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Organisation


Inhaltsübersicht
I. Begriff und Funktionen der Organisation
II. Fragestellungen der Organisation

I. Begriff und Funktionen der Organisation


1. Organisation als Instrument


In der deutschen Betriebswirtschaftslehre war jahrzehntelang das instrumentelle Organisationsverständnis vorherrschend. Geleitet von dem Ziel, Arbeitsabläufe zu rationalisieren, stand die Schaffung organisatorischer Regelungen im Vordergrund des Interesses. Das Ergebnis des Gestaltungsprozesses (des „ Organisierens “ ) verfestigt sich in der „ Organisation “ , dem zur Struktur geronnenen Regelsystem. Dabei wird die Organisation als ein Instrument der Betriebsführung begriffen, das den Leistungsprozess steuern hilft. Innerhalb dieser instrumentellen Sichtweise gibt es aber indessen unterschiedliche Vorstellungen darüber, wie dieser instrumentelle Gegenstandsbereich zu fassen ist. Im Wesentlichen sind es zwei Konzeptionen, die hier das Feld prägen, der funktionale und der konfigurative Organisationsbegriff.
Der funktionale Organisationsbegriff: Nach dem funktionalen Verständnis wird Organisation als eine Funktion der Unternehmensführung gesehen, also als eine Aufgabe, die wahrgenommen werden muss, um die Zweckerfüllung der Unternehmung sicherzustellen. Die Organisation tritt neben die anderen Funktionen der Unternehmensführung (insb. Planung und Kontrolle) und ist in Bezug auf diese auszugestalten. Diese funktionsbezogene Sichtweise, wie sie insb. in der klassischen Managementlehre vertreten wird, ist im deutschsprachigen Raum am profiliertesten von Gutenberg (Gutenberg, Erich 1983) ausgearbeitet worden.
Im gutenbergschen System wird der betriebliche Leistungsprozess als Kombinationsprozess produktiver Faktoren thematisiert. Neben die drei Elementarfaktoren, die unmittelbar produktive Arbeitsleistung, die Betriebsmittel und die Werkstoffe, tritt dort der dispositive Faktor, gemeint ist die Unternehmensführung oder allgemeiner das Management. Die Disposition soll die optimale Kombination der Elementarfaktoren sicherstellen, indem sie quasi als Motor den gesamten betrieblichen Leistungsprozess antreibt und steuert.
Der dispositive Faktor setzt sich aus zwei Schichten zusammen, einer intuitiven, irrationalen und einer analytisch rationalen Schicht. Letzterer rechnet Gutenberg zwei Hauptfunktionen zu:

-

Planung als vorausbedenkender Entwurf betrieblichen Handelns und

-

Vollzug als Umsetzung des Geplanten in die Wirklichkeit.


