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Unternehmensanalyse, strategische


Inhaltsübersicht
I. Einordnung in den strategischen Managementprozess
II. Historische Entwicklung
III. Konzeptionelle Grundlagen
IV. Wissenschaftliche Studien
V. Methoden und Instrumente
VI. Praktische Bedeutung
VII. Kritische Würdigung

I. Einordnung in den strategischen Managementprozess


Konzeptualisiert man den strategischen Managementprozess als aneinander gereihte Abfolge der beiden Phasen „ Strategieformulierung “ und „ Strategieimplementierung “ , dann ist die Unternehmensanalyse ein wichtiger Bestandteil der ersten Phase. Idealtypisch erfolgt sie hier nach der Festlegung der unternehmerischen Ziele und – zusammen mit der Umweltanalyse – vor der Generierung strategischer Alternativen. Die Komplementarität von Unternehmens- und Umweltanalyse ergibt sich aus der Tatsache, dass strategische Überlegungen sich im Regelfall damit beschäftigen, wie Ressourcen und Fähigkeiten von Unternehmen mit den Opportunitäten ihrer Umwelt in Einklang zu bringen sind. Folglich benötigt man fundierte Erkenntnisse aus beiden Bereichen.
Aufgabe der strategischen Unternehmensanalyse ist es, erstens die Ressourcen und Fähigkeiten einer unternehmerischen Einheit zu identifizieren, zweitens deren Potenzial für den Aufbau und die Sicherung von Wettbewerbsvorteilen und ökonomischen Renten zu evaluieren und drittens daraus Erkenntnisse für zukünftige strategische Handlungsmuster zu gewinnen.

II. Historische Entwicklung


Auf die Bedeutung der Unternehmensanalyse für die strategische Entscheidungsfindung wurde bereits in den ersten Strategieprozessmodellen hingewiesen (siehe Andrews, Kenneth 1971). Ansoff (Ansoff, Igor 1965) und mit ihm die sich entwickelnde Tradition der strategischen Planung unterteilten die Unternehmensanalyse in mehrere analytische Schritte und forderten deren faktenfundierte Bearbeitung.
In den 1980er-Jahren verschob sich der Fokus der Strategieanalyse dann allerdings in Richtung Umwelt. Basierend auf den Modellen der Industrieökonomik beschäftigte man sich intensiv mit Industriestrukturen, ihren Veränderungen und den Konsequenzen für das Wettbewerbsverhalten. Die Analyse des Unternehmens hingegen verlor an Bedeutung, da man annahm, dass sich unternehmerisches Verhalten primär nach der Struktur der Industrie zu richten habe.
In den 1990er-Jahren änderte sich diese Sichtweise wieder, und das Pendel schlug nun in Richtung Ressourcen und Fähigkeiten um. Auslöser für diese Entwicklung war v.a. die Erkenntnis, dass in Zeiten einer hohen Veränderungsrate von Industrien und Märkten, die Ressourcen und Fähigkeiten von Unternehmen eine wesentlich sinnvollere Grundlage für langfristige strategische Überlegungen darstellen, sowie die zunehmende Bedeutung, die immateriellen Ressourcen, organisationalem Lernen sowie dem Umgang mit explizitem und implizitem Wissen zuerkannt wurde.

