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Lobbying


Inhaltsübersicht
I. Methoden und Ansatzpunkte des Lobbyings
II. Praktische Bedeutung des Lobbyings

I. Methoden und Ansatzpunkte des Lobbyings


Lobby stammt ursprünglich vom germanischen Wortstamm „ louba “ ab und bedeutet Laube oder Vorhalle. Ausgangspunkt für das Verständnis von Lobbying war denn auch tatsächlich eine Hotellobby in Washington DC gegen Ende des 19. Jahrhunderts. Historisch belegt ist die Namensgebung durch den 17. Präsidenten der USA, Ulisses Grant, Ulisses, der abends, nach getaner Arbeit in der Lobby des Wilard Hotels seine Berater und andere Interessenten an bestimmten Dossiers zu einem Drink und einem Gespräch an der Bar zu treffen pflegte und diese Personen in Anlehnung an den Ort des Geschehens erstmals Lobbyisten nannte. Heute werden unter Lobbying gemeinhin vielfältige intensive Aktivitäten von gesellschaftlichen Gruppen, Wirtschaftsverbänden und Firmenvertretungen im Vorhof von Politik und Bürokratie verstanden (vgl. dazu u.a. Köppl, Peter  2000; Mack, Charles S.  1997). Damit kommt der informelle Charakter des Lobbyismus zum Ausdruck, wonach politische Entscheidungen nicht nur in Plenarsälen getroffen werden, sondern v.a. auch im Vorfeld, dem vorpolitischen Raum der Willensbildung und des Interessenabgleichs.
Lobbying beinhaltet zwei zentrale Aufgaben: einerseits die Informationsbeschaffung über geplantes oder im Gang befindliches staatliches Handeln sowie über öffentliche Themen und Anliegen und andererseits den Versuch oder die Kunst des Einwirkens auf dieses in Planung oder Ausführung befindliche staatliche Handeln sowie auch auf bestehende Gesetze und Reglementierungen (Personelle Verflechtungen; Management und Recht). Diese beiden Aufgaben werden nun im Folgenden unter drei Gesichtspunkten angesehen: erstens des Stakeholder Managements, zweitens des Issue Managements und drittens der Corporate Social Responsibility.

1. Lobbying in einer Stakeholderperspektive


Politische Behörden und Gremien sind häufig Stakeholder, welche einen großen Einfluss auf die Unternehmenstätigkeit ausüben können. Politische Behörden und Gremien sind damit strategisch wesentliche Stakeholder. Ein Stakeholder ist nach gängiger Definition jeder, der einen „ stake “ bzw. einen Anspruch an die Unternehmung hat, weil er durch das Handeln dieser Unternehmung beeinflusst wird und damit Risikoträger ist oder weil er einen Nutzen für das Unternehmen stiften kann (vgl. Post, James E./Preston, Lee E./Sachs, Sybille  2002). Diese Beziehungen zwischen Unternehmung und Stakeholder sind immer interaktiv (Blair, Margaret M.  1995; Clarkson, Max B. E.  1995; Freeman, Richard E.  1994; Mitchell, Ronald K./Agle, Bradley R./Wood, Donna J.  1997; Windsor, Duane  1998; Freeman, Richard E.  1984). Stakeholder mit ähnlichen Ansprüchen können zu sog. Stakeholdergruppen zusammengefasst werden. Durch die Art und Weise, wie die einzelnen Stakeholdergruppen ihre Ansprüche artikulieren, können sie mehr oder weniger Macht über eine Unternehmung ausüben, d.h. sie können den unternehmerischen Handlungsspielraum und letztlich auch den Erfolg einer Unternehmung unterschiedlich stark beeinflussen. Allerdings kann auch die Unternehmung in unterschiedlichem Maße Macht über die verschiedenen Stakeholdergruppen ausüben.
Die einzelnen Stakeholderbeziehungen sind nicht nur bilateraler Art, vielmehr sind die verschiedenen Anspruchsgruppen auf vielfältige Weise miteinander interaktiv vernetzt. Wenn also effektives Lobbying betrieben werden soll, müssen immer auch die Einflüsse von vernetzten Stakeholdergruppierungen auf die Politiker berücksichtigt werden.
Bei Lobbying im Rahmen des Stakeholder Managements stellt sich deshalb die Frage, wie eine Unternehmung die unterschiedlichen Anspruchsgruppen erkennen, die für sie relevanten Gruppierungen bestimmen und mit den unterschiedlichen Ansprüchen und dem komplexen Beziehungsgefüge umgehen kann. Ein pragmatisches Stakeholder Management für Unternehmungen umfasst deshalb folgende Hauptpunkte:

