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Aktienoptionen


Inhaltsübersicht
I. Vorbemerkung
II. Modellunabhängige Wertgrenzen
III. Bewertung nach dem Duplikationsprinzip
IV. Bewertung bei unvollständigen Finanzmärkten

I. Vorbemerkung


Aktienoptionen verbriefen für den Käufer das Recht, nicht aber die Pflicht, eine bestimmte Anzahl von Aktien (Underlying) am oder bis zum Verfalltag des Optionsrechtes zu einem heute festgesetzten Preis (Basispreis) zu kaufen oder zu verkaufen. Beim Kaufrecht spricht man von einem Call, beim Verkaufsrecht von einem Put. Ist die Ausübung des Optionsrechtes nur am Verfalltag möglich, spricht man von einer Europäischen Option. Die an Terminbörsen (z.B. der Eurex) gehandelten Aktienoptionen sind allerdings überwiegend vom Amerikanischen Typ, die jederzeit bis zum Verfalltag ausgeübt werden können. Am Verfalltag einer Option entspricht ihr Wert ihrem Ausübungswert. Letzterer ist im Falle eines Calls auf eine Aktie gleich der Differenz zwischen dem Kurs der zugrunde liegenden Aktie und dem Basispreis, sofern diese Differenz nicht negativ ist. Falls diese Differenz negativ ist, so lohnt es sich für den Käufer eines Calls nicht, diesen auszuüben, und das Optionsrecht verfällt wertlos. Bezeichnet CT den Wert des Calls am Verfalltag, ST den Aktienkurs am Verfalltag und K den Basispreis des Calls dann gilt CT = max{0, ST – K}. Entsprechend wird der Inhaber eines Puts sein Verkaufsrecht nur dann ausüben, wenn der Aktienkurs am Verfalltag kleiner als der Basispreis ist. Bezeichnet PT den Wert des Puts am Verfalltag T, so gilt PT = max{0, K – ST}.
Wie aber ist der Barwert einer Option vor ihrem Verfalltag zu modellieren? Eine erste Antwort dazu liefert die frühe Arbeit von Louis Bachelier (Bachelier, Louis 1900), die den Barwert einer Europäischen Option als diskontierten Erwartungswert des Ausübungswertes am Verfalltag darstellt. Neben der Vernachlässigung der Risikoaversion von Investoren treten in diesem Modell zudem negative Aktienkurse mit positiver Wahrscheinlichkeit auf, da die möglichen Aktienkurspfade mittels einer (Arithmetischen) Brown\'schen Bewegung modelliert werden. Letzteres Problem wird in dem nunmehr klassischen BMS-Modell dadurch vermieden, dass nicht Kurspfade, sondern Renditepfade durch diesen Prozess modelliert werden. Die große Bedeutung und Eleganz des BMS-Modells ist jedoch darauf zurückzuführen, dass dieses Modell nicht die Kenntnis der Risikopräferenz von Investoren voraussetzt. Letzteres gilt für alle auf dem Duplikationsprinzip basierenden Bewertungsmodelle (siehe z.B. Jarrow, Robert A./Turnbull, Stuart 2000; Stoll, Hans R./Whaley, Robert E. 1993; Trautmann, Siegfried 2006).

II. Modellunabhängige Wertgrenzen


Die im Folgenden angegebenen Wertgrenzen für Aktienoptionen sind von der Modellierung der Kursentwicklung der Aktie unabhängig. Bei einer beobachteten Verletzung solcher Wertgrenzen besteht die Möglichkeit, profitable Arbitrage zu betreiben, falls Optionen sowie die zugrunde liegende Aktie zeitgleich gehandelt werden können. Unter profitabler Arbitrage wird dabei der Aufbau einer Portefeuilleposition verstanden, deren Liquidationswert bei beliebiger Aktienkursentwicklung nichtnegativ ist und deren Aufbau mit positiven Zahlungsüberschüssen verbunden ist. Es wird der Einfachheit halber unterstellt, dass während der Restlaufzeit einer Aktienoption auf die zugrunde liegende Aktie keine Dividende entfällt.

