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Zahlungsunfähigkeit


Inhaltsübersicht
I. Vorbemerkung
II. Zahlungsunfähigkeit als insolvenzauslösender Tatbestand
III. Anlässe zur Beurteilung der Zahlungsunfähigkeit
IV. Feststellung der Zahlungsunfähigkeit

I. Vorbemerkung


Mit der Insolvenzordnung vom 18.10. 1994, die am 01.01.1999 in Kraft getreten ist, wurde das bislang bestehende Konkurs- und Vergleichsrecht, welches in der Konkursordnung (KO) und der Vergleichsordnung (VerglO) geregelt war, durch ein einheitliches Insolvenzrecht ersetzt. Wie schon bisher ist Hauptzweck des Insolvenzrechts, die Vermögenshaftung eines Schuldners, unabhängig davon, ob es sich dabei um ein Unternehmen oder eine natürliche Person handelt, unter Gleichstellung aller Gläubiger zu verwirklichen (Landfermann, 1998; Uhlenbruck, 1998). Ein wesentliches Ziel des neuen Insolvenzrechts ist es, diese Vermögenshaftung im Rahmen eines formellen Verfahrens durch eine rechtzeitige, d.h. frühzeitige und erleichterte Antragstellung bzw. Verfahrenseröffnung sicherzustellen. Dazu wurden die bisherigen Insolvenztatbestände (eingetretene) Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung neu geregelt und durch den Tatbestand der drohenden Zahlungsunfähigkeit ergänzt.

