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Prognosemethoden, qualitative


Inhaltsübersicht
I. Grundbegriffe
II. Typologie qualitativer Prognosemethoden
III. Die Qualität qualitativer Prognosemethoden
IV. Ausgewählte qualitative Prognosemethoden
V. Ausgewählte Kombinationen qualitativer und quantitativer Prognosemethoden

I. Grundbegriffe


1. Prognose und Prognosemethoden


Prognosen sind begründete Aussagen über den zukünftigen Eintritt oder Nicht-Eintritt von Ereignissen (Hansmann, K.-W.  1983, S. 11). Die Begründung erfolgt über Erfahrungen und über Theorien. Sind die einer Theorie zugrunde liegenden Prämissen für eine Zukunftssituation erfüllt, steht der Extrapolation der Erfahrungen in die Zukunft im Grundsatz nichts im Weg. Gerade diese Begründung der Zukunftsaussagen ist es, die Prognosen vom reinen Raten unterscheidet.
Eine Prognosemethode stellt auf den Prozess der Prognoseerstellung ab und steht für eine bestimmte Abfolge von Arbeitsschritten. In Wissenschaft und Praxis wird eine Vielzahl recht unterschiedlicher Prognosemethoden vorgeschlagen. Gemeinhin werden dabei quantitative und qualitative Prognosemethoden unterschieden.

2. Qualitative Prognosemethoden


Die begriffliche Kennzeichnung qualitativer Prognosemethoden erfolgt in der Literatur sehr uneinheitlich. Bei systematischer Annäherung erscheint es zweckmäßig, von den quantitativen Prognosemethoden als Gegenpol auszugehen. Bei diesen Methoden sind sehr häufig zum einen die Beobachtungen wie auch die vorausgesagten Ereignisse gleichsam als quantitative Größen geboren, also bereits begrifflich von vornherein als Quantitäten gedacht. Zum anderen erfolgt die gedankliche Transformation von der Vergangenheit in die Zukunft strikt nach Maßgabe wohl definierter und unstrittiger Schlussregeln der formalen Logik und Mathematik. Beispiele solcher unstreitig quantitativen Prognosemethoden sind Zeitreihenverfahren, etwa vom Box-Jenkins-Typ, angewandt auf von vornherein metrisch definierte Variablen wie Bevölkerungsumfang, Bruttosozialprodukt, Anzahl der Betriebsstätten etc.
Nimmt man diese unstrittig quantitativen Prognosemethoden als Ausgangspunkt und führt etwa statt metrisch definierter Variablen andere Größen ein, die erst über Operationalisierungen in Form von Punktbewertungen quantifiziert werden müssen, so bewegt man sich bereits in die Richtung qualitativer Verfahren, denn solchen Punktbewertungen wohnt durchaus ein subjektives Element inne. Diese Subjektivität wird im Allgemeinen als das zentrale Merkmal qualitativer Prognosemethoden betrachtet. In die gleiche Richtung führen im Fall von Stichprobenauswertungen die nicht zufälligen, bewussten Auswahlverfahren oder verbal-argumentative und damit notwendig selektive Schlussweisen von Vergangenheitsdaten auf die Zukunft. Recht subjektiv konzipiert sind schließlich Prognosen mit einer Formulierung der Zukunftsaussage etwa in Kategorien wie besser oder schlechter ohne exakte Definition, die das einheitliche Verständnis der Kategorien sicherstellen könnten.
Wird immer mehr Subjektivität in das Verfahren der Vorhersage eingebracht, so ist immer mehr die Bezeichnung als qualitative Prognosemethode angebracht. Gedanklicher Endpunkt wäre etwa die Befragung gerade verfügbarer Außendienst-Mitarbeiter einer Unternehmung über die wahrscheinlichste Wirkung einer Image-Kampagne ohne feste Antwortkategorien. Wie sich die Meinungen gebildet haben und auf welche Vergangenheitserfahrungen samt Theorien sie beruhen, kann für solche Befragungen allenfalls vermutet werden. Hier handelt es sich unstrittig um eine Methode der qualitativen Prognose.
Offensichtlich handelt es sich bei qualitativen Prognosemethoden um einen Sammelbegriff für solche Verfahren der Vorhersage, bei denen die Subjektivität des Prognoseerstellers eine besonders große Rolle spielt. Die prägnante Subjektivität qualitativer Prognosemethoden kann die intersubjektive Nachprüfbarkeit erschweren und im Grenzfall sogar unmöglich machen. Damit wird verständlich, wenn die Literatur für die qualitative Prognose zuweilen die Bezeichnung heuristische Prognose wählt (Hansmann, K.-W.  1983, S. 18).