1. Eine Wertuntergrenze für Calls auf Aktien


Symbolisiert C den aktuellen Wert des Calls, S den aktuellen Aktienkurs, T die Restlaufzeit (in Jahren) und B(T) den Diskontierungsfaktor (Barwert einer Null-Kuponanleihe mit Restlaufzeit T und Nennwert 1), dann gilt die folgende Wertuntergrenze für Calls vom Europäischen Typ (Merton, Robert C. 1973):
(1) C ≥ max {0, S – KB(T)}.
Die Handelsstrategie, die von der Verletzung dieser so genannten Europäischen Wertuntergrenze (entspricht dem Inneren Wert des Calls) profitiert besteht aus dem Kauf des unterbewerteten Calls, dem Verkauf der zugrunde liegenden Aktie, und der risikolosen Anlage des diskontierten Basispreises. Dieses Portefeuille wird bis zum Verfalltag der Option gehalten und dann liquidiert. Dazu wird die Aktie zum Preis von ST zurückgekauft, um das ursprüngliche Aktienportefeuille wiederherzustellen bzw. eine geliehene Aktie an den Verleiher zurückgeben zu können. Falls sich der Call im Geld befindet, d.h. falls ST > K gilt, wird der Call ausgeübt und erbringt den Nettoerlös ST  – K > 0. Andernfalls verfällt der Call wertlos. Die Liquidation der risikofreien Finanzlage erbringt dagegen in beiden Fällen den Erlös K. Abb. 1 ist nun zu entnehmen, dass neben dem sicheren Arbitragegewinn ε > 0 im Zeitpunkt t = 0, diese Strategie in t = T zudem noch die Zahlung K – ST ≥ 0 verspricht, falls der Aktienkurs den Basispreis nicht übersteigt.
Aktienoptionen
Bei positiven Zinssätzen folgt aus der Europäischen Wertuntergrenze, dass sich die Ausübung eines Amerikanischen Calls auf eine dividendenlose Aktie vor dem Verfalltag niemals lohnt, weil der Innere Wert den Ausübungswert übersteigt. Der vor dem Verfalltag erzielbare Marktpreis wird sogar den Inneren Wert um den sogenannten Zeitwert übersteigen, falls –  wie im Regelfall – die Preise des Underlyings „ Aktie “ sich zufällig verändern. Bei einem erwarteten Aktienkursrückgang wird folglich der rational handelnde Besitzer eines Calls den Verkauf des Calls einer Ausübung vorziehen (siehe z.B. Trautmann, Siegfried 2006, S. 304 ff.).

2. Eine Wertuntergrenze für Puts auf Aktien


Die Kombination aus Aktie und Europäischem Put mit Basispreis K und Restlaufzeit T besitzt am Verfalltag des Puts das Liquidationswertprofil ST + max (0, K – ST) = max (ST, K). Dasselbe Profil liefert die Kombination eines ansonsten identischen Calls mit einer Finanzanlage mit der Laufzeit T und der Rückzahlung K: max (0, ST  – K) + K = max (ST, K). Die Forderung, dass in arbitragefreien Märkten auch die Barwerte dieser äquivalenten Portefeuilles übereinstimmen müssen, führt dann zu S + P = C + K B(T). Dies ist die praktisch bedeutsame Put-Call-Parität für Optionen vom Europäischen Typ (Stoll, Hans R. 1969):
(2) P = C – S + K B(T).
Für Aktienoptionen vom Amerikanischen Typ gilt dagegen die Ungleichung
(3) P ≥ C – S + K B(T),
weil einerseits ein Amerikanischer Call (im Fall ohne Dividenden) nicht vor dem Verfalltag ausgeübt werden sollte und daher sein Wert sich nicht von dem eines ansonsten identischen Europäischen Calls unterscheidet, aber andererseits das Recht, einen Amerikanischen Put vor dem Verfalltag auszuüben einen positiven Wert besitzt. Man denke etwa an die Möglichkeit eines extremen Kursverfalls der zugrunde liegenden Aktie. Spätestens dann, wenn die Aktie wertlos ist, also der Ausübungswert sein Maximum erreicht hat, sollte der Put ausgeübt werden, um Opportunitätskosten in Form von entgangenen Zinsen auf den Ausübungswert zu vermeiden.

III. Bewertung nach dem Duplikationsprinzip


Die Festlegung eines eindeutigen Modellwertes für Aktienoptionen erfordert zusätzliche Annahmen über die zukünftige Aktienkursentwicklung. Auf der Basis des recht einfachen Binomialmodells (Cox, John C./Ross, Stephen A./Rubinstein, Mark 1979) soll nun im Folgenden das dem BMS-Modell zugrunde liegende Bewertungsprinzip erklärt werden. Dazu wird im Unterschied zu Zinsoptionsmodellen eine flache und konstante Zinsstrukturkurve unterstellt.