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Zuerst müssen die für eine Unternehmung relevanten Stakeholdergruppen bestimmt und hinsichtlich ihrer Haltung gegenüber der Unternehmung analysiert werden. Beim Lobbying sollen insb. der Informationsstand, die Ziele, Maßnahmen, Mittel der politischen Stakeholdergruppierungen und deren Beziehungen zu den anderen strategisch relevanten Stakeholdergruppen überprüft werden.

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Die so gewonnenen Erkenntnisse können von der Unternehmung für die Formulierung des strategischen Vorgehens und die Setzung der strukturellen Rahmenbedingungen des Lobbyings verwendet werden.

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Schließlich erfolgt die Umsetzung und Kontrolle des Stakeholder-Konzepts, was als interaktiver Prozess zu verstehen ist: Einerseits überwachen die Stakeholder die Handlungen der Unternehmung durch ihre Gruppierungen (z.B. Wirtschaftspresse, Konsumentenforum etc.) und andererseits überwachen die Unternehmungen die Effizienz der Umsysteme (z.B. wirtschaftspolitisches Verhalten des Staates).


2. Lobbying als strategische Maßnahme des Issue Managements


Lobbying bedeutet das Einwirken auf politische Entscheidungsträger und -prozesse durch Unternehmen und Unternehmensverbände. Lobbying wird demnach als wesentliche strategische Maßnahme im Rahmen des Issue Managements eingesetzt, um den Entwicklungsprozess eines Issues, der für die Unternehmung relevant ist, mitzugestalten.
Bei Issues handelt es sich um einzelne Streitfragen bzw. um Differenzen in den Erwartungen verschiedener, für die Unternehmung relevanter, Gruppierungen (vgl. dazu u.a. Frederick, William C./Davis, Keith/Post, James E.  1992; Wood, Donna J./Jones, Raymond E.  1995). Beim Lobbying ist nun insb. die Stellung der politischen Gruppierungen relevant. Das Issue Management grenzt sich von der reaktiven Issue-Bewältigung, dem sog. Krisenmanagement, insb. dadurch ab, dass die Unternehmungen durch die ständige Überwachung der Umsysteme sowie aufgrund geeigneter Analyseinstrumente Issues frühzeitig erkennen können, und somit der unternehmerische Handlungsspielraum für die Issue-Bewältigung gewahrt bleibt. Der Aspekt der aktiven oder gar proaktiven Mitgestaltung bei der Bewältigung von Issues fällt demgegenüber beim reaktiven Krisenmanagement weg.
Üblicherweise beinhaltet das Issue Management vier Phasen: Issue-Identifikation, Issue-Analyse, Entwicklung von Issue-bezogenen Handlungsalternativen und Evaluation.
Die Identifikation von Issues muss sich vor dem Hintergrund von Vorstellungen darüber, welche Handlungsbereiche (hier politische Issues) für die Unternehmung strategisch relevant seien, vollziehen. Ein mögliches Vorgehen ist, mit Hilfe von Expertenhearings potenzielle wesentliche politische Issues frühzeitig zu erkennen. Mitunter verfügen Unternehmungen auch über eigene Politikberater, etwa als Spezialisten in einer Public-Affairs-Abteilung.
In der Analysephase muss sich die Unternehmung entscheiden, welche Issues für sie strategisch relevant sind und welche nicht. Ein wesentliches Instrument der Issue-Analyse ist die Lebenszyklusmethode (s. Abb. 1, vgl. dazu Carroll, Archie B.  1996; Liebl, Franz  1994)
Lobbying
Abb. 1: Lebenszyklus eines sozialen Issues
Je früher ein Issue von der Unternehmung erkannt wird, desto mehr ist der Verlauf dieses Issues noch beeinflussbar und desto interessanter ist es für eine Unternehmung, dieses Issue aktiv mitzugestalten. Dies gilt insb. auch beim Lobbying. Politiker werden häufig erst in der Aufschwungphase oder sogar erst in der Reifephase eines Issues wirklich aktiv. Wenn Unternehmungen sich aber bereits in der Emergenzphase mit solchen Issues beschäftigen, sind sie in der Lage, ein erfolgreicheres Lobbying zu betreiben, da sie über den „ First Mover Advantage “ verfügen.
In der nächsten Phase können geeignete Maßnahmen für den Umgang mit den strategisch relevanten Issues entwickelt werden. Es wird das detaillierte Vorgehen der Lobbyingstrategie und ihrer strukturellen Voraussetzungen festgelegt.
In der letzten Phase (Evaluation) erfolgt die Kontrolle der gewählten Maßnahmen. Wie bereits die Phasen 1 bis 3 des Issue Managements, ist auch die Evaluation interaktiv: Die Gesellschaft überwacht bezüglich des jeweiligen Issues die Handlungen der Unternehmungen durch staatliche Regulierungen und private Gruppierungen (z.B. Non Governmental Organizations etc.). Die Unternehmung überwacht die Gesellschaft auf ihre Effizienz bei der Bewältigung des Issues hin (z.B. Sensibilisierung der Öffentlichkeit für Ökologie durch das Anbieten ökologischer Produkte etc.).

