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Ad-hoc-Publizität und Insiderhandel


Inhaltsübersicht
I. Begriffliche Abgrenzung
II. Ad-hoc-Publizität
III. Insiderhandel
IV. Internationale Zusammenarbeit

I. Begriffliche Abgrenzung


Unter Ad-hoc-Publizität versteht man die Verpflichtung eines Emittenten von Finanzinstrumenten, die zum Handel an einer inländischen Börse zugelassen sind, oder für die eine Börsenzulassung beantragt worden ist, die ihn unmittelbar betreffenden Insiderinformationen unverzüglich zu veröffentlichen (§ 15 WpHG). Unter Insiderhandel fallen der Kauf und/oder Verkauf oder die Empfehlung hierzu von Insiderpapieren aufgrund der Kenntnis einer Insidertatsache sowie die unbefugte Weitergabe von Insidertatsachen.

II. Ad-hoc-Publizität


1. Die Entstehung der Veröffentlichungspflicht


Kapitalmarktrechtliche Informationspflichten wurden zunächst durch die Börsengesetznovelle 1986 in den §§ 44 bis 44d BörsG geregelt. Mit der Schaffung des Wertpapierhandelsgesetzes vom 26.07.1994 und der Errichtung des Bundesaufsichtsamtes für den Wertpapierhandel (BAWe) wurde die Ad-hoc-Pflicht in § 15 WpHG verankert. Ziel ist zum einen die Förderung der Transparenz des Wertpapiermarktes, zum anderen soll durch die Veröffentlichung von Insiderinformationen präventiv dem Insiderhandel entgegengewirkt werden (so die Beschlussempfehlung und der Bericht des Finanzausschusses, BT Drs. 12/7918, S. 96). Damit ergänzt die Ad-hoc-Pflicht die Pflicht zur regelmäßigen Publizität, etwa in Form des Jahresabschlusses.
Im Zuge der Einführung eines integrierten Aufsichtssystems übernahm im Jahre 2002 die neu gegründete Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) die Aufgaben der ehemaligen Aufsichtsämter für das Kreditwesen, für das Versicherungswesen und für den Wertpapierhandel. Außerdem wurden mit der Umsetzung der Marktmissbrauch-Richtlinie (2003/6/EG, ABl. L 96 vom 12.04.2003) die Vorschriften des WpHG zur Ad-hoc-Publizität und zum Verbot des Insiderhandels fortentwickelt.

2. Die Voraussetzungen der Publizitätspflicht


Nach § 15 WpHG muss der Emittent Insiderinformationen, die ihn unmittelbar betreffen, insbesondere in seinem Tätigkeitsbereich entstanden sind, unverzüglich veröffentlichen. Der Emittent kann jedoch in eigener Verantwortung die Veröffentlichung aufschieben, wenn dies zum Schutz seiner berechtigten Interessen erforderlich ist, keine Irreführung der Öffentlichkeit zu befürchten ist und die Vertraulichkeit der Insiderinformation sichergestellt ist. In diesem Fall muss die Veröffentlichung unverzüglich nachgeholt werden.

3. Die Adressaten der Norm


Nach § 15 Abs. 1 WpHG sind Emittenten von

1.

Finanzinstrumenten,

2.

die zum Handel an einem inländisch organisierten Markt zugelassen sind


zur Ad-hoc-Publizität verpflichtet. Zu den Finanzinstrumenten gehören neben Aktien, Schuldverschreibungen, Genussscheinen, Optionsscheinen und vergleichbaren Wertpapieren auch Derivate. Inländische organisierte Märkte sind insbesondere der amtliche und geregelte Markt der deutschen Wertpapierbörsen.