1. Das Binomialmodell


Angenommen Aktie und Call können nur zum Bewertungszeitpunkt und am Verfalltag gehandelt werden. Zudem wird unterstellt, dass während der Restlaufzeit einer Aktienoption auf die Aktie keine Dividende entfällt. Alle Marktteilnehmer stimmen darin überein, dass bis zum Verfalltag einer Option der aktuelle Kurs der Aktie S entweder auf den Wert Su ≡ U·S steigt oder auf den Wert Sd ≡D·S fällt. Mit welcher Wahrscheinlichkeit der eine oder der andere Fall eintritt, spielt bei der weiteren Betrachtung keine Rolle. Der Barwert der Optionen hängt dann (bei gegebenem Diskontierungsfaktor) jeweils nur von den zwei Ausübungswerten Cu ≡ max{0, Su – K} und Cd ≡ max{0, SdK} ab, deren Wert wiederum vom Aktienkurs am Verfalltag abhängt. Das Ausübungswertprofil des Calls lässt sich durch das Liquidationswertprofil einer teilweise kreditfinanzierten Aktienanlage exakt duplizieren.
Technisch gesprochen existiert also immer ein Duplikationsportefeuille aus hS Aktien und hB Null-Kuponanleihen (hB < 0 entspricht einer Kreditaufnahme), dessen Liquidationswertprofil am Periodenende mit dem des Calls übereinstimmt. Besitzt die Null-Kuponanleihe den gegenwärtigen Kurswert 1 und den Rückzahlungsbetrag R > 1, dann wählt man hS und hB derart, dass sowohl hS Su + hB R =Cu als auch hS Sd + hB R =Cd gilt.Es ergibt sich folgende Duplikationsstrategie:
(4) Aktienoptionen.
hS wird dabei als Hedge-Kennzahl (\'Delta\') bezeichnet. In arbitragefreien Finanzmärkten muss nun der Gegenwartswert des Duplikationsportefeuilles mit dem des Calls übereinstimmen:
(5) Aktienoptionen.
Mit der Vereinbarung q ≡ (R – D)/(U – D) und daher (1 – q) = (U – R)/(U – D) gilt schließlich für den Wert des Calls
(6) C = [qCu + (1 – q)Cd]/R.
An einem Beispiel soll das hinter der Bewertungsformel (6) stehende Duplikationsprinzip noch erläutert werden. Zu bewerten sei ein Call auf eine Aktie, deren Kurswert am Periodenende bzw. am Verfalltag des Calls entweder den Wert Su = 240 oder den Wert Sd = 160 annehmen kann. Beträgt der aktuelle Kurswert der Aktie S = 200 und verzinst sich eine risikofreie Finanzanlage mit 10% in der betrachteten Periode, dann gilt q = 0,75 und 1 – q = 0,25 wegen R = 1,10, U = 1,20 und D = 0,80. Bei einem Basispreis von K = 200 gilt für den Ausübungswert des Calls Cu = 40 bzw. Cd = 0 und folglich für den aktuellen Modellwert C = 27,27. Falls der beobachtete Call-Preis diesen Modellwert übersteigt, dann ist die in Abb. 2 dargestellte Arbitragestrategie profitabel. Falls dagegen der Modellwert den Call-Preis übersteigt, so ist die entsprechende Umkehrung dieser Strategie profitabel.
Aktienoptionen
In arbitragefreien Finanzmärkten müssen die Parameter q und (1 – q) zwischen 0 und 1 liegen und können damit als Wahrscheinlichkeiten interpretiert werden. Der Barwert des Calls kann daher als diskontierter Erwartungswert seines Ausübungswertes am Verfalltag dargestellt werden,
(7) C = EQ(CT)/R,
wobei allerdings die Erwartungswertbildung auf Basis der Eintrittswahrscheinlichkeiten q und (1 – q) – erfasst durch die Verteilung Q – erfolgen muss. Da nur risikoneutrale Investoren eine Investition ausschließlich auf Basis des (diskontierten) erwarteten Investitionsrückflusses beurteilen, werden q, (1 – q) und Q mit dem Attribut risikoneutral (risikoneutralisiert wäre zutreffender) versehen. Man spricht bei Q auch von einem äquivalenten Martingalmaß mit folgender Eigenschaft (Harrison, J. Michael/Pliska, Stanley R. 1981; Delbaen, Freddy/Schachermayer, Walter 1994): Die Existenz eines äquivalenten Martingalmaßes ist (im Wesentlichen) äquivalent zur Arbitragefreiheit des Finanzmarktes; seine Eindeutigkeit garantiert, dass jede Option auf Basis des Duplikationsprinzips bewertet werden kann.
Unterstellt man nun n Teilperioden bzw. n + 1 Handelszeitpunkte bis zum Verfalltag, wobei zwischen benachbarten Handelszeitpunkten entweder ein Kursanstieg oder ein Kursrückgang mit konstanter prozentualer Höhe zugelassen wird, dann gibt es zum k-ten Handelszeitpunkt genau k mögliche Aktienkurse. Ausgehend von den n + 1 möglichen Ausübungswerten am Verfalltag können dann für die n möglichen Aktienkurse am vorletzten Handelszeitpunkt die zugehörigen Call-Werte durch n-fache Anwendung der Bewertungsformel (6) bestimmt werden. Die retrograde Anwendung dieses Bewertungsschemas führt dann schließlich zur Bewertungsformel
(8) Aktienoptionen.
Der ganzzahlige Parameter a ist dabei so bestimmt, dass für k ≥ a Kursanstiege bis zum Verfalltag der Call im Geld endet, d.h. UkDn – k S – K > 0 für k = a, ?, n gilt. In Übereinstimmung mit dem Einperiodenfall ist der Betrag C genau der Eigenmitteleinsatz, der benötigt wird, um das Ausübungswertprofil des Calls durch einen teilweise kreditfinanzierten Aktienkauf zu duplizieren. Im Unterschied zum Einperiodenfall muss jedoch zu jedem Handelszeitpunkt vor dem Verfalltag der Bestand an Aktien und Null-Kuponanleihen im Duplikationsportefeuille durch Kauf oder Verkauf in Abhängigkeit der Aktienkursentwicklung angepasst werden. Diese Umschichtungsstrategie wird selbstfinanzierend genannt, weil ein Aktienkauf durch einen entsprechenden Verkauf von Null-Kuponanleihen (und umgekehrt) finanziert wird.

