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Investitionsgüter-Marketing

Bei Investitionsgütern handelt es sich um Leistungen, die von Organisationen mit dem Ziel beschafft werden, diese zur Erstellung eigener Produkte zu verwenden. Die Abgrenzung von Konsum- und Investitionsgütern erfolgt damit im wesentlichen anhand der Merkmale Nachfrager und Verwendungszweck. Während es sich bei den Kunden im Konsumgüterbereich um Endabnehmer handelt, sind dies im Investitionsgüter-Marketing Organisationen wie Industrieunternehmen, Verbände oder öffentliche Verwaltungen. Darüber hinaus dient das Investitionsgut nicht dem Konsum, sondern wird im eigenen Leistungserstel-lungsprozeß des Kunden eingesetzt.

Wenn auch der Grundgedanke der marktorientierten Unternehmensführung für den Konsum- und Investitionsgüterbereich derselbe ist, so ergibt sich aus dieser Abgrenzung doch eine Reihe von Besonderheiten, die eine eigenständige Betrachtung des Investitionsgüter-Marketing rechtfertigen. Zu diesen Besonderheiten zählen die über mehrere Marktstufen abgeleitete Nachfrage, das organisationale Beschaffungsverhalten sowie die häufig langfristig angelegten, interaktiven Geschäftsbeziehungen.

Die Nachfrage von Organisationen resultiert aus der Nachfrage nachgelagerter Marktstufen. Dieser wesentliche Unterschied zum Konsumgüter-Marketing ist sowohl für die Beurteilung des Entscheidungsverhaltens von Unternehmenskunden als auch für die Prognose der Absatzentwicklung von Investitionsgütern von entscheidender Bedeutung. Da Investitionsgüterkunden sich auf einem eigenen Markt behaupten müssen, wird sich das Entscheidungsverhalten stets an der Frage orientieren, ob die angebotene Leistung in der Lage ist, die eigene Wettbewerbssituation zu verbessern. Der zu kommunizierende, zentrale Nutzenvorteil eines Produktes besteht somit in dessen Fähigkeit, die Wettbewerbsfähigkeit des Kunden aufrechtzuerhalten bzw. auszubauen. Die nachgelagerten Marktstufen sind ebenso bei der Prognose der Absatzentwicklung zu berücksichtigen. Da Investitionsgüter der Leistungserstellung dienen, ergibt sich der Bedarf des Kunden letztlich aus der Nachfrage nach dessen eigenen Produkten. Veränderungen auf nachgelagerten Marktstufen können sich unmittelbar auf die Nachfrage nach Investitionsgütern auswirken, z. B. auf den Bedarf an Komponenten, oder sich zeitverzögert bemerkbar machen, z. B. durch die zeitliche Hinausschiebung von Ersatzbeschaffungen bei Produktionsanlagen.

Das organisationale Beschafffungsverhalten ist dadurch gekennzeichnet, dass es sich häufig um einen formalisierten Kaufprozeß handelt. Dieser umfaßt unterschiedliche Phasen, die von der Bedarfserkennung über die Angebotserstellung bis hin zum Kaufabschluß reichen. Seitens des Kunden sind an dem Prozeß mehrere Personen beteiligt, die das sog. Buying Center bilden. Dieses ist vielfach als gedankliches Konstrukt zu bezeichnen und wird nur in wenigen Fällen als institutionalisierte Gruppe in Erscheinung treten. Für das Unternehmen ist es von größter Bedeutung, detaillierte Informationen über Art und Zusammensetzung des Buying Centers zu erhalten, um das eigene Verhalten möglichst genau auf die an der Beschaffung beteiligten Personen abstellen zu können. Zur Analyse des Buying Centers finden sich in der Literatur verschiedene Konzepte zur Identifizierung und Charakterisierung der einzelnen Rollenaufgaben der Gruppenmitglieder. Differenzierte Ansätze unterscheiden Rollen wie Einkäufer, Nutzer, Beeinflusser, Entscheider und Informations-selektierer. Einfachere Konzepte beschreiben das Rollenverhalten anhand einer Zweiteilung in Fach- und Machtpromotoren. Fachpromotoren sind Teammitglieder, die aufgrund ihres Fach-Wissens an der Beschaffungsentscheidung direkt beteiligt sind. Machtpromotoren dagegen sind in der Organisation höher angesiedelte Personen, die über Entscheidungsmacht verfügen. Sie sind weniger an Details der einzelnen Beschaffung als vielmehr an deren Auswirkung für das Gesamtunternehmen interessiert.