3. Lobbying in der Perspektive der unternehmerischen Verantwortung


Lobbying soll auch in der Perspektive der unternehmerischen Verantwortung diskutiert werden. Der Umfang und die Kategorien einer breit verstandenen, gesamtunternehmerischen Verantwortung können in einer Pyramide (Carroll, Archie B.  1996) dargestellt werden, die auch die Entwicklung der zunehmenden Verantwortlichkeiten der Unternehmungen im Zeitablauf ausdrückt (Abb. 2).
Lobbying
Abb. 2: Die Pyramide der unternehmerischen Verantwortung (Carroll, Archie B.  1996, S. 39).
Auf der ersten Stufe der Verantwortungspyramide dominiert die ökonomische Verantwortung der Unternehmung. Eine Unternehmung soll für ihre Eigentümer möglichst viel Profit machen. Lobbying soll also zum ökonomischen Erfolg einer Unternehmung beitragen. Eine Unternehmung soll in dieser Perspektive ihre Lobbyingstrategie so ausrichten, dass der unternehmerische Handlungsspielraum erhalten bleibt, dass sie ihn erfolgsorientiert nutzen kann und dass sich die Unternehmung unter den jeweiligen Rahmenbedingungen ihre Wettbewerbsposition erhalten kann.
Die nächste Phase, und damit die nächste Stufe in der Verantwortungspyramide von Carroll, ist gekennzeichnet durch Gesetzeserlasse. Bedingt durch das enorme Wachstum der Unternehmungen und die zunehmende Komplexität des Marktes kann man in dieser Phase eine starke Zunahme der Regulierung der unternehmerischen Tätigkeiten beobachten. Lobbying auf dieser Stufe zielt auf die Gesetzgebung und auf die Beeinflussung des Interpretationsspielraums der Gesetze zugunsten der spezifischen Anforderungen der Unternehmung ab.
Wenn ein Unternehmen seine Lobbyingstrategie nur ausschließlich auf die ökonomische und gesetzliche Verantwortung ausrichtet, wird ihr häufig Machtmissbrauch vorgeworfen. Es wird verlangt, dass im Lobbying auch die ethische Verantwortung berücksichtigt werden soll, d.h. es sollen jene Normen berücksichtigt werden, die zwar gesetzlich nicht verankert sind, aber dennoch von der Gesellschaft bzw. den gesellschaftlichen Gruppierungen vertreten werden.
Die philanthropische Verantwortung, als letzte Stufe der Verantwortungspyramide und als nächste Phase in der Entwicklung der Diskussion über die unternehmerische Verantwortung, geht über die gesetzliche und ethische Verantwortung hinaus, indem sie auch unternehmerisches Engagement beinhaltet, das die gesellschaftliche Wohlfahrt steigert und auf Freiwilligkeit von Seiten der Unternehmung basiert. Hier kann eine Unternehmung Lobbying für Anliegen betreiben, die von öffentlichem Interesse sind (z.B. Gleichstellung, Bildung etc.).