2. Das Black/Merton/Scholes-Modell (BMS-Modell)


Das Modell von Fischer Black, Robert Merton und Myron Scholes (Black, Fischer/Scholes, Myron 1973; Merton, Robert 1973) kann als Grenzfall des Binomialmodells für n →∞ aufgefasst werden. Aktienkursrenditen sind normalverteilt mit dem annualisierten Mittelwert μ und der annualisierten Standardabweichung σ, auch Volatilität genannt. Wählt man in Formel (8) R = exp(rT/n), U = exp(σ√(T/n)) und D = exp( – σ√(T/n)), dann erhält man für n →∞ die Black/Merton/Scholes-Formel für Calls vom Europäischen Typ:
(9) C = SN(d) – Ke – rTN(d – σ√T),
wobei d = (ln(S/K) + (r + 0,5 σ2)T)/σ√T. Neben den bereits eingeführten Symbolen bezeichnet in der Formel N(·) die Verteilungsfunktion einer standardnormalverteilten Zufallsvariablen und r = lnR die zeitstetige Verzinsungsrate. Der durch Gleichung (9) gegebene Call-Wert entspricht dem Barwert des zeitstetig angepassten Duplikationsportefeuilles, C = hSS + hBR, sowie der gewichteten Differenz zwischen Aktienkurs und Barwert des Basispreises, wobei die Gewichte N(d) und N(d – σ√T) Werte zwischen Null und Eins annehmen können. Im Falle einer weit aus dem Geld notierenden Option (d.h. S ist viel kleiner als K) ist der Call beinahe wertlos, weil beide Gewichte nahe bei Null liegen. Ist die Option hingegen tief im Geld (d.h. S ist viel größer als K), so nehmen beide Gewichte Werte nahe Eins an, und der Wert der Option entspricht in etwa der Europäischen Wertuntergrenze (1). Eine entsprechende Formel für Europäische Puts lässt sich über die Put-Call-Parität herleiten.
Der einzige nicht direkt beobachtbare Parameter des BMS-Modells ist die zukünftige Renditevolatilität σ der zugrunde liegenden Aktie. Dieser Volatilitätsparameter kann prinzipiell auf zweierlei Arten geschätzt werden: auf der Basis der historischen Volatilität der zugrunde liegenden Aktie oder auf der Basis der sogenannten impliziten Volatilität. Letztere wird durch die Gleichsetzung der BMS-Formel mit dem Marktpreis einer Option und anschließender (numerischer) Auflösung der Gleichung nach dem Volatilitätsparameter bestimmt.
Der Vergleich von Marktpreisen mit korrespondierenden BMS-Modellwerten zeigt immer wieder, dass Letztere die Marktpreise im Mittel sehr gut erklären können (siehe z.B. Trautmann, Siegfried 1989). Dennoch liegt keine unverzerrte Erklärung von Marktpreisen vor, denn diese würde bedeuten, dass die implizite Volatilität auf der Basis beobachteter Marktpreise für Optionen unabhängig ist von den Modellparametern Basispreis und Restlaufzeit. Man beobachtet jedoch einen u-förmigen Zusammenhang zwischen der impliziten Volatilität und dem Basispreis der Optionen (Smile-Effekt). Demzufolge ist die implizite Volatilität besonders niedrig für Optionen, die am Geld notieren, während sie für Optionen, die entweder tief im Geld oder tief aus dem Geld sind, besonders hoch ist.