III. Konzeptionelle Grundlagen


Ressourcen und Fähigkeiten bilden die zentralen Analyseeinheiten der Unternehmensanalyse. Die Definition der beiden Begriffe ist allerdings nicht ganz einheitlich. So bezeichnet Wernerfelt (Wernerfelt, Birger 1984, S. 172) Ressourcen als alles, was als Stärke oder Schwäche eines Unternehmens bezeichnet werden kann. Amit und Shoemaker (Amit, Raffi/Shoemaker, Paul 1993, S. 34) sprechen von Vorräten von verfügbaren Faktoren, die im Besitz einer Firma sind oder von ihr kontrolliert werden und Teece et al. (Teece, David/Pisano, Gary/Shuen, Amy 1997, S. 512 ff.) verstehen Ressourcen als firmenspezifische Vermögenswerte, die schwierig, wenn nicht unmöglich, zu imitieren sind.
Neben diesen Definitionen gibt es auch Ansätze zur Klassifikation von Ressourcen. Dabei hat sich die Unterteilung in materielle und immaterielle Ressourcen als einflussreich erwiesen, da man insb. Letzteren eine hohe Bedeutung für das Erzielen und Sichern von Wettbewerbsvorteilen zumisst (Hall, Richard 1992, S. 135). Während materielle Ressourcen physisch unmittelbar fassbar sind (z.B. Maschinen und Gebäude), sind immaterielle Ressourcen stärker psychischer Natur (z.B. Reputation) oder repräsentieren spezifisches theoretisches oder praktisches Know-how (z.B. Patente und Verfahren). Darauf aufbauende Klassifikationsansätze unterscheiden zwischen materiellen, personellen und organisationalen Ressourcen (Barney, Jay 1991, S. 101) oder erweitern um finanzielle, technologische und reputationsbezogene Ressourcen (Grant, Robert 2002, S. 139).
Die Unterscheidung zwischen Ressourcen und Fähigkeiten gewinnt ihre Berechtigung dadurch, dass Ressourcen alleine nicht besonders produktiv sind. Erst im Einsatz durch Fähigkeiten entfalten sie ihr rentengenerierendes Potenzial. Fähigkeiten beziehen sich folglich auf das Potenzial eines Unternehmens, seine Ressourcen hinsichtlich eines bestimmten Zweckes einzusetzen. Während Ressourcen gewissermaßen „ Bausteine “ für die Rentengewinnung sind, sind Fähigkeiten für den gezielten und produktiven Einsatz dieser Bausteine nötig. Unternehmen erzielen also nicht Renten, weil sie bessere Ressourcen als ihre Konkurrenten besitzen, sondern weil ihre spezifischen Fähigkeiten sie in die Lage versetzen, diese Ressourcen besser zu benutzen.
Fähigkeiten kann man folglich als routinisierte Interaktions-, Koordinations- und Problemlösungsmuster bezeichnen. Oft sind sie mit spezifischen Gruppen und ihrem spezifischen Wissen verbunden. Meist entwickeln sie sich über einen längeren Zeitraum und sind aufgrund ihrer komplexen Zusammensetzung und organisationalen Verankerung weder einfach zu transferieren noch käuflich zu erwerben (Teece, David/Pisano, Gary/Shuen, Amy 1997, S. 525 ff.).

IV. Wissenschaftliche Studien


Die wissenschaftlichen Studien zur Bedeutung von Ressourcen und Fähigkeiten haben sich in mehreren Forschungsströmungen entwickelt. Die Arbeit von Penrose (Penrose, Edith 1959) war wegweisend, da sie erstmalig die Antriebskräfte von Unternehmenswachstum in der Generierung und Nutzung firmenspezifischer Ressourcen sah. Eine darauf aufbauende Forschungsströmung ging der Frage nach, ob der auf Ressourcen und Fähigkeiten beruhende Einfluss von Geschäftseinheiten tatsächlich in der Lage ist, das Auftreten von nachhaltig, überdurchschnittlicher Performance zu erklären, oder ob nicht doch Industrieeffekte einen weitaus wichtigeren Einfluss haben. Rumelt (Rumelt, Richard 1991, S. 167 ff.) fand bspw. in einer Studie mit 2180 Geschäftseinheiten, dass nur 4% der Performance-Varianz auf Industrieeffekte zurückzuführen waren. Der auf Ressourcen und Fähigkeiten beruhende Einfluss der Geschäftseinheiten war hingegen um ein Vielfaches höher.
Ein 1984 von Wernerfelt erstelltes Forschungspapier formulierte dann erstmalig die Grundgedanken des sog. „ Resource based View of Strategy “ (Wernerfelt, Birger 1984) und spezifizierte die Bedingungen, unter denen die Ressourcen eines Unternehmens Renten erzeugen. Diese Überlegungen wurden u.a. von Barney (Barney, Jay 1991, S. 105 ff.) konzeptionell weiter ausgebaut. Barney wies darauf hin, dass Ressourcen nur dann nachhaltige Wettbewerbsvorteile schaffen, wenn sie wertvoll, selten, schwierig zu imitieren und zu substituieren sind.
In Erweiterung dieser Gedanken entwickelten Teece et al. (Teece, David/Pisano, Gary/Shuen, Amy 1997, S. 509 ff.) das Konzept der dynamischen Fähigkeiten und verwiesen auf die Bedeutung der Konfiguration und Rekombination unternehmerischer Ressourcen. Auch dieser Ansatz erwies sich als fruchtbar und führte zu einer Reihe von Arbeiten, die die Entwicklung, den Einsatz sowie die Erneuerung von organisationalen Fähigkeiten untersuchten.

