Finanzmarketing
Inhaltsübersicht
I. Gegenstand und Besonderheiten des Finanzmarketing
II. Informationsgrundlagen des Finanzmarketing
III. Strategisches Finanzmarketing
IV. Operatives Finanzmarketing
V. Kontrolle und Implementierung des Finanzmarketing
I. Gegenstand und Besonderheiten des Finanzmarketing
1. Träger des Finanzmarketing
Der fortschreitende Strukturwandel auf den nationalen und internationalen Kapitalmärkten stellt alle dort agierenden Marktteilnehmer vor zahlreiche neue Herausforderungen. Die Anbieter von Finanzdienstleistungen sehen sich vor allem einem Werte- und Bedürfniswandel der Kunden, tiefgreifenden technologischen Entwicklungen, einer Liberalisierung und Deregulierung der Finanzmärkte sowie einer Angleichung des Angebotes im Bank- und banknahen Bereich gegenüber (Schierenbeck, H./Hölscher, R. 1989). Die nicht der Finanzdienstleistungsbranche zurechenbaren, sonstigen Wirtschaftsunternehmen sind vielfach von Engpässen in der Finanzmittelbeschaffung betroffen (Link, R. 1991). Schließlich sind auch die Finanzplätze selbst bzw. die mit ihnen verwurzelten Börsen aufgrund der fortschreitenden Liberalisierung, Deregulierung und Internationalisierung sowie des technologischen Wandels durch eine zunehmende Wettbewerbsintensität gekennzeichnet (Steiner, 1993).
Sowohl bei den Anbietern von Finanzdienstleistungen als auch bei den sonstigen Wirtschaftsunternehmen und den Finanzplätzen setzt sich vor diesem Hintergrund die Erkenntnis durch, dass durch eine stärker an den jeweiligen Nachfragerbedürfnissen orientierte Geschäftspolitik Marktwiderstände überwunden und Wettbewerbsvorteile erlangt werden können. Eine solche an den Nachfragerbedürfnissen ausgerichtete Unternehmenspolitik der jeweiligen, am Kapitalmarkt agierenden Marktteilnehmer, kann allgemein als Finanzmarketing bezeichnet werden. Ziel dieses Managementkonzeptes ist es, Austauschbeziehungen auf den Finanzmärkten zu initiieren, zu erleichtern, aufrechtzuerhalten und an veränderte Bedingungen anzupassen. Durch den koordinierten Einsatz marktbeeinflussender Instrumente sollen die Nachfragerbedürfnisse befriedigt und die Ziele der anbietenden Akteure verwirklicht werden.
In Abhängigkeit vom jeweiligen Träger der Marketingaktivitäten ist zwischen dem Finanzmarketing im engeren und im weiteren Sinne zu unterscheiden. Das Finanzmarketing i.w.S. umfasst sowohl das Marketing von Finanzdienstleistungsunternehmen (Banks und Near-Banks) als auch das Marketing von Börsen bzw. Finanzplätzen. Dem Finanzmarketing i.e.S. wird demgegenüber ausschließlich das eigen- und fremdkapitalgeberbezogene Marketing zugerechnet (vgl. Abb. 1). Gegenstand der weiteren Ausführungen ist ausschließlich das Finanzmarketing i.e.S.
Abb. 1: Spielarten des Finanzmarketing
2. Kapitalbeschaffung als Herausforderung an die Unternehmensführung
Die zunehmende Globalisierung sowie das Zusammenwachsen einer Vielzahl von Güter- und Dienstleistungsmärkten tragen wesentlich zu einer stetig steigenden Wettbewerbsintensität zwischen den Unternehmen bei. Um am Markt langfristig erfolgreich operieren zu können, sind Unternehmen daher oftmals gefordert, ihre Geschäftsaktivitäten geographisch oder inhaltlich durch die Expansion in neue Geschäftsfelder auszuweiten und Forschungsvorhaben, neue Technologien oder Produktentwicklungen voranzutreiben. Hiermit geht ein hoher Kapitalbedarf der Unternehmen einher, in dessen Folge oft eine Verknappung des Faktors Kapital zu beobachten ist (Schreib, H. R. 1993).
Die zielgerichtete Initiierung und Gestaltung von Transaktionen auf Märkten mit knappen Gütern stellt die originäre Aufgabe des Marketing dar. Die Beschaffung von Kapital kann in diesem Zusammenhang aus marketingtheoretischer Sicht als ein Verkauf von Finanzierungstiteln an die Kapitalgeber interpretiert werden. Folgt man diesem Verständnis der Kapitalbeschaffung, wird die Notwendigkeit eines an den Bedürfnissen und Präferenzen der potenziellen Kapitalgeber ausgerichteten Finanzmarketing offenkundig (Hartmann-Wendels, T. 1993).
