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Entwicklungsfinanzierung


Inhaltsübersicht
I. Begriff und Problemstellung
II. Das Finanzsystem in Entwicklungs- und Transformationsländern
III. Finanzierung und Entwicklung
IV. Hauptprobleme des Aufbaus von Entwicklungsfinanzierungsinstitutionen

I. Begriff und Problemstellung


Der Begriff „ Entwicklungsfinanzierung “ ist eine Eindeutschung des angelsächsischen „ development finance “ . Die Begriffskomponente „ development “ verweist darauf, dass man sich besonders mit „ den Finanzen “ in den „ klassischen “ Entwicklungsländern und seit einer Dekade auch in den ehemals sozialistischen so genannten Transformationsländern Mittel- und Osteuropas und Asiens befasst. Die Bedeutung der Begriffskomponente „ finance “ kann entweder eng im Sinne der Zuführung investierbarer Mittel oder weiter im Sinne des „ Finanzsystems “ der betreffenden Länder verstanden werden. Letzteres umfasst seinerseits die Möglichkeiten der Finanzierung von wirtschaftlichen Aktivitäten und der Vermögensbildung und -akkumulation und damit auch die Institutionen des Finanzsektors, die anderen Wirtschaftseinheiten Finanzierungs-, Anlage- und Zahlungsverkehrsleistungen anbieten. „ Development finance “ als Forschungs- und Arbeitsgebiet behandelt demnach entweder (nur) die Finanzierung der wirtschaftlichen Entwicklung oder (umfassender) die Entwicklung des Finanzwesens in Entwicklungs- und Transformationsländern (im Folgenden ETL). Die zentralen Themen der Entwicklungsfinanzierung sind die Besonderheiten der Finanzsysteme von ETL, der Einfluss des Finanzsystems auf die wirtschaftliche und soziale Entwicklung sowie die Strategien, mit denen – oft vom Ausland her und im Rahmen der Entwicklungshilfe – versucht wird, Einfluss auf das Finanzwesen dieser Länder zu nehmen.

II. Das Finanzsystem in Entwicklungs- und Transformationsländern


Trotz beträchtlicher Fortschritte während der letzten Jahre sind die formellen Finanzsysteme der meisten ETL im Vergleich zum sonstigen Entwicklungsstand der betreffenden Länder unterentwickelt. Dies betrifft besonders die Banken. Die Unterentwicklung lässt sich anhand finanzwirtschaftlicher Kenngrößen wie dem Monetisierungsgrad, der Intermediationsrate oder dem Anteil von Krediten der Geschäftsbanken an der Gesamtheit aller Kredite oder dem Anteil der Kredite an Private an allen Krediten nachweisen (King, R.G./Levine, R. 1993; Winkler, A. 2001); und sie hat zur Folge, dass insbesondere für kleine und kleinste „ Unternehmen “ das Kreditangebot geringer ist, als es sein müsste. In ETL ist Kreditrationierung sehr verbreitet; viele der existierenden Banken sind finanziell instabil und operativ ineffizient; und in der Regel bieten sie ihre Leistungen nur einem kleinen Kreis wirtschaftlich und politisch „ etablierter “ Kunden an. Dafür sind informelle Finanzbeziehungen wie die zwischen Familienmitgliedern oder zu Geldverleihern relativ stärker verbreitet als in wirtschaftlich weiter entwickelten Ländern.
Hinter den Problemen der unzureichenden Kreditversorgung und des niedrigen Entwicklungsstandes der formellen Banken steht – neben politisch motivierten Eingriffen, die diese Probleme verstärken – das allgemeine Problem der Entwicklungsländer, dass die intransparenten und instabilen wirtschaftlichen und politischen Verhältnisse es wesentlich erschweren, formelle, d. h. auch gerichtlich durchsetzbare, zeitübergreifende Vertragsbeziehungen einzugehen. Dadurch wird der intertemporale und interpersonale Austausch von Ressourcen ebenso behindert wie die Arbeit von Finanzinstitutionen. Die Besonderheiten der Finanzsysteme der ETL stehen somit der Entfaltung eines Kreditwesens entgegen, das breite Bevölkerungskreise mit seinen Leistungen erreichen könnte. Auch wenn das „ informelle Finanzwesen “ in vielen Ländern recht gut an die jeweils herrschenden Verhältnisse angepasst zu sein scheint (Adams, D.W./Fitchet, D.A. 1992), dürfte es doch nicht ausreichend sein, um die auch in diesen Ländern vorhandenen wirtschaftlichen Potenziale zu nutzen.
Aus einer kritischen Einschätzung dieser Analyse ergibt sich die Stoßrichtung der Entwicklungspolitik zur Förderung des Finanzwesens der ETL, die heute von den konzeptionell fortgeschrittensten Entwicklungshilfeinstitutionen verfolgt wird: Sie gehen davon aus, dass Kreditbeziehungen und „ financial institution building “ in ETL trotz der lokalen Verhältnisse möglich sind, und versuchen, das formelle Finanzsystem durch die Entwicklung geeigneter Methoden der Kreditvergabe und den Aufbau stabiler, effizienter und „ zielgruppenorientierter “ , d. h. speziell auf ärmere Bevölkerungskreise ausgerichteter, Finanzinstitutionen zu stärken, damit auch die Masse der „ kleinen Leute “ den dauerhaften und verlässlichen Zugang zu Kredit bekommt, den sie für ihre wirtschaftlichen Aktivitäten braucht (González-Vega, C. 1998).

