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Theorie der Property Rights

strebt  auf der Grundlage der neoklassischen Denktradition und einiger weiterer analytischer Kategorien (Transaktionen, Transaktionskosten (Kosten), Externalitäten)  eine betont mikroökonomische Erforschung der Entstehung, der vorherrschenden Struktur, der Wirkungen und der zweckmäßigen Gestaltung der rechtlich oder in anderer Form gesicherten Möglichkeiten eines bestimmten Umgangs mit Gütern an, durch den ihr Nutzungsbereich gegenüber anderen Personen wirksam begrenzt wird. Da diesen Handlungsrechten ein maßgeblicher Einfluß auf die Ablaufsprozesse der Volkswirtschaft zugeschrieben wird, werden sie explizit in die ökonomische Analyse einbezogen. Die hierfür seit den 60er Jahren vor allem von den amerikanischen Ökonomen Alchian, Buchanan, Coase, Demsetz und Pejovich entwickelte Methodik zielt auf eine realitätsnahe Fundierung der neoklassischen Theorie und auf eine beträchtliche Erweiterung des bisherigen Aufgaben- und Erklärungsbereichs der Ökonomie hin. Verbunden damit ist eine Rückbesinnung auf die fundamentale Erkenntnis der klassischen Nationalökonomie, wonach die Wohlfahrt (Wohlfahrtsökonomik) einer Gesellschaft eine Funktion ihrer grundlegenden Gesetze und handlungsbestimmenden Institutionen (Ordnungen) ist. Die folgenden Ausführungen beschränken sich auf einige wichtige Bestandteile, Anwendungsbereiche und -probleme der T.
1. PR (= Property Rights) begrenzen den Handlungs- und Verfügungsbereich des einzelnen hinsichtlich der Nutzung seiner Fähigkeiten und Güter gegenüber anderen Personen. Die entsprechenden Handlungs- oder Verfügungsrechte werden in einem über den klassischen Begriff des Eigentumsrechts hinausgehenden Sinne als Möglichkeit aufgefaßt, andere Personen von der Nutzung knapper Güter auszuschließen. Güter erlangen nur in dem Maße einen Wert, in dem sie begehrte Handlungsrechte vermitteln, die im Sozialgeschehen beachtet oder geduldet werden  daher auch bisweilen die Bezeichnung Duldungsrechte. Handlungsrechte verkörpern also qualifizierte Sozialbeziehungen. Ihrer Entstehung nach können sie auf das Recht (im Sinne Rechte Dritter und gesetzlicher Nutzungsvorbehalte), die Gewohnheit, Sitte und Moral, aber auch auf Macht zurückgeführt werden. Nach der Nutzungsart lassen sich unterscheiden: Handlungsrechte, die Substanz und Funktion eines Gutes bestimmen (Gebrauchsrechte), Rechte, die die Ertrags- und Verlustzuweisung (Aneignungsrechte) und solche, die den Transfer von Nutzungsrechten auf andere Personen oder Organisationen (Übertragungsrechte) regeln.  Die Nutzungsmöglichkeiten können ungeteilt oder geteilt einer Person oder Mehrheit von Personen zustehen. Kann eine Person ungeteilt über alle Nutzungsmöglichkeiten in der Weise verfügen, daß sie für die damit verbundenen wertmäßigen Konsequenzen haften muß, so liegt umfassendes (vollspezifiziertes) Privateigentum vor. Sind alle Nutzungsrechte einer Mehrzahl von Personen in der beschriebenen Weise zugeordnet, so handelt es sich um Kollektiveigentum. Je mehr die Nutzungsmöglichkeiten geteilt sind und je größer die Zahl der Personen ist, auf die sie sich verteilen, desto mehr sind Handlungsrechte der Gefahr der wertmäßigen "Verdünnung" (attenuation) ausgesetzt, desto wichtiger werden für die Anbieter entsprechender Nutzungsmöglichkeiten geeignete handlungsrechtliche Vorkehrungen zur präventiven Wertsicherung.  