Die Kapitalbeschaffung erfordert ein intensives Vertrauensverhältnis zwischen dem Kapitalgeber und dem Unternehmen, da neben der zu erwartenden Rendite das vom Kapitalgeber wahrgenommene Risiko der Bereitstellung von Eigen- oder Fremdkapital ein wesentliches Entscheidungskriterium einer Kapitaltransaktion darstellt. Angesichts der zentralen Bedeutung der Kommunikationspolitik zur Reduzierung des vom Kapitalgeber wahrgenommenen Risikos wird das Finanzmarketing vielfach mit dem Begriff Investor Relations gleichgesetzt. Dieser bezieht sich jedoch nur auf die kommunikationspolitischen Aktivitäten einer Aktiengesellschaft gegenüber ihren Kapitalgebern, Finanzanalysten und anderen Teilöffentlichkeiten im finanziellen Bereich (Krystek, U./Müller, M. 1993). Diese begriffliche Gleichstellung wird dem Finanzmarketing wegen der Einschränkung auf Aktiengesellschaften und der ausschließlichen Orientierung am kommunikationspolitischen Instrumentarium den kapitalgeberbezogenen Zielen einer Unternehmung jedoch nicht hinreichend gerecht (Becker, F. G. 1994).
Ein ganzheitliches Finanzmarketing umfasst unabhängig von der Rechtsform eines Unternehmens die systematische Planung, Koordination und Kontrolle aller auf die aktuellen und potenziellen Eigen- und Fremdkapitalmärkte ausgerichteten Aktivitäten eines Unternehmens. Sämtliche Aufgaben und Aktivitäten können dabei als eindeutig identifizierbarer Prozess der Willensbildung und Willensdurchsetzung (Managementprozess) gekennzeichnet werden. Die wichtigsten Aktivitäten und Elemente dieses Prozesses stellen die Analyse der Markt- und Unternehmenssituation, die Identifikation relevanter Markt- und Kundensegmente, die Festlegung der Finanzmarketingziele und -strategien, die operative Marketingplanung sowie die Implementierung der Strategien und des Marketingmix dar (Meffert, H. 1998). Die Kommunikation gegenüber den Kapitalgebern und sonstigen Anspruchsgruppen des Unternehmens stellt dabei lediglich ein – wenngleich zentrales – Element des Marketingmix dar.
II. Informationsgrundlagen des Finanzmarketing
1. Markt- und Unternehmensanalyse
Wesentliche Grundlage für die Formulierung von Zielen und Strategien des Finanzmarketing bildet die umfassende Beurteilung der Markt- und Unternehmenssituation. Die systematische Beschaffung und Verarbeitung dieser Informationen ist die Aufgabe der Finanzmarktforschung. Im Rahmen der Unternehmensanalyse hat die Finanzmarktforschung basierend auf der langfristigen Unternehmensstrategie die zukünftigen Cashflows zu prognostizieren. Hieraus sind Höhe, Zeitpunkt und Dauer des Kapitalbedarfs abzuleiten, und unter Berücksichtigung der bestehenden Kapitalstruktur gilt es, die Notwendigkeit einer Eigen- oder Fremdkapitalfinanzierung zu bestimmen. Der Finanzmarktforschung obliegt darüber hinaus im Rahmen der Marktanalyse die Beschaffung von Informationen über die Kapitalkosten unterschiedlicher Finanzierungsformen auf den nationalen und internationalen Kapitalmärkten. Hierbei gilt es wirtschaftspolitische Daten ebenso zu berücksichtigen wie das Verhalten konkurrierender Kapitalnachfrager. Zu den relevanten Informationen über die Kapitalmärkte zählen ferner die politisch-rechtlichen Rahmenbedingungen der Ausgestaltung von Eigen- und Fremdkapitalanteilen. Eine besondere Relevanz kommt der Finanzmarktforschung schließlich bei der Analyse derzeitiger, potenzieller sowie gewünschter Kapitalgeber zu. Hier muss sie die jeweiligen Bedürfnisse und Auswahlkriterien für die Kapitalanlage unterschiedlicher Kapitalgeber identifizieren und auf Basis dieser Erkenntnisse die Kapitalgeber in unterschiedliche Zielgruppen segmentieren (Becker, F. G. 1994).