III. Finanzierung und Entwicklung


Die grundlegenden Zusammenhänge sind nicht immer so gesehen worden. Die Geschichte der Entwicklungsfinanzierung seit den 1950er-Jahren lässt sich in vier Phasen unterteilen, die durch jeweils spezifische Vorstellungen davon geprägt waren, worin „ das Problem der Entwicklungsfinanzierung “ besteht und wie ihm beizukommen ist (Krahnen, J.P./Schmidt, R.H. 1994, Kap. B).

1. Entwicklungsfinanzierung als Kapitaltransfer „ en gros “


In der ersten Phase sah man das Hauptproblem der Entwicklungsländer in einem allgemeinen Kapitalmangel, der zu geringen Einkommen und damit auch zu einer geringen Ersparnis und einem geringen Wachstum führte. Folgerichtig bestand die Entwicklungsfinanzierung jener Zeit darin, den Entwicklungsländern Kapital zuzuführen, das diese in große Industrialisierungs- und Infrastrukturprojekte investierten, um über so genannte „ linkage-Effekte “ das allgemeine Einkommensniveau zu erhöhen. Abgesehen von einigen Ausnahmen war diese Politik nicht erfolgreich; die extern finanzierten Investitionen erwiesen sich als wenig rentabel; und vor allem führte die Politik des massiven Kapitaltransfers zu einem ausgeprägten und sozial sehr problematischen „ Dualismus “ . Wer ohnehin zum modernen Sektor gehörte und damit relativ reich war, gewann, während gleichzeitig die Masse der Bevölkerung ärmer wurde. Deshalb gab die Weltbank Anfang der 1970er-Jahre diese Politik zumindest offiziell auf, und andere Entwicklungshilfeorganisationen folgten diesem Beispiel. Dem Finanzsystemaspekt widmete man in dieser Phase keine Aufmerksamkeit, denn man erkannte seine Bedeutung für die wirtschaftliche Entwicklung nicht.