Die Organisation ist in dem Ansatz von Gutenberg (Gutenberg, Erich 1983) im Wesentlichen mit der Vollzugsaufgabe gleichzusetzen: „ Während Planung den Entwurf einer Ordnung bedeutet, nach der sich der gesamtbetriebliche Prozess vollziehen soll, stellt Organisation den Vollzug, die Realisierung dieser Ordnung dar “ (S. 235). Die Organisation wird in dieser Sicht also als reines Umsetzungsinstrument gesehen; ihre Aufgabe ist es, dafür Sorge zu tragen, dass das Geplante Wirklichkeit wird.
Nachdem Organisation ganz generell als Vollzug verstanden wird, fasst Gutenberg dann auch alle Regelungen, die zur Planumsetzung entwickelt oder erlassen werden, unter dem Begriff der Organisation zusammen. Er sieht die Organisation als ein Geflecht von Regelungen, und zwar sowohl solche genereller als auch fallweiser Natur. Die generelle und die fallweise Regelung stehen sich diesem Denkgebäude nach bei jeder organisatorischen Gestaltungsentscheidung als prinzipielle Alternativen gegenüber, zwischen denen die Wahl bei der optimalen Regelung betrieblicher Vorgänge zu treffen ist.
Gutenberg will die Wahl zwischen den beiden Regelungsformen nicht vorentscheiden, sondern von der Variabilität des fraglichen betrieblichen Tatbestandes abhängig machen. Die Organisation eines Unternehmens stellt sich dann aus dieser Sicht als eine je spezifische Mischung aus fallweisen und generellen Regeln dar. Von der Frage des Mischungsverhältnisses ist als eigener Problemkreis die absolute Zahl der Regeln, also die Regelungsdichte, zu unterscheiden. Letztere beschreibt, wieweit die betrieblichen Aufgabenvollzüge vorgeregelt werden oder, anders gesehen, wie viel Raum für Eigendispositionen der Positionsinhaber noch verbleibt.
Der Einbezug der fallweisen Regelung in den Organisationsbegriff ist ungewöhnlich und nur verständlich, wenn man den Zusammenhang zu Gutenbergs Steuerungsansatz herstellt. Sehr viel häufiger wird nur das Geflecht genereller Regelungen als Organisation bezeichnet; dann nimmt aber auch meist die Organisation einen anderen Platz im allgemeinen Rahmenkonzept der betrieblichen Steuerung ein.
Der konfigurative Organisationsbegriff: Die profilierteste Gegenposition im Rahmen der instrumentellen Sichtweise markiert die kosiolsche Organisationslehre (Kosiol, Erich 1976), die im theoretischen Gerüst der bürokratischen Organisation (Weber, Max 1976; Bürokratie) und der strukturanalytischen Organisationstheorie (Blau, Peter M./Scott, W. Richard 1962) zu verankern ist. Organisation bezeichnet dort die dauerhafte  Strukturierung von Arbeits- und Autoritätsprozessen, d.h. ein festes Gefüge von generellen Regeln (Konfiguration), das allen anderen Maßnahmen und Dispositionen vorgelagert ist. Die Organisation ist hier der (laufenden) Disposition vorgeordnet; sie schafft den Rahmen, innerhalb dessen dann die dispositiven Anordnungen getroffen werden können. Organisation wird dementsprechend definiert „ als endgültig gedachte Strukturierung, die in der Regel auf längere Sicht gelten soll “ (Kosiol, Erich 1976, S. 28).
Ausgangspunkt aller organisatorischen Gestaltung soll nach Kosiol die Aufgabe sein; gemeint ist damit die „ Marktaufgabe “ der Unternehmung, also etwa die Produktion von Küchengeräten, der Transport von Gütern oder die Vermittlung von Immobilien; diese Gesamtaufgabe wird aus Teilaufgaben zusammengesetzt gedacht. Jeder organisatorischen Gestaltungsmaßnahme wird es deshalb zur Pflicht gemacht, in einem Dekompositionsprozess zunächst einmal diese Teil- und letztlich Elementaraufgaben zu „ induzieren “ , um sie anschließend in einem Konstruktionsprozess zu einer zweckmäßigen Gestalt zu verknüpfen. Dieses Organisationsverständnis ist im Wesentlichen statisch ausgelegt, die Organisation soll dem Leistungsprozess Stabilität und Ordnung verleihen. Es bleibt allerdings ungeklärt, weshalb Systeme eines solch dauerhaften Gefügerahmens bedürfen.
Ein stabil gebautes hierarchisches Strukturgefüge wird als Selbstverständlichkeit gesetzt; man beginnt bei der Strukturformenwahl und überspringt damit die Basisfrage nach der Notwendigkeit von Strukturen. Es ist wohl auch schwer, eine Begründung für die Stabilitätsorientierung oder die stabilisierende Funktion von Organisationsstrukturen aus der instrumentellen Perspektive heraus zu leisten. Man braucht dazu eine andere Perspektive als die des Führungsinstruments.

