkriterien in die Beurteilung einfließen zu lassen, die nicht oder nur mit unverhältismäßigem Aufwand objektivierbar und quantifizierbar sind, und beziehen insbesondere die Zukunftsperspektiven, die Qualität des Managements und ähnliche Beurteilungsmaßstäbe ein.
Qualitative Ratingsysteme geben in besonderem Maße Raum für die Berücksichtigung und besondere Gewichtung spezifischer Ratingkriterien im Einzelfall. Charakteristisch ist für diese Systeme die letztlich subjektive Urteilsbildung durch den Analysten bzw. das Ratingkomitee.

b) Quantitative Ratingsysteme


Aus der Kritik an der Subjektivität qualitativer Ratingsysteme und in dem Bestreben, Bonitätsaussagen zu geringen Analysekosten bei vertretbarem Zeitaufwand zu erstellen, entstanden Ansätze, die auf der Basis mathematisch-statistischer Modelle intersubjektiv nachvollziehbar zu einem Rating gelangen. Eine Objektivierung soll insbesondere durch die überprüfbare, rechnerische Verknüpfung quantitativer Risikoindikatoren erreicht werden. Quantitative Ratingsysteme basieren methodisch meist auf Regressions-, Probit-, Logit- oder Diskriminanzmodellen. In letzter Zeit werden hier verstärkt auch computergestützte Expertensysteme, Verfahren der Mustererkennung und Künstliche Neuronale Netze eingesetzt (Heinke, V.G. 1998). Empirische Studien bemühen sich nicht nur um die Ermittlung effizienter Modelle für aussagekräftige Ratings, sondern auch darum, historische Ratings anerkannter Agenturen durch eine vergleichsweise geringe Anzahl von Kennzahlen zu erklären und – durch Anwendung auf aktuelle Daten – Ratingveränderungen zu prognostizieren. Solche Modelle können dann zwar kaum zu „ zutreffenderen “ Einstufungen gelangen, gegebenenfalls aber implizite Ratingkriterien transparent machen.

2. Ratingkriterien


Ratingkriterien werden dem zu beurteilenden Ratingobjekt entsprechend differenziert. So werden unterschiedliche Kriterien bei der Klassifizierung von Banken, Versicherungen, Industrieunternehmen und öffentlichen Körperschaften, von öffentlichen und privaten Pfandbriefen, Bankschuldverschreibungen und Industrieobligationen oder von kurz- und langfristigen Finanztiteln angelegt (Moody\'s Investors Service Inc., 1991). Exemplarisch sollen hier die etwa beim Rating für Industrieunternehmen relevanten Kriterien charakteristischer Analysestufen angesprochen werden. Die Ratingagenturen stützen sich auf Kriterien, die aus den Bereichen der Unternehmensbewertung, der Fundamentalanalyse sowie der Kennzahlenanalyse bekannt sind (Steiner, M. 1980).

a) Länderanalyse


Ziel der Länderanalyse ist es, ein Urteil über die Fähigkeit und Bereitschaft eines Staates zu finden, in fremder Währung denominierten Zahlungsverpflichtungen uneingeschränkt und rechtzeitig nachzukommen. Im Rahmen der Länderanalyse liegt die Betonung auf Kriterien, die das Transferrisiko betreffen, also insbesondere der Wahrscheinlichkeit, dass ein Emittent aufgrund vorübergehender oder anhaltender Illiquidität des Devisenmarktes nicht in der Lage sein wird, die von ihm in Fremdwährung übernommenen Zahlungsverpflichtungen nach Umtausch der nationalen Währung in fremde Währung zu begleichen. Der Annahme folgend, dass der Staat über weiterreichende Möglichkeiten verfügt, seinen Zahlungsverpflichtungen nachzukommen als die innerhalb seiner Rechtsordnung agierenden Personen, bildet das Länderrating regelmäßig die Obergrenze möglicher Ratings (Sovereign ceiling). Der Vorteil des bei der Länderanalyse ansetzenden Top-Down-Ratingansatzes ist die weltweite Einheitlichkeit in der Risikomessung und Vergleichbarkeit der Ratings. Seit kurzem veröffentlicht Moody\'s auch länderspezifische Ratings, die das Länderrisiko nicht berücksichtigen und damit nur einen Ratingvergleich innerhalb eines Landes ermöglichen. Den Ratingsymbolen wird dabei eine länderspezifische Kennung hinzugefügt. Für Brasilien steht beispielsweise ein Aaa.br für einen innerhalb Brasiliens und in inländischer Währung praktisch nicht vom Ausfall bedrohten Zahlungsanspruch.