II. Typologie qualitativer Prognosemethoden


Qualitative Prognosemethoden lassen sich im Grundsatz nach den Arbeitsschritten der Prognose gliedern, nämlich nach der Erfassung der Vergangenheitsdaten, nach der Schließmethode in die Zukunft und nach der Präsentation der Zukunftsaussage selbst.
Bei der Datenerfassung ergeben sich regelmäßig bereits Subjektivitäten mit Blick auf den Gegenstand der Erfassung, etwa bei der Auswahl der als relevant betrachteten Variablen sowie ggf. im Zuge der Operationalisierung abstrakt gefasster Konstrukte, vor allem aber dann, wenn es hinsichtlich der erfassten Daten bei qualitativer Kennzeichnung bleibt. Dazu kommen Subjektivitäten durch den Prozess der Datenerfassung in Form explorativer Befragungen, auch indirekt über projektive und assoziative Verfahren, angewandt auf einzelne Personen wie auf Gruppen. Gruppendiskussionen können durch die gegenseitige Kontrolle der Beteiligten einerseits Subjektivitäten reduzieren, andererseits sind Meinungsführer zu beachten, die einer solchen Reduktion wieder entgegenwirken können. Neben den Formen der qualitativen Befragung kommt für die Datenerfassung auch die qualitative Beobachtung etwa von Käufern auf Testmärkten, durch Rollenspiele etc. in Frage.
Ein Grenzfall qualitativer Datenerfassung liegt dann vor, wenn die Prognosebasis gar nicht mehr im Einzelnen expliziert wird, sondern den nach Zukunftsaussagen gefragten Personen ohne weiteres die notwendigen, nicht weiter spezifizierten Vergangenheitserfahrungen zugebilligt werden, so im Grundsatz bei Expertenbefragungen (Brockhoff, K.  1977, S. 755 ff.), wenn die Einzelheiten der Begründung ungenannt und damit offen bleiben. Methodisch sehr ähnlich ist die Abfrage von Handlungsabsichten bei Händlern (Lagerinvestitionen) und von Kaufabsichten der Verbraucher.
Qualitative Prognosemethoden verfügen regelmäßig nicht über algorithmisch festgelegte Vorschriften, nach denen von Vergangenheitsdaten auf die Zukunft zu schließen ist. Der Schluss erfolgt vielmehr, wenn er überhaupt explizit gemacht wird, in verbal-argumentativer Weise, in Form von Plausibilitäten und durch Angabe von Gründen sowie Gegengründen für die präsentierte Zukunftsaussage. Die Nähe zu den Kreativitätstechniken, wie sie etwa bei der Neuproduktplanung Anwendung finden, ist unübersehbar. Die fehlende unbedingte Nachvollziehbarkeit lässt sich als angemessener Preis für phantasievolle, ggf. überraschende Folgerungen betrachten, deren Treffsicherheit den quantitativen Prognosen nicht notwendig nachstehen muss.
Für die Aufgliederung der qualitativen Prognosemethoden lässt sich schließlich auch die Art und Weise heranziehen, in der die Zukunftsaussage formuliert wird, also etwa die Kennzeichnung eines Zustands (z.B. Absatzsituation, Stimmungslage im Handel), der sich verbessert oder verschlechtert oder aber gleich bleibt. Man denke auch an die Ableitung zukünftiger Grenzsituationen als bester, schlechtester und ggf. wahrscheinlichster Fall. Die Fälle lassen sich sowohl mit Erfolgskennziffern als auch in verbaler Weise aufzeigen. Über eine vorwiegend verbale Beschreibung alternativer Situationen zu Prognosen zu kommen, ist die Grundidee der Szenario-Technik, auf die unten näher einzugehen ist.