2. Organisation als Institution


Der institutionelle Organisationsbegriff lenkt den Blickwinkel auf das gesamte System, auf die Institution. Ebenso wenig wie die vorhergehenden Begriffe beliebig gegriffen, sondern mit Bedacht gewählt worden waren, so ist auch diese Perspektive nicht eine willkürliche Setzung, sondern das Ergebnis einer spezifischen theoretischen Denkweise. Drei Zentralelemente kennzeichnen das institutionelle Organisationsverständnis (vgl. March, James G./Simon, Herbert A. 1958, S. 1 ff.; Mayntz, Renate 1963):
1. Spezifische Zweckorientierung: Organisationen sind auf spezifische Zwecke hin ausgerichtet. Diese Zwecke müssen keineswegs identisch sein mit den persönlichen Zwecken der Organisationsmitglieder, meist decken sie sich nur partiell. In aller Regel verfolgen Organisationen mehrere, einander sogar partiell widersprechende Ziele (z.B. Liquidität und Rentabilität oder Flexibilität und Effizienz).
2. Geregelte  Arbeitsteilung: Organisationen bestehen aus mehreren Personen (oder genauer: aus Handlungen mehrerer Personen), deren Aufgabenaktivitäten nach einem der Absicht nach rationalen Muster geteilt und verknüpft werden (organisiert werden nur Handlungen, nicht unbeseelte Objekte). Dieses Muster setzen Organisationen in Erwartungen (Regeln, Stellenbeschreibungen) um, an denen sich das Handeln der Mitglieder ausrichten soll (Organisationsstruktur). Dadurch wird das Verhalten der Organisationsmitglieder (in Grenzen) vorhersehbar.
3. Beständige Grenzen: Organisationen weisen Grenzen auf, die es möglich machen, organisatorische Innenwelt und Außenwelt ( „ Umwelt “ ) zu unterscheiden. Durch die Grenzziehung gibt es identifizierbare Mitgliedschaften, d.h. jede Organisation hat einen Kreis angebbarer Mitglieder; sie zeichnen sich dadurch aus, dass sie grundsätzlich bereit sind, die unter 2. genannten Erwartungen (jedenfalls zu einem großen Teil) zu erfüllen.
Schon aus diesen skizzenhaften Erläuterungen des institutionellen Organisationsbegriffes wird deutlich, dass hiermit ein ganz anderer Blickwinkel einhergeht. Der Gegenstandsbereich der Organisationstheorie dehnt sich damit nicht nur aus, sondern bezieht auch Probleme mit ein, die unter dem instrumentellen Organisationsverständnis gar nicht zum Thema werden konnten. Die außerordentlich große Bedeutung dieser Perspektiverweiterung ist rasch erschlossen.
Der institutionelle Organisationsbegriff gibt nicht nur den Blick frei für die organisatorische Strukturierung, die formale Ordnung, sondern für das ganze soziale Gebilde, die geplante Ordnung und die ungeplanten Prozesse, die Funktionen, aber auch die Dysfunktionen organisierter Arbeitsabläufe, die Entstehung und die Veränderung von Strukturen, die Ziele und ihre Widersprüche. Der instrumentelle Organisationsbegriff in der traditionellen Fassung thematisiert das organisatorische Gestaltungsproblem im Vergleich dazu aus einem viel engeren Blickwinkel, nämlich dem rationalen Entwurf organisatorischer Strukturen. Heute wird jedoch in die Entwurfsarbeit organisatorischer Maßnahmen in der Regel ein deutlich breiteres Spektrum an Wirkungen einbezogen. Die Möglichkeit, dass sich die Organisationsmitglieder den formalen Vorgaben der Strukturvorschriften entziehen, wird von vorneherein in die Abwägung gestalterischer Optionen einbezogen und durch flankierende Maßnahmen zu begrenzen versucht. Insofern hat in der heutigen Entwicklung eine Annäherung zwischen der instrumentellen und der institutionellen Sichtweise stattgefunden.