2. Markt- und Kundensegmentierung
Die Marktsegmentierung zielt darauf ab, die aktuellen und pozentiellen Kapitalgeber entsprechend ihrer Marktreaktion in intern homogene und extern heterogene Gruppen aufzuteilen. Dabei finden demografische (z.B. Vermögensstatur), psychografische (z.B. Einstellungen, Nutzenerwartungen) und verhaltensorientierte (z.B. Informationsverhalten) Kriterien Anwendung. Die unterschiedlichen Bedürfnisse der Kapitalgeber spiegeln sich insbesondere in der Art der von ihnen präferierten Anlageform (z.B. Eigen- vs. Fremdkapital) wider. Die Kapitalanlageentscheidungen orientieren sich vor allem an der individuellen Risikoeinstellung, den jeweiligen Ertragserwartungen und Anlagehorizonten sowie an den vom Kapitalnehmer bereitgestellten Informationen. Innerhalb der Eigen- und Fremdkapitalgeber können weitere Anlegersegmente unterschieden werden. Die weiteste Verbreitung hat die Segmentierung in institutionelle und private Investoren gefunden. Die Anlageentscheidungen institutioneller Investoren (z.B. Banken, Versicherungen, Investmentgesellschaften) unterscheiden sich von denen privater Investoren insbesondere darin, dass sie i.d.R. gesetzlichen oder selbst auferlegten Anlagerestriktionen unterliegen, die Anlageentscheidung überwiegend von mehreren Personen getroffen werden und i.d.R. auf einer profunderen Informationsbasis beruhen. Darüber hinaus zeichnen sich institutionelle Investoren durch ein im Vergleich zu privaten Investoren höheres Anlagevolumen und damit einen höheren Einfluss auf die Kapitalnehmer aus. Auch die Informationsbedürfnisse institutioneller Anleger unterscheiden sich z.T. wesentlich von denen privater Anleger (Süchting, 1995; Schulz, M. 1999).
Neben den Kapitalgebern stellen die Meinungsbildner eine weitere zentrale Zielgruppe im Rahmen des Finanzmarketing dar. Hierzu zählen u.a. die Finanzanalysten, Wirtschaftsjournalisten und Anlageberater (Günther, T./Otterbein, S. 1996). Die Bedeutung dieser Zielgruppe resultiert aus ihrer Transmissionsfunktion im Kommunikationsprozess zwischen Unternehmung und Finanzmarkt sowie ihren hiermit verbundenen Möglichkeiten der Beeinflussung der Kapitalgeber.
III. Strategisches Finanzmarketing
1. Festlegung der Marketingziele
Auf der Grundlage der gewonnenen Unternehmens- und Marktinformationen sowie der vorgenommenen Markt- und Kundensegmentierung sind im Rahmen des Finanzmarketing die kapitalmarktgerichteten Ziele zu formulieren. Als ein mögliches Oberziel kann die „ Maximierung des Unternehmenswertes “ unter den Nebenbedingungen der Aufrechterhaltung von Sicherheit und Liquidität z.B. als Basis für die Operationalisierung der verschiedenen ökonomischen Ziele des Finanzmarketing dienen. Zentrales Ziel des Finanzmarketing ist die Minimierung der Eigen- und Fremdkapitalkosten des Unternehmens. Die Eigenkapitalkosten einer Aktiengesellschaft werden dabei durch einen möglichst hohen Aktienkurs minimiert, da dieser für den Fall einer Kapitalerhöhung ein höheres Aufgeld und eine niedrigere prozentuale Bedienlast durch Dividenden sicherstellt (Günther, T./Otterbein, S. 1996). Analog hierzu führt ceteris paribus auch bei Unternehmen anderer Rechtsformen ein möglichst hoher Marktwert des Unternehmens zu einer Minimierung der Eigenkapitalkosten. Zugleich trägt ein hoher Unternehmenswert zur Verringerung der Fremdkapitalkosten bei, da die in den Fremdkapitalkosten enthaltene Risikoprämie nicht zuletzt durch den Unternehmenswert determiniert wird. Ein weiteres bedeutendes Ziel des Finanzmarketing stellt das Streben nach Unabhängigkeit dar. So können die Aktivitäten im Rahmen des Finanzmarketing zum einen darauf ausgerichtet sein, die Abhängigkeit von einem Kreditgeber durch eine breiter gestreute Fremdkapitalaufnahme zu reduzieren. Zum anderen ist das Management bestrebt, den Einfluss einzelner Aktionäre zu reduzieren oder eine ungewollte Übernahme des Unternehmens durch ein anderes zu erschweren (Link, R. 1993).
Neben den ökonomischen gewinnen psychografische Ziele im Finanzmarketing an Bedeutung. Vor allem durch kommunikative Maßnahmen sollen der Bekanntheitsgrad leistungs- und finanzwirtschaftlicher Aktivitäten der kapitalnachfragenden Institutionen gesteigert, ein vertrauenswürdiges und kompetentes Firmenimage verankert und entsprechende Präferenzen bei den Kapitalanlegern geschaffen werden. Dabei wird ein Mittel-Zweck-Zusammenhang zwischen dem Unternehmensimage bzw. der Corporate Identity und den ökonomischen Zielen postuliert.