4. Die Zielsetzung der Norm


Das erste Ziel ist die schnelle Information des Marktes über kursrelevante Informationen. Hierdurch soll die Transparenz gesteigert und die Funktionsfähigkeit des Wertpapiermarktes verbessert werden. Durch eine schnelle und gleichmäßige Unterrichtung des Marktes soll für alle Marktteilnehmer, insbesondere die Anleger, ein gleicher Informationsstand hergestellt werden. Die Bildung eines unangemessenen Börsenpreises aufgrund fehlerhafter oder unvollständiger Informationen soll vermieden werden.
Das zweite Ziel ist die Vermeidung des Insiderhandels. Wird eine Information als Ad-hoc-Mitteilung veröffentlicht wird sie allgemeinbekannt und verliert den Charakter einer nicht öffentlich bekannten Tatsache. Die Überwachung der Publizitätspflicht und die Verfolgung des Insiderhandels obliegen der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin). Beide Bereiche sind eng miteinander verbunden und daher wesentliche Elemente zum Schutz des Kapitalmarktes.
Daneben werden auch die Individualinteressen der Anleger geschützt. Bei einer Unterlassung der unverzüglichen Veröffentlichung oder einer Veröffentlichung unwahrer Insiderinformationen können unter bestimmten Voraussetzungen Schadenersatzansprüche gegen den Emittenten geltend gemacht werden (§ 15 Abs. 6 i. Verb. M. §§ 37b, 37c WpHG).

5. Die Umsetzung der Veröffentlichungspflicht


Nach den Grundregeln der Veröffentlichung (§ 15 WpHG) hat diese

1.

unverzüglich, das heißt ohne schuldhaftes Zögern,

2.

vollständig und

3.

in der gesetzlich vorgeschrieben Form (siehe II.6.) zu erfolgen.


Unzulässig ist es, die Veröffentlichung der Tatsache in anderer Weise (zum Beispiel durch eine Abgabe von Erklärungen in Pressekonferenzen) vor der Erfüllung der eigentlichen Ad-hoc-Pflicht vorzunehmen (§ 15 Abs. 5 WpHG). Andernfalls könnte eine verbotene Weitergabe einer Insidertatsache vorliegen (§ 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG). Durch diese Verfahrensweise soll sichergestellt werden, dass der Markt die relevanten Informationen zeitgleich erhält und diese nicht selektiv nur bestimmten Personen zugänglich sind.

6. Das gesetzlich vorgeschriebene Veröffentlichungsverfahren


Vor der Ad-hoc-Veröffentlichung hat der Emittent die bekannt zu gebende Tatsache

1.

der Geschäftsführung der Börsen, an denen die Finanzinstrumente zum Handel zugelassen sind,

2.

der Geschäftsführung der Börsen, an denen Derivate, deren Gegenstand die Finanzinstrumente sind, (Underlying) gehandelt werden und

3.

der Bundesanstalt mitzuteilen.


In der Praxis hat sich eine Vorlaufzeit von 30 Minuten bewährt. Hierdurch haben die entsprechenden Börsen die Gelegenheit, je nach Auswirkung der Mitteilung über eine zeitweise Aussetzung des Handels zu entscheiden. Weiterhin ist noch ausreichend Zeit, die Maßnahmen unter den betroffenen Börsen abzustimmen.
Die Ad-hoc-Meldung ist in deutscher Sprache wie folgt zu veröffentlichen:

1.

zunächst über ein elektronisch betriebenes Informationsverbreitungssystem, das bei den Kreditinstituten Zweigstellen ausländischer Unternehmen, die Bank- oder Finanzdienstleistungen erbringen, inländischen Unternehmen mit einer Zulassung zur Teilnahme am Handel an einer inländischen Börse sowie Versicherungsunternehmen weit verbreitet ist (Herstellung der sogenannten Bereichsöffentlichkeit). Bei Emittenten mit Sitz im Ausland hat die Bundesanstalt gestattet, die Veröffentlichung in englischer Sprache vorzunehmen.

2.

zusätzlich auf einer Website des Emittenten, sofern er über eine Website verfügt.


Der Emittent hat die Veröffentlichung unverzüglich den Geschäftsführungen der betroffenen Börsen und der Bundesanstalt zu übersenden.

7. Sanktionen


Wer gegen die Bestimmungen zur Ad-hoc-Publizitätspflicht verstößt begeht eine Ordnungswidrigkeit (§ 39 WpHG). Bei einem Verstoß gegen die Publizitätspflicht kann ein Bußgeld bis zu 1 Mio. Euro verhängt werden. Der Adressat des Bußgeldbescheides können Einzelpersonen oder das Unternehmen selbst sein.

8. Die Praxis der Ad-hoc-Publizität


Die große Zahl der Ad-hoc-Mitteilungen (vgl. Abb. 1) trägt erheblich zur Transparenz des Finanzmarktes bei.