b) Branchenanalyse


Der Bereich möglicher Ratings im Einzelfall wird weiter durch die Branchenanalyse vorstrukturiert, die auf die Zukunftsperspektiven des Industriezweiges sowie Substitutionsbeziehungen, Markteintrittsbarrieren und eventuelle Sonderfaktoren des Branchenrisikos abstellt. Die Konkurrenzsituation kann in besonderem Maße die Existenz einer wirtschaftlichen Einheit gefährden; dementsprechend befassen sich die Agenturen u.a. mit einer extensiven Analyse des Wettbewerbs, mit dem das Unternehmen in seiner Branche konfrontiert wird.

c) Unternehmensanalyse


Im Falle des Emittentenrating bildet die Unternehmensanalyse bereits die Endstufe der Bonitätsuntersuchung. Sowohl das Geschäftsrisiko, das durch die Wettbewerbsposition, Marketing, Technologie und andere leistungswirtschaftliche Faktoren determiniert wird, als auch das finanzielle Risiko, das insbesondere auf der Basis der Jahresabschlussanalyse beurteilt wird, finden im Rating Berücksichtigung (Steiner, M. 1992). Hohe Stellenwerte besitzen die Beurteilung der Unternehmensführung und Managementqualität wie auch die branchenbezogene Kennzahlenanalyse. Einerseits finden Kennzahlen Beachtung, die nur für bestimmte Gruppen von Unternehmen ermittelt werden können, z.B. durchschnittliche Schiffstonnagen, andererseits gibt es Größen, die zwar allgemein als bonitätsrelevant erachtet werden, z.B. Eigenkapitalquoten bzw. Verschuldungsgrade, je nach Branche aber unterschiedlich zu interpretieren sind.

d) Emissionsanalyse


Beim Emissionsrating folgt der Bonitätsbeurteilung des Emittenten die Emissionsanalyse, die die spezifischen Ausstattungsmerkmale einer Emission zum Inhalt hat und beispielsweise Patronatserklärungen einer Muttergesellschaft, Garantien, Bürgschaften und andere Sicherheiten einbezieht. In der Berücksichtigung dieser Kriterien zeigt sich ein wesentlicher Unterschied zur traditionellen Kreditwürdigkeitsprüfung durch Banken. Besicherungen werden nicht als Alternative für fehlende Kreditwürdigkeit aufgefasst, sondern sind integraler Bestandteil des Bonitätsurteils. Die jeweiligen Sicherungssysteme werden daraufhin überprüft, ob sie geeignet sind, die pünktliche und vollständige Zahlung von Tilgung und Zinsen zu ermöglichen, um so zu einer Verbesserung des Rating zu führen.

IV. Aufgaben des Rating


Durch die Konzentration auf Bonitätsbeurteilungen können Ratingagenturen besondere Spezialisierungsvorteile nutzen. Da das Rating i.d.R. veröffentlicht wird, kann es mehreren Teilnehmern an den Finanzmärkten zugleich dienen und vielfältige Funktionen wahrnehmen (Everling, O. 1991). Nutzenaspekte des Rating ergeben sich insbesondere für Anleger, Emittenten und Institutionen der Marktaufsicht.

1. Funktionen für Investoren


Das Bonitätsrisiko eines Emittenten stellt ein wichtiges Element in der Entscheidung über die Kapitalanlage in Wertpapieren dar. Daneben existieren allerdings auch Zinsänderungs-, Liquiditäts-, Währungs- und Marktrisiken, die im Rating nicht abgebildet werden. Das Rating drückt nur die Meinung einer Ratingagentur bezüglich des Bonitätsrisikos aus und stellt damit nur einen Aspekt im Investmentkalkül dar. Es ist auf keinen Fall eine Empfehlung zum Kauf, Verkauf oder Halten eines beurteilten Wertpapiers.