2. Marktfeld- und Marktbearbeitungsstrategien
Die Marketingstrategien orientieren sich an den Zielen des Finanzmarketing und dienen als langfristige Verhaltenspläne zu deren Realisation. Marktfeldstrategien legen zum einen fest, ob die finanzwirtschaftlichen Aktivitäten auf bereits bearbeitete oder aber auf für das Unternehmen neue Kapitalmärkte und Kapitalgebersegmente zielen sollen. Zum anderen entscheidet das Unternehmen im Rahmen der Marktfeldstrategie darüber, ob diese Kapitalmärkte und -segmente mit bestehenden oder aber mit modifizierten bzw. gänzlich neuen Formen von Finanzierungstiteln bearbeitet werden sollen. Dabei können sich die Unternehmensaktivitäten auf die Kurspflege bereits emittierter Wertpapiere (Sekundärmarktorientierung) oder auf die Begleitung der Ausgabe neuer Wertpapiere beziehen (Primärmarktorientierung).
Hierauf aufbauend ist im Rahmen der Marktbearbeitungsstrategie festzulegen, ob die Bearbeitung der ausgewählten Kapitalmärkte mit einem differenzierten oder einem undifferenzierten Marketingprogramm erfolgen soll. Aufgrund der unterschiedlichen Charakteristika institutioneller und privater Kapitalgeber ist i.d.R. ein differenziertes Zielgruppenmarketing erforderlich. Soweit eine Veränderung der Kapitalgeberstruktur z.B. zur Verringerung des Einflusses einzelner Kapitalgeber als Finanzmarketingziel formuliert wurde, sind die Marketingmaßnahmen darüber hinaus speziell auf jene Zielgruppe auszurichten, die als bevorzugte Kapitalgeber identifiziert wurden (z.B. ausländische, private Anleger). An den Bedürfnissen dieser bevorzugten Kapitalgeber muss sich dann die Gestaltung des operativen Finanzmarketingmix orientieren.
IV. Operatives Finanzmarketing
1. Produktpolitik
Die Produktpolitik umfasst alle Entscheidungen, die auf die erstmalige und laufende Gestaltung der Finanzierungstitel gerichtet sind (Produktinnovation, -variation, -eliminierung). Hiermit soll vor allem das Portfolio der unterschiedlichen Eigen- und Fremdkapitaltitel in seiner Breite und Tiefe im Sinne der Unternehmensziele sowie für die bevorzugten Kapitalgeber optimiert werden. Mithilfe dieses sogenannten Financial Engineering im Rahmen der Produktpolitik können die Chancen und Risiken aus dem Kapitalüberlassungsverhältnis sowie hierauf aufbauend des individuellen Kapitalgeberverhaltens hinsichtlich Bereitstellungshöhe, -dauer und -kosten beeinflusst werden (Becker, F. G. 1994).
Aufgrund rechtlicher Restriktionen sind den produktpolitischen Gestaltungsmöglichkeiten der Eigenfinanzierung dabei grundsätzlich enge Grenzen gesetzt. Gleichwohl existieren einige Ansatzpunkte für eine bedürfnisgerechte Produktpolitik auch im Rahmen der Eigenkapitalaufnahme. Bei einer Neuemission von Eigenkapitalanteilen sind zunächst Entscheidungen hinsichtlich der Übertragbarkeit, des Nennwertes und der Primäreigenschaften der Anteile zu treffen. Nach der Übertragbarkeit der Eigenkapitalanteile lassen sich bei Aktiengesellschaften z.B. Inhaber-, Namens- und vinkulierte Namensaktien unterscheiden. Namensaktien erlauben es dem emittierenden Unternehmen, einen genauen Überblick über seine Anteilseignerstruktur zu gewinnen. Vinkulierte Namensaktien geben dem Management darüber hinaus die Möglichkeit, die Aktionärsstruktur in gewissen Grenzen zu beeinflussen. Auch über den Nennwert lässt sich auf die Handelbarkeit eines Eigenkapitalanteils und damit auf die Anteilseignerstruktur einwirken. Ist ein Unternehmen z.B. an einer hohen Fungibilität und breiten Streuung seiner Anteile bei privaten Kleinanlegern interessiert, wird es einen möglichst niedrigen Nennwert und damit eine hohe Anzahl umlaufender Anteilsscheine anstreben (Schierenbeck, H. 1998). Einen weiteren Ansatzpunkt zur zielgruppenspezifischen Ausgestaltung der Eigenkapitalanteile bietet die Variation der mit einem Anteilsschein verbundenen Anrechte auf Dividende und Stimmrecht durch die Begebung von Stamm- oder Vorzugsaktien.