3. Sonstige Duplikationsmodelle


Bedenkt man, dass bereits das Eigenkapital eines Unternehmens als Kaufoption aufgefasst werden kann (die Eigenkapitalgeber können nämlich das gesamte Firmenvermögen erwerben, indem sie die Fremdkapitalgeber ausbezahlen), dann ist ein Aktien-Call bereits als Option auf eine Option (Compound Option) zu bewerten. Letztere kann mit dem Compound Option Model (Geske, Robert 1979) erfolgen, bei dem das Underlying der Basisoption (hier: das gesamte Firmenvermögen) wie im BMS-Modell einer Geometrischen Brownschen Bewegung folgt. Die Volatilität der Aktienrendite ist dann nicht mehr konstant, sondern zufällig, aber über infinitesimal kleine Zeitspannen perfekt mit dem Aktienkurs korreliert (für das Verhalten der Aktienvolatilität bei umlaufenden Optionsscheinen siehe Schulz, Uwe/Trautmann, Siegfried 1994). Letztere Eigenschaft ermöglicht wiederum die Anwendung des Duplikationsprinzips. Die Nichtbeobachtbarkeit der Vermögensrendite und seiner Volatilität erschwert jedoch die Anwendung des Compound Option Models auf der Basis historischer Volatilitäten.
Die Bewertung einer Amerikanischen Option muss derart erfolgen, dass der Optionswert in jedem Handelszeitpunkt und für jeden Aktienkurs den entsprechenden Ausübungswert nicht unterschreitet. Im Rahmen des zeitdiskreten Binomialmodells lässt sich dies in einfacher Weise berücksichtigen (siehe z.B. Trautmann, Siegfried 2006). Für das zeitstetige BMS-Modell gibt es nur für Calls (im Falle einer Dividendenzahlung vor dem Verfalltag des Calls) eine analytische Lösung, die auf dem Compound Option Model basiert. Für Puts ist dagegen bis heute keine analytische Lösung bekannt. Man begnügt sich daher mit approximativen, analytischen Lösungen bzw. mit numerischen Lösungsansätzen (siehe z.B. Stoll, Hans R./Whaley, Robert E. 1993).