2. Entwicklungsfinanzierung als zielgruppenorientierter Kapitaltransfer


Auch die zweite Phase der Entwicklungsfinanzierung, die auf breiter Basis in der Mitte der 1970er-Jahre einsetzte, war von der Vorstellung geprägt, das Hauptproblem sei der Kapitalmangel und deshalb käme es entscheidend darauf an, Kapital in die Entwicklungsländer zu kanalisieren. Doch um eine sozial ausgewogene Entwicklung zu erreichen, wie sie gerade in dieser Zeit gefordert wurde, sollten diese Mittel an die „ richtigen “ Stellen fließen – nicht mehr an die großen, meist staatlichen Unternehmen und Projekte, sondern an die Zielgruppen selbst, die man letztlich begünstigen und deren wirtschaftliche Aktivitäten man fördern wollte, namentlich die ärmeren Menschen in ländlichen Regionen.
Man ging damals davon aus, dass formelle Banken sozial weit entfernt von diesen Menschen mit ihren oft winzigen und nicht registrierten ( „ informellen “ ) microenterprises wären. Deshalb wären sie nicht daran interessiert und vielleicht auch nicht fähig, Kredite an die „ kleinen Leute “ zu vergeben. Alle Evidenz schien diese Einschätzung zu stützen, auch wenn eher die damals verbreiteten Zinsobergrenzen als die „ soziale Distanz “ die Ursache für das Desinteresse der Banken an einer Kleinkreditvergabe gewesen sein dürften.
Konsequenterweise wurden in den 1970er- und den frühen 1980er-Jahren Entwicklungshilfemittel in sehr kleiner Stückelung statt über Banken über alle möglichen institutionellen Kanäle als, wie man es beschönigend nannte, „ Kredite “ zu den politisch bevorzugten armen Zielgruppen geleitet. Das einzige Erfolgskriterium dieser Politik war allerdings, dass man diese Zielgruppen überhaupt erreichte, und deshalb achtete man auch kaum auf die Rückzahlung der „ Kredite “ und erst recht nicht auf den Aufbau stabiler Institutionen. Dies wäre mit dem grundsätzlichen Denkansatz auch kaum vereinbar gewesen; denn man war allgemein davon überzeugt, dass „ arme Leute “ nicht in der Lage wären, kostendeckende Zinsen zu tragen. Damit wären Verluste der „ Kreditgeber “ ohnehin unvermeidbar, sodass sich finanziell lebensfähige Institutionen nicht herausbilden konnten.
Mit dem Beginn der 1980er-Jahre kam es vor allem in den USA zu einer politischen Umorientierung. Nun kam es vor allem darauf an, die wirtschaftliche Aktivität an den von sozialen Unruhen geprägten Elendsvierteln der wachsenden Metropolen zu stimulieren und zugleich das Unternehmertum der „ self-employed people “ im so genannten informellen Sektor zu wecken und mit Krediten zu unterstützen. Damit wurden die „ informellen “ Unternehmerinnen und Unternehmer zur bevorzugten Zielgruppe.
Es gab auch einen ideal erscheinenden Institutionentyp, über den die microentrepreneurs mit Krediten versorgt werden könnten: die „ Non-Governmental Organisations “ (NGOs). Damals entstanden durch die Initiative von sozialpolitisch engagierten Unternehmern aus dem lokalen Bürgertum viele in der Klein- und Kleinstunternehmerförderung tätige NGOs. Wegen der Herkunft der Initiatoren glaubten die internationalen Geldgeber, von diesen NGOs mehr Aufgeschlossenheit für die Probleme der Kleinunternehmerinnen und -unternehmer erwarten zu können als etwa von staatlichen oder aus dem Bereich der Sozialarbeit hervorgegangenen Organisationen.
Finanziert wurde die „ Kreditvergabe “ dieser NGOs fast immer und fast ausschließlich aus dem Ausland – und in aller Regel mit nicht rückzahlbaren Zuschüssen. Damit war der Anreiz für die NGOs, ihre Kosten zu senken, Kredite einzutreiben und ihre Institution vor Verlusten zu schützen, sehr gering. Die meisten dieser NGOs hatten so hohe Verwaltungskosten und so geringe Rückzahlungsraten, dass man – genau wie bei der allein armutsorientierten Entwicklungsfinanzierung – statt von Kreditvergabe besser von Geldverteilung sprechen sollte. Eine erst 1996 publizierte umfangreiche Untersuchung aus den Jahren 1991 und 1992 brachte den Beleg dafür, dass selbst die besten NGOs in Lateinamerika im Durchschnitt pro einem Dollar Kreditbestand jährliche Verwaltungs- und Risikokosten von ebenfalls etwa einem Dollar hatten (Schmidt, R.H./Zeitinger, C.-P. 1996). Das bestätigte, was Fachleute längst wussten: Auch wenn sie zielgruppenorientiert erfolgen kann, ist die Kanalisierung ausländischer Mittel an inländische Klein- und Kleinstunternehmer keine Lösung „ des Problems der Entwicklungsfinanzierung “ : Ist die Vergabe von Klein- und Kleinstkrediten wirklich so unglaublich teuer, kann die entwicklungsorientierte Finanzierung nicht in einer nennenswerten Weise ausgeweitet werden und somit nicht die erhoffte Breitenwirkung ( „ outreach “ ) entfalten. Heute weiß man, dass die Schwäche der – auch gegenwärtig noch sehr aktiven – kreditvergebenden NGOs nicht ihre Zielgruppenorientierung war und ist, sondern ihre Geschäftspolitik, die nicht auf Effizienz und Kostendeckung ausgerichtet ist. Diese war und ist ihrerseits eine Folge ihrer institutionellen Struktur, d. h. des Umstandes, dass die NGOs niemandem gehören und Verluste durch Rückgriff auf externe Subventionen ausgleichen können.