V. Methoden und Instrumente


Während sich wissenschaftliche Studien um eine Erklärung der kausalen Zusammenhänge zwischen Ressourcen, Fähigkeiten und Performance bemühen, erfolgt die praktische Anwendung dieser Überlegungen meist in Form von Methoden und Instrumenten. Zur Durchführung der Unternehmensanalyse wird bspw. folgendes Schema vorgeschlagen (Grant, Robert 2002, S. 158 ff.):
In einem ersten Schritt identifiziert man die Ressourcen und Fähigkeiten einer unternehmerischen Einheit. Dies kann unabhängig davon erfolgen, ob es sich um eine Geschäftseinheit (Business Unit), das Gesamtunternehmen (Corporate) oder ein Allianznetzwerk (Network) handelt. In einem zweiten Schritt erfolgt die Analyse der kausalen Relationen zwischen Ressourcen und Fähigkeiten. Der dritte Schritt beinhaltet deren Beurteilung hinsichtlich ihrer Bedeutung und relativen Stärke. Oft werden hier Benchmarking-Studien durchgeführt, um faktenorientiert eine Evaluation vorzunehmen. Im vierten und letzten Schritt werden dann strategische Implikationen abgeleitet.
Diese Analyseschritte können durch den Einsatz spezieller Instrumente unterstützt werden. Über die Jahre hat sich hierzu ein reichhaltiger „ Werkzeugkasten “ gebildet, aus dem kurz einige wichtige Instrumente vorgestellt werden (für weitere Instrumente wie die Chancenmatrix oder die Analyse des intellektuellen Kapitals siehe Müller-Stewens, Günter/Lechner, Christoph 2001, S. 158 ff.):
Die Wertkette folgt dem Gedanken, dass die Ursachen für Wettbewerbsvorteile nur schwer zu erkennen sind, wenn man eine unternehmerische Einheit als Ganzes betrachtet. Daher zerlegt sie das Unternehmen in einzelne strategisch wichtige Aktivitäten (Wertaktivitäten) und analysiert diese auf ihren jeweiligen Beitrag zur Wertschöpfung (Porter, Michael 1985, S. 33 ff.). Die Wertaktivitäten werden dabei in sog. primäre und unterstützende Aktivitäten unterteilt. Primäre Aktivitäten folgen dem Verrichtungsprinzip der Leistungserstellung und werden idealtypisch durch Tätigkeitsfelder wie Eingangslogistik, Produktion, Ausgangslogistik, Marketing/Vertrieb und Service abgebildet. Um ihre Aufgaben erfüllen zu können, benötigen sie die Dienste der unterstützenden Aktivitäten wie Unternehmensinfrastruktur, Beschaffung, Technologieentwicklung und Personalmanagement.
Eng mit der Wertkette verbunden sind Checklisten zur Ermittlung von Stärken- und Schwächenprofilen (Wettbewerbsprofil). Diese sind zumeist funktional aufgebaut und versuchen ebenfalls die Position eines Unternehmens im Verhältnis zur Konkurrenz zu ermitteln. Bestandteile solcher Checklisten können dabei sowohl die primären und sekundären Aktivitäten sein als auch zusätzliche Bereiche wie potenzielle Synergien, Know-how, Qualität der Führungskräfte, Führungssysteme etc.
Skill-Mapping ist die Identifikation und Evaluation der „ Skills “ eines Unternehmens, worunter Klein und Hiscocks (Klein, Jeremy A./Hiscocks, Peter G. 1994, S. 184 ff.) eng umrissene und deaggregierte Bruchstücke von Fähigkeiten verstehen, die erst in ihrer Kombination eine Fähigkeit ergeben. Sie wird in drei Schritten vorgenommen. Zuerst erfolgt die eigentliche Bestandsaufnahme aller Skills. Dies geschieht entlang der Organisationsstrukturen des Unternehmens durch die Analyse der Produkteigenschaften und durch Befragungen der Kunden. Daraus wird eine Liste von Skills generiert, die in einem zweiten Schritt einem Benchmarking unterzogen wird. Zuletzt wird bestimmt, welche Skills strategisch wichtig sind, d.h. den Aufbau und die Sicherung von Wettbewerbsvorteilen ermöglichen.

