A B C D E F G H I J K L M N O P Q R S T U V W X Y Z
wirtschaftslexikon wirtschaftslexikon
 
Wirtschaftslexikon Wirtschaftslexikon

 

wirtschaftslexikon online lexikon wirtschaftslexikon
   
 
     
wirtschaftslexikon    
   
    betriebswirtschaft
     
 
x

Unternehmensethik


Inhaltsübersicht
I. Notwendigkeit der Unternehmensethik
II. Schnittstellen zwischen BWL und Ethik
III. Unternehmensethische Ansätze
IV. Untersuchungsfelder der Unternehmensethik
V. Perspektiven

I. Notwendigkeit der Unternehmensethik


Die Notwendigkeit einer Beachtung ethischer Fragestellungen als Gegenstand betriebswirtschaftlicher Forschung und Lehre ergibt sich aus dem Gewicht dieser Probleme in der Praxis. Unternehmungen müssen nicht nur wirtschaftliche Entscheidungen der Investition, Produktion, Finanzierung usw. treffen, sondern häufig auch Konflikte mit ethischem Bezug lösen. Wie für andere Entscheidungen ist die Aufgabe der Wissenschaft darin zu sehen, die in der Realität auftretenden ethischen Probleme zu analysieren, Lösungskonzepte zu entwickeln und deren Konsequenzen herauszuarbeiten. Dies bedeutet nicht, dass dem Entscheidungsträger konkrete Wertungen und Lösungen vorgegeben werden. Vielmehr sind ihm Erkenntnisse und Instrumente für die Bewältigung der in der Unternehmung auftretenden ethischen Probleme zur Verfügung zu stellen.

II. Schnittstellen zwischen BWL und Ethik


1. Wissenschaftstheoretische Grundlagen


Ethik und Betriebswirtschaftslehre verstehen sich als wissenschaftliche Disziplinen, in denen Erkenntnisse erarbeitet werden, die in möglichst hohem Maße intersubjektiv überprüft sein sollen. Methoden der wissenschaftlichen Prüfung und der Grad an Prüfbarkeit hängen von der Art der Aussagen ab. Logische Aussagen stellen deduktive Schlüsse dar, in denen aus einer Reihe von Prämissen eine Folgerung gezogen wird, deren faktische Wahrheit anhand der zugrunde gelegten Logik bewiesen werden kann. Sie erreichen den höchsten Grad an Zuverlässigkeit, sind aber zugleich tautologisch. Beobachtungs- und realtheoretische Aussagen stellen Behauptungen über die Wirklichkeit auf. Ihre faktische Wahrheit ist daher an dieser überprüfbar. Jedoch können insbesondere generelle theoretische Hypothesen höchstens falsifiziert werden. Normative Aussagen nehmen eine Bewertung von Sachverhalten vor und kennzeichnen diese als positiv oder negativ mit dem Charakter einer Empfehlung. Da es für sie kein eindeutiges Prüfkriterium wie die Logik oder die Empirie gibt, mündet die intersubjektive Prüfung normativer Aussagen in die Forderung, jede Wertung zu begründen (Riklin, Alois 1986, S. 32). Dies beinhaltet die möglichst umfassende Angabe sowie Analyse der Gründe, die für und gegen eine Wertung vorgebracht werden können.

2. Wissenschaftsziele


Die Ethik (Schulz, Walter 1993; Pieper, Annemarie 2003) befasst sich mit Normen und Werturteilen, mit denen sich das Handeln bewerten lässt. Erkennt man die Freiheit jedes Einzelnen in Bezug auf seine grundlegenden Wertungen an, so geht es bei ethischen Problemstellungen darum, inwieweit Menschen als Einzelne und/oder als Gemeinschaft die von ihnen selbst als grundlegend erkannten und akzeptierten Werte befolgen können. In der Ethik diskutiert man insbesondere Methoden und Ansätze zur Begründung derartiger Wertungen und daraus abgeleiteter Normen.
Die BWL will als anwendungsbezogene Realwissenschaft Erkenntnisse über die Wirklichkeit gewinnen und Instrumente zur Lösung einzelwirtschaftlicher Probleme bereitstellen. Diese Aufgabe wird häufig durch die Wissenschaftsziele der Beschreibung, Erklärung und Prognose sowie Entscheidungsfindung oder Gestaltung konkretisiert. Während in der Ethik  normative Aussagen einen breiten Raum einnehmen, stehen in der BWL logische und empirische Aussagen im Vordergrund. Eine nähere Analyse (Küpper, Hans-Ulrich 2006) lässt jedoch erkennen, dass einerseits auch für die Ethik reale Erkenntnisse wichtig sind und andererseits in der BWL normative Prinzipien und Ansätze entwickelt sowie diskutiert werden. Die Wissenschaftsziele beider Disziplinen überschneiden sich daher in Bezug auf normative und ethische Komponenten bei wirtschaftlichen Entscheidungen in Unternehmungen.