3. Entwicklungsfinanzierung als Entwicklung des Finanzsystems


In der dritten Phase der Entwicklungsfinanzierung wird „ das Problem der Entwicklungsfinanzierung “ nicht mehr als ein Problem der Kapitalversorgung verstanden, sondern als ein Problem der Gestaltung des Finanzsystems. Im Zentrum der dritten Phase steht die Deregulierung, insb. die Freigabe der Zinsen. Einige Vertreter der Forderung nach einem Ende der so genannten „ finanziellen Repression “ (McKinnon, R.I. 1973) scheinen geglaubt zu haben, dass sich allein dadurch „ das Entwicklungsfinanzierungsproblem “ von selbst lösen würde: Gewinnorientierte lokale Banken würden schon dann, wenn sie ausreichend hohe Zinsen verlangen dürfen, in den Markt für Kleinkredite strömen und ein ausreichendes Angebot zu kostendeckenden Preisen schaffen.
Diese Erwartung hat sich zwar nicht erfüllt (Long, M. 1999), aber die Liberalisierung der Finanzsysteme in Lateinamerika in den 1980er-Jahren und später in anderen Teilen der Welt hat das Umfeld und die Handlungsmöglichkeiten auch für Entwicklungsfinanzierungsinstitutionen (im Folgenden EFI) verbessert, die durch ausländische Initiative und mit ausländischem Startkapital entstehen. Inzwischen ist es fast überall rechtlich möglich, von Klein- und Kleinstunternehmern Zinsen zu verlangen, die die vollen Kosten decken. Faktisch besteht diese Möglichkeit allerdings nur dann, wenn es zugleich gelingt, diese Kosten auf ein „ vertretbares Maß “ zu reduzieren. Was kann als ein „ vertretbares Maß “ gelten? Von von Pischke stammt die programmatisch zu verstehende Einschätzung, dass es möglich sein müsste, die gesamten Verwaltungs- und Risikokosten der Klein- und Kleinstkreditvergabe auf 20% des Kreditbestandes (pro Jahr) zu senken (von Pischke, 1991); Kosten in dieser Höhe ließen sich über Zinseinnahmen decken, sodass eine Institution, die sich ganz oder weitgehend dem Klein- und Kleinstkreditgeschäft widmet, finanziell lebensfähig sein kann.