II. Zahlungsunfähigkeit als insolvenzauslösender Tatbestand


1. Eingetretene Zahlungsunfähigkeit


In der Konkursordnung (KO) wurde auf eine gesetzliche Definition der Zahlungsunfähigkeit verzichtet. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung wurde unter Zahlungsunfähigkeit „ das auf den Mangel an Zahlungsmitteln beruhende, voraussichtlich dauernde Unvermögen eines Schuldners, seine sofort zu erfüllenden und ernstlich angemahnten Geldschulden noch im Wesentlichen zu berichtigen “ , verstanden (Uhlenbruck, 1998, S. 21, m.w.N.).
Nach § 17 I InsO liegt die (eingetretene) Zahlungsunfähigkeit vor, wenn der Schuldner „ nicht mehr in der Lage ist, die fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen. “ Im Gegensatz zur bisherigen Definition der Zahlungsunfähigkeit durch die Rechtsprechung wurde in § 17 InsO bewusst auf die Merkmale der Dauer, der Wesentlichkeit und der ernstlichen Einforderung der Schulden durch den Gläubiger verzichtet.
Durch den Verzicht auf die ernstliche Einforderung der Schulden durch den Gläubiger kommt es zukünftig nicht mehr darauf an, ob der Gläubiger seine Ansprüche im Mahn- oder Klageverfahren geltend gemacht hat, sondern ausschließlich auf die Fälligkeit der Schulden (Braun, E./Uhlenbruck, 1997). Für den Verzicht auf das Merkmal der ernstlichen Einforderung spricht auch, dass viele Gläubiger in den Fällen, in denen sich bei dem Schuldnerunternehmen eine Krise abzeichnet, von der Einforderung der gegenüber dem Schuldnerunternehmen bestehenden Forderungen Abstand nehmen, da die Einforderung letztlich als erfolglos betrachtet wird (Uhlenbruck, 1998).
Sowohl der Wegfall des Merkmals der Dauer als auch des Merkmals der Wesentlichkeit dienen nach der Regierungsbegründung zur Insolvenzordnung dem Ziel, das Insolvenzverfahren zum Schutze der Gläubiger frühzeitig zu eröffnen (Groß, P.J./Hess, 1999). So soll mit dem Wegfall dieser Merkmale der in der Rechtsprechung zur KO zu beobachtenden Tendenz entgegengewirkt werden, den Begriff der Zahlungsunfähigkeit übermäßig einschränkend auszulegen (Drukarczyk, /Schlüter, 2000).
Allerdings wird in der Regierungsbegründung auch ausgeführt, dass es selbstverständlich sei, bei der Beurteilung der Zahlungsunfähigkeit ganz geringfügige Liquiditätslücken ebenso außer Betracht zu lassen wie vorübergehende Zahlungsstockungen. Es verstehe sich von selbst, dass ein Schuldner, dem in einem bestimmten Zeitpunkt die liquiden Mittel fehlen, weil sich z.B. der Eingang einer erwarteten Zahlung verzögert, der sich die Liquidität aber z.B. durch Aufnahme neuer Mittel (z.B. Kredit, Kapitalerhöhung) kurzfristig verschaffen könne, i.S.d. § 17 InsO in der Lage sei, die fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen (Uhlenbruck, 1998; Groß, P.J./Hess, 1999). Eine vorübergehende Zahlungsstockung begründet danach keine Zahlungsunfähigkeit. Damit ist die Zahlungsunfähigkeit – wie nach h.M. auch für die alte Konkursordnung (KO) – keine Zeitpunkt-, sondern eine Zeitraumilliquidität (vgl. Uhlenbruck, 1998, m.w.N.).
Ob im Fall einer Liquiditätslücke Zahlungsunfähigkeit oder lediglich eine insolvenzrechtlich unerhebliche Zahlungsstockung vorliegt, ist insbes. in Abhängigkeit von der Überwindbarkeit der Liquiditätslücke zu beurteilen. Besteht beispielsweise bei einer Liquiditätsunterdeckung keine oder nur eine geringe Aussicht, kurzfristig die Liquiditätslücke auszugleichen, so liegt i.A. keine insolvenzrechtlich unerhebliche Zahlungsstockung, sondern eine Zahlungsunfähigkeit vor. Als Zeitraum, bei dem nicht mehr von einer kurzfristigen Liquiditätsunterdeckung und somit nicht mehr von einer insolvenzrechtlich unerheblichen Zahlungsstockung, sondern von der Zahlungsunfähigkeit auszugehen ist, wird in Rechtsprechung und Literatur der Zeitraum von drei Wochen (BGH-Urteil vom 24.05.2005 – IX ZR 123/04 DB 2005, S. 1787 ff.) bzw. einem Monat (IDW PS 800.24) genannt. In seinem Urteil vom 24.05.2005 konkretisiert der BGH die Abgrenzungskriterien: Beträgt eine innerhalb von drei Wochen nicht zu beseitigende Liquiditätslücke des Schuldners weniger als 10 % seiner fälligen Gesamtverbindlichkeiten, ist regelmäßig von Zahlungsstockung auszugehen, es sei denn, es ist bereits absehbar, dass die Lücke demnächst mehr als 10 % erreichen wird. Beträgt die Liquiditätslücke 10 % und mehr, ist regelmäßig von Zahlungsunfähigkeit auszugehen, sofern nicht ausnahmsweise mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist, dass die Liquiditätslücke demnächst vollständig oder fast vollständig beseitigt werden wird und den Gläubigern ein Zuwarten nach den besonderen Umständen im Einzelfall zuzumuten ist.
Laut § 17 II InsO besteht die widerlegbare Vermutung, dass die (eingetretene) Zahlungsunfähigkeit i.d.R. dann anzunehmen ist, wenn der Schuldner seine Zahlungen eingestellt hat. Von der Zahlungseinstellung ist dabei auszugehen, wenn der Schuldner wegen eines Mangels an bereitstehenden Zahlungsmitteln seine fälligen Verbindlichkeiten i. A. nicht mehr begleichen kann und wenn dies zumindest dem beteiligten Verkehrskreis erkennbar wird (Uhlenbruck, 1998). Die Begleichung kleinerer Schulden schließt dabei die Zahlungseinstellung und damit die Zahlungsunfähigkeit nicht aus. Indizien für eine Zahlungseinstellung sind z.B. die Nichtzahlung von Löhnen und Gehältern, von Sozialversicherungsbeiträgen und Entgelten für Energielieferungen, das Vorliegen von Vollstreckungsaufträgen und Anträgen zur Abgabe eidesstattlicher Versicherungen sowie die Hingabe ungedeckter Schecks oder das Bekanntwerden von Wechselprotesten.
Mit Eintritt der Zahlungsunfähigkeit sind sowohl der Schuldner selbst als auch dessen Gläubiger berechtigt, bei Gericht einen Insolvenzantrag zu stellen. Liegt die Zahlungsunfähigkeit vor, sind bei Kapitalgesellschaften die Leitungsorgane verpflichtet, ohne schuldhaftes Zögern –  spätestens aber nach drei Wochen  – die Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu beantragen, sofern Sanierungsbemühungen innerhalb dieser drei Wochen nicht zum Erfolg geführt haben (§ 92 II Satz 1 AktG; § 64 I Satz 1 GmbHG). Entsprechendes gilt nach § 130a I und 177a Satz 1 HGB für die organschaftlichen Vertreter der zur Vertretung der Gesellschaft ermächtigten Gesellschafter einer OHG oder KG, bei der mittelbar oder unmittelbar keine natürliche Person persönlich haftender Gesellschafter ist.