3. Gegenstand der Unternehmensethik


Obwohl der Begriff Unternehmensethik häufig verwendet wird, entspricht ihm bislang (noch) kein klar gefasster Wissenschaftsbereich. Dabei schlägt sich in den begrifflichen Kennzeichnungen vielfach die normative Position des jeweiligen Autors nieder (Steinmann, Horst/Löhr, Albert 1994, S. 106; Ulrich, Peter 1991, S. 93; Homann, Karl/Blome-Drees, Franz 1992, S. 117). In der BWL ist es weithin üblich, die Untersuchungsgegenstände wichtiger Teilgebiete auf empirisch beobachtbare Sachverhalte zu beziehen. Dem entsprechend erscheint es zweckmäßig, den Gegenstand der Unternehmensethik in der Untersuchung ethischer Fragestellungen bei wirtschaftlichen Entscheidungen in Unternehmungen zu sehen. Sie beinhaltet also den Überschneidungsbereich von Betriebswirtschaftslehre und Ethik; dazu befasst sie sich mit der Analyse, Begründung, Anwendung und den Folgen von Normen, Werten sowie Werturteilen bei wirtschaftlichen Entscheidungen.
Da es in der Ethik um die Lebensgestaltung von Menschen geht, denen die Wertorientierung wissenschaftlich nicht vorgegeben werden kann (Küpper, Hans-Ulrich 2005a), und die marktwirtschaftliche Ordnung auf der Einräumung von Handlungsfreiheit beruht, erweisen sich die wirtschaftlichen Entscheidungen und Handlungen in Unternehmungen als der systematische Ort der Unternehmensethik. Diese ist Teil der Wirtschaftsethik, die ferner entsprechend Abb. 1 die Ethik des Wirtschaftssystems und der Wirtschaftspolitik umfasst.
Unternehmensethik
Abb. 1: Einordnung der Unternehmensethik

III. Unternehmensethische Ansätze


1. Systematisierung


Für eine Systematisierung unternehmensethischer Ansätze bietet sich entsprechend Abb. 2 eine Unterscheidung nach dem verfolgten Wissenschaftsziel in deskriptive, normative und analytische Ansätze an. Deskriptive Aussagensysteme zielen auf eine Beschreibung und Erklärung bzw. Prognose realer Sachverhalte ab. Dagegen enthalten normative Ansätze Werturteile, wobei ihre formalen Ausprägungen Normen zur Herleitung von Werten empfehlen, während die materialen möglichst allgemeingültige Werte für das unternehmerische Handeln suchen. Die analytische Unternehmensethik zielt auf die Untersuchung ethischer Fragestellungen in Unternehmungen ab und greift dazu Komponenten der verschiedenen Ansätze auf.
Unternehmensethik
Abb. 2: Systematik von Ansätzen der Unternehmensethik

2. Deskriptive Unternehmensethik


Die Aufgabe einer deskriptiven Unternehmensethik ist darin zu sehen, die Existenz und Wirkung ethisch relevanter Normen und Werte in Unternehmungen zu erfassen und zu erklären (Küpper, Hans-Ulrich 2006, S. 96 ff.). In ihr wird untersucht, welche ethischen Normen und Werturteile die in und für Unternehmungen tätigen Personen verfolgen, in welchem Umfang und in welchen Bereichen diese wirksam sind und wie sich ihre Beachtung auf die wirtschaftlichen Entscheidungen, Handlungen sowie Prozesse auswirkt.