VI. Praktische Bedeutung


Die strategische Unternehmensanalyse ist in der Praxis weit verbreitet. Zumeist ist sie Bestandteil des strategischen Planungsprozesses, wie er in vielen Firmen zu finden ist. Doch auch bei Akquisitionsprojekten, Neuausrichtungen oder der Ausarbeitung von Geschäftsideen kommt sie bzw. kommen ihre Instrumente zur Anwendung (Rigby, David 1994, S. 21).
Diese breite Anwendung ist nicht zuletzt auf die intensive Schulung an Fachhochschulen, Universitäten sowie Kursen der Management-Weiterbildung zurückzuführen. Viele Unternehmen bieten diesbezügliches Know-how auch in ihren internen Weiterbildungsprogrammen an. Für Mitarbeiter von Strategieberatungsfirmen ist dies bspw. ein fester Bestandteil der ersten Trainingseinheiten.
Die konkrete Anwendung der Unternehmensanalyse unterscheidet sich allerdings von Firma zu Firma beträchtlich. Während einige nur relativ rudimentär den einzelnen Themen nachgehen, benutzen andere umfangreiche Richtlinien über die zu beantwortenden Fragestellungen, den Einsatz von Instrumenten und die Aufbereitung der Erkenntnisse (Al-Laham, Andreas 1997).

VII. Kritische Würdigung


In der praktischen Anwendung hat sich die strategische Unternehmensanalyse erfolgreich als wichtiger Bestandteil eines normativen Managementansatzes etabliert. Wer Erkenntnisse über einen möglichen Fit zwischen Unternehmen und Umwelt erzielen will, wird nicht umhin kommen, sich mit dieser Thematik auseinander zu setzen.
Instrumentell hat die Unternehmensanalyse allerdings noch einen weiten Weg zurückzulegen. Während für die Identifikation und Bewertung materieller Ressourcen bereits bewährte Verfahren vorliegen, sind die Instrumente für immaterielle Ressourcen noch weitgehend unterentwickelt. Gleiches gilt für die Analyse von Fähigkeiten, wo man sich bislang weder über deren Gliederung noch ihren genauen Aufbau einig ist. Des Weiteren sollte nicht übersehen werden, dass jegliche Analyse noch keinerlei Garantie für die tatsächliche Schaffung von Wettbewerbsvorteilen darstellt. Es ist weder sicher, ob bei der Unternehmensanalyse die „ richtigen “ Erkenntnisse gewonnen werden, noch ob es gelingt, diese auch tatsächlich zu realisieren.
Hinsichtlich ihrer theoretischen Grundlagen kann die Unternehmensanalyse als gut fundiert bezeichnet werden. Der Erkenntnisprozess ist allerdings auch hier noch nicht abgeschlossen. Für die nächsten Jahre ist weiterhin mit intensiven Forschungsanstrengungen im Bereich Ressourcen und Fähigkeiten zu rechnen.
Literatur:
Al-Laham, Andreas : Strategieprozesse in deutschen Unternehmen, Wiesbaden 1997
Amit, Raffi/Shoemaker, Paul : Strategic assets and organizational rent, in: SMJ, Jg. 14, 1993, S. 33 – 46
Andrews, Kenneth : The Concept of Corporate Strategy, Homewood IL 1971
Ansoff, Igor : Corporate Strategy: An Analytic Approach to Business Policy for Growth and Expansion, New York 1965
Barney, Jay : Firm resources and sustained competitive advantage, in: JMan, Jg. 17, 1991, S. 99 – 120
Grant, Robert : Contemporary Strategy Analysis, 4. A., Oxford 2002
Hall, Richard : The strategic analysis of intangible resources, in: SMJ, Jg. 13, 1992, S. 135 – 144
Klein, Jeremy A./Hiscocks, Peter G. : Competence based competition: a practical toolkit, in: Competence Based Competition, hrsg. v. Hamel, Gary/Heene, Aimé, Chichster et al. 1994, S. 183 – 212
Müller-Stewens, Günter/Lechner, Christoph : Strategisches Management: Wie strategische Initiativen zum Wandel führen, Stuttgart 2001
Penrose, Edith : The Theory of the Growth of the Firm, New York 1959
Porter, Michael : Competitive Advantage: Creating and Sustaining Superior Performance, New York 1985
Rigby, David : Managing the Management Tools, in: Planning Review, Jg. 22, H. 5/1994, S. 20 – 24
Rumelt, Richard : How much does industry matter?, in: SMJ, Jg. 12, 1991, S. 167 – 185
Teece, David/Pisano, Gary/Shuen, Amy : Dynamic capabilities and strategic management, in: SMJ, Jg. 18, 1997, S. 509 – 533
Wernerfelt, Birger : A resource based view of the firm, in: SMJ, Jg. 5, 1984, S. 171 – 180

 

 


 

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