2. Drohende Zahlungsunfähigkeit


Mit § 18 InsO wird die drohende Zahlungsunfähigkeit als insolvenzauslösender Tatbestand eingeführt. Drohende Zahlungsunfähigkeit liegt nach § 18 II InsO vor, wenn der Schuldner voraussichtlich nicht in der Lage sein wird, die bestehenden, d.h. die am Beurteilungsstichtag begründeten, Zahlungspflichten im Zeitpunkt der Fälligkeit zu erfüllen. Von der drohenden Zahlungsunfähigkeit ist auszugehen, wenn mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist, dass der Schuldner unter Berücksichtigung der üblichen finanzpolitischen Dispositionen und Kapitalbeschaffungsmaßnahmen im Zeitpunkt der Fälligkeit seiner Zahlungsverpflichtungen außerstande sein wird, diesen Zahlungsverpflichtungen nach zu kommen. Wie auch im Fall der eingetretenen Zahlungsunfähigkeit bleiben bei der Beurteilung der drohenden Zahlungsunfähigkeit vorübergehende Zahlungsstockungen und geringfügige Liquiditätslücken außer Betracht (Balz, /Landfermann, 1999).
Nach § 18 II InsO ist bei der Beurteilung der drohenden Zahlungsunfähigkeit ausschließlich auf die zum Beurteilungsstichtag begründeten Zahlungsverpflichtungen abzustellen. Damit bleiben beispielsweise erwartete künftige Verluste bei der Beurteilung der drohenden Zahlungsunfähigkeit außer Betracht (Groß, P.J./Hess, 1999; IDW PS 800.28 f.; a.A. Uhlenbruck, 1998 mit Verweis auf die Regierungsbegründung zu § 18 InsO (§ 22 InsO-E i.d.F. des RegE)). Dabei werden anders als bei der eingetretenen Zahlungsunfähigkeit auch all diejenigen Zahlungsverpflichtungen des Schuldners in die Beurteilung einbezogen, die zum Zeitpunkt der Beurteilung zwar schon bestehen, aber noch nicht fällig sind.
Der Prognosezeitraum, der der Beurteilung der drohenden Zahlungsunfähigkeit zu Grunde zu legen ist, ist nicht gesetzlich festlegt. In der Regierungsbegründung wird die Auffassung vertreten, dass in die Prognose die gesamte Entwicklung der Finanzlage bis zur Fälligkeit aller bestehenden Zahlungsverpflichtungen einzubeziehen ist (Balz, /Landfermann, 1999). So wäre z.B. in den Fällen, in denen der Schuldner langfristige Verbindlichkeiten mit einer verbleibenden Laufzeit von 15 Jahren eingegangen ist, der Beurteilung ein Prognosezeitraum von 15 Jahren zu Grunde zu legen. Eine solche Prognose ist jedoch aufgrund der damit verbundenen Unsicherheiten über den Zeitpunkt und die Höhe der Zahlungen kaum praktikabel. Dementsprechend wird der Prognosezeitraum in der Praxis regelmäßig auf das laufende und das kommende Geschäftsjahr begrenzt sein (IDW PS 800.12).
Der Insolvenzgrund der drohenden Zahlungsunfähigkeit gibt allein dem Schuldner, nicht jedoch dessen Gläubigern das Recht, bereits bei einer sich deutlich abzeichnenden Zahlungsunfähigkeit die Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu beantragen. Dem Schuldner ist es dadurch möglich, durch Vorlage eines Insolvenzplans frühzeitig verfahrensrechtliche Gegenmaßnahmen insbes. zur Sanierung des Unternehmens einzuleiten (IDW PS 800.5; Landfermann, 1998; Uhlenbruck, 1998; Groß, P.J./Hess, 1999). Der Verzicht auf das Antragsrecht des Gläubigers erfolgt, um zu vermeiden, dass Außenstehende den Schuldner schon im Vorfeld der Insolvenz durch einen Insolvenzantrag unter Druck setzen können und damit die Bemühungen um eine außergerichtliche Sanierung behindern (Balz, /Landfermann, 1999; Groß, P.J./Hess, 1999).