III. Die Qualität qualitativer Prognosemethoden


Für die Beurteilung qualitativer Prognosemethoden gelten die generellen Kriterien der Reliabilität (Zuverlässigkeit), Validität (Gültigkeit), Treffsicherheit und Prognosekosten, insbesondere im Vergleich mit quantitativen Methoden. Offensichtlich begründen Mängel in der intersubjektiven Nachprüfbarkeit Defizite der qualitativen Prognose mit Blick auf die Reliabilität und Validität. Eine kategorische Gegenüberstellung durchweg objektiver quantitativer Methoden und qualitativer Methoden, die sich wesenstypisch der Nachprüfbarkeit entziehen, erscheint aber als wenig angebracht. Immerhin sind auch mit quantitativen Prognosen gewichtige Ermessensurteile verbunden (Makridakis, S./Wheelwright, S.C.  1989, S.  223 ff.). Umgekehrt lassen sich auch für qualitative Prognosemethoden durchaus objektive Kriterien wie Validität und Reliabilität anwenden (vgl. Müller, S.  1999, S.  143 ff.).
Ein Vergleich beider Klassen von Methoden wird sich zudem der Einsicht nicht verschließen können, dass beide Klassen auf ganz unterschiedliche Problemsituationen zugeschnitten sind. Wer wird schon bei Verfügbarkeit quantitativer Prognosemethoden stattdessen eine qualitative Methode anwenden wollen? Offensichtlich sind quantitative Prognosen auf gut strukturierte Planungssituationen zugeschnitten; dagegen sind qualitative Prognosemethoden vorwiegend für jene Situationen gedacht, in denen die Problemstruktur noch nicht abschließend geklärt ist und die dafür noch neue ggf. hoch kreative Prozesse erfordern, z.B. bei Langfristvorhersagen technologischer Entwicklungen. Die Stärke qualitativer Prognoseverfahren liegt vor allem in ihrer Offenheit für originelle, intuitiv erfolgende und deshalb u.U. sehr subjektive Beurteilungen. Die subjektive Beurteilung wird bei Fehlen geeigneter objektiver Maßstäbe dann zu akzeptieren sein, wenn sie von Personen stammt, denen einschlägige Kompetenzen und Erfahrungen zugebilligt werden. Perfekte Nachvollziehbarkeit wie im Fall quantitativer Prognosen zu fordern, kann somit für die Anwendungsfälle qualitativer Prognosen nicht unbedingt infrage kommen.

IV. Ausgewählte qualitative Prognosemethoden


1. Delphi-Methode


Die Delphi-Methode geht auf Arbeiten in der amerikanischen Rand Corporation zurück (Helmer, O./Gordon, T. , 1967). Im deutschen Sprachraum ist die Methode vor allem durch Geschka (Geschka, H.  1978) und Brockhoff (Brockhoff, K.  1977) bekannt geworden.
Die Prognose basiert auf Gruppenbefragungen von Experten. Die Gruppendiskussion erfolgt aber nicht von Angesicht zu Angesicht am runden Tisch, weil man dort gängige Störeffekte, wie z.B. die Tendenz zur Konformität, zu publikumswirksamen Präsentationen der eigenen Eloquenz und zu starrem Festhalten einmal geäußerter Meinungen, vermeiden möchte. Die Diskussion erfolgt vielmehr durch schriftliche Befragungen über mehrere Runden, wobei die Anonymität der einzelnen Teilnehmer gewahrt bleibt. Von Gruppendiskussionen ist deshalb zu sprechen, weil jeder Teilnehmer bei jeder Frage über die Ergebnisse der Vorrunden orientiert wird und seine selbst geäußerte Prognose als Mehrheitsmeinung oder als Außenseiteransicht beurteilen und ggf. verändern kann. Man erhofft sich entlang der Zeit eine Konvergenz der Einzelschätzungen und damit einen Konsens der Expertenmeinung.
Die Anwendungsfelder der Delphi-Prognose sind außerordentlich vielfältig. Die eingangs erwähnte erste Prognose betrifft 1964 die möglichen Zukunftsereignisse für 50 Jahre in den Gebieten Bevölkerungsentwicklung, Wissenschaft, Raumfahrt, Automation, Kriegsprävention und Waffensysteme. Technologische Langfristvorhersagen bilden bis heute ein bevorzugtes Anwendungsgebiet der Delphi-Prognose. Daneben gibt es zahlreiche Anwendungen im Bildungswesen, in der Gesundheitsökonomik, in der Wohnbauprognose und im Rahmen strategischer Unternehmensplanungen.
Gegen die Delphi-Methode wird nicht unerheblich Kritik geltend gemacht. So mag man daran zweifeln, ob die Ansicht der Gruppenmehrheit wirklich immer einen guten Prognosewert darstellt. Ist eine Konvergenz der fachlichen Meinungen bei wirklich originellen Fragestellungen überhaupt erstrebenswert? Werden Experten stets aufrichtige Urteile abgeben, auch wenn sie damit Wissensvorteilen gegenüber der Konkurrenz verlustig gehen? Als weiterer Kritikpunkt wird der regelmäßig große Zeitbedarf der Methode angeführt, andererseits wird aber gelobt, dass die schriftliche Einzelbefragung Konferenzen mit gleichzeitiger Anwesenheit von Experten erübrigt, die üblicherweise nur schwer an einem Ort zur gleichen Zeit zu versammeln sind.