a) Informationsfunktionen


Die wichtigste Funktion des Rating ist, über die absolute und relative Bonität eines Emittenten zu informieren. Gemäß der Definition des Ratingsymbols für die unterste Bonitätskategorie ist z.B. bei einem langfristigen Rating D bzw. C die Insolvenz des Emittenten bereits eingetreten oder steht kurz bevor; das Rating gibt hier eine absolute Bonitätsaussage. Im Vergleich mit Risikoklassifizierungen anderer Emissionen oder Emittenten zeigt das Rating auch die relative Einordnung auf. Aus Investorensicht besteht das am Markt bewertete Bonitätsrisiko aus den Komponenten Ausfallwahrscheinlichkeit und Ausfallschwere im Falle einer Zahlungsstörung, die im Rating als zusammenfassende Größe ausgedrückt werden. Zwischen dem Rating und den sich am Markt ergebenden Credit Spreads besteht ein theoretisch und empirisch auf verschiedenen Märkten nachweisbarer Zusammenhang; ein – durch das Rating gemessenes – steigendes Bonitätsrisiko geht mit einer höheren Bonitätsrisikoprämie einher (Heinke, V.G. 1998). Das Rating ermöglicht dem Anleger eine differenzierte Betrachtung von einzelnen Emittenten, Marktsegmenten und Zinsspreads. Insbesondere am Primärmarkt stellen Ratings im Vergleich zu anderen titel- und marktspezifischen Faktoren die wichtigste Einflussgröße auf den Credit Spread dar. Da im Rating zum Teil auch nicht öffentlich verfügbare Daten berücksichtigt werden, trägt seine Publizierung zur Steigerung der Informationseffizienz der Geld- und Kapitalmärkte bei. Dementsprechend besitzen die Ankündigungen der Ratingagenturen auch am Sekundärmarkt einen gewissen dynamischen Informationswert, da auch Ratingänderungen und Watchlistings signifikante Kursreaktionen hervorrufen (Heinke, V.G. 1998).

b) Instrumentalfunktionen


Anleger verwenden Ratings als Strukturierungs- und Strategieinstrument im Rahmen aktiver Managementstrategien von Anleiheportefeuilles. Wird auf angekündigte Ratingveränderungen rechtzeitig mit entsprechenden Portefeuilleumschichtungen reagiert, so können dadurch vermiedene Opportunitätsverluste oder realisierte Gewinne zur Performanceverbesserung beitragen. Ratings erleichtern die Formulierung von Arbitragestrategien ebenso wie die Formulierung semi-aktiver und passiver Anlagestrategien (z.B. Durations- und Indexstrategien). Schließlich stellen Ratings ein geeignetes Instrument zur Messung und Analyse der Credit-Management-Performance im Rentenmanagement und Rentenfondscontrolling dar.
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Abb. 1: Ratingfunktionen für Investoren im Überblick (Quelle: Heinke, /Steiner, 2000)

2. Funktionen für Emittenten


Obwohl Ratings primär auf das Informationsbedürfnis von Anlegern ausgerichtet sind, erfüllen sie auch wichtige Funktionen für Emittenten. Dies wird nicht zuletzt durch die Bereitschaft der Emittenten dokumentiert, die Kosten des Verfahrens auch dann zu tragen, wenn als Ergebnis nicht ein erstklassiges Rating zu erwarten ist. Da zahlreiche Marktteilnehmer ihre Entscheidungen am Rating ausrichten und viele, insbesondere institutionelle Investoren von Anlagen ohne Rating gänzlich absehen, erschließen sich dem Emittenten durch das Rating ergiebigere Märkte. Ratings führen zu einer signifikanten Reduzierung der Kapitalkosten, da sie über einen theoretisch und empirisch ermittelbaren Offenlegungs- und Zertifizierungseffekt zu einer Senkung von Misstrauenszuschlägen in den Renditeforderungen führen (Heinke, V.G. 1998). Das Rating kann zur Verstetigung zu gewährender Risikoprämien, zu einer Erhöhung der finanziellen Flexibilität, zur Sicherung des Marktzugangs, zur Verbesserung des Unternehmensimages, des Emissionsstandings und des Finanzmarketings beitragen. Sowohl für große Emittenten als auch für kleinere Unternehmen wird auch der eigenständige Informationsnutzen der durch Ratings erhobenen Daten, Analysen und Bewertungen hoch eingeschätzt.
Rating, externes
Abb. 2: Ratingfunktionen im Finanzmanagement von Emittenten (Quelle: Heinke, /Steiner, 2000)