III. Anlässe zur Beurteilung der Zahlungsunfähigkeit


Die Unternehmensleitung ist dann zur Beurteilung verpflichtet, ob der insolvenzauslösende Tatbestand der eingetretenen oder drohenden Zahlungsunfähigkeit gegeben ist, wenn Anzeichen für eine Krise vorliegen. Die Intensität und Häufigkeit dieser Beurteilung wird durch die Anhaltspunkte bestimmt, die aufgrund der wirtschaftlichen Lage und geschäftlichen Entwicklung des Schuldners Anlass für die Befürchtung geben, dass das Unternehmen in Zukunft seinen Zahlungsverpflichtungen nicht mehr nachkommen kann. Liegen einschlägige Krisenindikatoren, wie z.B. Umsatzrückgänge, erste Liquiditätsprobleme, erhebliche Forderungsausfälle, Wertminderungen bei Warenbeständen oder Wertpapieren, vor, genügt es nicht, die Beurteilung anlässlich der Aufstellung des handelsrechtlichen Jahresabschlusses vorzunehmen, sondern es haben auch unterjährige Beurteilungen zu erfolgen (Wagner, W. 1998). Mit zunehmender Unternehmensgefährdung steigen somit die Anforderungen an die fortlaufende Aktualisierung der Zahlungsunfähigkeitsbeurteilung.

IV. Feststellung der Zahlungsunfähigkeit


1. Grundsätzliche Anforderungen


Die Beurteilung, ob eine insolvenzauslösende Zahlungsunfähigkeit vorliegt, ist angemessen und nachvollziehbar zu dokumentieren. Diese Dokumentation hat zum einen die Aufgabe, im Zweifelsfall den Nachweis der ordnungsgemäßen Erfüllung der Geschäftsführungspflichten liefern zu können, und dient zum anderen im Eröffnungsverfahren dem Insolvenzgericht bzw. dem vorläufigen Insolvenzverwalter als Informationsgrundlage für dessen eigene Beurteilung (Wagner, W. 1998).
Welche Anforderungen an Art und Umfang der Dokumentation zu stellen sind, lässt die Insolvenzordnung offen. IDW PS 800 empfiehlt zur Feststellung, ob der Tatbestand der Zahlungsunfähigkeit gegeben ist, die Aufstellung eines sog. Finanzplans, in dem die gesamte finanzielle Entwicklung des Schuldnerunternehmens durch Gegenüberstellung der zukünftigen Ein- und Auszahlungen dargestellt wird (IDW PS 800.15, 800.27). Unterschiede bei der Beurteilung der eingetretenen und der drohenden Zahlungsunfähigkeit bestehen lediglich in dem Planungshorizont, der dem Finanzplan zu Grunde gelegt wird:
1) Im Falle der Beurteilung der eingetretenen Zahlungsunfähigkeit wird der rechtlich relevante Planungshorizont einen Zeitraum von etwa drei Monaten umfassen. Eingetretene Zahlungsunfähigkeit liegt dabei vor, wenn der Finanzplan zeigt, dass bestehende Verbindlichkeiten, die innerhalb dieses Planungshorizonts fällig werden, über einen Zeitraum von etwa einem Monat nicht mehr aus gegenwärtig verfügbaren Finanzmitteln oder innerhalb des Planungshorizonts zu erwartenden Zahlungseingängen bedient werden können (zur Abgrenzung der Zahlungsunfähigkeit von einer vorübergehenden Zahlungsstockung vgl. II.1.).
2) Bei der Beurteilung der drohenden Zahlungsunfähigkeit wird der Planungshorizont in der Praxis i.d.R. durch das laufende und das kommende Geschäftsjahr begrenzt sein, da darüber hinausgehend Höhe und Zeitpunkt der Zahlungen nicht hinreichend sicher bestimmbar sind. Ergibt sich aus dem Finanzplan, dass innerhalb des Planungshorizonts mit überwiegender Wahrscheinlichkeit wesentliche, nicht behebbare Liquiditätsunterdeckungen auftreten werden, so liegt drohende Zahlungsunfähigkeit vor (IDW PS 800.7).
Der erforderliche Detaillierungsgrad des Finanzplans (Darstellung der Ein- und Auszahlungen quartals-, monats-, wochen- oder tageweise) wird durch die Länge des Planungshorizonts sowie durch das Ausmaß der Unternehmenskrise und durch den Grad der zum Prüfungszeitpunkt bestehenden Liquiditätsanspannung bestimmt.