Bei der Beschaffung von Fremdkapital stehen einem Unternehmen gleichfalls verschiedene Gestaltungsoptionen für eine zielgruppenorientierte Fremdkapitalaufnahme zur Verfügung. Ansatzpunkte stellen dabei insbesondere die Laufzeit, die Tilgungsmodalitäten, die Verbriefung oder Nichtverbriefung, die Unterlegung mit Sicherheiten sowie die Vereinbarung von Negativklauseln dar. Mit den unterschiedlichen Konstruktionsmöglichkeiten kann die Position des Kapitalgebers im Hinblick auf eine vor- oder nachrangige Partizipation am Unternehmenserfolg, die rechtliche Stellung im Konkursfall sowie die Einflussnahme auf die Geschäftspolitik beeinflusst und hierdurch indirekt die Struktur der Fremdkapitalgeber gesteuert werden (Süchting, 1995).
Während die Entscheidungen über das Finanzierungsprogramm in den zentralen Kompetenzbereich des Finanzmanagement fallen, gewinnen im Rahmen des Finanzmarketing sog. Zusatzdienstleistungen (Value Added Services) zunehmendes Interesse. Ziel ist es, die Bindung zu den Kapitalanlegern zu stärken (Meffert, H./Burmann, C. 1996). Als Beispiel hierfür sei das Angebot der kostenlosen Verwaltung der von den Anlegern erworbenen Finanzierungstitel angeführt.
2. Kontrahierungspolitik
Eng mit den produktpolitischen Entscheidungen verbunden ist die Preis- bzw. Kontrahierungspolitik im Rahmen der Kapitalbeschaffung. Sie umfasst sämtliche Entscheidungen hinsichtlich des Entgelts für das zur Verfügung gestellte Kapital. Die Entscheidungsspielräume im Rahmen der Kontrahierungspolitik werden dabei durch die Preisbildung an den zunehmend transparenten Finanzmärkten eingeschränkt. Dennoch bieten sich kontrahierungspolitische Gestaltungsoptionen im Rahmen der Eigenkapitalaufnahme insbesondere im Rahmen der Gewinnverteilungspolitik eines Unternehmens. Dabei legt das Unternehmen in Abhängigkeit von der priorisierten Zielgruppe die Höhe, den Zeitpunkt und die Form der Dividendenausschüttung fest. So bevorzugen institutionelle Anleger eine eher gewinnabhängige Dividendenpolitik, wohingegen bei Kleinanlegern ein stärkeres Interesse an einer kontinuierlichen Dividendenzahlung existiert (Becker, F. G. 1994). Im Rahmen der Neuemission von Eigenkapitalanteilen gilt es demgegenüber, den Emissionszeitpunkt und -preis festzulegen, der dem Unternehmen die voraussichtlich geringsten Eigenkapitalkosten gewährleistet und langfristig den Marktzugang sichert. Analog hierzu tragen die Wahl des Zeitpunkts der Kreditaufnahme, die vereinbarte Laufzeit sowie die Modalitäten der Zins- und Tilgungszahlungen wesentlich zu einer Beeinflussung der Fremdkapitalkosten bei.
3. Distributionspolitik
Im Rahmen der Distributionspolitik sind die Kapitalbezugswege des Unternehmens festzulegen. Dabei gilt es, zunächst die grundsätzliche Entscheidung zu treffen, ob die Kapitalnachfrage am überwiegend anonymen Markt einer Wertpapierbörse oder aber bei einem oder einigen wenigen ausgewählten Kapitalgebern (z.B. Hausbank, Kreditkonsortium, Beteiligungsgesellschaft) erfolgen soll. Entscheidet sich das Unternehmen für eine Kapitalaufnahme an der Börse, gilt es in einem weiteren Schritt eine Entscheidung hinsichtlich des Börsensegmentes, der Börsenplätze, des Konsortialführers und der Mitglieder des Emissionskonsortiums sowie der Zuteilungspolitik zu treffen.