3. Normative Ansätze der Unternehmensethik

a) Rationalitätsansätze


In der normativen Entscheidungstheorie (Laux, Helmut 2005) werden Aussagen über rationales Verhalten aus Prämissen logisch hergeleitet. Da sich für die Geltung normativer Prämissen nur Gründe angeben lassen, können die abgeleiteten Empfehlungen zur Rationalität nicht den Anspruch einer logischen oder faktischen Wahrheit und damit der allgemeinen Gültigkeit erheben. Die zugrunde gelegten Axiome werden als vernünftig oder einleuchtend angesehen, ohne einen expliziten Bezug zu dem Verständnis von Vernunft in der Ethik herzustellen; jedoch besteht keine Notwendigkeit, dass der konkrete Entscheidungsträger sie akzeptiert.
Die in der Entscheidungstheorie entwickelten Normen beziehen sich auf das Treffen von rationalen Entscheidungen unter verschiedenen Bedingungen und nicht auf den Inhalt der Entscheidungen oder die für sie maßgebenden Ziele. Insofern lässt sie sich als formal- (und nicht material-)normativer Ansatz der Wirtschafts- und somit auch der Unternehmensethik interpretieren, in dem ein bestimmtes Rationalitätsverständnis konkretisiert wird. Entscheidungen werden als bewusste und zielorientierte Wahl zwischen Alternativen verstanden, die von einer Einzelperson oder einer Mehrheit von Personen getroffen wird.
Charakteristisch für das Vorgehen in der Entscheidungstheorie ist der Versuch, das Rationalitätsverständnis auf grundlegende Axiome zurückzuführen, aus denen sich die entscheidungstheoretischen Regeln logisch herleiten lassen. Diese Axiome sollen nach Möglichkeit einfach und überzeugend sein; dies bedeutet, dass man das in der Entscheidungstheorie entwickelte Verständnis von Rationalität anhand derartiger, einleuchtend erscheinender Axiome plausibel zu begründen versucht.

b) Prozessorientierte Ansätze


Prozessorientierte Ansätze der Unternehmensethik befassen sich mit der Frage, wie man in Unternehmungen zu ethischen Normen gelangen sollte. Die beiden wichtigsten, innerhalb der Betriebswirtschaftslehre entwickelten Konzepte dieser Art basieren auf der Diskurs- bzw. Dialogethik (Habermas, Jürgen 2001). Da die Betroffenen an der Bestimmung der Normen partizipieren sollen, werden diese Ansätze auch als kommunikationsorientierte Ansätze bezeichnet.
Für Horst Steinmann und seine Schüler (Steinmann, Horst/Löhr, Albert 1994; Steinmann, Horst/Löhr, Albert 1995) liegt der Anfang ethischer Überlegungen in der Lebenspraxis. Von zentraler Bedeutung für das Zusammenleben in der Gesellschaft und deren Bestehen ist, dass die Konflikte über die für die gemeinsame Gestaltung des Lebens maßgeblichen Werte friedlich beigelegt werden. Aus dieser Einsicht in die Lebenswirklichkeit heraus bildet das Friedensziel die oberste Norm ihres Konzepts. Die Erfahrung lehre, dass Frieden nur dort entstehe, wo Konflikte durch einen Konsens zwischen den Beteiligten beigelegt werden. Deshalb werden die von der Dialogethik herausgearbeiteten Bedingungen eines freien Konsenses auf Unternehmungen bezogen. Unvoreingenommenheit, Nicht-Persuasivität, Zwanglosigkeit und Sachverständigkeit des Dialogs sollen bewirken, dass eine Einigung durch Argumentation erreicht wird. Charakteristisch für diesen Ansatz der Unternehmensethik ist dabei, dass die Orientierung am Gewinnprinzip vorausgesetzt wird und man dessen situationsgerechte Anwendung fordert. Da hierbei Freiheitsgrade für Unternehmensentscheidungen verbleiben, bezieht sich dieses Konzept auf die Entwicklung konsensfähiger und gewinnträchtiger Unternehmensstrategien.
Der Ansatz von Peter Ulrich (Ulrich, Peter 2001) ist in eine Integrative Wirtschaftsethik eingebunden. Ulrich hält eine Vernunftethik des Wirtschaftens für erforderlich. Deren Basis bildet eine umfassende und tief gehende Grundlagenreflexion der ökonomischen Vernunft, in der er die Konzepte der ökonomischen Theorie einer kritischen Analyse unterzieht und deren normative Hintergründe herauskristallisiert. Nach seiner Auffassung ist für die Lösung der wegen der Güterknappheit unvermeidlichen Konflikte nicht nur das wirtschaftliche Kriterium der Effizienz maßgebend. Die für wirtschaftliche Entscheidungen bestimmenden Kriterien müssen auch ethisch legitim sein, was durch diskursethische Verfahren erreichbar ist. Die integrative Wirtschaftsethik gliedert sich in Wirtschaftsbürger-, Ordnungs- und Unternehmensethik. Letztere betrifft eine geschäftsethische Verantwortung für die in einer Unternehmung durchgeführten Wertschöpfungsprozesse, ferner als republikanische Unternehmensethik eine branchen- und ordnungspolitische Mitverantwortung. Die konkrete Umsetzung der Unternehmensethik setzt an der Unternehmensführung, der Unternehmensverfassung und den Stakeholderbeziehungen an.