2. Finanzplan als Instrument zur Beurteilung der Zahlungsunfähigkeit

a) Finanzstatus und Unternehmenskonzept als Grundlage des Finanzplans


Als Grundlage zur Erarbeitung eines Finanzplans ist zum einen ein detaillierter Finanzstatus und zum anderen ein schlüssiges und intersubjektiv nachvollziehbares Unternehmenskonzept zu erarbeiten.
Im Finanzstatus werden das zum Beurteilungsstichtag verfügbare Finanzmittelpotenzial des Unternehmens sowie die zu diesem Zeitpunkt bestehenden Verbindlichkeiten unter Berücksichtigung sowohl der bilanzierungsfähigen Vermögensgegenstände und Schulden als auch der zum Beurteilungsstichtag bestehenden schwebenden Geschäfte inventarmäßig erfasst und nach dem Grad der Liquidität bzw. Fälligkeit gegenübergestellt. Ein solcher Status ist aus dem Rechnungswesen des Schuldnerunternehmens abzuleiten. Die aus dem Rechnungswesen gewonnenen Daten sind dabei um Informationen über vorhandene Finanzierungsreserven (z.B. Möglichkeiten der Kapitalaufnahme, Veräußerung von Aktiva, Umschichtung von kurzfristigen in längerfristige Verbindlichkeiten) zu ergänzen.
In dem Unternehmenskonzept wird aufbauend auf den Status Quo der von der Unternehmensleitung geplante und realisierbare grundsätzliche Soll-Verlauf des Unternehmens unter Berücksichtigung exogener Umwelteinflüsse dargestellt. Grundlage eines solchen Unternehmenskonzepts ist die vollständige Erfassung der tatsächlichen wesentlichen Unternehmensdaten, der Ursachen- und Wirkungszusammenhänge sowie der unternehmensinternen und -externen rechtlichen und ökonomischen Einflussfaktoren. Hierauf aufbauend sind in dem Unternehmenskonzept insbes. die Vorgehensweisen und Potenziale darzustellen, die dem Unternehmen zukünftig die Möglichkeit eröffnen, nachhaltige Einnahmeüberschüsse zu erwirtschaften, um das finanzielle Gleichgewicht zu sichern. In Abhängigkeit von den Ursachen sowie dem Stand und dem Ausmaß der sich abzeichnenden Krise sind dabei im Einzelfall die unterschiedlichsten Zukunftsannahmen über den Unternehmensverlauf zu treffen. So kann das Unternehmenskonzept bspw. entweder die Unternehmensfortführung ggf. unter Veräußerung nicht betriebsnotwendiger Vermögensteile oder aber die Aufgabe der Unternehmenstätigkeit vorsehen (zum Unternehmenskonzept vgl. auch FAR, 1991; FAR, 1992; FAR, 1997).