Die Auswahl des Börsensegmentes und insbesondere der nationalen oder internationalen Börsenplätze ermöglicht dabei die gezielte Ausrichtung an den Präferenzen unterschiedlicher Zielgruppen von Kapitalgebern. Kriterien bei der Auswahl des Konsortialführers und der Mitglieder des Emissionskonsortiums sind sowohl die Emissionskosten als auch das Vertrauen in die Kompetenz, die Kapitalanteile bei den gewünschten nationalen und internationalen Zielgruppen zu den günstigsten Kapitalkosten platzieren zu können. Bei einer Überzeichnung der Emission können im Rahmen der Zuteilungspolitik die favorisierten Zielgruppen des Unternehmens wie z.B. Kleinanleger bevorzugt bedient werden. Eine weitere Möglichkeit zur zielgruppenspezifischen Platzierung von Finanzierungstiteln stellt die bevorrechtigte Zuteilung der Titel an dem Unternehmen nahestehende Investoren dar. In diesem Zusammenhang gewinnen sowohl spezielle Mitarbeiterprogramme als auch sogenannte Affinity-Programme für Kunden, Geschäftspartner und Freunde eines Unternehmens zunehmend an Bedeutung. Diese Programme zielen insbesondere auf die Etablierung eines langfristigen Beziehungsverhältnisses zwischen Kapitalanleger und Unternehmen ab und sind damit ein Ansatzpunkt zum Relationship-Management im Rahmen des Finanzmarketing.
4. Kommunikationspolitik
Die Finanzmarktkommunikation befasst sich mit der zielgerichteten Gestaltung aller auf die Finanzmärkte gerichteten Informationen unter Beachtung der Gesetzgebung zum Insiderwissen. Ziel der Finanzmarktkommunikation ist die langfristige Unterstützung der angestrebten Unternehmensaktivitäten durch die aktuellen oder potenziellen Kapitalgeber, indem diese Fremd- oder Eigenkapital zu möglichst niedrigen Kapitalkosten bereitstellen und/oder die vom Management angestrebte Unternehmenspolitik durch entsprechende Ausübung ihres Stimmrechtes unterstützen. Dabei gilt es, die Finanzmarktkommunikation inhaltlich, zeitlich und formal in die gesamte Unternehmenskommunikation zu integrieren, um hierdurch einen einheitlichen Außenauftritt des Unternehmens sicherzustellen.
Der Kommunikationspolitik kommt im Rahmen des Finanzmarketing aus zweierlei Gründen eine besondere Bedeutung zu. Zum einen sind mit ihr im Vergleich zur Produkt-, Kontrahierungs- und Distributionspolitik größere Gestaltungsmöglichkeiten verbunden, da sie weniger als die anderen Instrumente den rechtlichen Rahmenbedingungen und Marktvorgaben unterliegt. Zum anderen gestalten sich die Produkt-, Kontrahierungs- und Distributionspolitik beim Finanzmarketing überwiegend punktuell zum Zeitpunkt der Kapitalaufnahme. Wenngleich auch der Prozess der Kapitalaufnahme durch spezifische kommunikationspolitische Maßnahmen flankierend begleitet werden kann, so erweist sich die Kommunikationspolitik doch als überwiegend kontinuierlich und weniger auf einen einzelnen Zeitpunkt ausgerichtet als die anderen Marketinginstrumente (Tiemann, K. 1997).
Die verschiedenen Formen der Finanzmarktkommunikation lassen sich nach der Art der Zielgruppenadressierung in Instrumente der persönlichen und der unpersönlichen Kommunikation unterteilen. Zu den wichtigsten Instrumenten der persönlichen Finanzmarktkommunikation zählen die Haupt- bzw. Gesellschafterversammlung sowie Unternehmenspräsentationen vor ausgewählten Zielgruppen oder Einzelgespräche mit bedeutenden Kapitalgebern und Meinungsbildnern. Die Haupt- bzw. Gesellschafterversammlung stellt i.d.R. das zentrale Instrument der persönlichen Kommunikation mit den Eigenkapitalgebern, aber auch der interessierten Öffentlichkeit bzw. Presse dar. Sie übt einen wesentlichen Einfluss auf die Meinungsbildung aus und ermöglicht die Veränderung bzw. Stärkung des Vertrauens von Investoren und Multiplikatoren in die Geschäftsführung sowie das gesamte Unternehmen. Mit steigender wirtschaftlicher Bedeutung eines Unternehmens gewinnt dabei die Resonanz von Analysten und Presse auf die im Rahmen einer Haupt- bzw. Gesellschafterversammlung verkündeten Informationen zunehmend an Bedeutung. Die redaktionellen Beiträge der Medien sowie Analystenmitteilungen besitzen im Vergleich zu reinen Werbeanzeigen eines Unternehmens deutlich höhere Recognitions-Werte und zeichnen sich bei den Zielgruppen grundsätzlich durch eine höhere Akzeptanz und Glaubwürdigkeit aus.
