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Neokeynesianische Theorie

Die "Neokeynesianische Theorie" oder präziser "Die temporäre Gleichgewichtstheorie bei Mengenrationierung", eine Wortschöpfung, die auf J. P. Benassy (1975) zurückgeht, bezeichnet einen neuen Ansatz der makroökonomischen Theorie (Makroökonomik), der sich Nicht-Walrasianischer Theorieelemente bedient. Manchmal wird diese Theorie deshalb auch als "Ungleichgewichtstheorie" (Ungleichgewicht) bezeichnet. Mit ihr werden Zustände der Volkswirtschaft (Wirtschaft) beschrieben, die dadurch gekennzeichnet sind, daß sich Angebot und Nachfrage (Transaktionswünsche, Transaktionen) nicht auf allen betrachteten Märkten ausgleichen. Dies ist deshalb der Fall, weil im Gegensatz zur Walrasianischen Theorie (Walras-Gesetz) der Walras’sche Preis-Auktionator fehlt und Gleichgewichte einer noch genau zu definierenden Art bei nicht-markträumenden Preisen erreicht werden. Dabei werden die Angebots-Nachfrage-Ungleichgewichte, wie z.B. Ungleichgewichte auf dem Arbeitsmarkt oder m.a.W. die Massenarbeitslosigkeit, auch auf das Individualverhalten zurückgeführt, so daß verschiedene Elemente der makroökonomischen Modelle zumindest mikroökonomisch (Mikroökonomik) motiviert sind. Wenn man bei der Bestimmung eines temporären allgemeinen Gleichgewichts davon ausgeht, daß die unterschiedlichen Preise (zumindest einige von ihnen) kurzfristig exogen sind, wird es beispielsweise vorkommen, daß ein Arbeitsanbieter zum gegebenen Lohn nicht seine gesamte angebotene Arbeitsmenge verkaufen kann, d.h. er arbeitslos sein wird. Klarerweise wird dieser Tatbestand die Konsumentscheidung des Wirtschaftssubjektes beeinflußen. Aber auch die Sparentscheidung des Haushalts   wird davon nicht unberührt bleiben. Ähnlich wird sich eine Unternehmung , die nicht ihren gesamten gewünschten Output zum herrschenden Preis absetzen kann, mit ihrer Arbeitsnachfrage dieser Situation anpassen. Dies führt auf die Konstruktion eines Modells der Volkswirtschaft, in dem Mengenschranken in ihrem Einfluß berücksichtigt werden. Wie schon gesagt ist für die Theorie wesentlich, daß die Rückkoppelung der Überschußangebote und Nachfragen auf die Preise nicht so beschaffen ist, daß sich die Preise so schnell verändern, daß die Märkte ins Walras -Gleichgewicht gelangen. Die Märkte bleiben also im Ungleichgewicht und Mengenanpassungen finden anstatt der Preisanpassungen statt. Die Mengenanpassungen auf verschiedenen Märkten sind über die Mengenschranken, unter denen die Wirtschaftssubjekte ihre optimalen Pläne ermitteln, interdependent. Kann man nun eine Theorie für die Bestimmung eines temporären allgemeinen Gleichgewichts formulieren, die auf der Hypothese aufgebaut ist, daß die Preise kurzfristig exogen sind? In den einfachsten Versionen der Theorie werden nämlich keine Rückkoppelungen der Überschußangebote bzw. -nachfragen auf die Preise berücksichtigt. Wie in der Makroökonomik üblich, wird dadurch sehr stark vereinfacht, aber auch bei Verallgemeinerungen werden solche Rückwirkungen grob vereinfacht modelliert. Wenn die Preise also als gegeben angesehen werden, muß das gesuchte Gleichgewichtskonzept die simultane Bestimmung der Mengen auf allen Märkten sichern.War es bei der Walrasianischen Theorie nicht nötig, Nachfragen und Angebote von Käufen und Verkäufen zu unterscheiden, da sich bei der angenommenen Preisflexibilität diese Größen nicht unterschieden, ist es in der Neokeynesianischen Theorie mit festen Preisen (nicht hinreichend flexiblen Preisen) und Mengenanpassungen zwingend erforderlich. Welche generellen Eigenschaften soll nun ein "Gleichgewicht" haben? 1)            Alle tatsächlichen Transaktionen müssen sich ausgleichen, d.h. die Verkäufe und Käufe müssen auf den jeweiligen Märkten übereinstimmen.    Das bedeutet nicht, daß sich die Transaktionswünsche ausgleichen (die Effektivnachfragen im Clower-Benassy-Sinn; vgl. J. P. Benassy (1986) bzw. E. Malinvaud (1986, 2nd ed.)). Die effektive Nachfrage oder das effektive Angebot nach einem Gut wird als der Nachfrageplan oder der Angebotsplan bzw. der Transaktionsplan bzw. -wunsch definiert, der dadurch bestimmt wird, daß Nachfrage-und/oder Angebotsschranken für andere außer dem gerade betrachteten Gut berücksichtigt werden. Eine zweite Eigenschaft des Gleichgewichts betrifft die Vereinbarkeit beider Konzepte für ein Individuum, das auf einem bestimmten Markt agiert. 2)            Niemand kann gezwungen werden, mehr zu kaufen bzw. zu verkaufen als er     ursprünglich plante (Freiwilligkeit des Tausches). Eine weitere Eigenschaft betrifft das effiziente Funktionieren der Märkte. 3)            Wenn es einen rationierten Käufer auf einem Markt gibt, darf es keinen rationierten      Verkäufer auf demselben Markt geben und umgekehrt. Ein Gleichgewicht im Sinne Benassys und Malinvauds wird dann dadurch gegeben, daß sich bei wahrgenommenen Mengenschranken für die Transaktionswünsche diese nicht mehr ändern, d.h. sich reproduzieren, und zu tatsächlichen Transaktionen führen (d.h. zu Käufen und Verkäufen), die sich zum gegebenen Preisvektor ausgleichen. Nun können bei gegebenem Preisvektor die verschiedensten Rationierungskonstellationen für ein Individuum gegeben sein. Aggregiert man und betrachtet nur drei Märkte, nämlich Güter -, Arbeits - und Geldmarkt , dann sind zwei Märkte (mit den ,Gleichgewichtsbedingungen‘ für die tatsächlichen Transaktionen) explizit zu betrachten. Sei der Güterpreis p und der Lohnsatz gleich w, dann können vier Ungleichsgewichtszustände auftreten.                                    
Neokeynesianische Theorie