IV. Bewertung bei unvollständigen Finanzmärkten


Das BMS-Modell modelliert die Aktienkursentwicklung mittels einer Geometrischen Brownschen Bewegung mit stetigen Kurspfaden und konstanter Renditevolatilität. Neuere Modelle heben diese restriktiven Annahmen auf, um beobachtete Eigenschaften von Aktienkursprozessen und daraus resultierende Renditeverteilungen modellmäßig besser erfassen zu können. Das Finanzmarktmodell wird dann allerdings unvollständig und Optionen können nicht mehr gemäß dem Duplikationsprinzip bewertet werden. Die Präferenzabhängigkeit der Bewertung lässt sich nur noch vermeiden, wenn man z.B. im Fall von Kurssprüngen das zusätzliche Kurssprungrisiko als diversifizierbar unterstellt (siehe Merton, Robert C. 1976).
Die meisten Modelle mit Kurssprüngen und/oder stochastischer Volatilität basieren auf präferenzabhängigen Gleichgewichtsmodellen (im Fall stochastischer Volatilität z.B. Heston, Stephen L. 1993; Schöbel, Rainer/Zhu, Jianwei 1999; im Fall mit Kurssprüngen z.B. Bates, David S. 1991; Bakshi, Gurdip/Cao, Charles/Chen, Zhiwu 1997) und führen zu Bewertungsformeln, die nicht frei von Präferenzparametern sind (eine Ausnahme bildet das GARCH-Modell von Duan, Jin-Chuan 1995). Vielversprechend ist das sehr flexible CGMY-Modell (Carr, Peter/Geman, Hélyette/Madan, Dilip et al. 2002), das – ohne eine Diffusionskomponente zu besitzen – sowohl kleine als auch große Kurssprünge bei stochastischer Volatilität erfassen kann.
Da sich in diesem Modellrahmen Aktienoptionen nicht mehr mittels einer dynamischen Duplikationsstrategie mit Aktie und Null-Kuponanleihe perfekt duplizieren lassen, stellt sich auch die Frage, wie die Verkäufer von Aktienoptionen sich gegen eine spätere Inanspruchnahme am besten schützen können (siehe Grünewald, Barbara/Trautmann, Siegfried 1997; Schulmerich, Marco/Trautmann, Siegfried 2003).
Literatur:
Bachelier, Louis : Théorie de la spéculation, in: Annales de l\'Ecole Normale Superieure, 1900, S. 21 – 86
Bakshi, Gurdip/Cao, Charles/Chen, Zhiwu : Empirical Performance of Alternative Option Pricing Models, in: Journal of Finance, 1997, S. 2003 – 2049
Bates, David S. : The Crash of \'87: Was It Expected? The Evidence from Options Markets, in: Journal of Finance, 1991, S. 1009 – 1044
Black, Fischer/Scholes, Myron : The Pricing of Options and Corporate Liabilities, in: Journal of Political Economy, 1973, S. 637 – 659
Carr, Peter/Geman, Hélyette/Madan, Dilip B. : The Fine Structure of Asset Returns: An Empirical Investigation, in: Journal of Business, Bd. 75, H. 2/2002, S. 305 – 332
Cox, John C./Ross, Stephen A./Rubinstein, Mark : Option pricing: A Simplified Approach, in: Journal of Financial Economics, 1979, S. 229 – 263
Delbaen, Freddy/Schachermayer, Walter : A General Version of the Fundamental Theorem of Asset Pricing, in: Mathematische Annalen, Jg. 300, 1994, S. 463 – 520
Duan, Jin-Chuan : The GARCH Option Pricing Model, in: Mathematical Finance, 1995, S. 13 – 32
Geske, Robert : The Valuation of Compound Options, in: Journal of Financial Economics, 1979, S. 63 – 81
Grünewald, Barbara/Trautmann, Siegfried : Varianzminimierende Hedgingstrategien für Optionen bei möglichen Kurssprüngen, in: Zeitschrift für betriebswirtschaftliche Forschung, H. 38/1997, S. 43 – 87
Harrison, J. Michael/Pliska, Stanley R. : Martingales and Stochastic Integrals in the Theory of Continuous Trading, in: Stochastic Processes and their Applications, 1981, S. 215 – 260
Heston, Stephen L. : A Closed-Form Solution for Options with Stochastic Volatility with Applications to Bond and Currency Options, in: Review of Financial Studies, 1993, S. 327 – 343
Jarrow, Robert A./Turnbull, Stuart : Derivative Securities, 2. A., Cincinnati 2000
Merton, Robert C. : Theory of Rational Option Pricing, in: Bell Journal of Economics and Management Science, 1973, S. 141 – 183
Merton, Robert C. : Option Pricing When Underlying Stock Returns are Discontinuous, in: Journal of Financial Economics, 1976, S. 125 – 144
Schöbel, Rainer/Zhu, Jianwei : Stochastic Volatility With an Ornstein-Uhlenbeck Process: An Extension, in: European Finance Review, Jg. 3, 1999, S. 23 – 46
Schulmerich, Marco/Trautmann, Siegfried : Local Expected Shortfall-Hedging in Disrete Time, in: European Finance Review, Jg. 2003, Bd. 7, 2003, S. 75 – 102
Schulz, Uwe/Trautmann, Siegfried : Robustness of Option-like Warrant Valuation, in: Journal of Banking & Finance, 1994, S. 841 – 859
Stoll, Hans R. : The Relationship between Put and Call Options Prices, in: Journal of Finance, 1969, S. 802 – 824
Stoll, Hans R./Whaley, Robert E. : Futures and Options, Ohio 1993
Trautmann, Siegfried : Aktienoptionspreise an der Frankfurter Optionsbörse im Lichte der Optionsbewertungstheorie, in: Finanzmarkt und Portfolio Management, 1989, S. 210 – 225
Trautmann, Siegfried : Investitionen. Bewertung, Auswahl und Risikomanagement, Berlin 2006

 

 


 

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