c) Ökonomische Unternehmensethik


Karl Homann (Homann, Karl/Blome-Drees, Franz 1992; Homann, Karl 2003) versteht Wirtschaftsethik als Ethik mit ökonomischer Methode und rückt das Problem der Durchsetzung von Normen unter den Bedingungen moderner Gesellschaften in den Vordergrund. Die für die Ökonomik charakteristische Methode sieht er insbesondere in der Anwendung von Vorteils-/Nachteils-Kalkulationen auf menschliche Interaktionen. Dabei folgt sein methodenorientierter Ansatz einem sehr weiten Verständnis von Vor- und Nachteilen, das auch nichtmonetäre Ziele wie Gesundheit, langes Leben oder Werte wie Freiheit, Frieden usw. umfasst. Die Betonung der Implementationsfrage macht nachvollziehbar, dass Homann den systematischen Ort der Moral in der Rahmenordnung sieht, in die Unternehmungen eingebunden sind. Das Wirtschafts-, Rechts- und Sozialsystem ist nach seiner Auffassung so zu gestalten, dass für die einzelwirtschaftlichen Entscheidungsträger Anreize für ein Handeln entsprechend den in einer Gesellschaft vertretenen Normen bestehen. Diese Konzeption wird durch den Verweis auf die Unterschiede zwischen Spielzügen und Spielregeln sowie auf das in der ökonomischen Spieltheorie herausgearbeitete Problem des Gefangenendilemmas veranschaulicht. Aufgabe der Wirtschaftsethik ist es nach Homann, moralische Dilemmasituationen aufzudecken, zu analysieren und Lösungen für ihre Überwindung zu erarbeiten. Den Ansatzpunkt für die Unternehmensethik sieht er in der systematischen Unvollständigkeit von Regelsystemen, die Aufgabe der Unternehmensethik in der Ausfüllung bzw. Änderung moralisch unvollständiger oder ggf. fehlerhafter Rahmenordnungen. Dies umfasst nach außen die Einflussnahme von Unternehmungen auf die Rechts- und Wirtschaftsordnung und die Akzeptanz von Leitlinien in der Wirtschaft sowie nach innen die Aufdeckung und Analyse von Konfliktfeldern zwischen ökonomischen und gesellschaftspolitischen Zielen.

4. Ansätze einer material-normativen Unternehmensethik


Material-normative Ansätze der Unternehmensethik befassen sich mit dem Inhalt ethischer Normen, die von Unternehmungen als Ziele befolgt bzw. als Beschränkungen ihres Handelns beachtet werden sollten. Während derartige Konzepte früher in der Betriebswirtschaftslehre stärker verbreitet waren, findet man seit dem 2. Weltkrieg hierzu lediglich vereinzelte Ansätze (Loitlsberger, Erich 1971; Staehle, Wolfgang H. 1973). Explizit auf einer christlichen Basis baut die von Hartmut Kreikebaum (Kreikebaum, Harmut 1996) vorgeschlagene Entscheidungsethik auf. In ihr spielt die Analyse und Wahrnehmung von Verantwortung bei Unternehmensentscheidungen eine zentrale Rolle. Zugleich versucht er, eine pragmatisch orientierte Antwort auf den bei Unternehmensentscheidungen notwendigen Ausgleich zwischen Effizienz und Moral zu geben.