Abb. 1: Anzahl der Ad-hoc-Mitteilungen
Durch die schnelle Unterrichtung des Marktes über neue kursrelevante Unternehmensinformationen haben sich die Transparenz und damit das Vertrauen der Anleger in die Integrität des deutschen Aktienmarktes deutlich verbessert. Dem Missbrauch zu Werbezwecken wird dadurch entgegengewirkt, dass Ad-Hoc-Meldungen auf die Veröffentlichungspflichtigen Insiderinformationen zu beschränken sind.

III. Der Insiderhandel


1. Die Entstehung des Insiderhandelsverbots


Das im WpHG geregelte Insiderhandelsverbot geht auf die Umsetzung der Richtlinie des Rates der EG vom 13.11.1989 und die Marktmissbrauch-Richtlinie (2003/6/EG, ABl. L96 vom 12.03.2003) zurück. Nach diesen Richtlinien haben die Mitgliedstaaten

1.

Verwaltungsstellen mit Kontroll- und Ermittlungskomponenten einzurichten und

2.

Wirksame Sanktionen zur Einhaltung der Vorschriften festzulegen


Der Bundesanstalt obliegt die laufende Überwachung des börslichen und außerbörslichen Geschäftes in Insiderpapieren, um Verstöße gegen die Insiderhandels-, Weitergabe- und Empfehlungsverbote aufzudecken. Das WpHG räumt der Bundesanstalt hierzu Auskunfts- und Untersuchungskompetenzen ein. Stellt das Amt Tatsachen fest, die den Verdacht einer Insiderstraftat begründen, so hat es diese der zuständigen Staatsanwaltschaft anzuzeigen.

2. Die Insiderpapiere


Nach § 12 WpHG sind Insiderpapiere Finanzinstrumente, wie Aktien, Schuldverschreibungen, vergleichbare Wertpapiere und Derivate, die Wertpapiere, Waren und Edelmetalle zum Gegenstand haben, soweit diese Finanzinstrumente in den Staaten der Europäischen Union oder des Europäischen Wirtschaftsraumes an den Börsen gehandelt werden. Damit geht der Kreis dieser Papiere erheblich über den hinaus auf die sich die Ad-hoc-Publizitätspflicht bezieht. Insiderpapiere sind auch solche, die im Freiverkehr gehandelt werden. Nahezu jedes gehandelte Wertpapier oder Derivat ist damit ein Insiderpapier. Als Insiderpapier gelten auch Finanzinstrumente ohne eigene Zulassung zum Handel, die sich auf die vorgenannten Insiderpapiere beziehen (z.B. Optionsprogramme für Führungskräfte).

3. Die Insidertatsache


Grundvoraussetzung für die Begehung einer Insidertat ist das Vorliegen einer Insidertatsache. Eine Insidertatsache ist

1.

eine nicht öffentlich bekannte konkrete Tatsache,

2.

die sich auf einen oder mehrere Emittenten von Insiderpapieren oder Insiderpapiere selbst bezieht

3.

und geeignet ist, im Falle ihres öffentlichen Bekanntwerdens den Kurs der Insiderpapiere erheblich zu beeinflussen (§ 13 Abs. 1 WpHG).


Die Definition der Insidertatsache ist erheblich weiter gefasst als die der meldepflichtigen Tatsache nach § 15 WpHG. So können auch marktbezogene Informationen, die z.B. eine Großorder von bestimmten Wertpapieren betreffen, eine Insidertatsache darstellen.

4. Die verbotenen Handlungen


Es ist verboten, unter Ausnutzung der Kenntnis einer Insidertatsache Insiderpapiere für eigene oder fremde Rechnung oder für einen anderen zu erwerben oder zu veräußern.
Darüber hinaus besteht ein Verbot, anderen Personen eine Insidertatsache unbefugt mitzuteilen oder einem anderen aufgrund der Kenntnis einer Insidertatsache den Erwerb oder die Veräußerung von Insiderpapieren zu empfehlen oder ihn dazu zu verleiten (§ 14 WpHG).

