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Betriebswirtschaftliche Steuerlehre


1. Charakterisierung Betriebswirtschaftliche Steuerlehre ist ein Teilgebiet der Betriebswirtschaftslehre. Nach Wagner unter­sucht die Betriebswirtschaftslehre einzelwirtschaftliche Entscheidungen, insbesondere im Hinblick auf deren Vorteilhaftigkeit hinsichtlich ihrer finanziellen Zielbeiträge (Wagner, 2005a, S. 408).
2. Hauptaufgaben und Inhalte der Betriebswirtschaftlichen Steuerlehre Den Steuerpflichtigen erwachsen aus der Besteuerung grundsätzlich zwei Arten von Pflichten: Erstens die Pflicht zur Zahlung von Steuern, diese beinhaltet ggf. auch steuerliche Nebenleistungen wie z.B. Säumniszuschläge oder Zinsen, und zweitens die Pflicht zur Erbringung von Dienstleistungen wie Buchführung, Bilanzierung, Erstellung von Steuererklärungen, Berechnung, Einbehaltung und Abführung von Lohnsteuer etc. Gegenstand der Betriebswirtschaftlichen Steuerlehre sind die durch die Besteuerung hervorgerufenen Wirkungen auf ökonomische Entscheidungen von Steuerpflichtigen. Die Analyse von Steuerwirkungen hat sowohl einen deskriptiven als auch einen normativen Aspekt. Im deskriptiven Sinne verfolgt die Betriebswirtschaftliche Steuerwirkungslehre das Ziel, durch zusätzliche Berücksichtigung oder Änderung steuerlicher Parameter in betriebswirtschaftlichen Planungsmodellen (siehe z.B.  Kapitalwert-formel vor und nach Steuern) die Wirkung der Besteuerung oder von Änderungen der Besteuerung auf das Verhalten von Steuerpflichtigen zu beschreiben. Dagegen verfolgt die Betriebswirtschaftliche Steuerplanungs- oder Steuergestaltungslehre einen eher normativen Zweck, indem sie die Frage zu beantworten versucht, wie sich Steuerpflichtige vor dem Hintergrund ihrer Zielsetzungen unter Berücksichtigung der relevanten steuerlichen Rahmenbedingungen verhalten sollen (König, 2004, S. 260). Meist werden drei Hauptaufgaben der Betriebswirtschaftlichen Steuerlehre unterschieden: · Beschreibung des Einflusses der Besteuerung auf einzelwirtschaftliche Entscheidungen (Steuer-wirkungslehre) · Steuerorientierte Entscheidungsunterstützung (Steuergestaltungslehre) · Auf den Ergebnissen der beiden genannten Hauptaufgaben aufbauende kritische ökonomische Analyse von Steuerrecht und Steuerrechtsprechung de lege lata und de lege ferenda, Im Rahmen dieser normativen Betriebswirtschaftlichen Steuerlehre werden insbesondere auch Steuerreform-überlegungen vorgenommen. Diese drei Aufgaben behandeln und anwenden kann nur, wer die einschlägigen steuerlichen Normen kennt. Insofern widmet sich jedes Lehrbuch zur Betriebswirtschaftlichen Steuerlehre zunächst propä-deutisch dem konkreten Steuerrecht (Steuerrechtspropädeutik) (Einkommensteuer,   Körper-schaftsteuer, Gewerbesteuer,   Umsatzsteuer). Die Rechtsquellen, die jeder betriebswirtschaftlichen Analyse des Steuerrechts zu Grunde liegen, sind die relevanten Gesetze und Rechtsverordnungen, die Rechtsprechung der zuständigen Gerichte und eingeschränkt die Verwaltungsanweisungen. Daraus ergeben sich die traditionellen Inhalte der Betriebswirtschaftlichen Steuerlehre. Zunächst müs-sen die Grundlagen des RecImungswesens und des Steuerrechts gelegt sein. Sodann ist einerseits der Steuereinfluss auf die Führungsfunktionen von Unternehmen (bspw. Steuereinfluss auf Rechtsform) und andererseits auf die klassischen betrieblichen Funktionen (bspw. Steuereinfluss auf Investitions-und Finanzierungsentscheidungen) zu analysieren. Zum Einfluss der Besteuerung auf Investitionsentscheidungen siehe  Investition sowie  Kapitalwerermeln vor und nach Steuern. Zum Einfluss der Besteuerung auf Finanzierungsentscheidungen vgl. die einschlägige Literatur; besonders BieglKussmaul, 2000, S. 71 ff. Des Weiteren finden sich mehr oder weniger verbreitete Spezialinhalte der Betriebswirtschaftlichen Steuerlehre. Dazu zählen unter anderem · das Internationale Steuerrecht (Steuerrecht, Internationales), · der Einfluss der Besteuerung auf Kapitalanlagen und · der Einfluss der Besteuerung auf die Unternehmens- und Vermögensnachfolge. Die