5. Analytische Unternehmensethik


Nach dem analytischen Konzept sind in der Unternehmensethik (Küpper, Hans-Ulrich 2005a; Küpper, Hans-Ulrich 2006) die bei wirtschaftlichen Entscheidungen in Unternehmungen auftretenden Wertprobleme mit wissenschaftlichen Methoden zu analysieren und Möglichkeiten zu ihrer Lösung zu entwickeln. Dadurch erhalten die in der Praxis Verantwortlichen Erkenntnisse, mit denen sie ihre Wert-Entscheidungen besser fundiert treffen können. In einem solchen Konzept bildet die explizite Analyse von Wertkonflikten die Basis für den Inhalt ethischer Diskurse, die Anwendung inhaltlich bestimmter Normen und die Ausfüllung moralisch unvollständiger Rahmenordnungen. Für die Durchführung eines derartigen Konzepts werden Komponenten der verschiedenen deskriptiven und normativen unternehmensethischen Ansätze herangezogen.

IV. Untersuchungsfelder der Unternehmensethik


1. Analysedimensionen


Um die von der Unternehmensethik zu behandelnden Sachverhalte systematisch zu erfassen, kann man entsprechend Abb. 3 alle wichtigen Unternehmensbereiche nach mehreren Dimensionen untersuchen. Ethische Fragestellungen wirtschaftlicher Unternehmensentscheidungen werden nach diesem Konzept einer Wirkungs-, Beziehungs- und Konfliktanalyse sowie Begründungsanalyse unterworfen (Küpper, Hans-Ulrich 2006, S. 148 ff.).
Unternehmensethik
Abb. 3: Analysedimensionen und Anwendungsbereiche der Unternehmensethik
Auf Basis von Erkenntnissen der deskriptiven Unternehmensethik über die Verankerung der in der Realität bestehenden Werthaltungen stehen in der Wirkungsanalyse zwei Untersuchungsrichtungen im Vordergrund. Um die Kluft zwischen den rein ökonomischen Kategorien und den für die Lebensgestaltung von Menschen relevanten Werten zu überbrücken, sind einerseits die empirischen Beziehungen zwischen Unternehmensentscheidungen und der Erfüllbarkeit ethischer Kriterien zu analysieren. Das Handeln des Einzelnen in einer Unternehmung wirkt sich nämlich auf die persönliche Lebensgestaltung sowie die Zufriedenheit mit ihr aus; zugleich prägen die individuellen Antriebe und Motive dessen Entscheidungen und Verhalten in der Unternehmung. Andererseits beeinflussen individuelle und soziale Werte sowie Regelsysteme die Unternehmensentscheidungen und deren Konsequenzen. Dabei ist zu untersuchen, wie sich die individuell verankerten Wertvorstellungen auf das bewusste sowie unbewusste Handeln (vgl. Roth, Gerhard 2003, S. 196 ff.) der in einer Unternehmung tätigen Personen auswirken.
Ausgehend von den Erkenntnissen der Wirkungsanalyse sind maßgebliche Beziehungen sowie Konflikte zwischen ethischen Normen und ökonomischen Zielen aufzudecken. Wertkonflikte treten auf allen Hierarchieebenen sowie in allen Führungs- und Funktionsbereichen auf. Eine besondere Bedeutung erhält diese Beziehungs- und Konfliktanalyse durch das Aufeinandertreffen unterschiedlicher Kultur- und damit Normensysteme im internationalen Zusammenhang. Anhand der Beziehungsanalyse lassen sich die effizienten Alternativen erkennen, unter denen eine Lösung zu suchen ist. Dafür ist in der BWL ein breites Instrumentarium entwickelt worden, mit dem man trotz konkurrierender Kriterien geeignete Handlungsalternativen auswählen kann. Ein anderer Lösungsweg besteht in der Suche nach neuen Alternativen, mit denen eine gleichzeitige Erfüllung ökonomischer und ethischer Werte erreichbar wird.
Normative Aussagen werden erst in der Begründungsanalyse formuliert. Da sich normative Aussagen weder aus logischen noch aus empirischen Aussagen herleiten lassen, beinhaltet ein Begründungsverfahren die Zurückführung auf eine in der Regel allgemeinere Norm oder auf Personen, deren Normen als vorgegeben übernommen werden. Dieser Ausgangspunkt der Begründung entzieht sich einer intersubjektiven Überprüfung. Prüfbar ist jedoch der Zusammenhang zwischen dem jeweils angenommenen Basiswert und der zu begründenden Norm. Dieser kann einmal eine systematische, möglichst logische Kette von Beziehungen zwischen der betrachteten und einer übergeordneten Norm umfassen. Zum anderen kann die Befolgung einer Norm empirische Wirkungen auslösen, die als wünschenswert eingeschätzt werden.