3. Organisatorische Regelungen


Organisatorische Regeln werden als Erwartung praktisch, d.h. sie richten sich auf das Verhalten der Organisationsmitglieder. Sie begrenzen das Handlungsrepertoire absichtsvoll, indem sie bestimmte Handlungen zur Erwartung machen, während sie andere für unerwünscht erklären. Das Ausmaß an Vorregelung kann erheblich variieren.
In Organisationen gibt es – wie dargelegt – formale Regeln, d.h. offiziell eingeführte und genauer spezifizierte Erwartungen an das Verhalten der Mitglieder. Ihr Recht auf Geltung leiten sie aus der sog. Direktionsbefugnis des Arbeitgebers ab, die mit dem Unterzeichnen des Arbeitsvertrages anerkannt wird. Obwohl bei Nicht-Einhaltung Sanktionen bis hin zur Kündigung drohen, werden dennoch beileibe nicht alle Regeln, die in einer Organisation Geltung beanspruchen, auch tatsächlich eingehalten. Nicht selten werden formelle Regeln von „ unsichtbaren “ Regeln konterkariert, die auf einem informellen, d.h. nicht offiziellen Wege entstanden sind. Dabei ist zu beachten, dass auch inoffizielle Regeln genereller Natur sein können. Häufig entstehen Regeln spontan aus dem Handeln heraus und bewähren sich im täglichen Arbeitsvollzug; bisweilen sind es gerade diese Regeln, Routinen oder Standardprozeduren, die das Verhalten besonders stark beeinflussen.
Darüber hinaus werden im organisatorischen Leben auch Regeln aus anderen Systemen beachtet, so etwa der Branche (etwa im Bergbau oder in der Bauwirtschaft) oder einer Berufsgruppe (z.B. Sicherheitsingenieure oder Werksärzte). Diese werden in der einzelnen Organisation wie selbstverständlich gepflegt, ohne dass sie je von einer dazu berechtigten Stelle eingeführt worden wären. Diese „ fremden “ Regeln werden entweder indirekt in die Organisation hineingetragen (etwa durch entsprechende Ausbildungsgänge einschlägiger Professionen wie auch branchenspezifische Erwartungsmuster bezüglich eines „ richtig “ organisierten Betriebs; vgl. dazu DiMaggio, Paul J./Powell, Walter W. 1983; Kieser, Alfred/Walgenbach, Peter 2003, S. 21) oder aber sie dringen direkt im Rahmen der Kooperation mit anderen Systemen in die Organisation ein.
Die Tatsache, dass nur ein Teil der in einer Organisation wirksamen Regeln einem autorisierten Prozess der Regelschöpfung, also der geplanten Organisationsgestaltung, entstammt, ließ es zweckmäßig erscheinen, verschiedene Regelungsbereiche zu unterscheiden. Die geläufigste, wenn auch nicht unumstrittene Unterscheidung trennt dementsprechend – wie erwähnt  – in formale und informale (häufig auch: formelle und informelle) Regeln. Die informalen Erwartungen stehen in keinem unmittelbaren Zusammenhang mit der Mitgliedschaft, sie werden aber gleichwohl nur an Mitglieder des formalen Systems gerichtet. Ihre Erfüllung gehorcht einer anderen Logik.
In der neueren Organisationstheorie interessieren die Wechselbeziehungen zwischen formaler und informaler Organisation, insb. im Hinblick auf ihre Wirkungen für die Leistung des Gesamtsystems (Friedberg, Erhard 1995; Ortmann, Günther 2003). Funktionale wie dysfunktionale Aspekte beider Regelsysteme interessieren gleichermaßen; die informale Organisation wird jetzt sogar als wichtiges Korrektiv zu den dysfunktionalen Wirkungen formaler Organisation thematisiert.