im Zusammenhang mit der Einkommenserzielung stehende Entscheidung von Individuen über die Aufteilung ihrer insgesamt verfügbaren Zeit in Arbeitszeit einerseits und Freizeit andererseits wird in der Regel ausgeklammert. Vielmehr wird angenommen, dass diese Entscheidung vorab getroffen wurde. Die engen Beziehungen zu den beiden verwandten Disziplinen (Rechtswissenschaft und Finanzwissen-schaft) sind selbstredend. Die enge Verbindung zur Rechtswissenschaft ergibt sich in mustergültiger Weise im Zusammenhang mit der Auslegung von steuerlich relevanten Rechtsnormen. Die Finanzwis-senschaft als die Ökonomie staatlichen Handelns muss sich zwangsläufig mit der Besteuerung ausei-nandersetzen, da staatliches Handeln ohne Steuem praktisch undenkbar ist. In Deutschland ist die betriebswirtschaftliche Steuerlehre als eigenständige Disziplin unbestritten. In nahezu allen nicht deutschsprachigen Ländern ist dies anders. Was wir in Deutschland als Steuerplanung verstehen, wird in den USA häufig von den juristischen Fakultäten abgedeckt. Steuersystemvergleiche übernehmen dann die Finanzwissenschaftler (Jacobs, 2004, S. 252). Jüngst hat sich in den USA jedoch auch eine Disziplin „Tax Accounting” entwickelt, die der deutschsprachigen Betriebswirtschaftlichen Steuerlehre relativ nahe steht (vgl. dazu ausführlich und mit den relevanten Quellenangaben Wagner, 2004).
3. Zentrale Steuerarten der Betriebswirtschaftlichen Steuerlehre Die in der Literatur regelmässig analysierten Steuerarten sind die Ertragsteuern, also Einkommen- und Körperschaftsteuer, sowie die Gewerbesteuer. Dies widerspricht nur auf den ersten Blick den vom Bundesfinanzministerium regelmässig veröffentlichten Statistiken, aus denen hervorgehen, dass die seit Jahrzehnten aufkommensstärksten Steuern die Umsatzsteuer (USt), die  Lohnsteuer (LSt) und die Mineralölsteuer sind. Die USt ist aus ökonomischer Sicht eine Verbrauchsteuer, da sie nach dem Willen des Gesetzgebers nur vom Endverbraucher getragen wird. Insofern ist sie bei Unternehmern ein durchlaufender Posten und mit Ausnahme geringfügiger Zinseffekte nicht entscheidungserheblich. Die LSt fällt an, wenn ein Steuerpflichtiger Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit bezieht. Insofern ist die LSt nichts anderes als der Teil der ESt, der als Vorauszahlung durch Quellenabzug beim Arbeitgeber einbehalten, abgeführt und beim Steuerpflichtigen auf seine ESt angerechnet wird. Die Mineralölsteuer belastet als spezielle Verbrauchsteuer den Verbrauch von Mineralölprodukten. Auch sie wird nach dem Willen des Gesetz­gebers vom Endverbraucher getragen. Es bleiben damit zu Recht für die betriebswirtschaftliche Analyse die grossen Ertragsteuern, also die Einkommensteuer (ESt), die   Körperschaftsteuer (KSt) sowie die  Gewerbesteuer (GewSt). Die ESt besteuert das Einkommen natürlicher Personen nach einem progressiven Tarif. Die KSt besteuert dagegen das Einkommen der juristischen Personen. Seit 2001 kennt das deutsche Körperschaftsteuer-recht einen definitiven Steuersatz von 25 °A, der sowohl im Ausschüttungs- als auch im Thesaurie­rungsfall zum Tragen kommt. Die GewSt ist für   Kapitalgesellschaften proportional ausgestaltet, für   Einzelunternehmen und   Personengesellschaften aufgrund des sog.   Staffeltarifs progressiv. Des Weiteren ist für bestimmte Gestaltungen die Erbschaftsteuer (ErbSt) von grosser Bedeutung. Das gilt in besonderem Masse für die Unternehmens- und Vermögensnachfolge. Hinweise · Zu den angrenzenden steuerrechtlichen Wissensgebieten (nach deutschem Steuerrecht), siehe   Einkommensteuer,   Gewerbesteuer,  Körperschaftsteuer,   Steuerbilanzpolitik,   Steu­errecht, Internationales,   Umsatzsteuer. · Zu den angrenzenden Wissensgebieten der Rechnungslegung siehe   Abschlusserstellung nach US-GAAP,   Bilanzanalyse,  Handelsrecht (deutsches),  Internationale Rechnungslegung nach IFRS,   Jahresabschluss nach deutschem Recht,   Jahresabschluss nach schweizerischem Recht,   Kapitalflussrechnung,   Konzernabschluss (Konzernrechnungslegung),  Sonderbi­lanzen,   Swiss GAAP FER.