2. Anwendungsbereiche


Das Handeln in der Unternehmung ist in einen Rahmen grundlegender Regeln der Corporate Governance eingebunden, welche die Rechte und Pflichten der in ihr wirkenden Personen und die Grundstruktur ihrer Ziele sowie ihrer maßgeblichen Organe festlegen. Mit den grundlegenden Prinzipien und Strukturen für das Führungs- und Leitungssystem wird durch diesen Rahmen bestimmt, welche Werte für das Handeln in der Unternehmung und dessen Grenzen maßgeblich sind.
Innerhalb des Führungssystems sind die Strukturierung und Überprüfung zielorientierter Entscheidungen der wesentliche Gegenstand in der Planung und Kontrolle. Mit ihrem engen Bezug zur Verantwortung liefert die Analyse von Entscheidungen eine wichtige Brücke zu Fragestellungen der Ethik. Deshalb bilden Entscheidung und Verantwortung einen Ausgangspunkt für die Analyse ethischer Fragestellungen im Führungssystem von Unternehmungen. Maßgeblich für die konkrete Planung und Kontrolle sind die in ihnen verwendeten Ziele. Für die Untersuchung des Werte- und Zielsystems von Unternehmungen bietet die betriebswirtschaftliche Zielforschung eine wertvolle Grundlage. Auf die Umsetzung der Entscheidungen sind die Führungsteilsysteme der Personalführung und Organisation gerichtet. In ihnen treffen ökonomische und individuelle sowie soziale Vorstellungen unmittelbar aufeinander. Deshalb ist der Bezug unternehmerischer Entscheidungen zu ethischen Werten und Normen in ihnen besonders deutlich. Dagegen wird erst durch die nähere Analyse ihrer normativen Komponenten sichtbar, welche Bedeutung die Unternehmensrechnung als wichtigstes Informationsinstrument der Unternehmensführung für ethische Fragestellungen besitzt (vgl. Küpper, Hans-Ulrich 2005b).
Über die Führungsteilsysteme werden die Leistungsprozesse gesteuert. Deshalb treten ethische Fragestellungen primär im Führungssystem auf. Zudem sind die Leistungserstellung und -verwertung sowie deren Finanzierung in hohem Maße von technologischen Zusammenhängen beeinflusst. Dennoch treten insbesondere in Produktion und Marketing sowie Investition und Finanzierung spezifisch ethische Fragestellungen auf. Diese zeigen sich beispielsweise im Hinblick auf die Umwelt- und die Sozialverträglichkeit von Produkten, die Bedeutung der Arbeitsstrukturierung für die individuelle Lebensgestaltung, die Belastung der natürlichen Umwelt durch Produktionsprozesse oder bei zweifelhaften Aktivitäten des Marketing, wie sie z.B. Preisabsprachen, Bestechung und sittenwidrige Werbung darstellen. Die logische und empirische Analyse der im Leistungsspektrum auftretenden Konflikte zwischen ökonomischen, Human- und Umweltzielen, der für die Entscheidungsfindung relevanten technologisch-natürlichen Zusammenhänge z.B. des Ökosystems und einsetzbarer Konfliktlösungsverfahren liefert den Entscheidungsträgern Erkenntnisse und Instrumente, mit denen sie fundierter zu ökonomisch und ethisch akzeptierbaren Lösungen gelangen können.