Informale Regelungen sind nämlich in der Lage, die Einseitigkeit der formalen Organisation zu kompensieren, indem sie andere als die offiziellen, gleichwohl aber für den Systemerfolg bedeutsame, Zwecke erfüllen (Luhmann, Niklas 1995, S. 284 f.). Dazu gehört eine rasche unkomplizierte Verständigung ebenso wie die Erfüllung von Zugehörigkeitsbedürfnissen und der Wunsch nach kollegialer Vertrautheit. In gewissem Umfang kann so gesehen die informale Organisation die formale stabilisieren, indem sie ihre Schwächen kompensiert und sie flexibler macht als sie nach ihrem formalen Reglement eigentlich ist.
Mit dieser Einsicht in den (potenziell) funktionalen Beitrag der informalen Organisation war zugleich eine Kritik an der Idee der formalen Regelung formuliert und ihre unumschränkte Effizienzwirkungsthese relativiert.
Die Diskussion um informale Regeln und Subsysteme war aber immer auch – neben der Frage der Funktionalität oder Dysfunktionalität – an der Frage interessiert, wie Ordnung faktisch entsteht. Die aus sich selbst heraus entstehende emergente Ordnungsbildung ist dann auch in einem eigenen Ansatz aufgegriffen und zu einer alternativen Sichtweise von organisationalen Prozessen entwickelt worden. Die klassische Organisationsidee, ein System mit Hilfe eines Kranzes spezifizierter Regelungen steuern zu wollen, wird als naive Illusion zurückgewiesen. Stattdessen wird Ordnung als Ergebnis autonomer Prozesse erklärt, wie sie in vielfach vernetzten Systemen mit eigensinniger Dynamik entstehen. Das der Biologie entliehene Konzept der Selbstorganisation wird an die Stelle der alten Expertenaufgabe, der Fremdorganisation, gesetzt (Yovits, Marshall C./Cameron, Scott 1960; Foerster, Heinz von 1984; Probst, Gilbert 1987; Malik, Fredmund F. 2004; zur Entwicklung des Konzeptes vgl. Paslack, Rainer 1991). Selbstorganisation entsteht ungeplant: Aus den spontanen Interaktionen der Systemelemente resultiert eine unvorhersehbare Ordnung; und mehr als das, von dieser Ordnung wird gesagt, sie leiste mehr als jede geplante Ordnung je leisten kann (vgl. Hayek, Friedrich A. von 1994). Die Idee der Selbstorganisation bricht radikal mit der Vorstellung eines Organisators, der für ein System eine Struktur plant und sie dann gewissermaßen von außen dem System vorgibt, mit dem Ziel, damit voraussagbare Ergebnisse zu erzielen. Organisation erscheint – wenn man es denn überhaupt noch so bezeichnen will – als eine vom System selbst generierte Ordnung. Die Elemente/Subsysteme erzeugen unbeabsichtigt durch ihr Zusammenwirken Ordnung, die auf sie selbst zurückwirkt.
Den ganzen Weg des Selbstorganisations-Konzeptes mitzugehen, fällt schwer – eine Reihe von Einwänden spricht dagegen (vgl. zur Kritik im Einzelnen Bender, Christiane 1994; Schreyögg, Georg/Noss, Christian 1994). Trotzdem führt die Idee der Selbstorganisation die lange völlig unterschätzten Prozesse autonomer, ungeplanter Entwicklungen in Organisationen nachhaltig vor Augen. Keine Organisation kann bei Licht besehen auf spontane Ordnungsleistungen ihrer Mitglieder verzichten, die sich informell entwickelt haben (Nelson, Richard R./Winter, Sidney G. 1982).