II. Praktische Bedeutung des Lobbyings


Lobbying gewinnt z.Zt. besonders durch die Globalisierung an Bedeutung. Unternehmungen sind jene gesellschaftlichen Institutionen, die am weitesten in der Globalisierung fortgeschritten sind. Damit übernehmen sie zunehmend auch politische Aufgaben, und die Verflechtung von Politik und Wirtschaft wird damit noch enger.
Diese Entwicklung wird zunehmend mit Vorbehalt verfolgt. Insbesondere Non Governmental Organizations hinterfragen die Macht von großen Unternehmungen und verbinden Lobbying immer häufiger auch mit Korruption. Dies wird gestützt durch die aktuellen Skandale in Unternehmungen in den USA, aber auch im deutschsprachigen Raum.
Damit muss auch Lobbying dem Anspruch von Transparenz entsprechen. Die aufgezeigten Ansatzpunkte des Stakeholder Managements, des Issue Managements und der Corporate Social Responsibility sind die Basis für ein transparentes und akzeptiertes Lobbying.
Literatur:
Blair, Margaret M. : Ownership and control – Rethinking corporate governance for the twenty-first century, Washington DC 1995
Carroll, Archie B. : Business and society – Ethics and stakeholder management, Cincinnati 1996
Clarkson, Max B. E. : A stakeholder framework for analyzing and evaluating corporate social performance, in: AMR, Jg. 20, 1995, S. 92 – 117
Frederick, William C./Davis, Keith/Post, James E. : Business and society: Corporate strategy, public policy, ethics, New York 1992
Freeman, Richard E. : The politics of stakeholder theory: Some future directions, in: Business Ethics Quarterly, Jg. 4, 1994, S. 409 – 421
Freeman, Richard E. : Strategic management: A stakeholder approach, Boston 1984
Köppl, Peter : Public Affairs ManagementStrategien und Taktiken erfolgreicher Unternehmenskommunikation, Wien 2000
Liebl, Franz : Issue Management – Bestandsaufnahme und Perspektiven, in: ZfB, Jg. 64, 1994, S. 359 – 383
Mack, Charles S. : Business politics and the practice of government relations, Westport CT 1997
Mitchell, Ronald K./Agle, Bradley R./Wood, Donna J. : Toward a theory of stakeholder identification and salience: Defining the principle of who and what really counts, in: AMR, Jg. 22, 1997, S. 853 – 886
Post, James E./Preston, Lee E./Sachs, Sybille : Redefining the corporation – Stakeholder management and organizational wealth, Stanford 2002
Windsor, Duane : A logic of stakeholder reasoning, The Jesse H. Jones Graduate School of Management, Rice University, Paper presented at the Annual Meeting of the Academy of Management, San Diego CA 1998
Wood, Donna J./Jones, Raymond E. : Stakeholder mismatching – A theoretical problem in empirical research on corporate social performance, in: International Journal of Organizational Analysis, Jg. 3, 1995, S. 229 – 267

 

 


 

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