5. Sanktionen


Je nach Art der Verstöße sieht das WpHG strafrechtliche Sanktionen oder Ordnungswidrigkeitentatbestände vor. Der verbotene Erwerb oder die Veräußerung von Insiderpapieren wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Als Straftat gilt auch die unbefugte Weitergabe von Insiderinformationen und Empfehlungen durch sog. Primärinsider (insbesondere Organmitglieder, Anteilseigner und Personen mit berufsbedingter Kenntnis von Insiderinformationen) oder leichtfertiger Erwerb oder Veräußerung von Insiderpapieren (§ 38 WpHG). Die sonstigen Verstöße betreffen vor allem die unbefugte Weitergabe von Insiderinformationen und Empfehlungen durch sog. Sekundärinsider und werden mit Geldbußen geahndet (§ 39 WpHG).

6. Untersuchung von Insidergeschäften durch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht


Im Regelfall erfolgen Untersuchungen entsprechend dem nachstehenden Muster:
Zu Beginn einer Untersuchung stellen Marktanalysten fest, ob eine neue Tatsache vorliegt. Erkenntnisquellen hierzu sind Hinweise aus der Bevölkerung, automatisierte Systeme zum Erkennen von Kurs- und/oder Umsatzauffälligkeiten, Auswertungen der Ad-hoc-Mitteilungen (§ 15 WpHG), Auswertungen der Informationen einer Datenbank über wesentliche Stimmrechtsanteile (§ 21 WpHG), Auswertungen von Medienberichten (Print, TV, Radio), Beobachtungen im Internet und anderen Informationsdiensten, Hinweise anderer Behörden (beispielhaft Handelsüberwachungsstellen der Börsen und Börsenaufsichtsbehörden), Auswertungen von Prospekten sowie Recherchen bei Informationsdiensten (Internet, kommerzielle Nachrichtenanbieter).
Im nächsten Schritt wird unter Zuhilfenahme von Chartansichten und der Auswertung der Informationen einer Datenbank über getätigte Geschäfte (§ 9 WpHG) analysiert, ob Verdachtsmomente bestehen. Ist dies der Fall, beginnt die eigentliche Untersuchungsphase, in der die Bundesanstalt von ihrer Ermittlungsbefugnissen Gebrauch macht.
Ermittler befragen den Emittenten sowie eventuell weitere Personen oder Firmen zu dem Geschehensablauf. Hierbei wird festgestellt, welche Personen Kenntnis einer Insidertatsache hatten und ab wann die Tatsache öffentlich bekannt war. Die Informationen werden auf Vollständigkeit überprüft (z.B. durch Kontrolle unter Zuhilfenahme von Wirtschaftsdatenbanken und eine Liste der Primärinsider erstellt.
Die Institute, über die die Geschäfte abgewickelt wurden müssen Auskunft über die Auftraggeber erteilen. Aus diesen Informationen wird eine Liste der Personen erstellt, die Käufe oder Verkäufe tätigten. Beide Listen werden verglichen. Hierbei wird auch untersucht, ob Verwandtschaftsverhältnisse bestehen, Personen unter der selben Anschrift wohnen oder andere Verbindungen nachzuweisen sind. Bei weiteren Anhaltspunkten wird das Depot der Verdächtigen überprüft.
Wirken die Beteiligten bei den Auskünften nicht oder nicht vollständig mit, können Bußgelder verhängt werden (§ 39 WpHG). Bestätigt sich ein Verdacht, wird die Tat der zuständigen Staatsanwaltschaft angezeigt (§ 18 WpHG).

IV. Internationale Zusammenarbeit


Angesichts der Internationalisierung der Wertpapiermärkte können Insidergeschäfte auch unter Einschaltung ausländischer Banken getätigt werden. In diesen Fällen schließen die Untersuchungen den Informationsaustausch mit ausländischen Aufsichtsbehörden ein, um insbesondere die Identität der Auftraggeber der Wertpapiergeschäfte festzustellen. Mit anderen Staaten wurden die hierzu erforderlichen Vereinbarungen entweder durch Briefwechsel oder Übereinkünfte (Memoranda of Understanding, MoU) geschlossen. In der EU besteht diese Verpflichtung nach europäischen Regeln. Das Bankgeheimnis ist insofern eingeschränkt.
Literatur:
Assmann, H.D./Schneider, U.H (Hrsg.) : Wertpapierhandelsgesetz, Kommentar, 4. A., Köln 2006
Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin), : Jahresberichte der BaFin (http://www.bafin.de), Frankfurt/Bonn
Schäfer, F. : Wertpapierhandelsgesetz, Börsengesetz, Verkaufsprospektgesetz, Kommentar, 2. A., Stuttgart 2006

 

 


 

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