Auch Unternehmenspräsentationen im Rahmen von Roadshows oder Anlegermessen und Einzelgespräche mit relevanten Zielgruppen bilden ein wichtiges Instrument der Finanzmarktkommunikation. Zielgruppen dieser Kommunikationsinstrumente sind überwiegend institutionelle Investoren, Anleger aus dem Segment vermögender Privatkunden sowie Multiplikatoren wie Finanzanalysten oder Medienvertreter. Inhaltlich gilt es dabei die Präsentationen auf den jeweiligen Gesprächspartner individuell abzustimmen. Grundsätzlich dominieren hier Aussagen zur strategischen Ausrichtung des Unternehmens sowie zu mittel- und kurzfristigen Unternehmenszielen.
Zentrale Elemente der unpersönlichen Finanzmarktkommunikation sind der Geschäftsbericht, Anzeigen in den Printmedien sowie zunehmend die multimediale Kommunikation und Bereitstellung von Informationen im Internet. Die noch immer wichtigste Informationsquelle für institutionelle Kapitalgeber stellt der Geschäftsbericht dar. Wenngleich weder die Aufstellung des Geschäftsberichtes selbst, noch seine Verbreitung oder die inhaltliche und optische Gestaltung gesetzlich geregelt sind, beinhalten verschiedene Gesetze einschlägige Vorschriften, die der Erstellung eines Geschäftsberichtes einen rechtlichen Rahmen verleihen (Küting, K.H./Hütten, C. 1996). Diese gesetzliche Normierung macht den Geschäftsbericht zu einem vergleichsweise objektivierten Kommunikationsinstrument, das jedoch in der Qualität der inhaltlichen sowie optischen Gestaltung und damit in der Perzeption durch die Zielgruppen erheblich variieren kann (Baetge, J./Kirchhoff, K. 1997).
Im Gegensatz zu den anderen Kommunikationsinstrumenten werden Anzeigen in Printmedien überwiegend punktuell für die Finanzmarktkommunikation eingesetzt. Printanzeigen dienen in diesem Zusammenhang primär der werblichen Unterstützung einer Kapitalerhöhung oder eines Going public. Aber auch im Rahmen von Unternehmensübernahmen oder -fusionen stellen Printanzeigen ein wesentliches Element der Kommunikation mit der breiten Masse der Aktionäre des eigenen Unternehmens oder des an der Übernahme bzw. Fusion beteiligten Unternehmens dar.
In jüngster Zeit gewinnt insbesondere die Finanzkommunikation über das Internet zunehmend an Bedeutung (Schiller, B./Pelizaeus, T./Werneke, M. 1999; Weiss, H.J./Heiden, M. 2000). Insbesondere für große Publikumsgesellschaften bietet sich dieses Medium zur zielgerichteten Kommunikation mit der breiten Masse der Kapitalgeber an. Dabei sollten zum einen sämtliche finanzmarktrelevanten Pressemitteilungen sowie die aktuellen Geschäfts- und Zwischenberichte des Unternehmens auf dessen Internetseiten zugänglich sein. Zum anderen sind aber auch die mit diesem Medium einhergehenden Möglichkeiten des interaktiven Dialogs zwischen Unternehmen und Investoren bzw. Meinungsbildnern zu nutzen. In diesem Zusammenhang bieten sich elektronische Newsletter ebenso an wie das Angebot zur Anforderung von Finanz- und Unternehmensinformationen oder Geschäftsberichten via e-mail. Schließlich kann im Internet auch eine Kooperation mit Informations-Intermediären mit finanzwirtschaftlichem Bezug, z.B. im Rahmen einer Kapitalerhöhung, eine sinnvolle Möglichkeit zur zielgruppenbezogenen Finanzmarktkommunikation darstellen.
V. Kontrolle und Implementierung des Finanzmarketing
Die im operativen Finanzmarketing ergriffenen Aktivitäten gilt es im Rahmen der Marketingkontrolle hinsichtlich ihrer Effizienz und Effektivität zur Erreichung der formulierten Finanzmarketingziele zu überprüfen. Hierzu sind die relevanten Informationen von der Finanzmarktforschung kontinuierlich zu erheben und die Sollvorgaben und Istzustände der verschiedenen Marketingziele kontinuierlich zu vergleichen. Während die Wirksamkeit einzelner Maßnahmen zur Beeinflussung der Kapitalgeberstruktur vergleichsweise leicht zu erfassen ist, entzieht sich der Wirkungszusammenhang der Aktivitäten zur Minimierung der Kapitalkosten jedoch oftmals einer umfassenden Kontrollmöglichkeit. Grund hierfür ist die Tatsache, dass die Kapitalkosten des Unternehmens nicht ausschließlich durch das Finanzmarketing, sondern insbesondere auch durch weitere Variablen wie z.B. die zukünftige Ertragskraft des Unternehmens, das Produktprogramm oder die Konjunkturentwicklung determiniert werden (Becker, F. G. 1994).