Diese ,Gebiete‘ lassen sich graphisch mit Hilfe einer von Malinvaud vorgeschlagenen Abbildung im Parameterraum (p, w) lokalisieren. Wir vernachlässigen den Fall der Unterkonsumtion (Unterkonsumtionstheorie), da in diesem Falle auf dem Arbeitsmarkt eine Überschußnachfrage gegeben ist und gleichzeitig auf dem Gütermarkt ein Überschußangebot auftritt, was in einem Modell mit atemporaler Produktion (d.h. einem Modell, in dem die Produktion keine Zeit erfordert und keine Läger möglich sind) sicher aus dem Gewinnmaximierungsstreben des Unternehmens nicht vorkommen kann. Wir erhalten dann das folgende Bild:                        
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Keynesianische Arbeitslosigkeit kann anhand dieser Figur als Situation zu hoher Güterpreise, klassische Arbeitslosigkeit als Situation zu hoher Nominallöhne und unterdrückte Inflation als Situation zu niedriger Güterpreise und zu niedriger Nominallöhne interpretiert werden. Mit zunehmender Entfernung von W werden die Spannungen auf den Märkten größer, und es ist mehr und mehr mit Preis- und Lohnreaktionen zu rechnen. Eine nachfragestimulierende Keynesianische Politik, wie eine Staatsausgabenerhöhung, verkleinert den Bereich K. Eine Erhöhung der Arbeitsproduktivität , deren rentabilitätssteigernde Wirkung nicht durch Lohnerhöhungen ausgeglichen wird, verschiebt die Trennlinien nach links oben; d.h. der Bereich der klassischen Arbeitslosigkeit verkleinert sich. Um beispielsweise den Unterschied zwischen dem üblichen Keynesianischen Multiplikator und dem für diese Modellklasse ableitbaren zu ersehen, sei von der folgenden sehr einfachen effektiven Konsumfunktion 
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 ausgegangen. T Pauschalsteuern, M0 Anfangskkasse, L Beschäftiggungsschhranke. Die Beschäftiggung L wird bei Keynes dadurch bestimmt,, daß die nachfraggedetermminierte Produktioon Y produzierrt werden muß und dies einen Arbeitseinsatz von L = F-1 (Y) erfordert (Y = F (L) ist die zugrundeliegende Produktionsfunktion und ein nachfragedeterminiertes Arbeitsmarktgleichgewicht ist durch diese Bedingung gegeben, da die tatsächliche Beschäftigung gleich der Arbeitsnachfrage des Unternehmensektors ist). Das Gütermarktgleichgewicht wird dann beschrieben durch:                        
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Wir errechnen den Staatsausgabenmultiplikator (Multiplikatorprinzip) mit dem Satz über implizite Funktionen:                        
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             Dieser Multiplikator unterscheidet sich vom üblichen Keynesianischen Multiplikator, da er die Stärke der Rationierung auf dem Arbeitsmarkt widerspiegelt. Es gilt nämlich, daß w < p F¢ (L) ist, d.h. zur Nachfrageschranke Y der Faktor Arbeit nicht mit seinem Wertgrenzprodukt entlohnt wird. Äquivalent ist hierzu, daß                     
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  so daß die marginale Konsumneigung a1 mit einem Faktor kleiner Eins multipliziert wird und der Multiplikator kleiner als üblich ausfällt. Im Falle eines zu hohen Reallohnes (klassische Arbeitslosigkeit) hat hingegen die Nachfragestimulierung durch eine Staatsausgabenerhöhung keine Wirkung, sie verdrängt vielmehr die private Nachfrage.

Literatur: Das hier dargestellte Modell wurde in der Vergangenheit in den verschiedensten Richtungen erweitert, z.B. um den Einschluß von Außenhandelsbeziehungen (U. K. Schittko, B. Eckwert [1983) und bzgl. der Dynamik (U. K. Schittko, B. Eckwert [1985). J. P. Benassy [1975 zitiert in J. P. Benassy [1986, Macroeconomics: An Introduction to the Non-Walrasian Approach, New York etc.. E. Malinvaud [1985, The Theory of Unemployment Reconsidered, 2. Aufl., Oxford. U. K. Schittko, B. Eckwert [1983, A Two-Country Temporary Equilibrium Model with Quantity Rationing, Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik 198, 97-121. U. K. Schittko, B. Eckwert [1985, 1988, Disequilibrium Dynamics, The Scandinavian Journal of Economics 90.

 

 


 

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