b) Finanzplan


Im Finanzplan werden die im Finanzstatus ausgewiesenen Finanzpositionen durch Darstellung der zukünftig erwarteten Ein- und Auszahlungen mit dem Ziel fortentwickelt, für einzelne Zeitpunkte im Planungshorizont die jeweils erwarteten Ein- und Auszahlungen gegenüberzustellen und damit die Liquiditätsüber- oder -unterdeckung im jeweiligen Zeitpunkt zu ermitteln (zum Finanzplan vgl. ausführlich Drukarczyk, /Schlüter, 2000). Zu diesem Zweck sind im Finanzplan neben den im Finanzstatus ausgewiesenen zum Beurteilungsstichtag bestehenden Verbindlichkeiten und Finanzmittelpotenziale auch die zahlungswirksamen Konsequenzen der künftigen Geschäftsaktivitäten zu berücksichtigen, die aus dem von der Unternehmensleitung erarbeiteten Unternehmenskonzept abgeleitet werden. Auf der Grundlage des Unternehmenskonzeptes sind dabei die geplanten Ein- und Auszahlungen zu beziffern, die aus den einzelnen Teilplanungen des Unternehmens in die Finanzplanung münden.
Zur Beurteilung der Liquiditätsüber- oder -unterdeckung und damit der Zahlungsunfähigkeit sind sämtliche zum Beurteilungszeitpunkt begründeten Verbindlichkeiten gegliedert nach deren Fälligkeit in den Finanzplan einzubeziehen. Entscheidend für die Einbeziehung der Verbindlichkeiten in die Beurteilung ist, dass der Gläubiger den Zahlungsausgleich verlangen kann. Die Fälligkeit kann aufgrund besonderer gesetzlicher Regelungen, aufgrund einer Vereinbarung (bspw. Bedingung, Befristung, Fixgeschäft, Kasse gegen Faktura, Zahlung gegen Dokumente, Verfallklauseln) oder ausnahmsweise aufgrund einseitiger Parteierklärung (Kündigung) entstehen. Fehlt eine gesetzliche oder rechtsgeschäftliche Bestimmung der Fälligkeit und ergibt sie sich auch nicht aus den Umständen, so liegt nach der zivilrechtlichen Regelung sofortige Fälligkeit vor.
Als im Finanzplan zu berücksichtigende, am Beurteilungsstichtag begründete Zahlungspflichten nennt IDW PS 800.29 beispielhaft:

-

„ Lieferantenschulden mit vereinbartem Zahlungsziel,

-

Zins- und Tilgungsverpflichtungen bei Kontokorrentkrediten,

-

Darlehen entsprechend der Fälligkeit der vereinbarten Kapitaldienstraten,

-

Gesellschafterdarlehen, es sei denn, sie müssen aus Rechtsgründen nicht zurückgezahlt werden (Kapitalersatz) oder die Vereinbarung eines Erlasses oder Rangrücktritts ist mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu erwarten,

-

die nach Anstellungs- und Tarifverträgen sowie nach Betriebsvereinbarungen begründeten und durch Kündigung nicht vermeidbaren Lohn- und Gehaltszahlungen sowie Nebenleistungen,

-

die aufgrund von Anstellungsverträgen, Gesamtzusagen oder nach einem bestehenden Versorgungsvertrag künftig zu leistenden Pensionszahlungen,

-

Zahlungspflichten aufgrund von Dauerschuldverhältnissen,

-

Zahlungsverpflichtungen aufgrund sonstiger schwebender Geschäfte (Liefergeschäfte, Terminkontrakte etc.),

-

Zahlungspflichten aus beschlossenen Maßnahmen (Stillegung, Sozialplan),

-

bereits begründete Steuerverpflichtungen, wobei die Fälligkeit durch verspätete Abgabe der Steuererklärungen, Verzögerung der Veranlagung, Stundung oder Aussetzung der Vollziehung hinausgeschoben sein kann. “