4. Entwicklungsfinanzierung als „ financial institution building “


Im Zentrum der derzeit noch andauernden vierten Phase der Entwicklungsfinanzierung steht der Versuch, der Herausforderung von Pischkes aus dem Jahre 1991 gerecht zu werden. Um die Finanzsysteme der ETL zu stärken, werden in diesen Ländern Finanzinstitutionen geschaffen, die nach einer Anschubfinanzierung aus Entwicklungshilfemitteln in der Lage sind, ohne dauernde Subventionen finanziell zu überleben und zu wachsen und dadurch einem immer größer werdenden Teil der Zielgruppe der „ kleinen Leute “ ein dauerhaftes, verlässliches und bedarfsgerechtes Angebot an Krediten und anderen benötigten Finanzdienstleistungen bereitzustellen (Schmidt, R.H./Zeitinger, C.-P 1998). Derartige microbanks gibt es bereits, so zum Beispiel in El Salvador, Bolivien, Bosnien, Georgien und Uganda.
Financial institution building als Programmatik reagiert auf die ernüchternden Lehren der zweiten Phase und nutzt die durch die dritte Phase verbesserten Rahmenbedingungen, ohne allerdings zu optimistisch hinsichtlich der Automatik liberalisierter Märkte zu sein. Die zentrale Überzeugung ist, dass auch für die Kreditversorgung der „ kleinen Leute “ formelle Banken die beste institutionelle Form darstellen, doch dass solche Banken derzeit noch nicht von selbst entstehen. Den theoretischen Hintergrund der aktuellen Richtung der Entwicklungsfinanzierung bilden die neue Theorie des endogenen Wachstums und die Informations- und Anreizprobleme in den Vordergrund rückende neue Theorie der Finanzintermediation (Schmidt, R.H./Winkler, A. 2000; Tschach, I. 2001; Winkler, A. 2001). Man kann das financial institution building als den Versuch verstehen, durch die gezielte Gestaltung von Anreizen eine Kreditvergabe auch an Personen zu ermöglichen, die normalerweise aus Informationsgründen nicht als kreditfähig gelten, und Institutionen zu schaffen, die einem starken Druck ausgesetzt sind, zugleich auf Zielgruppenorientierung und finanzielle Stabilität zu achten.

IV. Hauptprobleme des Aufbaus von Entwicklungsfinanzierungsinstitutionen


Ein erster Schlüssel zur Erreichung dieser Ziele ist ein adäquater Typ von Entwicklungshilfeprojekten, ein zweiter eine adäquate Methodik der Kreditvergabe und der dritte eine adäquate institutionelle Form und Corporate Governance für EFI. Ein vierter wäre eine entsprechende Politik der „ donor community “ , die zumindest derzeit noch die erforderlichen Mittel bereitstellen muss, um stabile zielgruppenorientierte micro finance institutions entstehen zu lassen. Die ersten drei Problemkreise werden im Folgenden kurz gekennzeichnet (zum vierten vgl. Schmidt, R.H./Zeitinger, C.-P 1998; Schmidt, R.H./Winkler, A. 2000).

1. Typen von Institution-Building-Projekten


In der Praxis haben sich drei Grundtypen von Entwicklungshilfeprojekten herausgebildet, in denen durch Institutionenförderung das Angebot an Klein- und Kleinstkrediten in ETL verbessert werden soll. Der erste Typ wird als „ down-scaling “ bezeichnet. Beim down-scaling stellt eine Entwicklungshilfeinstitution Mittel bereit, um existierenden lokalen Banken die Methodik der Klein- und Kleinstkreditvergabe beizubringen, sie beim Aufbau von Klein- und Kleinstkreditabteilungen zu beraten und einen Teil der Anlaufkosten dieser Abteilungen zu übernehmen. Mit diesem Ansatz ist die Hoffnung verbunden, die lokalen Partnerbanken würden durch die externe Förderung nicht nur lernen, wie man an einen bisher vernachlässigten Kundenkreis erfolgreich Kredite vergeben kann, sondern auch dass dies für sie wirtschaftlich attraktiv ist.
Es gibt Beispiele erfolgreicher down-scaling projects. Doch die meisten Projekte dieses Typs leiden an einer gemeinsamen Schwäche: Um Klein- und Kleinstkredite so zu vergeben, dass dies sowohl für die Bank als auch für die Kunden attraktiv ist, sind weitreichende administrative Veränderungen innerhalb der Bank erforderlich, die mit den vorhandenen Strukturen und Prozessen der Partnerbank schwer vereinbar sind. Das führt häufig dazu, dass letztlich der Transfer der Kredittechnologie nicht gelingt. Hört die externe Förderung auf, wird oft auch das Klein- und Kleinstkreditgeschäft beendet oder so an die etablierten Strukturen angepasst, dass es nicht erfolgreich sein kann.
Der zweite Projekttyp besteht darin, eine kreditvergebende Institution wie eine NGO durch externe Beratung und Finanzierung so sehr zu stärken und zu professionalisieren, dass es schließlich möglich ist, sie in eine formelle Bank umzuwandeln. Diesen Projekttyp nennt man „ upgrading “ . Es gibt zahlreiche Beispiele für erfolgreiches upgrading wie die microbanks in El Salvador und Bolivien (s. oben). Allerdings erweist es sich immer wieder als ein Problem von upgrading projects, dass im Zuge der Umwandlung einer NGO in eine formelle Bank die Personen, die die NGO aufgebaut und geführt haben, an Einfluss und damit oft auch an Macht und Prestige verlieren. Ihr verständlicher Widerstand verlangsamt und erschwert solche Projekte oft beträchtlich, was letztlich zu Lasten der Versorgung der Zielgruppen mit Finanzdienstleistungen geht.
Wegen der Schwächen dieser beiden Projekttypen hat man in letzter Zeit begonnen, neue microfinance banks in ETL zu errichten, ohne auf vorhandenen Strukturen aufzubauen. Die oben genannte Beispiele aus Bosnien und Georgien gehören zu diesem Projekttyp (Zeitinger, C.-P./Schmidt, R.H. 2000).