Die Wahrnehmung von bestimmten Nutzungsrechten an einem Gut beruht auf handlungsrechtlichen Sozialbeziehungen, die prinzipiell in marktliche und hierarchische Transaktionen eingeteilt werden können. Die den Transaktionen zugrundeliegenden Handlungsrechte haben je nach ihrer Stärke, d.h. den effektiven Verwendungsmöglichkeiten der Güter, wesentlichen Einfluß auf die Anreizstruktur und das wirtschaftliche Verhalten der Individuen. Dabei wird vorausgesetzt, daß die Wirtschaftssubjekte danach streben, sich ihrer Handlungsrechte nach Maßgabe ihrer individuellen Fähigkeiten und Präferenzen so zu bedienen, daß sie davon einen größtmöglichen Nutzen haben (Prinzip der Nutzenmaximierung).
2. Marktliche und hierarchische Transaktionen verursachen  in Abhängigkeit von der Stärke der zugrundeliegenden Handlungsrechte  unterschiedliche Informations-, Aushandlungs- und Kontrollkosten. Der Nutzen, den wirtschaftliche Güter stiften können, wird wesentlich von der Höhe dieser sog. Transaktionskosten beeinflußt. Deshalb interessieren ihre allokativen und distributiven Konsequenzen. Die Aussicht auf Transaktionskostensenkung bietet einen wichtigen Anreiz für die Entstehung und Veränderung von Handlungsrechten. Dem Wandel der PR geht regelmäßig eine Abfolge von Nutzungskonflikten voraus. Die damit verbundenen Kosten sind für die Beteiligten so hoch, daß es sich für sie lohnt, sich auf PR als Mittel der Konfliktvermeidung oder -minderung zu verständigen und damit Anreize zu schaffen, die für eine wohlstandsmaximierende Nutzung von Ressourcen erforderlich sind. Generell wird daraus gefolgert, daß die Entwicklung des gesellschaftlichen Wohlstands und die Schaffung von PR Hand in Hand gehen. Die Entdeckung und Erprobung transaktionskostengünstiger Handlungsrechte gehören deshalb ebenso zur wirtschaftlichen Entwicklung wie Produkt- und Verfahrensneuerungen. So hat Coase 1937 nachgewiesen, daß marktliche Transaktionen mit Hilfe des Preissystems nicht kostenlos sind, sondern Transaktionskosten verursachen, die vermittels Unternehmungen  also hierarchischer Sozialbeziehungen  bis zu einem gewissen Ausmaß mit Gewinn für die Beteiligten gesenkt werden können. 1960 löste Coase eine bis heute andauernde Diskussion aus, als er in dem nach ihm benannten "Coase-Theorem" feststellte, daß Handlungsrechte unter den (irrealen) Bedingungen fehlender Transaktionskosten und vollkommener Konkurrenz allokationsneutral (Allokation) sind. Für realistische Sozialbeziehungen folgt deshalb aus dem Coase-Theorem, daß Handlungsrechte eine spezifische allokative Wirkung haben, so daß es vorteilhaft ist, den Ressourcenverzehr für Transaktionskosten durch geeignete Wahl und Ausgestaltung von Handlungsrechten zu minimieren. Generell wird dabei unterstellt, daß die jeweiligen Handlungsrechte die Einbeziehung (Internalisierung) der verwendeten Ressourcen in den Rechnungszusammenhang des Marktpreissystems auf die Fälle beschränken, in denen die Transaktionskosten der PR kleiner sind als der Internalisierungsnutzen. Daraus hat Demsetz einen ursächlichen Zusammenhang zwischen Handlungsrechten und Externalitäten gefolgert: "A primary function of property rights is that of guiding incentives to achieve a greater internalization of externalities." Negative Externalitäten indizieren demzufolge die Existenz von bisher nicht internalisierten Transaktionskosten. Zu prüfen ist dann, ob diese nicht durch einen höheren Grad der Spezifizierung und personellen Zuordnung von PR gesenkt oder gar beseitigt werden können.