2. Szenario-Prognosen


Die Szenario-Technik ist für den Zweck von Langfristvorhersagen entwickelt worden (Kahn, H./Wiener, A.  1967). Im deutschen Sprachraum wird die Prognosemethode mit dem Frankfurter Batelle-Institut und mit H. Geschka, H./ und U. von Reibnitz, U. verbunden.
Ziel der Szenario-Technik ist die Erarbeitung alternativer Zukunftslagen als Konsequenz möglicher Ereignisabfolgen.
Prognosemethoden, qualitative
Abb. 1: Wege in die Zukunft (Quelle: von Reibnitz,  1991, S. 14)
Dabei ist ein Szenario die Beschreibung einer zukünftigen Situation und die Entwicklung des Weges, der aus dem Heute in die Zukunft hineinführt (von Reibnitz, U.  1991, S.  14). So zeigt Abb. 1 zwei sich deutlich unterscheidende, aber in sich stimmige Zukunftsbilder samt den Handlungskonsequenzen für heute. Leitidee des Vorgehens ist der dem athenischen Staatsmann Perikles zugeschriebene Satz, nachdem es nicht darauf ankomme, die Zukunft vorherzusagen, sondern auf die Zukunft vorbereitet zu sein (von Reibnitz, U.  1991, S.  19).
Im Einzelnen lässt sich die Prognoseerstellung nach der Szenario-Technik in acht aufeinander aufbauende Schritte zerlegen, die in Abb. 2 wiedergegeben werden.
Prognosemethoden, qualitative
Abb. 2: Die acht Schritte der Szenario-Technik (Quelle: von Reibnitz,  1991, S. 30)
Die Kritik der Szenario-Technik setzt an der Vielzahl möglicher Szenarien an, die sich im Einzelfall ergeben mögen. Anwender beklagen nicht zuletzt den beträchtlichen Zeit- und Personalaufwand einer Szenario-Analyse, allerdings mögen hier die bei Batelle seit einiger Zeit verfügbaren Standardsoftwarepakete Abhilfe schaffen.