2. Kredittechnologie


Die Kosten der Klein- und Kleinstkreditvergabe müssen nicht so hoch sein, wie dies vor einigen Jahren bei den NGOs der Fall war. Heute liegen die jährlichen Verwaltungs- und Risikokosten der besten micro-finance institutions deutlich unter 20% des Kreditportefeuilles. Entscheidend dafür sind ein massiver EDV-Einsatz und eine weitgehende Produktstandardisierung sowie eine Methodik oder „ Technologie “ der Kreditvergabe, die sich den Umstand zunutze macht, dass gerade die „ kleinen Leute “ , die sonst keinen Kreditzugang hätten, darauf angewiesen sind, sich bei „ ihrer “ microfinance bank zu bewähren, um den einmal erreichten Kreditzugang nicht zu verlieren. Deshalb sind sie bereit und anscheinend auch in der Lage, Kredite ordnungsmäßig zurückzuzahlen. Gute microfinance banks ermitteln die Kreditfähigkeit und -würdigkeit ihrer Kunden, indem sie die Zahlungsströme des zu finanzierenden Unternehmens und der gesamten Familie des Kreditnehmers analysieren. Auf Zahlungsverzug reagieren sie schnell und konsequent; und eine korrekte Kreditbedienung honorieren sie durch bessere Bedingungen bei Nachfolgekrediten.
Die früher heftig diskutierte Frage, ob Kredite im informellen Sektor eher als Gruppenkredite oder eher als Individualkredite vergeben werden sollten, ist heute weitgehend zugunsten von Individualkrediten entschieden.