3. Ein wichtiges Anwendungsgebiet ist die Analyse und der Vergleich von Wirtschaftssystemen . Hierbei geht es vor allem um die Gewinnung von Aussagen über empirisch gehaltvolle Erfolgsziele und Verhaltensweisen von typischen Entscheidungsträgern, die über Handlungsrechte mit unterschiedlichen Nutzungsmöglichkeiten verfügen (siehe Punkt 1). Besonders interessieren die verhaltensbestimmenden Einflüsse, die von verschiedenen Formen des Eigentums an natürlichen Ressourcen, Kapitalgütern und Arbeitsplätzen und  in Verbindung damit  von alternativen Unternehmensverfassungen (etwa privatwirtschaftlichen, gemeinnützigen, arbeiterselbstverwalteten, staatlich regulierten und staatssozialistischen) ausgehen. Ein weiteres Anwendungsgebiet bezieht sich auf die Bestimmungsgründe von externen Effekten und die Möglichkeit ihrer Internalisierung. Externe Effekte  aufgefaßt als Problem nicht hinreichend spezifizierter und zugeordneter PR  geben Anlaß, über eine dafür geeignete Änderung des Rechtssystems nachzudenken. Mit der Behandlung des Externalitätsproblems (etwa im Umweltbereich) öffnet sich zugleich der Weg zu einer fruchtbaren Weiterentwicklung der Theorie der Wirtschaftspolitik zu einer Lehre von der komparativen Effizienz marktlicher und nicht-marktlicher (vor allem staatlicher) Lösungen des Knappheitsproblems.  Zum Problem der PR-Analyse gehört auch die "Ökonomische Analyse des Rechts". Im Mittelpunkt stehen das Vertrags- und Deliktrecht, das Eigentums- und Haftungsrecht, das Arbeitsrecht, die gewerblichen Schutzrechte, das Recht der staatlichen Regulierung, das Unternehmens- und Wettbewerbsrecht. Auf den PR-Ansatz stützt sich auch die "Ökonomische Analyse der Geschichte". Dabei werden Entstehung und Veränderung von PR als ursächlich für die Entwicklung bestimmter Wirtschaftsepochen angesehen und mit Hilfe von Untersuchungen zur Veränderung der Transaktionskosten zu erklären versucht.
4. Anwendungsprobleme bestehen vor allem hinsichtlich der Abgrenzung und Messung von Transaktionskosten sowie der Festlegung realistischer Effizienznormen. Allerdings wird bekanntlich in den Sozialwissenschaften keineswegs nur das als wichtig angesehen, was der exakten Abgrenzung, Messung und Bewertung zugänglich ist. Das eigentliche Problem des Transaktionskostenkonzepts scheint darin zu liegen, einen ordnungstheoretisch fundierten Gebrauch davon zu machen. Denn die Regeln der rationalen Wahl von Handlungsrechten nach dem Transaktionskostenkonzept sind ohne eine Verständigung über die Beschaffenheit und Funktionsweise der zugrundeliegenden Wirtschaftsordnung in hohem Maße empfänglich für nachträgliche Begründungen der getroffenen Wahl nach dem jeweiligen Geschmack der (nutzenmaximierenden) Entscheidungsträger. Deshalb empfiehlt es sich, das Problem einer transaktionskostengünstigen Gestaltung von PR aus der Logik eines übergeordneten Effizienzkonzepts zu beurteilen, etwa der Markt- oder Wettbewerbskonformität oder  im Falle von Zentralverwaltungswirtschaften  der Plankonformität von Handlungsrechten.

Literatur: Y. Barzel, Economic Analysis of Property Rights. Cambridge 1989. M. Neumann (Hrsg.), Ansprüche, Eigentums- und Verfügungsrechte, Schriften des Vereins für Socialpolitik, N. F., Band 140. Berlin 1984. A. Schüller (Hrsg.), Property Rights und ökonomische Theorie. München 1983. Derselbe, Ökonomik der Eigentumsrechte in ordnungstheoretischer Sicht, in: D. Cassel u.a. (Hrsg.), Ordnungspolitik, München 1988. D. C. North, Institutional Change and Economic Performance. Cambridge 1991.

 

 


 

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