V. Ausgewählte Kombinationen qualitativer und quantitativer Prognosemethoden


1. Prognosen auf der Basis von Lebensstilen


Prognosen etwa des Kaufverhaltens von Konsumenten und der damit verbundenen Mediennutzung erfolgen nicht selten mithilfe demographischer und sozioökonomischer Variablen. Gegen ein solches Vorgehen wenden Lebensstilforscher ein, eine umfassendere Variable wie der Lebensstil von Konsumenten sei eine bessere, weil ganzheitliche Basis für solche Vorhersagen.
Lebensstil ist ein Konstrukt, das in der Literatur in zahlreichen Begriffsvarianten diskutiert wird (Hartmann, P.H.  1999, S. 15 ff.; Lingenfelder, M.  1995, Sp. 1377 ff.), und zwar zuerst in der Psychologie sowie in der Soziologie. Ein verbreitetes Begriffsverständnis wird durch den AIO-Ansatz wiedergegeben, der vor allem mit Wells verbunden wird (Wells, W.D.  1974). Danach spiegeln sich Aktivitäten (A), Interessen (I) sowie Meinungen oder Einstellungen (Opinions, O) gegenüber Freizeit, Arbeit und Konsum im allgemeinen Verhalten wider, aber auch im Verhalten gegenüber spezifischen Produktklassen und Marken. Kennt man die AIO-Basis, lässt sich das Verhalten vorhersagen. Es gilt dies für einzelne Personen wie auch für Personengruppen.
Für die Operationalisierung werden von den Vertretern dieses Ansatzes umfangreiche Batterien von 100 und mehr Aussagen (Statements) vorgeschlagen, die im Zuge von Befragungen von den Versuchspersonen auf Rating-Skalen unterschiedlichen Umfangs Zustimmungs- oder Ablehnungswerte bekommen. Die Beurteilung der Statements macht zusammen mit gleichzeitig erhobenen demographischen und sozioökonomischen Variablen die Datenbasis für eine Typenbildung aus, bei der statistische Verfahren wie die Faktoren- und die Cluster-Analyse zum Einsatz kommen.
Die subjektiven Beurteilungen der Prognoseersteller zeigen sich vor allem bei der inhaltlichen Beschreibung der unterschiedenen Typen. Zum einen kann hier eine rigorose Selektion jener quantitativen Variablen erfolgen, die für eine plausible und intuitiv-einleuchtende Gruppenbildung besonders geeignet erscheinen. Zum anderen werden nicht selten die ermittelten Gruppen in ihren Eigenschaften anschaulich interpretiert und ggf. in Fotografien präsentiert. Das Vorgehen weist damit starke qualitative Elemente auf, es dient aber zweifellos der einprägsamen Darstellung und erleichtert das Verständnis und die prognostische Nutzung von Lebensstilkonzepten. Mögliche Ergebnisse können häufig besonders anschaulich in zweidimensionalen Bezugssystemen mit Angabe des Prozentanteils an der Grundgesamtheit dargestellt werden. So gibt Abb. 3 die Lebensstilgruppen in Westdeutschland 1993 wieder (Spellerberg, A.  1996).
Prognosemethoden, qualitative
Abb. 3: Lebensstilgruppen in Westdeutschland (1993), (Quelle: Spellerberg, A.  1996)
Vergleichbare Studien werden durch kommerzielle Marktforschungsinstitute erstellt. Abb. 4 zeigt das zusammenfassende Ergebnis einer Studie mit 14 Euro-Socio-Lebensstilen, die von der Lebensstilforschung der GfK vorgelegt worden sind.
Prognosemethoden, qualitative
Abb. 4: Die Positionen der 14 Euro-Socio-Styles (Quelle: Hauck, M.G.  2000, S. 13)
Im Kern ist die Gruppierung nach Lebensstilen eine besondere Variante der Schichtung der Konsumenten und der Marktsegmentierung. Als ein Vorteil der Marktsegmentierung ist schon von jeher erkannt worden, dass sich das Verhalten einzelner (homogener) Segmente vielfach leichter prognostizieren lasse als das Verhalten der Nachfrager als heterogene Gruppe insgesamt. Dies gilt vor allem dann, wenn die Kennzeichnung der Segmente über das nach Ansicht der Vertreter des AIO-Ansatzes besonders geeignete Lebensstilkonzept erfolgt. Man erhofft sich präzisere Prognosen zu Qualitätsanforderungen, Preisbereitschaften, aber auch zur Entwicklung einzelner Lebensstilsegmente entlang der Zeitachse.
Die Kritik setzt zum einen an der nicht selten fragwürdigen Relevanz wohl definierter Lebensstile, speziell derer Persönlichkeitskomponenten, für das Kaufverhalten an. So ist es etwa nicht offensichtlich, zu welchen Küchenmöbeln Vertreter eines hedonistischen Lebensstils neigen. Betont man aber bei der Messung die produktspezifischen Merkmale des Lebensstils, wächst die Möglichkeit unergiebiger Tautologien. Wenn Vertreter geselliger Lebensstile Gruppenreisen in Zukunft bevorzugen werden oder gut informierte Personen sich in Zukunft durch intensive und breite Mediennutzung auszeichnen, kann dies unser Wissen kaum wesentlich erweitern.
Die Kritik bemängelt zum anderen, dass die Validität von Lebensstil-Analysen nur selten geprüft wird (Hartmann, P.H.  1999, S. 237). Die plakative Bezeichnung der Cluster, nicht selten mit intuitiv höchst einleuchtenden fotografischen Abbildungen typischer Vertreter, erweckt zuweilen den Eindruck einer gewissen Beliebigkeit.