3. Eigentumsstruktur und Unternehmensverfassung


Ein zentrales Problem der Entwicklungsfinanzierung bildet die Frage, wer in EFI die wesentlichen Entscheidungen trifft und welchen Anreizen diese Personen unterliegen. Die wichtigsten Entscheidungen betreffen die Fragen, welchen Zielgruppen sich die betreffende Institution widmen will, wie konsequent auf Effizienz, institutionelle Stabilität und Wachstum geachtet werden soll und wie die Institution mit Fehlverhalten bei Führungspersonal, Mitarbeitern und Kunden umgeht. Das sind die Standardfragen der Unternehmensverfasssung. Wegen ihres letztlich entwicklungspolitischen Auftrags scheint es unmöglich zu sein, microbanks allein unter Gewinnaspekten zu führen. Täte man dies, würden vermutlich andere Zielgruppen als die „ kleinen Leute “ bedient, denn auch wenn das Klein- und Kleinstkreditgeschäft rentabel sein kann, stellt es doch in den ETL oft nicht die privatwirtschaftlich attraktivste Verwendung von knappen finanziellen und personellen Ressourcen dar. Andererseits stellt jede Abkehr von einer konsequenten Gewinnorientierung eine Gefahr dar, weil sie Freiräume für Entscheidungen und Handlungen eröffnet, die auf Kosten der Stabilität der EFI und letztlich auch der Zielgruppen gehen. Es geht deshalb darum, eine institutionelle Form für zielgruppen- und zugleich effizienzorientierte Finanzinstitutionen zu finden, die beide Gefahren, die der Abkehr von den Zielgruppen und die der mangelnden Konsequenz in der Ausrichtung auf Effizienz, Stabilität und Wachstum, am besten entgegenwirkt. Eine allgemeine Lösung dieses Problems gibt es nicht, dafür aber wichtige Teileinsichten: Die Form der „ non-profit-organisation “ oder NGO mit einer permanenten Rückgriffsmöglichkeit auf externe Subventionen schafft zu geringe Effizienzanreize. Die Rechtsform einer privaten corporation ist vorteilhafter.
Dabei kann und sollte es eine klare Trennung zwischen den Verantwortlichkeiten von Management und Eigentümern bzw. Aufsichtsrat geben. Dies wirft allerdings die Frage auf, wer die Eigentümer sein sollen und wie das Verhältnis von Management und Eigentümern bzw. Aufsichtsrat gestaltet werden soll. In der neueren Praxis hat es sich bewährt, den Kreis der Aktionäre eng zu begrenzen. Unter diesen sollten Entwicklungshilfeinstitutionen stark vertreten sein, die selbst der doppelten Zielsetzung von Entwicklung und Effizienz verpflichtet sind. Ein so gebildeter Eigentümerkreis kann dem Management nicht nur recht genau vorschreiben, wie der Kompromiss zwischen entwicklungspolitischen und finanziellen Zielen aussehen sollte, sondern auch prüfen, ob dieser Vorgabe entsprochen wird.
Literatur:
Adams, D.W./Fitchet, D.A. : Informal Finance in Low-Income Countries, Boulder, Col. 1992
González-Vega, C. : Microfinance: Broader Achievements and New Challenges, Ohio State University 1998
King, R.G./Levine, R. : Finance and Growth: Schumpeter Might Be Right, in: Quarterly Journal of Economics, Vol. 107, 1993, S. 717 – 737
Krahnen, J.P./Schmidt, R.H. : Development Finance as Institution Building, Boulder, Col. 1994
Long, M. : A 1999 Perspective on Finance and Development: The World Development Report of 1989, paper presented at the Third Annual Seminar on New Development Finance, Frankfurt/Main 1999
McKinnon, R.I. : Money and Capital in Economic Development, Washington, D.C. 1973
Schmidt, R.H./Winkler, A. : Building Financial Institutions in Developing Countries, in: Journal für Entwicklungspolitik, 16. Jg. (2000), S. 329 – 346
Schmidt, R.H./Zeitinger, C.-P. : The Efficiency of Credit-Granting NGOs in Latin America, in: Savings and Development, Vol. 20, 1996, S. 353 – 384
Schmidt, R.H./Zeitinger, C.-P : „ Critical Issues in Microbusiness Finance and the Role of Donors “ , in: Strategic Issues in Microfinance, hrsg. v. Kimenyi, M.S./Wieland, R.C./Von Pischke, J.D., Avebury 1998, S. 27 – 51
Stiglitz, J.E. : The New Development Economics, in: World Development, Vol. 14, 1986, S. 257 – 265
Stiglitz, J.E./Weiss, A. : Credit Rationing in Markets with Imperfect Information, in: AER, Vol. 71, 1981, S. 393 – 410
Tschach, I. : Theory of Development Finance, Frankfurt/Main 2001
Von Pischke, J. D. : Finance at the Frontier, Washington D.C., 1991
Winkler, A. : Economic Growth and Financial Development, Frankfurt/Main 2001
Zeitinger, C.-P./Schmidt, R.H. : Banques de Microentreprises: créer de nouvelles banques plutôt que transformer des institutions existantes, in: Techniques Financières et Développement, Nr. 59 – 60, Juillet-Octobre 2000. Publication of Epargne Sans Frontiere, S. 131 – 137

 

 


 

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