Literatur: Bieg, Hartmut / Kussmaul, Heinz: Investitions- und Finanzierungsmanagement. Band III: Finanzwirtschaftliche Entscheidungen, München 2000; S. 71-81; Busch, Jochen: Steueroptimierte Wertpapieranlage im Rahmen der privaten Vermögensverwaltung, BB 2005, S. 1765 — 1771; Haber-stock, Lothar / Breithecker, Volker: Einführung in die Betriebswirtschaftliche Steuerlehre, 13. Auflage, Berlin 2005; Jacobs, Otto H.: Stand und Entwicklungstendenzen der Betriebswirtschaftlichen Steuer­lehre, StuW 2004, S. 251 — 259; Kaminski, Bert / Strunk, Günther: Einfluss von Steuern auf unterneh­merische Entscheidungen, München/Neuwied 2003; König, Rolf: Theoriegestützte betriebswirtschaftli­che Steuerwirkungs- und Steuerplanungslehre, StuW 2004, S. 260 — 266; Schneeloch, Dieter: Besteue­rung und betriebliche Steuerpolitik. Band 2: Betriebliche Steuerpolitik, 2. Aufl., München 2002; Schneider, Dieter: Steuerlast und Steuerwirkung, München/Wien 2002; Wagner Franz W.: Gegenstand und Methoden betriebswirtschaftlicher Steuerforschung, StuW 2004, S. 237 — 250; Wagner Franz W. (2005a): Besteuerung, in: Vahlens Kompendium der Betriebswirtschaftslehre, Band 2, hrsg. v. Michael Bitz u.a., München 2005, S. 407 - 477; Wagner Franz W. (2005b): Steuervereinfachung und Entschei­dungsneutralität — konkurrierende oder komplementäre Leitbilder für Steuerreformen?, StuW 2005, S. 93 — 108; Wangler, Clemens: Fall Rock und Zock: Klausur zum Thema Einkünfte aus Kapitalver­mögen, SteuerStud 2000, S. 395 — 400; Wangler, Clemens: Abfindungsregelungen in Gesellschaftsver­trägen. Rechtsgrundlagen — Ökonomische Analyse — Steuerliche Einflüsse, Bielefeld 2003, S. 138 — 148. Internetadressen: http://www.bundesfinanzhof.de; http://www.bundesfinanzministerium.de; http:// www.forum-steuern.de; http://www.sis-verlag.de; www.stiftung-marktwirtschaft.de; www.gesetze-im­internet.de  

 

 


 

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