2. Kombination von Box-Jenkins-Verfahren mit Delphi-Befragungen


Eine solche Kombination wird von Reiner, Weßner und Wimmer beschrieben (Reiner, M./Weßner, K./Wimmer, F.  1991). Die erste Stufe steht in der Anwendung der Box-Jenkins-Methode, die auf vergleichsweise objektive Weise die Zeitreihendaten durch Anpassung an ein mathematisches Modell analysiert und extrapoliert. Je größer der durch das Modell erklärte Anteil an der Zeitreihe der Vergangenheit ausfällt, desto zuverlässiger wird die zukünftige Zeitreihe vorherzusagen sein. Beträchtliche und durch das Modell eben nicht erklärbare Residuen sind Anzeichen von Diskontinuitäten im vorliegenden Zeitreihenmaterial und machen eine Ursachenanalyse jenseits der Box-Jenkins-Methodik erforderlich. Diese Ursachenanalyse erfolgt in der zweiten Stufe durch eine qualitative Untersuchung der Zeitreihe nach Art einer Delphi-Befragung. Ergebnis der zweiten Stufe ist dann eine Revision der Box-Jenkins-Prognose unter Einbeziehung der ursprünglich festgestellten Trendbrüche.
Als Vorteile nennen die Autoren vor allem eine größere Genauigkeit bei ausgedehntem Prognose-Horizont sowie eine erhöhte Identifikation der Prognoseanwender mit dem Prognoseergebnis, weil die Anwender als Experten selbst an der Erstellung der Prognose mitwirken.
Literatur:
Brockhoff, Klaus : Prognoseverfahren für die Unternehmensplanung, Wiesbaden 1977
Geschka, Horst : Delphi, in: Langfristige Prognosen, hrsg. v. Bruckmann, Gerhart, Würzburg, Wien et al., 2. A. 1978, S. 27 – 44
Häder, Michael/Häder, Sabine : Die Delphi-Technik in den Sozialwissenschaften, Opladen 2000
Hansmann, Karl-Werner : Kurzlehrbuch Prognoseverfahren, Wiesbaden 1983
Hartmann, Peter H. : Lebensstilforschung, Opladen 1999
Hauck, Matthias G. : Fragen nach der Genußmoral, in: Handelsmagazin BAG, H. 7 – 8; 2000, S. 12 – 13
Helmer, Olaf/Gordon, Theodore : 50 Jahre Zukunft, Hamburg 1967
Kahn, Hermann/Wiener, Anthony : Toward the Year 2000: A Framework for Speculation, New York 1967
Kepper, Gaby : Methoden der qualitativen Marktforschung, in: Marktforschung, hrsg. v. Hermann, Andreas/Homburg, Christian, Wiesbaden 1999, S. 159 – 202
Kepper, Gaby : Qualitative Marktforschung, Wiesbaden 1994
Lingenfelder, Michael : Lebensstile, in: Handwörterbuch des Marketing, hrsg. v. Tietz, Bruno/Köhler, Richard/Zentes, Joachim, Stuttgart, 2. A., 1995, Sp. 1377 – Sp. 1392
Makridakis, Spyros/Wheelwright, Steven C. : Forecasting Methods for Management, New York, 5. A., 1989
Müller, Stefan : Grundlagen der qualitativen Marktforschung, in: Marktforschung, hrsg. v. Hermann, Andreas/Homburg, Christian, Wiesbaden 1999, S. 127 – 157
Reiner, Michael/Weßner, Konrad/Wimmer, Frank : Strategische Prognose von Markt- und Absatzentwicklungen durch kombinierten Einsatz quantitativer und qualitativer Verfahren, in: Jahrbuch der Absatz- und Verbrauchsforschung, 1991, Bd. 37, S. 71 – 87
Spellerberg, Annette : Soziale Differenzierung durch Lebensstile, Berlin 1996
von Reibnitz, Ute : Szenario-Technik, Wiesbaden 1991
Wells, William D. : Life Style and Psychographics, Chicago 1974

 

 


 

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