Zusätzlich zu den nach ihrer Fälligkeit gegliederten Verbindlichkeiten sind im Finanzplan die zum Beurteilungszeitpunkt verfügbaren Finanzmittel sowie die innerhalb des Planungshorizonts erwarteten Zahlungsein- und -ausgänge, z.B. aus der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit und den noch nicht ausgeschöpften Möglichkeiten der Kapitalbeschaffung, zu berücksichtigen. Die Maßnahmen zur Sicherung des finanziellen Gleichgewichtes sind jedoch mit ihren erwarteten Auswirkungen nur insoweit in die Finanzplanung einzubeziehen, als davon auszugehen ist, dass die zahlungswirksamen Effekte mit überwiegender Wahrscheinlichkeit eintreten werden. Finanzierungsmaßnahmen, wie Kapitalerhöhungen, Aufnahme von Sanierungskrediten, etc., deren Realisierung zum Beurteilungsstichtag noch von Entscheidungen Dritter abhängen, sind im Rahmen der Finanzplanung nur zu berücksichtigen, wenn deren Durchführung hinreichend gesichert erscheint.
Als Beispiele für das im Finanzplan zu berücksichtigende Finanzmittelpotenzial nennt IDW PS 800.30:

-

„ Forderungsbestände,

-

zu erwartende Einzahlungen aus Umsatzprozessen, von denen jedoch die zukünftigen, derzeit noch nicht begründeten Zahlungspflichten abzusetzen sind,

-

erwartete Zuflüsse aus der Liquidation oder anderweitiger Freisetzung von Teilen des gebundenen Betriebsvermögens, abzüglich der in diesem Zusammenhang entstehenden Auszahlungen,

-

Finanzmittel aus geplanten Kreditaufnahmen,

-

Finanzmittel aus beabsichtigten Kapitalerhöhungen, Einlagen, Verlustübernahmen und Gesellschafterzuschüssen, sofern diese mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu erwarten sind. “


Zur Ausgestaltung des Finanzplans zur Beurteilung der Zahlungsunfähigkeit enthält IDW PS 800 nachfolgend abgedrucktes Beispiel:
Zahlungsunfähigkeit
Abb. 1: Finanzplan auf der Basis von gestaffelten Planungseinheiten und mehrmonatigem Planungshorizont
Literatur:
Balz, M./Landfermann, H.-G. : Die neuen Insolvenzgesetze, 2. A., Düsseldorf 1999
Braun, E./Uhlenbruck, W. : Unternehmensinsolvenz, Düsseldorf 1997
Drukarczyk, J./Schlüter, A. : Die Eröffnungsgründe der InsO: Zahlungsunfähigkeit, drohende Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung, in: Kölner Schrift zur Insolvenzordnung, hrsg. v. Arbeitskreis für Insolvenz- und Schiedsgerichtswesen e.V., , 2. A., Köln 2000, S. 95 – 139
FAR, : Stellungnahme FAR 1/1991: Anforderungen an Sanierungskonzepte, in: IDW-FN 1991, S. 319 – 324
FAR, : Stellungnahme FAR 1/1991: Anforderungen an Sanierungskonzepte, in: IDW-FN 1992, S. 75
FAR, : Stellungnahme FAR 1/1996: Empfehlungen zur Überschuldungsprüfung bei Unternehmen, in: WPg 1997, S. 22 – 25
Groß, P. J./Hess, H. : Die Zahlungsunfähigkeit als Insolvenzauslösungsgrund, in: WPg 1999, 422 – 427
Landfermann, H.-G. : Wesentliche Abweichungen des neuen Insolvenzrechts vom geltenden Recht, in: Beiträge zum neuen Insolvenzrecht, hrsg. v. Baetge, J., Düsseldorf 1998, S. 1 – 16
Uhlenbruck, W. : Die Insolvenzgründe, in: Beiträge zum neuen Insolvenzrecht, hrsg. v. Baetge, J., Düsseldorf 1998, S. 17 – 41
Wagner, W. : Ansatz und Bewertung im Status – Rechnungslegung im Insolvenzverfahren. in: Beiträge zum neuen Insolvenzrecht, hrsg. v. Baetge, J., Düsseldorf 1998, S. 43 – 70

 

 


 

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