II. Fragestellungen der Organisation


1. Organisationstheorie und Organisatorische Gestaltung


Entsprechend den beiden grundsätzlichen Zielsetzungen der Wissenschaft, Erklärungen für überraschende Sachverhalte zu finden (theoretisches Interesse) und Empfehlungen zur zielführenden Sachverhaltsgestaltung abzuleiten (Grochla, Erwin 1980, Sp. 1796), lassen sich mit der Organisationstheorie und den Konzepten der Organisationsgestaltung zwei prinzipielle Formen der Auseinandersetzung mit organisatorischen Fragestellungen unterscheiden.

a) Problemstellungen der Organisationstheorie


Die Organisationstheorie als Inbegriff der einzelnen organisationstheoretischen Ansätze zeichnet sich durch ein weites Spektrum heterogener und teilweise auch widersprüchlicher Organisationstheorien aus (vgl. zum Überblick Kieser, Alfred 2002). Wie in kaum einer anderen betriebswirtschaftlichen Teildisziplin divergieren hier die Objekte, Ebenen, Methoden und Aussagen der wissenschaftlichen Erklärungssuche. Zugleich ist die Organisationstheorie vergleichsweise stark interdisziplinär ausgerichtet und weist besonders zur Psychologie, Soziologie und Rechtswissenschaft vielfältige Schnittstellen auf.
Die Ansätze reichen im Einzelnen etwa von mathematisch geprägten Optimierungsansätzen der institutionenökonomischen Richtung über heuristische Analysen arbeitsteiliger Entscheidungsprozesse und individueller Verhaltensweisen in Organisationen bis hin zu Theorien, die z.B. die Situationsabhängigkeit und die Evolution ganzer (Populationen von) Organisationen thematisieren.
Adressiert werden in der Organisationstheorie so unterschiedliche Phänomene wie Bürokratie und Hierarchie, Flexibilität und Selbstorganisation, Konflikte und Emotionen, Macht, Mikropolitik und Verfassungsfragen in und von Organisationen, Interne Märkte und unternehmensübergreifende Netzwerke sowie die Historie, die Pfad- und Kulturabhängigkeit, der Lebenszyklus und die Fortentwicklung von Organisationsstrukturen.
Organisationstheoretische Analysen setzen alternativ oder teils auch kombiniert sowohl auf der Mikroebene des einzelnen Individuums als auch der Mesoebene von Gruppen und der Makroebene der Unternehmen und anderen Institutionen an. Zum Einsatz gelangt dabei eine breite Palette verschiedenartiger Forschungsmethoden, die teils empirischer und teils analytischer Natur sind.

b) Problemstellungen der Organisatorischen Gestaltung


Entsprechend den Problemstellungen der Organisationstheorie ist auch das Themenfeld der organisatorischen Gestaltung weit aufgefächert. Analog zu den organisationstheoretischen Betrachtungsebenen lassen sich zunächst Gestaltungsprobleme auf der Mikroebene der einzelnen Stellen und Arbeitsprozesse, der Mesoebene von Personenmehrheiten wie z.B. der Ausformung von Teams und Unternehmensorganen und der Makroebene des Unternehmens unterschieden.
Die Gestaltungsprobleme der Makroebene können weiter danach differenziert werden, ob die Organisation des Gesamtunternehmens, die Organisation von Teilbereichen des Unternehmens oder aber die Organisation unternehmensübergreifender Kooperationen adressiert werden. Im ersten Fall wird die Rahmenstruktur des Unternehmens festgelegt, die v.a. nach funktionalen, produktbezogenen sowie marktlichen Kriterien gegliedert werden kann.
Bei der bereichsbezogenen Gestaltung geht es hingegen um die interne Organisation der Unternehmensleitung (v.Werder, Axel v. 2005), der operativen, produkt- bzw. marktbezogenen Geschäftsbereiche und der funktional orientierten Zentralbereiche bzw. Center sowie die Regelung der Aufbau- und Ablaufbeziehungen zwischen diesen Einheiten. Einen besonderen Stellenwert nehmen dabei die organisatorische Verankerung und Ausgestaltung der verschiedenen Unternehmensfunktionen ein, die jeweils eigene organisatorische Anforderungen stellen und daher individuelle, funktionsspezifische Organisationslösungen verlangen (Frese, Erich/v. Werder, Axel/Maly, Werner 1993, v. Werder, Axel v./Stöber, Harald 2004). Zu denken ist z.B. an die Organisation der Aufgaben Beschaffung, Logistik, Produktion und Absatz, Forschung und Entwicklung, Innovationsmanagement und Technologiemanagement, Informationsverarbeitung, Umweltschutz, Personalwesen, Rechnungswesen und Controlling sowie nicht zuletzt der Organisationsfunktion selbst.
Das Problem der unternehmensübergreifenden Organisationsgestaltung, das heute zunehmend an Bedeutung gewinnt und zu einer Aufweichung der Unternehmensgrenzen führt, stellt sich bei den verschiedenen Formen der Unternehmenskooperation wie z.B. strategischen Allianzen und interorganisationalen Netzwerken.
Die Zweckmäßigkeit organisatorischer Gestaltungen hängt stets von Merkmalen der jeweiligen Gestaltungssituation ab. Zu den wichtigsten Kontextfaktoren gehören z.B. die Strategie, die Technologie, die Rechtsstruktur und das kulturelle Umfeld des Unternehmens.
Nicht zuletzt sind auch der Typus und die Branche der zu organisierenden Institution in hohem Maße gestaltungsrelevant. Infolgedessen unterscheiden sich bspw. die Probleme und Lösungen der Unternehmensorganisation ebenso von der Hochschulorganisation wie die Organisation nationaler und internationaler Unternehmen, die Organisation von kapitalmarktorientierten Unternehmen und von Familienunternehmen oder von produzierenden Unternehmen, Unternehmensberatungen und Krankenhäusern.