3. Funktionen für Aufsichtsinstitutionen


International bedienen sich zahlreiche Aufsichtsinstitutionen im Bank-, Börsen- und Versicherungswesen der Ratings zur Wahrnehmung ihrer Aufgaben. Das Rating betreffende Bestimmungen finden sich in zahlreichen Richtlinien und Gesetzen der USA und anderer Länder. Mit Hilfe von Ratings definieren verschiedene Institutionen das zulässige Anlagespektrum der ihrer Aufsicht unterstellten Banken, Versicherungen oder anderer Unternehmen und geben das Rating anerkannter Agenturen als Bewertungsmaßstab vor. Da darüber hinaus Emittenten teilweise verpflichtet sind, ein Rating einzuholen oder als Voraussetzung einer Börsennotiz beizubringen, beeinflusst das Rating sowohl Primär- als auch Sekundärmarktoperationen. Auch im Rahmen der Ermittlung der bei Banken erforderlichen Eigenkapitalunterlegung bei Krediten wird eine international einheitliche Bindung an Ratings angestrebt.

V. Ratingagenturen


Neben den etablierten Agenturen US-amerikanischer Herkunft, wie Standard & Poor\'s, Moody\'s, Fitch Ratings, entstanden in letzter Zeit im deutschsprachigen Raum zahlreiche kleinere Agenturen, die sich nicht nur auf das klassische Fremdkapitalrating sondern auch auf Spezialratings für junge innovative und mittelständische Unternehmen konzentrieren.
Aufgrund der hohen Verantwortung, die den Ratingagenturen als wichtigen Instanzen der nationalen und internationalen Finanzmärkte vor dem Hintergrund vorstehend geschilderter Funktionen zukommt, müssen bestimmte Mindestanforderungen an die Arbeitsweise, Zuverlässigkeit, Unabhängigkeit und Objektivität der Agenturen gestellt werden. Da Ratingagenturen fast ausnahmslos als erwerbswirtschaftliche Unternehmen geführt werden, wird z.B. in Japan oder in den USA die Erfüllung dieser Mindestanforderungen staatlich überprüft und durch eine offizielle Anerkennung (als „ nationally recognized statistical rating organization “ ) bestätigt.

VI. Wachstumstreiber für Ratings


Zu den wesentlichen Einflussfaktoren, die in Zukunft für einen wachsenden Bedarf an Ratings in Europa führen, wird zum einen die Einführung des Euro genannt. Mit der gemeinsamen Währung entfielen die Währungsrisiken, wodurch das Bonitätsrisiko und damit das Rating zum zentralen Differenzierungskriterium von Anleihen wurde. Daneben hat der wachsende Finanzierungsbedarf von Unternehmen und das historisch niedrige Zinsniveau zu einer starken Volumenausweitung des europäischen Anleihenmarktes geführt, wobei auch der Anteil der Emissionen mit Ratings stark zugenommen hat. Zum anderen führt das starke Wachstum von Kreditderivaten und traditionellen Derivatgeschäften von Unternehmen zu einem verstärkten Bedarf an transparenten Bonitätsinformationen zum Counterparty-Risk. Auch neue an den Markt tretende Finanzierungslösungen, wie die Verbriefung von Unternehmens-, Konsumenten- oder privaten Hypothekenkrediten im Rahmen Strukturierter Finanzierungen erhöhen den Bedarf an Ratingprodukten. Schließlich führt ihre zunehmende Inanspruchnahme im Rahmen gesetzlicher Regulierungsmaßnahmen zu einer wachsenden Bedeutung im Finanzierungsprozess.
Literatur:
Everling, O. : Credit Rating durch internationale Agenturen, Wiesbaden 1991
Everling, O. : Ratings für Versicherungen und Investmentfonds, in: Die Bank 1992, S. 202 – 205
Everling, O./Riedel, S./Weimerskirch, P. : Technology Rating, Wiesbaden 2000
Heinke, V.G. : Bonitätsrisiko und Credit Rating festverzinslicher Wertpapiere, Bad Soden/Ts. 1998
Heinke, V.G./Steiner, M. : Rating am europäischen Kapitalmarkt – Teile I bis III, in: Der Finanzbetrieb 2000
Moody\'s Investors Service Inc., : Global Credit Analysis, London 1991
Steiner, M. : Ertragskraftorientierter Unternehmenskredit und Insolvenzrisiko, Stuttgart 1980
Steiner, M. : Rating – Risikobeurteilung von Emittenten durch Ratingagenturen, in: WiSt 1992, S. 509 – 515

 

 


 

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