V. Perspektiven


Mit Hilfe logischer und empirischer Methoden lassen sich Erkenntnisse zum Umgang mit ethischen Fragestellungen in Unternehmungen gewinnen. Damit kann die BWL Forschungsergebnisse erarbeiten, welche die Entscheidungsträger in der Praxis nutzen können und die sich in die Lehre einbringen sowie dort, z.B. anhand von Fallstudien, ausloten lassen. Zugleich tragen unternehmensethische Analysen dazu bei, in der BWL zu wissenschaftlich besser fundierten Verfahren für die Behandlung normativer Probleme zu gelangen.
Literatur:
Habermas, Jürgen : Erläuterungen zur Diskursethik, 3. A., Frankfurt 2001
Homann, Karl : Anreize und Moral, Münster 2003
Homann, Karl/Blome-Drees, Franz : Wirtschafts- und Unternehmensethik, Göttingen 1992
Kreikebaum, Hartmut : Grundlagen der Unternehmensethik, Stuttgart 1996
Küpper, Hans-Ulrich : Analytische Unternehmensethik als betriebswirtschaftliches Konzept zur Behandlung von Wertkonflikten in Unternehmungen, in: Zeitschrift für Betriebswirtschaft, Jg. 75, 2005a, S. 833 – 858
Küpper, Hans-Ulrich : Unternehmensrechnung und Ethik, in: Kritisches zu Rechnungslegung und Unternehmensbesteuerung. Festschrift zur Vollendung des 65. Lebensjahres von Theodor Siegel, hrsg. v. Schneider, Dieter/Rückle, Dieter/Küpper, Hans-Ulrich et al., Berlin 2005b, S. 23 – 44
Küpper, Hans-Ulrich : Unternehmensethik. Hintergründe, Konzepte, Anwendungsbereiche, Stuttgart 2006
Laux, Helmut : Entscheidungstheorie, 6. A., Berlin 2005
Loitlsberger, Erich : Metaökonomische Wertvorstellungen und Rechtsordnungen als Determinanten betriebswirtschaftlicher Theorie, in: Wissenschaftsprogramm und Ausbildungsziele der Betriebswirtschaftslehre, hrsg. v. Kortzfleisch, Gert von, Berlin 1971, S. 79 – 99
Pieper, Annemarie : Einführung in die Ethik, 5. A., Tübingen et al. 2003
Riklin, Alois : Ein überraschend junger Streit, in: Im Gespräch: Wirtschaftsethik. Ausweg aus der Ordnungskrise: die neue Ordnung, Sondernummer August, hrsg. v. Institut für Gesellschaftswissenschaften Walberg e. V., , Bonn 1986, S. 16 – 37
Roth, Gerhard : Fühlen, Denken, Handeln. Wie das Gehirn unser Verhalten steuert, Frankfurt a.M. 2003
Schulz, Walter : Grundprobleme der Ethik, 2. A., Stuttgart 1993
Staehle, Wolfgang H. : Plädoyer für die Einbeziehung normativer Aussagen in die Betriebswirtschaftslehre, in: Zeitschrift für betriebswirtschaftliche Forschung, Jg. 25, 1973, S. 184 – 197
Steinmann, Horst/Löhr, Albert : Grundlagen der Unternehmensethik, 2. A., Stuttgart 1994
Steinmann, Horst/Löhr, Albert : Unternehmensethik als Ordnungselement in der Marktwirtschaft, in: Zeitschrift für betriebswirtschaftliche Forschung, Jg. 47, 1995, S. 143 – 174
Ulrich, Peter : Unternehmensethik. Führungsinstrument oder Grundlagenreflexion?, in: Unternehmensethik, hrsg. v. Steinmann, Horst/Löhr, Albert, 2. A., Stuttgart 1991, S. 189 – 210
Ulrich, Peter : Integrative Wirtschaftsethik. Grundlagen einer lebensdienlichen Ökonomie, 3. A., Bern et al. 2001

 

 


 

<< vorhergehender Begriff
nächster Begriff >>
Unternehmensergebnis
 
Unternehmensführung