Aus der Notwendigkeit der Planung, Koordination und Kontrolle einer Finanzmarketingkonzeption im Unternehmen ergibt sich die zentrale Aufgabe der Institutionalisierung des Finanzmarketing in der Unternehmensorganisation. In den Unternehmungen müssen somit die organisatorischen und personellen Voraussetzungen geschaffen werden, um die Orientierung an den Bedürfnissen der Kapitalgeber zu gewährleisten. Viele Unternehmen, die sich mit dem Finanzmarketing auseinandersetzen, ordnen dieses organisatorisch der PR-Abteilung des Unternehmens zu (Link, R. 1993). Angesichts des hier zugrunde gelegten, umfassenden Verständnisses vom Finanzmarketing, das weit über die reine finanzmarktbezogene Kommunikationspolitik hinausgeht, wird jedoch eine solche Zuordnung der hohen Bedeutung des Finanzmarketing nur unzureichend gerecht. Sinnvoll erscheint vielmehr eine Zuordnung des Finanzmarketing zum Finanz- und Rechnungswesen des Unternehmens. Hier liegt das für die Finanzmarktforschung sowie zur Formulierung der Finanzmarktstrategien und zur Auswahl der operativen Finanzmarketingaktivitäten erforderliche Know-how i.d.R. überwiegend vor. Darüber hinaus werden von diesem Bereich auch traditionell die Kontakte zu den wichtigsten Kapitalgebern unterhalten. Zuletzt sei auf die unterstützende Zusammenarbeit mit externen Dienstleistern hingewiesen (z.B. Finanzmarktforschungsinstitute, Werbeagenturen und Finanzberater). Sie ist aus Kapazitäts- und Effizienzgründen meist bei mittelständischen Unternehmungen erforderlich.
Literatur:
Baetge, J./Kirchhoff, K. : Der Geschäftsbericht, die Visitenkarte des Unternehmens, Wien 1997
Becker, F. G. : Finanzmarketing von Unternehmungen. Konzeptionelle Überlegungen jenseits von Investor Relations, in: DBW, H. 3/1994, S. 295 – 313
Günther, T./Otterbein, S. : Die Gestaltung der Investor Relations am Beispiel führender deutscher Aktiengesellschaften, in: ZfB, H. 4/1996, S. 389 – 417
Hartmann-Wendels, T. : Diskussionsbeitrag zum Thema Investor Relations, in: BFuP 1993, S. 184 – 206
Krystek, U./Müller, M. : Investor Relations – eine neue Disziplin nicht nur für das Finanzmanagement, in: DB 1993, S. 1785 – 1789
Küting, K.H./Hütten, C. : Der Geschäftsbericht als Publizitätsinstrument, in: Betriebsberater 1996, S. 2671 – 2679
Link, R. : Aktienmarketing in deutschen Publikumsgesellschaften, Wiesbaden 1991
Link, R. : Investor Relations im Rahmen des Aktienmarketing von Publikumsgesellschaften, in: BFuP, H. 2/1993, S. 105 – 132
Meffert, H. : Marketing – Grundlagen marktorientierter Unternehmensführung, 8. A., Wiesbaden 1998
Meffert, H./Burmann, C. : Value-Added-Services bei Banken, in: BuM, H.4/1996, S. 26 – 29
Schierenbeck, H. : Bank Assurance – institutionelle Grundlagen der Bank- und Versicherungsbetriebslehre, 4. A., Wiesbaden 1998
Schierenbeck, H./Hölscher, R. : Perspektiven im Markt für Finanzdienstleistungen, in: BuM, H. 2/1989, S. 5 – 12
Schiller, B./Pelizaeus, T./Werneke, M. : Das Internet – ein Investor Relations-Instrument, in: WISU 1999, S. 1099 – 1105
Schreib, H. R. : Investor Relations aus Sicht der Anleger, in: BFuP, H. 2/1993, S. 163 – 172
Schulz, M. : Aktienmarketing, Sternenfels 1999
Steiner, M. : Marktorientierte Unternehmensstrategien von Börsen, in: , Handbuch Finanzdienstleistungen, hrsg. v. Brunner, W.L./Vollath, J.. Stuttgart 1993, S. 409 – 429
Süchting, J. : Finanzmanagement, 6. A., Wiesbaden 1995
Tiemann, K. : Investor Relations, Wiesbaden 1997
Weiss, H.J./Heiden, M. : Investor Relations im Internet, FAZ, 07.02.2000, S. 31
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