2. Organisation und Unternehmensführung


Das Verhältnis von Organisation und Unternehmensführung variiert mit dem zugrunde gelegten Organisationsbegriff (s. I.). Bei institutionalem Organisationsverständnis wird das Unternehmen insgesamt als Organisation aufgefasst, so dass Unternehmensführung gleichbedeutend mit der Führung der betreffenden Organisation ist.
Bei instrumentalem Organisationsverständnis bildet die Organisation(sstruktur) hingegen eines von mehreren Mitteln der Unternehmensführung. Die Organisation wird dann gemeinsam mit anderen Instrumenten wie namentlich der Planung und Kontrolle bzw. dem Controlling sowie den Mechanismen der Mitarbeiterführung zur Erreichung der Unternehmensziele eingesetzt. Gemeinsam ist dabei allen Instrumenten der Unternehmensführung, dass sie letztlich das Verhalten der Unternehmensmitglieder auf die verfolgten Zielsetzungen ausrichten sollen. Sie unterscheiden sich allerdings im Detaillierungsgrad und Zeithorizont der Verhaltensbeeinflussung. Organisationsregelungen gelten – von Ausnahmen wie der Projektorganisation abgesehen – regelmäßig unbefristet, geben durch die zugewiesenen Kompetenzen allerdings nur einen relativ groben Handlungsrahmen vor. Dieser Rahmen wird durch Planungen unterschiedlicher Reichweite konkretisiert und im Einzelfall durch die Vorgaben der übergeordneten Führungskräfte weiter ausgefüllt.
Da Organisationsmaßnahmen ebenso wie die anderen Managementinstrumente nur über die Verhaltensweisen der organisierten Handlungsträger wirksam werden können, sind bei ihrer Ausgestaltung neben sachlogischen stets auch verhaltenswissenschaftliche Aspekte zu berücksichtigen. Dieser Tatbestand erklärt, dass individual- und sozialpsychologische Phänomene – im Fall der Organisation konkret z.B. Erscheinungen wie die Informelle Organisation sowie die Prozesse der Motivation – bei der Auseinandersetzung mit den Funktionsbedingungen der Organisation, aber auch (der anderen Instrumente) der Unternehmensführung generell, einen besonderen Stellenwert haben.
Als eines von mehreren Instrumenten der Unternehmensführung weist die Organisation naturgemäß wichtige Beziehungen zu den betreffenden anderen betriebswirtschaftlichen Teilsdisziplinen auf. Zu denken ist exemplarisch an die Abhängigkeiten der adäquaten Organisation von den unternehmensstrategischen Entscheidungen, an die Implikationen der geltenden Organisationsstruktur eines Unternehmens für die Ausformung seiner Planungs- und Kontrollsysteme sowie an die Interdependenzen zwischen der Stellenbildung durch Organisation und der Stellenbesetzung durch das Personalwesen.
Literatur:
Bender, Christiane : Selbstorganisation in Systemtheorie und Konstruktivismus, in: Konstruktivismus und Sozialtheorie, hrsg. v. Rusch, Gebhard/Schmidt, Siegfried J., Frankfurt am Main 1994, S. 263 – 282
Blau, Peter M./Scott, W. Richard : Formal organization, San Francisco 1962
DiMaggio, Paul J./Powell, Walter W. : The iron cage revisited: Institutional isomorphism and collective rationality in organizational fields, in: ASR, Jg. 48, 1983, S. 147 – 160
Foerster, Heinz von : Principles of self-organization – in a socio-managerial context, in: Self-organisation and management of social systems, hrsg. v. Ulrich, Hans/Probst, Gilbert, Heidelberg 1984, S. 2 – 24
Frese, Erich/Werder, Axel v./Maly, Werner : Zentralbereiche – Theoretische Grundlagen und praktische Erfahrungen, Stuttgart 1993
Friedberg, Erhard : Ordnung und Macht. Dynamiken organisierten Handelns, Frankfurt am Main et al. 1995
Grochla, Erwin : Organisationstheorie, in: HWO, hrsg. v. Grochla, Erwin, 2. A., Stuttgart 1980, Sp. 1795 – 1814
Gutenberg, Erich : Grundlagen der Betriebswirtschaftslehre, Band 1: Die Produktion, 24. A., Berlin et al. 1983
Hayek, Friedrich A. von : Freiburger Studien, Tübingen 1994
Kieser, Alfred : Organisationstheorien, 5. A., Stuttgart 2002
Kieser, Alfred/Walgenbach, Peter : Organisation, 4. A., Stuttgart 2003
Kosiol, Erich : Organisation der Unternehmung, 2. A., Wiesbaden 1976
Luhmann, Niklas : Funktionen und Folgen formaler Organisationen, 4. A., Berlin 1995
Malik, Fredmund F. : Systemisches Management, Evolution, Selbstorganisation, 4. A., Bern et al. 2004
March, James G./Simon, Herbert A. : Organizations, New York 1958
Mayntz, Renate : Soziologie der Organisation, Reinbek bei Hamburg 1963
Nelson, Richard R./Winter, Sidney G. : An evolutionary theory of economic change, Cambridge MA 1982
Ortmann, Günther : Regel und Ausnahme, Frankfurt am Main 2003
Paslack, Rainer : Urgeschichte der Selbstorganisation. Zur Archäologie eines Wirtschaftsparadigmas, Braunschweig et al. 1991
Probst, Gilbert : Selbst-Organisation, Berlin et al. 1987
Schreyögg, Georg/Noss, Christian : Hat sich das Organisieren überlebt? Grundfragen der Unternehmenssteuerung in neuem Licht, in: Die Unternehmung, Jg. 48, 1994, S. 17 – 33
Weber, Max : Wirtschaft und Gesellschaft, 5. A., Tübingen 1976
Werder, Axel v. : Führungsorganisation: Grundlagen der Spitzen- und Leitungsorganisation von Unternehmen, Wiesbaden 2005
Werder, Axel v./Stöber, Harald : Center-Organisation: Gestaltungskonzepte, Strukturentwicklung und Anwendungsbeispiele, Stuttgart 2004
Yovits, Marshall C./Cameron, Scott : Self-organizing systems, New York 1960

 

 


 

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