Die Charakterisierung der Rollen weist bereits auf das unterschiedliche Informationsbeschaffungs- und Entscheidungsverhalten der Mitglieder des Buying Centers hin. Während Fachpromotoren eher an der technischen Leistungsfähigkeit von Produkten interessiert sind, betrachten Machtpromotoren stärker die betriebswirtschaftliche Perspektive. Seitens der Investitionsgüterhersteller wird dem Buying Center bei größeren Projekten ein Selling Center gegenübergestellt, dessen Mitglieder von ihrer hierarchischen Stellung, ihrer Fachkompetenz und den persönlichen Merkmalen her der Struktur des Buying Centers entsprechen.

Beeinflußt wird die Zusammensetzung des Buying Centers sowie das Verhalten deren Mitglieder im Kaufprozeß wesentlich durch kaufspezifische Faktoren wie dem Wert des Investitionsobjektes oder dem Wiederholungsgrad des Kaufes. Ebenso nehmen spezifische Merkmale der Organisation Einfluß auf den Beschaffungsprozeß. Besonders deutlich unterscheiden sich hier beispielsweise die Vorgehensweisen von Industrieunternehmen und öffentlichen Institutionen. Neben den internen Einflußgrößen sind darüber hinaus Umweltfaktoren wie rechtliche Rahmenbedingungen und technologische Entwicklungen zu berücksichtigen ( 13).

Beziehungen zwischen Investitionsgüterunternehmen und ihren Kunden sind häufig durch eine enge Zusammenarbeit gekennzeichnet. Diese reichen von zeitlich genau aufeinander ab-gestimmen Lieferbeziehungen (Just-in-Time) bis zu Kooperationen bei der Entwicklung neuer Produkte. Die Art und Intensität dieser Geschäftsbeziehungen wird dabei wesentlich durch die Form des Investitionsgütergeschäfts geprägt. Im allgemeinen lassen sich in diesem Zusammenhang das Produkt-, System- und Anlagengeschäft voneinander unterscheiden. Diese Unterteilung bietet den Vorteil, sich nicht an guter-, sondern kaufproblemspezifischen Merkmalen zu orientieren und damit eine Ableitung von Empfehlungen für das Anbieterverhalten in den einzelnen Geschäftsbeziehungen zu ermöglichen.

Im Rahmen des Produktgeschäfts werden solche Leistungen vermarktet, die zumeist aus Massen- oder Serienproduktion stammen und vom Kunden für einen isolierten Einsatz nachgefragt (Einzelaggregate) oder als Verbrauchsgut weiterverwendet werden (Komponenten). Im Gegensatz hierzu ist das Systemgeschäft dadurch gekennzeichnet, dass das Leistungsangebot sofort oder zu einem späteren Zeitpunkt im Zusammenhang mit anderen Technologien genutzt werden soll. Durch den Verbund zwischen aktueller und zukünftiger Kauf- und Verwendungsentscheidung ist der Kunde gezwungen, eine längerfristig gültige Systementscheidung zu treffen, die kurzfristig nicht oder nur unter großem Aufwand wieder rückgängig zu machen ist. Auf Basis dieser Entscheidung werden alle weiteren Komponenten und Teilsysteme erworben. Da mit dem Systemgeschäft kontinuierliche Folgegeschäfte verbunden sind, ist die Kundenbindung hier von besonderer Bedeutung. So wurde in der Vergangenheit bei Computern die Kundenbindung vielfach durch das Angebot geschlossener Systeme sichergestellt. Erweiterungen des Systems konnten nur durch Produkte des Systemherstellers vorgenommen werden. Mittlerweile hat sich in diesem Bereich ein Wandel zu offenen Systemen vollzogen, bei denen Systemkomponenten von unterschiedlichen Anbietern bezogen werden können. Die Kundenbindung kann in diesem Fall nicht mehr über die Ausgrenzung anderer Systemtechnologien erfolgen, sondern muß durch langfristig angelegte Leistungsvorteile, z. B. einen kontinuierlichen Service, erreicht werden.

Im Anlagengeschäft werden in sich geschlossene Leistungspakete angeboten. Das Geschäft kann sich dabei zwar über eine relativ lange Zeitdauer erstrecken, ist jedoch im Gegensatz zum Systemgeschäft mit der Realisation der geplanten Anlage beendet. In aller Regel werden beim Anlagengeschäft die Leistungen individuell auf die Anforderungen des Kunden abgestimmt. Der Vermarktungsprozeß ist somit dem Fertigungsprozeß vorgeschaltet. Für den Kunden ergibt sich hieraus das Risiko, die Anlage nicht vor dem Kauf beurteilen zu können. Eine wesentliche Aufgabe des Investitionsgüter-Marketing beim Anlagengeschäft besteht daher darin, durch Kompetenznachweise das wahrgenommene Risiko des Kunden zu reduzieren.

 

 


 

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